Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Zwischen Zeiten und Stilen

 

Christina Pluhar hat mit ihrem 2000 gegründeten Ensemble L’Arpeggiata einige bemerkenswerte Einspielungen mit frühbarocker Musik vorgelegt, die österreichische Lautenistin und Harfenistin ist nun auch als Komponistin aktiv geworden. Mit Orfeo Chamán (Orfeo, der Schamane) wählte Pluhar ein Libretto des kolumbianischen Dichters Hugo Chaparro Valderrama. Europäische und lateinamerikanische Mythologie treffen hier aufeinander. Erzählt wird die Orpheus-Geschichte, ergänzt durch weitere Figuren, Orpheus‘ Bruder Aristeo will Eurydike vergewaltigen, die Fliehende wird durch einen Schlangenbiss getötet. Weiterhin sind auch der Meeresgott Proteus, Odysseus, eine Nymphe und ein Schutzgeist dabei. Auch der schamanische Orpheus dreht sich um, Eurydike verschwindet und der Sänger wird von den Bacchantinnen zerrissen. Zu hören ist ein Pasticcio verschiedenster Stile, lateinamerikanische Musik in frühbarocker Instrumentierung, arrangierte Volkslieder katalanischen, sizilianischen, bulgarischen, venezolanischen und mexikanischen Ursprungs, dazu wenig bekannte Barockmusik – eine Sinfonia von Giovanni Battista Pederzuoli (1630-1689) sowie Musik von Christian Ritter (1645-1725). L’Arpeggiatas Klangbild ist adaptiert, die 16 Musiker spielen nicht nur typisch barocke Instrumente, sondern zusätzlich eine in Kolumbien verbreitete kleine, viersaitige Gitarre, Rumbarasseln und Schlaginstrumente – durch den folkloristischen Einschlag entsteht eine neobarocke Oper mit einem zeitgenössischen Latino-Flair, die nicht dramatisch zugespitzt ist, sondern sich zwischen rhythmischen Schwung und Melancholie bewegt. Die Hauptrolle singt der Argentinier Nahuel Pennisi, ein Star in Lateinamerika, der von Geburt an blind ist und als Gitarrist und Sänger vor seinem Durchbruch als Straßensänger tätig war. Mezzosopranistin Luciana Mancini ist eine ungewöhnliche Eurydice mit starkem lateinamerikanischem Einschlag, Vincenzo Capezzuto ist hauptberuflich Ballett-Tänzer und sang mit seiner Counterstimme bereits 2010 auf Pluhars Album „Via Crucis“, Tenor Emiliano Gonzalez Toro ist der Vierte im gut zusammengestellten Bunde. Die CD wurde 2015 eingespielt, auf einer zusätzlichen DVD (als Bonus der „Deluxe“-Version) ist die für das Teatro Mayor Julio Mario Santo Domingo im kolumbianischen pharmacy board america Bogotá geschaffene Inszenierung aus dem Jahr 2014, die Gesang, Tanz und Schauspiel als kunterbuntes Phantasiewerk mit Anspielungen an Mozarts Zauberflöte vereint. (Erato 0190295969691)

John Frandsen DacapoJohn Frandsen (geboren 1956) ist einer der viagraonlinepharmacy-best.com renommiertesten lebenden dänischen Komponisten mit einem umfangreichen Werk: Opern, Konzerte, Kammermusik sowie sakrale Werke (darunter auch ein Stabat Mater und ein Requiem) und Vokalmusik für Chor und Einzelstimme. Die hier zusammengestellten Lieder heißen schlicht Songs für solo voice, piano & guitar. Frandsen setzte deutsche, englische und skandinavische Lyrik in Töne und ordnete sie in Zyklen. Zu Beginn steht die 1993 viagra online canadian pharmacy geschaffene „Lystens liturgi“, eine Liturgie der Lust nach Worten von Pia Tafdrup und Salomons Hohelied, eine Liebeserklärung in Dänisch und Latein, die zwei Idiome zusammen bringt, präsentiert von der Pianistin Sofia Wilkmann und die Sopranistin Lise Davidsen. „Winternächte“ sind vier Gedichte von Hermann Hesse, die von Countertenor Morten Grove Frandsen und dem Pianisten Orsi Fajger präsentiert werden. Aus dem Jahr 1984 stammen die sieben „Songs of Innocence“, 1991 entstanden die fünf „Songs of Experience“, beide basieren auf Gedichten von William Blake, Frandsen hat beide Zyklen durch musikalische Parallelen miteinander verknüpft. „Unschuld“ bezieht sich auf die Kindheit und Jugend in Form von Erwartung und Freude, „Erfahrung“ ist ein Lamento ohne Zuspruch oder Trost und auch als Antwort auf „Unschuld“ konzipiert. Der Sopran von Liv Oddveig Midtmageli wird dabei begleitetet vom Gitarristen Jesper Sivebæk. Weiterhin gibt es Gedichte von Henrik Nordbrandt sowie „Seven silly songs“ nach anonymen englischen Spott- und Nonsense-Versen, die die CD beschließen. Man hört hier dicht gewebte Strukturen, singbare Melodien und suggestive Stimmungen – Frandsen ist einfallsreich, manche Lieder erinnern an Benjamin Britten. Wer sich exemplarisch die in Deutsch gesungenen „Winternächte“ nach Hermann cheapcialisforsale-online Hesse (Oktober 1944, La belle qui veut, Knarren eines geknickten Astes, Böse Zeit) vornimmt, die von Altern, Entfremdung und Kälte handeln, kann beim Anhören von Frandsens Liedern den Eindruck erhalten, dass manche Verknüpfungen zwischen Wort und Ton nicht unmittelbar überzeugen. Das Kriegsgedicht „Oktober 1944“ beginnt mit einer Wetterbeschreibung, Frandsen vertont dies unruhig, fast aufgeregt, die folgende persönliche Bilanz mit dem Vers „Durch entlaubter Äste Gitter / Blickt der Winter todesbitter“ ist hingegen ohne innere Aufregung und schicksalsergeben. „La belle qui veut“ mit Reminiszenzen an eine verflossene Liebe beginnt nüchtern, die Musik beklagt nicht den Verlust der Liebe, sondern das Vergehen der Zeit, der Vers „Ich glaub’ es geht dem Winter zu“ wirkt nicht melancholisch, sondern lakonisch. „Kahl, fahl, zu langen Lebens, zu langen Sterbens müd“ – die Lebensmüdigkeit in „Knarren eines geknickten Astes“ mit abgehackten Silben bündelt eine Empörung, die an anderen Stellen der Sammlung passender wäre. Und die lange Dunkelheit, die im Vers „Gib mir die Hand, vielleicht ist unser Weg noch weit“ des Gedichts „Böse Zeit“ kumuliert, besitzt kaum Kummer. Es ist kein selbstverständlicher Zugang zu Hesses Lyrik. Ca. 10 Opern scheint der Däne bisher komponiert zu haben – es wäre interessant zu wissen, wie präzise er dort den Ausdruck seiner Themen trifft. Anhand dieser Liedersammlung scheint der Zugang zu seiner tonalen, aber manchmal spröde anmutenden Musik nicht schwer und doch benötigt es wahrscheinlich Geduld. Wer auf der Suche nach einem interessanten zeitgenössischen Lied-Komponisten ist, sollte sich Frandsens Œuvre purchase cheap cialis soft tabs anschauen, der Komponist hat eine Homepage mit Notenbeispielen (http://www.johnfrandsen.eu/). (Dacapo 8.226582) Marcus Budwitius

 

Bekanntes und Neues

 

Unter dem etwas reißerischen Titel Fantastic Cencic veröffentlicht Erato/Warner Classics auf 3 CDs Aufnahmen mit dem Countertenor Max Emanuel Cencic, die aus mehreren seiner Einspielungen der Jahre 2007 bis 2012 zusammengestellt sind (0190295904722). Für die Freunde des Sängers und Sammler seiner Dokumente dürfte die dritte CD der Anthologie von besonderem Interesse sein, enthält sie doch bisher unveröffentlichtes Material mit dem Knabensopran aus den Jahren 1992/93. Da findet sich romantisches Liedgut neben geistlicher Musik, einer Verdi-Arie und dem Frühlingsstimmen-Walzer von Johann Strauß. Bei den ersten 16 Titeln – Lieder von Schubert, Mendelssohn, Mahler, Schumann und Strauss – begleitet Norman Shetler am Klavier sehr einfühlsam. Die klare, helle Stimme weiß in Kompositionen wie Schuberts ”Ständchen“ und „Romanze“ oder Schumanns „Mondnacht“ durch einen keuschen, innigen Klang besonders anzurühren. In anderen („Die Taubenpost“) geht von dem Vortrag eine zu niedliche Wirkung aus, die nicht den gesungenen Texten entspricht. Überzeugend die Schlichtheit bei drei Mendelssohn-Liedern, imponierend die lupenreine Höhe in zwei „Wunderhorn“-Vertonungen Mahlers. Schuberts „Der Hirt auf dem Felsen“ ist eine bei lyrischen Koloratursopranen beliebte Nummer, und auch der junge Sänger weiß hier (in einer Live-Aufnahme) mit einer ausgewogenen Wiedergabe im getragenen ersten Teil und flüssiger Koloratur im finalen Allegro zu brillieren. Auch drei Lieder von Strauss sind live mitgeschnitten, aber hier gerät der Interpret in der exponierten Lage („Cäcile“/„Zueignung“) an seine Grenzen mit dem Resultat eines verzerrten Klanges. Bei den Oratorien und anderen Werken begleitet Kazuhiro Yamawaki am Flügel. Offenbar handelt es sich dabei um die Aufzeichnung eines Konzertes aus Japan. Leider gibt die Trackliste darüber keine Auskunft, ohnehin ist sie die einzige Beilage dieser bescheiden ausgestatteten Ausgabe. Dem virtuosen „Let the Bright Seraphim“ aus Händels Samson folgen das asketische „Pie Jesu“ aus Faurés Requiem und die innige Arie „Zerfließe mein Herze“ aus Bachs Johannespassion. Für alle Stücke findet Cencic den entsprechenden Ausdruck. Der Übergang zur Canzone des Oscar aus Verdis Ballo in maschera ist allerdings etwas krass, doch hat Cencic dafür den passend koketten Ton parat, was mit spontanem Beifall honoriert wird. Mit dem Frühlingsstimmen-Walzer endet das Programm schwungvoll und charmant mit brillanten staccati, aber einigen knappen Tönen in der Extremlage.

CD 1 bringt zu Beginn fünf Nummern aus der Rossini-CD von Cencic aus dem Jahre 2007, bei der ihn Michael Hofstetterund das Orchestre de Chambre de Genève begleitet hatten. Der Counter gehört damit in der Neuzeit (neben Matthias Rexroth/2004 und Franco Fagioli heute) zu den Pionieren seiner Stimmgattung, die sich auch der Interpretation von Rossinis Musik widmen. Er zeigt sich hier auf der Höhe seiner Kunstfertigkeit mit einem mühelosen Fluss der Koloraturen und – je nach dem Charakter der Arien – vehementem wie berührendem Vortrag. Der Rest der Scheibe stammt aus seinem Venezia-Programm von 2013 mit Riccardo Minasi am Pult des Ensembles Il Pomo d’oro. Der Interpret lässt hier – im Abstand von sechs Jahren zur voran gegangenen Platte – einen neuen Reifegrad der Stimme und ein gewachsenes Ausdrucksspektrum erkennen. Am Beispiel des schmerzlichen „Sposa… non mi conosci“ aus Giacomellis Merope ist das unschwer zu belegen. Von ähnlich ergreifender Wirkung ist „Dolce mio ben“ aus Gasparinis Flavio Anicio Olibrio, während „Barbaro non comprendo“ aus Caldaras Adriano in Siria und „Mi vuoi tradir“ aus Vivaldis La verità in cimento gleichermaßen der Virtuosität wie dem furiosen Affekt huldigen.

CD 2 bietet Ausschnitte aus erfolgreichen Gesamtaufnahmen mit dem Sänger, darunter die Weltersteinspielung von Vivaldis Farnace mit den Barocchisti unter Diego Fasolis, der spektakuläre Artaserse von Vinci, ebenfalls unter Fasolis und die CD-Premiere von Glucks Ezio mit Alan Curtis. Natürlich wurden aus diesen Opern die Highlights ausgewählt – wie das „Gelido in ogni veno“ aus dem Farnace, das die Stimme in ihrem ganzen sinnlichen Reiz und der überwältigenden Ausdruckskraft festhält, das fulminant auftrumpfende „Va’ tra le selve“ aus dem Artaserse und aus dem Ezio das berührend schlichte „Dubbioso amante“ wie halsbrecherisch bravouröse „Se tu la reggi al volo“.

Mehrere Raritäten von Händel runden das Programm ab. Gleich die ersten drei Arien des Titelhelden aus Faramondo fordern in ihrem hohen Anspruch einen Ausnahmeinterpreten, dem sich Cencic souverän gewachsen zeigt. Zu den unbekannten Opern des Komponisten gehören auch Fernando, aus der das heroisch-kämpferische „Sì, sì minaccia“ zu hören ist, und Arianna in Creta, aus der mit „Salda quercia in erta balza“ ein Feuerwerk der Affekte erklingt. Ein solches setzt sich fort bei „Sorge nell’ alma mia“ aus Imeneo, während des Titelhelden „Alma mia“ aus Floridante eine von Händels ergreifend getragenen Arien ist. Immer für ein Counter-Duell gut ist Tamerlano, waren doch der Titelheld und Andronico zwei berühmte Kastratenrollen. Cencic singt hier Andronicos „Benchè mi sprezzi“, das einmal mehr seine Beherrschung des virtuosen Zierwerks demonstriert. Mit „Pena tiranna“ aus Amadigi di Gaula endet das Programm mit einer von Händels berühmten melodischen Eingebungen.

Barockfreunden dürften all diese Nummern bekannt und Bestandteil ihrer Sammlung sein – wer aber keinen gesteigerten Wert auf komplette Werk-Einspielungen legt, ist mit dieser Ausgabe (Und die drei CDs sind randvoll gefüllt!) gut bedient. Vielleicht sind die Ausschnitte auch eine Anregung, sich diese oder jene Gesamtaufnahme zuzulegen. Bernd Hoppe

„Wandern mit Clemens“

 

Was veranlasst einen noch nicht einmal 40 jährigen Sänger, seine Biographie zu schreiben bzw. (von Michaela Brenneis) schreiben zu lassen? Im Falle des Baritons Clemens Unterreiter scheint es die Tatsache gewesen zu sein, dass er im Jahre 2015 auf zehn Jahre Mitgliedschaft zum Ensemble der Wiener Staatsoper zurückblicken konnte, ein Jubiläum, das er offensichtlich nicht hat unbemerkt von der Welt verstreichen lassen wollen. Davon zeugen die über das gesamte Buch verstreuten Glückwünsche anderer, berühmterer Sänger und Sängerinnen, die irgendwann einmal seinen Weg gekreuzt und sicherlich nicht in ihrem Kalender diesen Termin angestrichen hatten. Der Bariton selbst singt an der Staatsoper eher kleinere als mittlere Rollen, bei Festivals und anderen Veranstaltungen, die sämtlich als „renommiert“ apostrophiert werden, auch Partien wie Wolfram, Telramund oder Tonio. Und Agenten wie Opernhäuser werden aufmerken, wenn sie die Wünsche des Sängers, der sich für einen Kavaliers- und Heldenbariton hält, für die Zukunft zur Kenntnis nehmen: Wotan, Rigoletto, Scarpia, Rodrigo, Mandryka, Conte Almaviva. „Sie sind mit ihren Höhen und Tiefen genau mein Fach.“ Ehe es so weit ist, beteuert Unterreiner immer wieder, wie wichtig es ist, auch kleine Partien sehr ernst zu nehmen und ihnen alle Kraft und Aufmerksamkeit zu widmen.

Das Buch hat einige Schwächen, die es mit anderen teilt, so das vorgetäuschte Schreiben in der Ich-Form, das eigentlich (Eigenlob!) Bescheidenheit voraus setzt. Vom eigenen „ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“ zu schwärmen oder „immer ein Liedchen auf den Lippen“ zu haben, klingt peinlich. Unangenehm berührt auch, dass seine „Höhepunkte“ in der Begegnung mit berühmten Sängern bestehen, angefangen von Eva Marton, die in derselben Straße in Wien wohnte, über Edita Gruberova, die sich für Hilfestellung beim Überklettern einer Barriere „mit keckem Lächeln“ bedankte, bis hin zu Natalie Dessay, die er in „Die Regimentstochter“ am Arm festhalten durfte.

Neben der Tätigkeit als Sänger, und die an der Wiener Staatsoper ist sicherlich eine höchst erstrebens- und achtenswerte, um die ihn viele Berufskollegen beneiden, widmet sich der Bariton noch vielem anderen, so der Veranstaltung eines Gesangswettbewerbs (Opera Mania), der augenblicklich aber wohl nicht stattfindet, einem Wohltätigkeitsverein, der Konzerte zugunsten Hilfsbedürftiger organisiert, dem Management, dem Vizevorsitz des Wiener Wagner-Vereins (wohl augenblicklich nicht mehr), auch mal der Veranstaltung „Wandern mit Clemens“ in Anlehnung an Hansi Hintermeier.

Den Kollegen, die nach Aussage Unterreiners kritisieren, er suche zu oft und gern die Präsenz in den Medien, dürfte das Buch ein weiterer Stein des Anstoßes

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sein und Stoff zu weiterem Lästern geben. Aber auch Nichtsänger stört vielleicht eine Aussage wie „Arzt oder Jurist kann man immer noch werden“ und das offensichtliche Gieren nach dem Titel „Kammersänger“ oder „Divo“, auch wenn entsprechende Episoden „humorvoll“ geschildert werden. Bemerkenswert ist immerhin, dass sich der Sänger, der mit fünf Jahren erblindete und erst allmählich das Augenlicht, wenn auch ein eingeschränktes, zurückgewann, durch keinerlei Rückschläge davon abbringen ließ, den Sängerberuf anzustreben , auch deswegen zehn Jahre lang als Statist an der Wiener Staatsoper tätig war, um seine Ausbildung zu finanzieren. Aber immer wieder stören längst bekannte Gemeinplätze über die Anforderungen des Sängerlebens und Aussagen wie „wenn man mich besetzt, wird die Vorstellung auch abseits der großen Arien der Hauptrollen keine schwachen Momente haben“, was allerdings auch dazu führen kann, dass man ihm vorwirft, in Nebenrollen „zu sehr aufzufallen“.

Wird der Bariton originell, dann oft auch anfechtbar, wenn er meint, wegen ihrer „wunderschönen Arien“ könne die Königin der Nacht doch gar nicht schlecht sein, was angesichts der Aufforderung an die Tochter zu morden kaum nachzuvollziehen ist.

Insgesamt wird der Leser den Eindruck nicht los, dass das Buch weniger ein Rückblick auf eine große Karriere als eine Werbung dafür ist, dass dem Sänger bisher unerfüllt gebliebene Wünsche doch noch erfüllt werden, und dass es keinen Anhang mit Angaben über die bisherige Tätigkeit gibt, lässt den Leser auch stutzig werden. (Amalthea Verlag Wien: „Wandern mit Clemens“ 2016; 250 Seiten; ISBN 978-3-99050-027-9 eISBN 978-3-903083-13-4) Ingrid Wanja

 

Interpretation und Emotion

 

Schier aus dem Häuschen geriet das Publikum des Teatro San Carlo di Napoli, eingeschlossen Ministerpräsident Matteo Renzo und die Minister für Kultur und Erziehung, als Jonas Kaufmann mit seinem italienischen Programm „Dolce Vita“ den Saal zum Kochen brachte. Wobei die nun vorliegende CD doch einige Verwirrung schafft. Eigenartig dass gerade das Stück, nämlich Lucio Dallas Caruso, dessen Interpretation am meisten befremdet, an den Anfang der CD gestellt wurde. Das Fehlen von scheinbarer Mühelosigkeit der Emission des Tons, die Stimme, die eher, je höher sie klettert, gepresst klingt statt zu strahlen, irritieren, und auch Leoncavallos Mattinata, die folgt, hat nicht die dolcezza, die ihr andere Sänger, man denke nur an Gigli, verliehen. Stupend ist allerdings der Spitzenton. Neben Tracks, die wie diese beiden eher enttäuschen, gibt es solche, in denen Kaufmann mehr zu bieten hat als verflossene oder noch lebende Kollegen. Dazu gehört Nino Rotas Parla più piano, das wunderbar zärtlich und schwerelos, dabei sehr erotisch klingend, interpretiert wird. Auch das dunkel-verhangene Passione mit imponierendem Spitzenton und Un amore così grande mit schöner Steigerung von einem Refrain zum anderen sprechen von künstlerischer Meisterschaft, die die Canzonen von jedem Verdacht der Banalität befreien. Effektvoll ist der Reichtum an Agogik in Il canto, insbesondere der Pianoschluss. Die Leichtigkeit von Voglio vivere così wird ebenso getroffen wie Catarì fast zu einer Opernarie zu werden scheint. Nicht zuletzt die Fermaten-Spitzentöne wie nicht nur in Non ti scordar di me oder Torna a Surriento werden das Publikum ins Delirium geführt haben, auch wenn die sacht verklingende Melancholie von Fenesta ca lucive vielleicht von noch größerer Könnerschaft spricht.

Insgesamt macht Kaufmann das Fehlen eines strahlenden Canzone-Timbres durch viele interpretatorische Feinheiten wett, so auch in Musica proibita mit einem dunklen Schwelgen der Stimme und in Parlami d’amore, Mariù durch einen geradezu ätherisch wirkenden Schluss.

Was Interpretation vermag zeigt sich am stärksten im oft herunter geplärrten Volare, das bei Kaufmann zu einem zärtlichen Schweben wird mit einem witzigen Schluss und durchgehend den Text detailverliebt ausdeutend, Ob Rondine al nido als überinterpretiert angesehen werden kann, weil ihm die Naivität des Canzonencharakters genommen wird, bleibt Geschmackssache ebenso wie das Falsett in Con te partirò.

Eine insgesamt einfühlsame, nur manchmal zu pompöse, breit-breiige Begleitung bietet das Orchester des Teatro Massimo di Palermo unter Asher Fish (Sony 88875183632). Ingrid Wanja

 

Grosstat

 

Abwechslung ist das halbe Leben, Veränderung auch – eine hochinteressante und wichtige Neuveröffentlichung von Niccolò Jommelis Arien for Alt (und es bleibt zu diskutieren, ob Alto oder Alt) aus der Sicht eines amerikanischen Kollegen, eben Joseph Newsome, der sich meiner Meinung nach in ebenso kundiger wie kritischer Sicht über Musik und musikalische Neuheiten auslässt; er ist eine willkommene Addition zu unseren beiden operalounge-Fachleuten fürs Barocke und für Counter. G. H.

Niccolò Jommelli/ Wikipedia

Niccolò Jommelli/ Wikipedia

Many Twenty-First-Century opera lovers, influenced by the conventional wisdom of opera in the Eighteenth Century having been dominated before 1750 by Händel and after mid-century by Mozart, would likely be surprised to hear composers active after 1740 name as an eminent innovator among their colleagues the Neapolitan master Niccolò Jommelli. Born just north of Naples in the Campania commune of Aversa in 1714, Jommelli was a prodigious boy whose musical abilities were recognized and encouraged from an early age by his well-to-do family. Considering the powerful ecclesiastical and civic patronage that he enjoyed and the espousal of his abilities by as esteemed a composer as Johann Adolf Hasse, it is strange that so little verifiable information about Jommelli’s musical education and early career has survived. Many vital details of his life—his youthful conservatory studies, his presumed tuition under the celebrated Padre Martini, his tenure at Venice’s Ospedale degli Incurabili—can only be cited with footnotes and qualifiers that document the ironic lack of documentation. Like Johann Sebastian Bach and other composers whose biographies are compromised by empty pages, however, acquaintance with Jommelli is best made through his music. In his operatic homages to two of literature’s foremost abandoned heroines, Armida and Dido, Jommelli proved himself to be a musical dramatist of the first order; an order higher, in fact, than a number of composers whose scores have been revived in the Twentieth and Twenty-First Centuries could claim to have achieved. Jommelli deserves champions among today’s best exponents of Eighteenth-Century repertory, and in the context of this engaging new release from Pan ClassicsThe Jommelli Album, he finds one in Italian countertenor Filippo Mineccia. A bold artist who shares the composer’s theatrical savvy, Mineccia here does for Jommelli what Dame Janet Baker did for Bach and Händel: the performances on this disc adhere to stylistic parameters that would have been familiar to Jommelli but do so in ways that appeal powerfully to the modern listener.

The performance of Jommelli’s Sinfonia a due violine e basso that serves as an interval of sorts, dividing the sequence of arias on The Jommelli Album into two intelligently-planned halves, is indicative of the high levels of virtuosity and expressivity reached in their playing on this disc by the musicians of Spanish period-instrument ensemble Nereydas. Directed by Javier Ulises Illán, the group’s exuberant playing enlivens the spirited numbers and enhances the mood of more contemplative pieces. In their playing of the Sinfonia, the opening Largo smolders with subdued intensity that erupts excitingly in the subsequent Fuga, its subject deftly handled by both composer and musicians. The same building and release of tension shape Nereydas’s performances of the Largo and Allegro movements that constitute the Sinfonia’s second part. The strings further the progress that has been made in historically-informed performances since the early days of scrawny, strident string playing, and the continuo work by harpsichordist María González and Robert Cases and Manuel Minguillón on theorbo and guitar provides a firm foundation for both instruments and voice. Whether the inclusion of the guitar in this music is wholly faithful to the milieux in which the sampled works were first performed may be questioned, but Jommelli’s Neapolitan origins permit this element of creative license, one which detracts nothing but adds a dimension of variety to the orchestral sound. Illán supports the dramatic vignettes that Mineccia creates in each aria with tempi that are expertly judged to showcase music and singer. Wherever his music was performed in the Eighteenth Century, Jommelli is unlikely to have heard playing better than that on this disc.

1753 was a year of great importance in Jommelli’s career as a composer of opera, and that annus mirabilis is represented on The Jommelli Album by arias from a pair of his most accomplished scores. Premièred in Torino, Bajazette was Jommelli’s contribution to the musical legacy of the eponymous Ottoman sultan’s confrontation with the legendary Tamburlaine, an operatic obsession of sorts that extended from Händel’s Tamerlano and Vivaldi’s pasticcio Bajazet to Mysliveček’s Il gran Tamerlano. From Bajazette, Mineccia sings Leone’s exacting ‘Fra il mar turbato,’ a simile aria as exhilaratingly evocative of its tempestuous text as any of Vivaldi’s celebrated arias in a similar vein. Braving the divisions with absolute confidence, Mineccia makes the aria a dramatic as well as a musical tour de force. The ease with which he ascends into his upper register, which occasionally leads to over-emphatic projection of tones at the crests of phrases, is reminiscent of the pioneering singing of Russell Oberlin. Like fellow countertenors Max Emanuel Cenčić and Franco Fagioli, Mineccia possesses the ability to convincingly evince masculinity whilst singing in a high register, and his technique enables him to devote considerable attention to subtleties of text and the composer’s setting of it. Also dating from 1753, in which year it was premièred in Stuttgart, the La clemenza di Tito excerpted here was Jommelli’s first treatment of the popular libretto by Metastasio, to which he would return with revised scores for Ludwigsburg in 1765 and Lisbon in 1771, that was brought to the stage in the Eighteenth Century by an array of composers including Caldara, Hasse, Veracini, Gluck, Mysliveček, and, of course, Mozart. Sesto’s beautiful aria ‘Se mai senti spirarti sul volto’ is sung with eloquence shaped by the countertenor’s focused tones, the composer’s long phrases managed with admirable breath control. The character’s anguish throbs in Mineccia’s delivery of the words ‘son questi gli estremi sospiri del mio fido,’ but the response elicited by his vocalism is untroubled bliss.

First performed in Ludwigsburg in 1768, Jommelli’s La schiava liberata is the source of Don Garzia’s aria ‘Parto, ma la speranza,’ a beguiling number that Minecca sings handsomely, emphasizing the character’s ambivalence by being as attentive to rests as to notes. Here, too, the refinement of his technique is ably put to use, his noble phrasing complemented by his capacity for extending long lines without snatching breaths. Well-concealed discipline is also the core of Mineccia’s spontaneous-sounding performance of the title character’s aria ‘Salda rupe’ from Pelope, premièred in Stuttgart in 1755. The singer’s unpretentiously excellent diction in his native language is a trait that should not be taken for granted, especially in the performance of bravura music like Jommelli’s. Also noteworthy is Mineccia’s unfailing intelligence in embellishment: his ornamentation is restrained and musical, and he eschews the kind of overwrought cadenzas and tasteless above-the-stave interpolations that imperil the integrity of many singers’ performances of Eighteenth-Century repertory. The influence of Jommelli’s acquaintance with Hasse is particularly evident in ‘Salda rupe,’ and Mineccia’s confident, charismatic singing highlights the skill with which his countryman composed for the voice.

It was as a composer for the operatic stage that Jommelli was most appreciated during his lifetime, but he left to posterity a body of liturgically-themed work of equal significance. First performed in 1749 and known to have been admired by the musically astute Englishmen Charles Burney and Sir James Edward Smith, La passione di nostro signore Gesù Cristo is a superbly-crafted score, a setting of another of Metastasio’s widely-traveled texts that merits recognition as the equal of better-known versions by Caldara, Salieri, and Paisiello. Mineccia here sings Giovanni’s arias ‘Come a vista’ and ‘Ritornerà fra voi,’ both of which he distinguishes with elegant, unaffected vocalism. The music is overtly operatic, not unlike Caldara’s forward-lookingstilo galante, but Mineccia’s singing is noticeably more intimate here than in the opera arias. As he articulates them, the arias are effectively contrasted, their differing sentiments easily discerned by the listener.

Dating from 1750, Jommelli’s Cantata per la Natività della Beatissima Vergine is another work of high quality that should be more frequently performed, its lyricism no less captivating than that of Pergolesi’s familiar Stabat mater. Hypnotically propelled by guitar continuo, Speranza’s aria ‘Pastor son’io’ receives from Mineccia and Nereydas a reading of undiluted piety, one that exudes precisely what the archetype that utters it symbolizes: hope. Mineccia’s voice is here at its most purely beautiful, the seamless integration of his registers facilitating the poise of his singing. Jommelli’s 1751 Lamentazioni per il mercoledì santo perpetuated a tradition of music composed for Holy Week that was prevalent in Italy throughout the Seventeenth and Eighteenth Centuries, and the structure of the aria ‘O vos omnes’ suggests that Jommelli was aware of Alessandro Scarlatti’s standard-setting works for the Roman rites of settimana santa. Jommelli’s music combines simplicity and sophistication, and Mineccia sings it accordingly. Communication of the text is again the central focus of the singer’s endeavors, and he succeeds in conveying the sincere devotion of Jommelli’s writing.

In the course of The Jommelli Album, there are a few suspect pitches and instances in which passagework is attacked slightly too aggressively, but there is not one moment on this disc in which anything is faked or approximated. For many observers, Niccolò Jommelli’s name is likely to remain alongside those of throngs of his contemporaries as a notch on the timeline of opera between Händel and Mozart, but with The Jommelli Album Filippo Mineccia has given listeners a disc that makes Jommelli’s name one to remember.  (NICCOLÒ JOMMELLI (1714 – 1774)The Jommelli Album – Arias for AltoFilippo Mineccia, countertenor; NereydasJavier Ulises Illán, conductor [Recorded in Sala Gayarre, Teatro Real de Madrid, and Concert Hall of Escuela Municipal de Música de Pinto, Madrid, Spain, in May and December 2014; Pan Classics  PC 10352) Joseph Newsome

 

Den Artikel entnahmen wir mit freundlicher Genehmigung dem hochinteressanten Blog des Autors: Voix des Arts, unbedingt lesenswert!

Nicolais „Heimkehr des Verbannten“

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Der Berliner Komponist Otto Nicolai ist heute vor allem bekannt durch seine letzte Oper Die lustigen Weiber von Windsor. Doch wie steht’s eigentlich um sein restliches Werk? Seit einiger Zeit gibt es Versuche, andere Opern von Nicolai wiederzubeleben. Jetzt ist die OperDie Heimkehr des Verbannten beim Label cpo erschienen (777654-2, 2 CD).

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100 Schilling Otto Nicolai Silber Münze PP (1992)/ Wiki

100 Schilling: Otto Nicolai/ Silbermünze PP (1992)/ Wiki

Nicolai gehört zu den wenigen deutschen musikdramatischen Genies des frühen 19. Jahrhunderts. Sein wenig umfangreiches Gesamtwerk ist absolut faszinierend, weil es eine Entwicklung dokumentiert, die außergewöhnlich ist für jene Ära. Otto Nicolai hat sich nach italienischen Anfängen bemüht, seine Erfahrungen für Deutschland auszuwerten, also das Beste an deutscher und italienischer Oper zu fusionieren. Die „Heimkehr des Verbannten“ ist eine aufregende Reise von der Italienischen Belcanto-Oper zum deutschen Musikdrama. Dreimal hat Nicolai den Stoff aufbereitet, und jedesmal wurde er persönlicher und weniger formelhaft. Das Werk ist also so etwas wie das ernste Gegenstück zu den Lustigen Weibern.

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Drei Fassungen – und ein heftiger Streit um ihre Gültigkeit: Es gibt eine Mailänder Fassung (als Il proscritto), eine Wiener und eine letzte Berliner. Alle drei Fassungen sind erhalten, und der Herausgeber der kritischen Edition, Michael Wittmann, empfahl der Oper Chemnitz  nachdrücklich die Fassung letzter Hand, die nur wenige Tage vor dem Tod Nicolais fertig wurde – vier Fünftel des Materials sind gegenüber der Mailänder Fassung neu komponiert. Aber die Chemnitzer Oper entschied sich zur Frustration des Herausgebers, eine eigene Version der zweiten Wiener Fassung zu spielen.

Das mag manchem, der sich auf einen reifen Nicolai gefreut hat, nicht gefallen. Dennoch würde ich nicht soweit gehen, dies für einen Verrat am Komponisten zu halten. Diese Wiener Fassung von 1844 liegt genau auf der Mitte von Nicolais Weg. Das ist eine sehr italienische Musik mit schon interessanten neuen Ansätzen in Richtung romantische deutsche Oper. Insofern ein spannendes Dokument!

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Rosenkrieg in schlechtem Deutsch: Das ist ein äußerst kniffliger Konflikt, der da behandelt wird, nämlich der Heimkehr-Effekt nach langen Kriegen, ein Thema, das auch nach dem 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte – hier sind die englischen Rosenkriege des 15. Jahrhunderts die Vorlage. Leonora, die ihren verbannten Ex-Mann für immer in den Kriegswirren verloren glaubt, heiratet neu, und just in diesem Moment kommt der Ex zurück. Der besondere Twist hier in diesem Werk ist, dass entgegen den Opern-Konventionen die Frau überhaupt nicht begeistert ist, dass der Alte wieder da ist, weil sie, wie sich herausstellt, ihn nur unter Zwang geheiratet hat und ihr neuer Gatte sich als ihre eigentliche Liebe entpuppt. Deswegen bringt sich Leonore um, zermürbt vom inneren Konflikt und aus falsch verstandener Opferlust. Auch das ein Skandal um 1840, wo Selbstmord auf der Bühne noch skandalös war. Allerdings muss man sagen, dass die deutsche Übersetzung für die Wiener Fassung schrecklich gespreizt und verquast klingt.  Ist auch das vielleicht ein Grund, warum es diese Oper nicht zurück ins Repertoire geschafft hat?

Die Sängerin Emilia Frezzolini, die die Premiere des „Proscritto" platzen liess (OR / OBA); unten die Berliner Hofoper, an der der ,,Verdammte" seine dritte Premiere hatte (OBA)

Die Sängerin Emilia Frezzolini, die die Premiere des „Proscritto“ platzen ließ (OR / OBA); 

Kein ausgereiftes Werk – aber das könnte auch an der Fassung liegen: Anders als der packende Templario, der mit Juan-Diego Florez in Salzburg zu hören war, oder die wunderbaren Lustigen Weiber von Windsor ist diese Version ein Ringen des mittleren Nicolai um dramatische Effekte, eingeklemmt zwischen Konventionen und genialen Ideen. Solch Ringen ist zwar faszinierend, aber selten zeugt das Ergebnis von ganzheitlicher Qualität. Es gibt hier wirklich ergreifende, subtile und effektvolle Momente, aber als Oper im Kontext der Zeit ist das Werk eher zweitrangig. Doch es eröffnet auch neue Ausblicke auf Nicolais Entwicklung; zum Beispiel ist mir aufgefallen, das dieses überdreht pathetische erste Finale in den Lustigen Weibern vielleicht eine Selbstkarikatur ist und Nicolai dort sein lärmendes hochgestochenes erstes Finale aus der Heimkehr parodiert.

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Nur ein Appetizer: Die Oper Chemnitz, deren Produktion von 2011 der Aufnahme zugrunde liegt, hat oft den Bonus der abenteuerlustigen enthusiastischen Aufbruchsstimmung. Die Musiker und Sänger fühlen sich als Pioniere – und das überträgt sich auf den Hörer. Leider verraucht diese Aufregung oft dann, wenn man die Sachen auf der CD nochmals hört. Das ist nur ein Verdacht, er er sei mal ausgesprochen: Kann es sein, dass hier viel oder alles im kalten Saal an spielfreien Momenten mühselig nachproduziert wurde und so der Schwung der Live-Performance verdampft?

Auch hier hatte ich das Gefühl, dass diese Emphase der großen tragischen Oper, diese donizettihafte Überdrehtheit in den emotionalen Momenten eigentlich ganz, ganz große Interpreten braucht – die hier mit Ausnahme des exzellenten Tenors Bernhard Berchtold nicht vorhanden waren. Auch Julia Bauer, eigentlich meist angenehm anzuhören, ist hier von dem exaltierten Stil der Oper auch stimmlich überfordert (Leonoras große Arie vor allem) und klingt oft ausgewaschen und angespannt. Und Bariton Hans Christoph Begemann wirkt nicht immer so sonor und vollstimmig, wie wir es von einem Belcanto-Bariton in diesem Repertoire erwarten. Der Tenor Uwe Sickert als Georg ist eigentlich zu dünnblütig in seiner großen  Szene im 2. Akt. Dirigiert ist das Werk allerdings wieder – wie fast alle Frank-Beermann-Aufnahmen – mit erfreulichem Feuer und bemerkenswertem Elan, was auch Nicolais oft extrem aparte Instrumentierung gut heraushebt.

Nicolai: Die Berliner Hofoper, Stich von Schleuen/ Wiki

Nicolai: Die Berliner Hofoper, Stich von Schleuen/ Wiki

Die Idee, die halbfertige Wiener Fassung zu machen, obwohl es eine spätere Berliner gibt, finde ich so schwachsinnig, dass das schon wieder genial ist. Wenn jetzt jemand diese Oper nochmal aus der Versenkung holt, wird er garantiert die Berliner Version nutzen. Denn nach einer erfolgreichen Produktion der Berliner Fassung hätte kein Hahn mehr nach der Wiener gekräht. Und die zu hören wäre doch sehr aufregend!  Matthias Käther

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Dazu auch ein Auszug aus dem Artikel von Michael Wittmann, dem Herausgeber der Edition, im Booklet der neuen cpo-Ausgabe… Zur vorliegenden Aufnahme:Ursprünglich war für die moderne Erstaufführung der Oper in Chemnitz geplant, die Berliner Fassung von 1849 zu wählen. Auf Wunsch des Dirigenten, der auf die Auftrittsarie der Leonore (Nr. 2) nicht verzichten wollte, brachte Chemnitz das Werk dann jedoch in der Gestalt zur Aufführung, die es am Ende der ersten Wiener Aufführungsserie im Frühjahr 1844 angenommen hatte; gleichsam als Dokument des halben Weges, den Nicolai als Komponist zwischen dem Templario und den Lustigen Weibern zurückgelegt hat. Ob mit dieser Wahl angesichts der erwähnten strukturellen Probleme der Sopranpartie dem Werk wirklich gedient wurde, mag der geneigte Hörer selbst entscheiden. Für den Herausgeber der Oper war der Chemnitzer Versuch Anlass genug, Aufführungen der Wiener Fassung bis auf weiteres nicht mehr zuzulassen. (Die vorliegende Aufnahme wird darum auch Unikat bleiben). Für Otto Nicolai aber gilt mehr denn je das Desiderat, dass ein mutiger Intendant sich finden möge, der es unternimmt, dessen bislang noch verkanntes Hauptwerk Der Verbannte in der letztgültigen Fassung, Berlin 1849, auf die Bühne zu bringen.  © 2015 by Michael Wittmann

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Abbildung oben: „The Court of Emperor Frederick II in Palermo“ by Arthur Georg von Ramberg/ Wikipedia. Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Encore les Mélodies

 

Flégier? Nie gehört?! Kann man auch nicht. Die von Toccata Classics vorgelegte Aufnahme mit 13 Mélodies ist so etwas wie eine erste Fährte, die auf die Spur des 1846 in Marseille geborenen und 1927 in Martigues gestorbenen Komponisten Ange Flégier führt. Erstaunlicherweise ist sie nicht in Frankreich, sondern in Dallas entstanden, wo sich der Bassist Jared Schwartz im April 2016 diesen Liedern zuwandte. Gleich das erste, als Poème pittoresque bezeichnet, Le Cor/ Das Horn nach einem Gedicht von Alfred de Vigny ist eine mehr als fünfminütige – alle Lieder sind ausgesprochen umfangreich – mittelalterliche Jagdschilderung, bei der Schwartz seinen dunkelschwer grobkörnigen, dabei geschmeidigen und liederprobten Bass dramatisch ausreizen kann, eine effektvolle Salonkomposition, die bereits Schaljapin gesungen hatte und die offenbar aufgrund ihrer Beschwörung einer glanzvollen Epoche bis in die 1960er Jahre populär war. Flégier begann am Konservatorium in Marseille, gelangte irgendwie nach Paris, an dessen Konservatorium er u.a. bei Ambroise Thomas studierte. Um 1868 begann er mit Mélodies, die ihm eine gewisse Aufmerksamkeit verschafften, beteiligte sich (erfolglos) mit einer von den Stars der Opéra Marie Sasse und Victor Maurel gesungenen Komposition am Prix de Rome, erlebte 1875 die Uraufführung seiner komischen Oper Fatma, erzielte mit dem bereits genannten Le Cor 1880 einen Sensationserfolg, betätigte sich als Kritiker und ab

den 1890er Jahren zunehmend auch als Dichter und Graphiker, während er weiterhin wegen seiner Kammermusik und Chorwerke geschätzt wurde und 1903 zum Chevalier der Légion d’ Honneur ernannt wurde. Rasch wurde Flégier, der sich nach 1900 wieder in die Provinz, sprich nach Marseille, zurückgezogen hatte, nach seinem Tod vergessen. Große Opern hat er nicht hinterlassen, den modernden Trends eiferte er nicht nach. Sicherlich sind seine Lieder, wie wir sie nach dieser Aufnahme einschätzen können (TOCC 0306) ganz dem 19. Jahrhundert verhaftet, rührend altmodisch, doch sie sind melodiös, Flégier wurde als der „Massenet des armen Mannes“ beschrieben, leicht zugänglich, ein wenig schlicht zwar, was mit Flégiers einfacher Herkunft erklärt wurde, aber sie besitzen eine plastische Eindringlichkeit, das ist keine Salonmusik, eher für das bürgerliche Wohnzimmer. In La Poèsie kann Schwartz der Wirkung seines Legatos vertrauen, wie denn die meisten Lieder weit ausschwingende Naturbilder sind darunter L’ Homme et la Mer nach Baudelaire, wo die Stimme die Worte intensiv nachmalt und in dem opernhaften Schluss auch einen weiten Tonumfang meistern muss. Stets versucht Flégier auf den Text zu reagieren, was sich in den teils ausordentlichen Herausforderungen zeigt, die er an den Solisten und die von Mary Dibbern souverän gemeisterte Klavierbegleitung stellt. Das Lamento Les Larmes ist ebenfalls solch eine packende Opernszene, Flégiers Vertonung von Verlaines Apaisement mit Viola (Thomas Demer) und Klavier kann mit Reynaldo Hahns Version mithalten, mit dem gefühlvoll-melodiösen Gebet O Salutaris stellt er sich in die Tradition französischer Kirchenmusik von Gounods bis Franck und die spanischen Reminiszenzen Au Crépuscule und Ma Coupe, vor allem letztes mit seinen Anklängen an die Trinklieder aus Don Giovanni und Hamlet mit seiner Aufforderung „donne-moi l’ ivresse, qui rend hereux!“ („mach mich trunken, damit ich glücklich werde“), sind ausgesprochen ansprechend. Nette 64 Minuten. Schwartz traf eine gute Wahl.

Tassis Christoyannis Saint-Saeens Ediciones Palazetto Bru ZaneEin Großmeister der Mélodies ist Camille Saint-Säens, rund 150 hat er dem französischen Liederbuch beigesteuert. Vier Zyklen hat AparteMusic (AP 132) mit dem vom koproduzierenden Palazzetto Bru Zane regelmäßig eingesetzten Tassis Christoyannis im Théâtre Saint-Bonnet aufgenommen: die sechs Mélodies persanes von 1870 sowie die späteren Cinq Poèmes de Ronsard (1907-21), die drei Vieilles Chansons aus Saint-Säens‘ letztem Lebensjahr und die zehn Lieder La Cendre rouge von 1914, wobei eigentlich nur Mélodies persanes und La Cendre rouge Zyklen im engen Sinn sind. Christoyannis singt – von Jeff Cohen sensibel begleitet – mit Morbidezza und Empfindung, vielleicht nicht klangschwelgerisch und tonschön, die Stimme scheint mir auch nicht immer beweglich genug, doch der griechische Bariton, der sich bereits für Lieder von Félicien David, Édouard Lalo und Benjamin Godard eingesetzt hat, agiert immer mit Gefühl für den Text, ausdrucksstark und höhensicher. Rolf Fath

Yvette Chauviré

 

Es war in den späten Sechzigern, als die große und berühmte Tänzerin Yvette Chauviré an der Deutschen Oper in West-Berlin in einer Ballett-Gala der Tajana Gsovsky bei den Fans noch einmal Ausehen erregte- als der Sterbende Schwan. Dieser Auftritt ist mir unvergesslich – zwar kam sie nicht mehr so richtig vom Boden hoch und war schon recht begrenzt in ihrer Beweglichkeit, aber wie damals Tilla Durieux in den „Langusten“ am Renaissance-Theater oder Clifford Curzon in der Hochschule beeindruckte und bezauberte Yvette Chauviré durch ihre atemberaubende Virtuosität des Ausdrucks, die Arme wie filigrane Flügel bewegend, das schöne, herbe Gesicht ganz in sich versunken in der Darstellung der Sterbenden. Sie hatte eine ganz besondere Aura um sich, und wir als gebannte Zuschauer spürten den berühmten Atem der Geschichte, an der wir durch die faszinierende Verkörperung dieser großen Darstellerin teilhatten. Wirklich unvergesslich eingebrannt in mein Gedächtnis. Nun ist sie in Paris gestorben. Hundertjährig und mehr als ein Jahrhundert umfassend – was für eine wunderbare Frau und Künstlerin. Nachstehend der Nachruf der Pariser Oper, bien-sûr en francais!

 

Yvette Chauviré dans le Grand pas classique de Victor GSOVSKY, ballet créé pour elle et Wladimir Skouratoff en 1949. Ce Pas de deux est ensuite entrée au répertoire du Ballet de l’Opéra en 1964. Foto DR

Stéphane Lissner, Aurélie Dupont et l’ensemble du personnel de l’Opéra national de Paris ont la tristesse d’apprendre ce jour la disparition d’Yvette Chauviré, danseuse étoile.: Née

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le 22 avril 1917 à Paris, Yvette Chauviré entre à l’Ecole de Danse de l’Opéra à l’âge de dix ans. Engagée dans le Corps de Ballet en 1932, elle gravit rapidement les échelons qui l’amènent de « Petit sujet » à « Première danseuse » en 1937. Cette même année, elle tourne son premier film : La Mort du Cygne de Jean Benoît-Lévy, d’après une nouvelle de Paul Morand. Le 31 décembre 1941, la première représentation d’Istar de Serge Lifar lui vaut sa nomination d’Etoile. Après la guerre, elle quitte l’Opéra pour le Nouveau Ballet de Monte Carlo et y danse de nombreuses créations de Serge Lifar, de 1945 à 1947. Elle revient à l’Opéra de Paris pour une saison 1948-1949, reprend sa liberté, et à nouveau réintègre la Compagnie en 1953, jusqu’en 1957. Elle danse aussi dans le monde entier, tourne des films, donne cours et conférences, monte des productions : La Péri, Roméo et Juliette, Giselle à la Scala de Milan, et chorégraphie de nombreux récitals. Yvette Chauviré incarnant tous les rôles du répertoire, devient avec Giselle, Le Lac des cygnes, La Belle au bois dormant, Roméo et Juliette, Le Cygne, l’exemple même du style classique et romantique français. Elle crée, en dehors de l’Opéra de Paris, plusieurs chorégraphies de Serge Lifar : Nautéos, Adagio, L’Ecuyère et de Victor Gsovsky : Grand Pas classique. Après de régulières apparitions en « guest » à l’Opéra de Paris, elle fait, en 1972, ses adieux à la scène, dans Giselle au Palais Garnier. En 1976, elle sera comédienne, jouant Léda dans Amphitryon 38 de Jean Giraudoux auprès de Simone Valère et Jean Desailly. En 1983, Rudolf Noureev l’invite à être la Comtesse de Doris dans Raymonda. En 1998, à l’occasion de son 80ème anniversaire, l’Opéra national de Paris lui a rendu un hommage officiel lors un gala et d’une exposition de photographies au Palais Garnier. Yvette Chauviré était Grand Officier dans l’ordre de la Légion d’Honneur, Grand-Croix dans l’ordre national du mérite et Commandeur dans l’Ordre des Arts et des Lettres. « La danse est une forme de foi, une espérance. C’est une aspiration, le besoin d’atteindre un univers, une atmosphère, un état qui vous fait progresser, la recherche d’une vérité. […] Il faut y aller. Aller vers un ailleurs. Par la lumière intérieure, rejoindre la lumière universelle. Il faut flotter. On ne peut commander cela. Plus exactement c’est une force invisible qui vous porte hors du lieu d’appui. C’est par une intense concentration, un don total de soi, une immense foi, que l’on flotte dans un univers invisible à l’œil nu, amis flamboyant dans l’exaltation artistique. » Yvette Chauviré ballerina and actress who was born in Paris. Her dancing career was from 1937 to 1972.[1] She celebrated her 90th birthday in 2007. She was the étoile of the Paris Opera Ballet, and later its director. She is also the holder of the Légion d’Honneur. She is often described as France’s greatest ballerina, and was the coach of prima ballerinas Sylvie Guillem and Marie-Claude Pietragalla. Chauviré often danced with Rudolph Nureyev, especially when he defected from the Soviet Union to Paris. He described her as a „legend.“ Yvette Chauviré

Hans Pischner

 

Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Hans Pischner  (20. Februar 1914 – 15. Oktober 2016), der im hohen Alter von 102 Jahren verstorben ist. Als Intendant hat er über viele Jahre hinweg die Geschicke unseres Hauses gelenkt, von 1963 bis 1984, so lange wie kein Anderer in der jüngeren Geschichte der Staatsoper. Nach Berlin gekommen war der in Breslau geborene Hans Pischner kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier arbeitete er zunächst am Rundfunk der DDR, wo er als Leiter der Hauptabteilung Musik das Programm wesentlich mitbestimmte. Von dort wechselte er in das Ministerium für Kultur und wurde 1956 zum Stellvertretenden Kulturminister ernannt. Das Leben in der ideologisch, später dann auch durch die Mauer geteilten Stadt hat er sehr genau reflektiert und auf undogmatische Art und Weise kulturpolitisch begleitet. Dass er dabei Zwängen ausgesetzt war und Kompromisse zu schließen hatte, war angesichts der Situation im Land und der Präsenz des »Kalten Krieges« eine Notwendigkeit, dennoch konnte er sich als maßgeblicher, von vielen Seiten geschätzter Förderer und Gestalter der DDR-Kultur profilieren.

Hans Pischner nimmt mit Erich Honecker das Defilé der Vorsitzenden der DDR-Künstlerverbände, links Konrad Wolf, Präsident der Akademie der Künste der DDR/integralart.de

Hans Pischner nimmt mit Erich Honecker das Defilé der Vorsitzenden der DDR-Künstlerverbände, links Konrad Wolf, Präsident der Akademie der Künste der DDR/integralart.de

1963 wurde Hans Pischner auf den Intendantenposten der Staatsoper berufen, den er kraft seiner Persönlichkeit über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg nachhaltig wirksam auszufüllen wusste. Er bekannte sich zu den Traditionen, setzte aber auch eigene Akzente. Die Staatsoper hat Hans Pischner in den schwierigen Jahren nach dem Mauerbau wieder künstlerisch stabilisieren können. Es gelang ihm, das geschichtsträchtige Haus nach einer Phase der Stagnation erneut auf ein hohes Niveau zu führen, personell wie programmatisch. Mit der Berufung von Otmar Suitner als Generalmusikdirektor gewannen Staatsoper und Staatskapelle nicht nur einen festen musikalischen Leiter, sondern zugleich einen international renommierten Dirigenten, der über weitreichende, künstlerisch wie politisch wertvolle Kontakte verfügte.

Mozart, Wagner und Strauss gehörten auch weiterhin zu den Grundpfeilern des Opernspielplans im Haus Unter den Linden. Hinzu kam eine verstärkte Verdi-Pflege, der Hans Pischners Interesse ebenso galt wie dem russischen Repertoire. Darüber hinaus förderte er mit großem Engagement die Musik des 20. Jahrhunderts, sowohl die Klassische Moderne als auch das Zeitgenössische im engeren Sinn. Die Opern von Dmitri Schostakowitsch wurden ebenso auf die Bühne der Staatsoper gebracht wie Werke von Prokofjew und Penderecki sowie Musik von avancierten Komponisten der DDR. In besonderer Weise hat sich Hans Pischner dem Opernschaffen von Paul Dessau angenommen – mehrere seiner Werke erlebten an der Staatsoper ihre Uraufführung.

Die Verpflichtung erstklassiger Dirigenten, Solisten und Regisseure sowie eine kluge, ausgewogene und durchdachte Spielplanpolitik brachten dem Haus und seinem Intendanten internationale Anerkennung und Wertschätzung ein. Die »Ära Pischner« war zugleich die Zeit so herausragender Künstler wie Ruth Berghaus, Erhard Fischer, Theo Adam, Peter Schreier, Anna Tomowa-Sintow, Celestina Casapietra, Ludmila Dvorákova, Sylvia Geszty, Spas Wenkoff, Eberhard Büchner, Siegfried Lorenz oder Siegfried Vogel, die der Lindenoper Glanz verliehen. Bei zahlreichen Gastspielen im In- und Ausland, nach Ost wie West gleichermaßen, hat sich die Staatsoper unter Hans Pischner als eine Institution von Format präsentieren können. Auch die Staatskapelle Berlin entwickelte sich in den Jahren seiner Intendanz zu einem Klangkörper von hohem Rang, die auf den Konzertpodien der Welt sowie im Aufnahmestudio neues Profil und Renommee gewann.

Hohe staatliche Auszeichnungen wurden Hans Pischner zuteil, zudem war er als Präsident des Kulturbundes der DDR und als Vorsitzender der gesamtdeutschen Bach-Gesellschaft von den mittleren 1970er Jahren bis 1990 aktiv. Darüber hinaus hat er sich immer wieder auch als praktischer Musiker betätigt: Als passionierter, hoch professioneller Cembalist besaß er eine besondere Affinität zu den Werken Bachs und Händels, aber auch zur Musik der Gegenwart.

Berliner Staatsoper einst und jetzt: Jürgen Flimm, Hans Pischner und Daniel Barenboim/ Foto Berliner Staatsoper

Berliner Staatsoper einst und jetzt: Jürgen Flimm, Hans Pischner und Daniel Barenboim/ Foto Berliner Staatsoper

Auch nach der Beendigung seiner offiziellen Tätigkeiten blieb Hans Pischner der Staatsoper Unter den Linden eng verbunden. Bei nahezu jeder großen Musiktheaterpremiere und jedem Sinfoniekonzert saß er im Publikum, mit wachem Geist, nie nachlassendem Interesse und spürbarer Anteilnahme. Noch bei der Premiere von Beethovens »Fidelio« am 3. Oktober 2016 konnten wir ihn als Gast im Schiller Theater begrüßen – es sollte sein letzter Besuch einer Vorstellung des von ihm so geliebten Staatsopern-Ensembles sein.

Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Hans Pischner, in dessen langem und erfülltem Leben unser Haus mit allen seinen Künstlern und Mitarbeitern eine zentrale Rolle gespielt hat. Wir danken Hans Pischner für all das, was er für die Staatsoper getan hat und werden ihm unser ehrendes Andenken bewahren. Im Namen der Staatsoper Unter den Linden: Jürgen Flimm und Daniel Barenboim (Quelle Staatsoper unter den Linden)

 

Raserei und Sanftmut

 

Einen besonderen Titel hat Joyce DiDonato für ihre neue CD bei Erato (0190295928469) gewählt, der neugierig macht auf das Programm: In War and Peace / Harmony through Music. Diesem Motto entsprechend fasst sie in zwei Abteilungen 15 Arien zusammen, unterteilt sie je nach ihrem Charakter und Inhalt in die beiden Gruppen, beginnend mit dem War. Kompositionen von Händel, Leo und Purcell sind zu hören, darunter eine Weltersteinspielung, was stets das besondere Interesse der  Sammler weckt. Es ist Andromacas „Prendi quel ferro“ aus der gleichnamigen Oper von Leonardo Leo, welches die Mezzosopranistin mit enormer Vehemenz und Attacke herausschleudert, schildert es doch den aufgewühlten Gemütszustand einer um das Leben ihres Sohnes bangenden Mutter. Diese Ausnahmesituation darzustellen, gelingt der Sängerin in überwältigender Manier und sie riskiert dabei in der exponierten Lage auch manch gestressten Ton, was hier als Ausdrucksmittel dient. Ähnlich furios ist Sestos „Svegliatevi nel core“ aus Handels Giulio Cesare, in welchem der Sohn den Mord an seinem Vater rächen will. Dem jugendlichen Überschwang mit fulminanten Koloraturläufen stellt die Sängerin später, in der zweiten Gruppe: Peace, noch die den glücklichen Ausgang preisende Bravourarie der Cleopatra, „Da tempeste“, gegenüber und beweist damit ihre gestalterische und gesangliche Vielseitigkeit mit einem Koloraturfeuerwerk der Sonderklasse.

In einigen Nummern überrascht DiDonato mit extrem zurückgenommenem Ton und geradezu somnambuler Introvertiertheit. Das betrifft vor allem Agrippinas trancehaftes „Pensieri“ aus Händels Oper und ganz besonders Didos Lament „When I am laid in earth“ aus Purcells Dido and Aeneas. Ganz entrückt, wie schon aus einer anderen Welt ertönt hier die Stimme. Es ist eine Interpretation von schlichter Größe in der Nähe von Janet Baker. Auch Almirenas berühmtes „Lascia ch’io pianga“ aus Rinaldo erklingt wie ein stilles, tröstliches Gebet und zeigt die Schönheit des Mezzos in hellstem Licht.

In der Peace-Abteilung finden sich zwei Neuheiten, beide von Niccolò Jommeli aus dessen Oper Attilio Regolo von 1753. Die erste ist Regolos „Sprezza il furor“ – ein Sinnbild von der starken Eiche, welche den Stürmen trotzt, ausgedrückt mit virtuosem Zierwerk und von Blechbläsern pompös begleitet. Die zweite ist Attilias „Par che di giubilo“, die, wie schon der Titel verrät, den Jubel des Sohnes über die Rückkehr des Vaters (eben des Titelhelden) ausdrückt – auch dies eine Bravournummer mit bezaubernd getupften staccati. Bei Peace  gibt es noch eine weitere Arie der Almirena, „Augelletti“, die in ihrer heiteren Stimmung vom friedlichen Garten und Vogelgezwitscher hier ihren richtigen Platz hat. DiDonato kann hier neben der Blockflöte mit virtuosem Können brillieren. Zwei Beiträge stammen aus der Feder Purcells – seinem wahrscheinlich letztem Bühnenwerk Bonduca von 1695, in welchem Prinzessin Bonvica mit „Oh! lead me to some peaceful gloom“ ihrem friedvollen, sanften Tod entgegensieht, und aus der Semi-Opera The Indian Queen, wo  das Girl fragt „Why should men quarrel“? Nur ein Beitrag ist Monteverdi vorbehalten und er findet sich in der Peace-Gruppe: „Penelopes „Illustratevi, o cieli“ aus dem Ulisse, in welchem sie die Rückkehr ihres lang ersehnten Gatten preist. Hier vereinen sich ein zu Herzen gehender Ton und eine ganz in den Dienst des Werkes gestellte Bravour.

Das Ensemble Il Pomo d’Oro begleitet unter Leitung von Maxim Emelyanychev und betont stark die Affekte, was zur Gestaltung der Mezzosopranistin perfekt korrespondiert. Harsche Akkorde wie in der Einleitung zu Agrippinas „Pensieri“, atmosphärische Stimmungsmalerei wie bei Bonvicas Solo oder  liebliche Blockflötenklänge wie bei Almirenas „Augelletti“ – immer wieder setzt die Gruppe eigene Akzente und hat wesentlichen Anteil am hohen Rang dieser Ausnahme-CD. Auch deren  Präsentation ist – wie stets bei dieser Künstlerin – bemerkenswert, denn wieder trägt Joyce DiDonato eine spektakuläre Robe von Vivienne Westwood und dazu ein Make-up von apokalyptischer Dimension.  Bernd Hoppe

Sänger-Freund

 

Wenn man die Tagebücher des Henry Beyle, der sich später Stendhal nannte, liest, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass es die Offiziere in Napoleons Armee lustig hatten. Schon im dritten Eintrag seines im April 1801 begonnenen Journal berichtet er über den enttäuschenden Besuch des grand théâtre (wohl die Scala) in Mailand, und einen Tag später weiß er nur zweierlei von Bergamo zu berichten: dass es über zwei Theater verfüge, wobei er das Nächstgelegene „jeden Abend“ besuche, und dass Madame Nota als die hübscheste Frau in der Stadt gelte („und sie ist tatsächlich nicht übel“, notiert er feinfühlig). Musik und Frauen waren denn auch die zwei Leidenschaften, welche Stendhal sein ganzes Leben hindurch begleiteten. Sie vereinten sich in seiner wohl nicht nur platonischen Bewunderung von Sängerinnen. Seine Schriften enthalten viele und interessante Beobachtungen zu den Opernsängern seiner Zeit, und die Romanistin Annalisa Bottacin widmet ihnen zu Recht ein ganzes Lexikon. Der Titel des hübschen Büchleins verspricht zwar ein „Musikalisches Lexikon“, in Wirklichkeit hat aber Bottacin auf 300 Seiten ausschließlich die Passagen versammelt, in denen Stendhal auf Sänger und Tänzer eingeht.

Bottacin Stendhal La VitaKomponisten kommen nicht vor, und das mag man durchaus bedauern, insofern als gerade in der Charakterisierung der Autoren die musikalischen Ansichten Stendhals und namentlich seine Vergötterung von Cimarosa und Mozart viel plastischer hervortreten, als wenn er auf die Interpreten ihrer Musik eingeht. Der Wert seiner Eindrücke ist indes unbestritten. Stendhal ist zwar ein konservativer und im Grund intoleranter Musikliebhaber, der nur die italienische Oper des späten 18. Und frühen 19. Jh. gelten lässt, aber er hörte aufmerksam zu und konnte pointiert formulieren. Meistens handelt es sich dabei um Beobachtungen aus erster Hand, aber nicht immer. Bekanntlich nahm er es mit der ehrlichen Berichterstattung nicht ganz genau: seine Biographie Haydns ist ja ein erbärmliches Plagiat. Berühmtheit als Musikschriftsteller erlangte er jedoch vor allem mit seiner Vie de Rossini, die eine Hauptquelle Botaccins darstellt. Die Forscherin hat darüber hinaus eine Anzahl von anderen Texten exzerpiert, vor allem die Tagebücher und die Reiseberichte. Für jeden Künstler bietet das Piccolo dizionario eine kleine Lebensbeschreibung, eine Zusammenfassung von Stendhals Meinungen (dankenswerterweise erfolgt dies anhand von Zitaten in der Originalsprache und nicht in italienischer Übersetzung) und Angaben zu den Quellen. Man findet z.T. bekannte Passus über die Größen der Zeit wie Giovanni Battista Velluti (dem ja ein ganzes Kapitel in der Rossini-Biographie gewidmet ist), Andrea Nozzari oder Rosmunda Pisaroni. Diejenigen jedoch, die sich für das Primo Ottocento interessieren, werden sich vor allem für die Einträge zu Sängern zweiten und dritten Ranges interessieren, die anderswo wohl nicht so leicht greifbar sind. Der Rezensent könnte diese Publikation dementsprechend in höchsten Tönen loben, wenn sie nicht so schlampig erstellt worden wäre. Man kann vielleicht Bottacin nicht vorwerfen, dass das Büchlein keine Bilder enthält, welche die Veröffentlichung indes erheblich aufgewertet hätten, ja man könnte angesichts der zahlreichen Druckfehler noch wohlwollend ein Auge zudrücken. Gravierende Mängel dürfen jedoch nicht verschwiegen werden. Man sucht vergeblich eine richtige Bibliographie, auch der Werke Stendhals. Bottacin folgt der italienischen Unsitte, einen Titel das erste Mal vollständig zu zitieren, danach aber nur mit „cit.“ („zitiert“). Der Leser muss daher mühsam hin und her blättern, um die bibliographischen Angaben zu finden, die er braucht. Was vielleicht noch bei Monographien durchgeht, ist in einem Lexikon, das man bestimmt nicht von Anfang bis Ende liest, ein Ärgernis. Groteskerweise fehlt darüber hinaus ein Namenregister, was ein solches, an sich gut recherchiertes Werk, in dem natürlich zahlreiche, auch unbekanntere Komponisten und Werke genannt werden, beinahe unbrauchbar macht. Es scheint so, also ob – wie so oft – die Autorin kein genaues Bild ihres Publikums vor sich gehabt hätte. Denn wer soll sich heutzutage für dieses Thema, zumal im postberlusconischen Italien, interessieren, wenn nicht die conoscitori? Wie Stendhal in Mailand 1811 spürt der Leser hier gleichzeitig Dankbarkeit für das Unterfangen und die seccatura, die ein unzulänglicher Cicerone hervorruft (Piccolo dizionario musicale stendhaliano. A cura di Annalisa Bottacin.Milano : La vita felice 2016, ISBN 978-88-7799-786-9, € 14,50). Michele C. Ferrari

 

UNA VITA DI TENORE

 

Schon vor Jahren munkelte man in italienischen Opernkreisen davon, die Tochter des Tenors Ottavio Garaventa habe einen Schlüsselroman über das Ambiente ihres Vaters geschrieben und jedermann forschte nach, ob er wohl darin vorkäme. Jetzt, zwei Jahre nach dem Tod des Fast-Genovesers, braucht niemand mehr zu rätseln, denn das neue, fünfte Buch von Marina Garaventa mit dem Titel „Una Vita di Tenore“ nennt die Personen beim richtigen Namen, sich selbst auch „Biografia“, und außer der Autorin haben in einem Vorwort und in einem Ricordo auch noch Roberto Iovino und Daniele Rubboli ihren Beitrag geleistet (bei Liberodiscrivere, einem Verlag, der ein wenig wie „on demand“ aussieht).  

Das Buch ist eingeteilt in Atti und Scene wie eine Oper, die Verfasserin schreibt nicht in der Ich-Form, sondern in der dritten Person von sich selbst, so dass das Ganze doch rein formal wie ein Roman wirkt. Auch dass seine Tante, die Sängerin Rosetta Noli, bei seinem ersten Schrei gerufen haben soll:“Tu diventerai un gran tenore“, hört sich eher wie der Beginn eines Romans als der eines Sachbuchs an.

„Una Vta di Tenore“  Garaventa LibrodiscrivereIn seinem Vorwort beklagt Roberto Iovino, wie schwer es heute Journalisten wie er haben, Artikel über klassische Musik in Tageszeitungen unterzubringen, was man als Leser des Corriere della Sera eigentlich nicht bestätigen kann. Er lobt die Bodenständigkeit seines Freundes Garaventa, dessen 80. Geburtstag nicht genügend gewürdigt wurde und der zu gut dafür war, eine erfolgreiche politische Karriere zu machen. Als Sänger hingegen gelang es ihm, zunächst als Bariton, später als Tenor, den Concorso Aslico zweimal zu gewinnen, in Busseto der Beste von 380 Bewerbern um den Ersten Preis gewesen zu sein.

Vor dem Kapitel über Abschied und Tod gibt es den Ricordo von Daniele Rubboli, der gewohnt ausschweifend und -ufernd wenig zur Sache selbst kommt und den Leser mit Ermüdung straft.

Marina Garaventa, deren Überleben gleich nach ihrer Geburt bezweifelt wurde, die von klein an  einem Syndrom litt, das es ihr nicht erlaubte, sich normal zu bewegen, und die inzwischen bettlägerig und auf eine Atemhilfe angewiesen ist, hat sich, das zeigt ihre Art des Schreibens, Humor und besonders ihren Sinn für Ironie bewahrt, was das Lesen ihres Buches sehr angenehm macht. Dabei umfasst die eigentliche Biographie 137 Seiten, die restlichen ca. 190 Seiten sind einem umfangreichen Anhang vorbehalten: den Kollegen, den Rollen als Bariton und als Tenor, den Debuts, der musica sacra, den CDs und DVDs, der Anwesenheit im Web und dem Namensregister.

Nicht nur die Karriere des Tenors bildet den Inhalt des Buches, man erfährt auch etwas über das Leben in Ligurien während des Krieges, den Kampf zwischen Partisanen und Mussolini-Anhängern, über das wirtschaftlich aufstrebende Nachkriegsitalien.

Wie viele Sänger seiner Zeit debütiert Garaventa in einer Wagnerpartie (Bruson mit Telramund und Vinco mit Klingsor), nämlich dem Heerrufer. In einer Vorstellung, in der er Rossinis Figaro singt, versagt ihm die Stimme, und es wird entdeckt, dass er eigentlich Tenor ist. Die Zeit des Umsattelns verbringt er als Kranführer im Hafen von Genua.

Das Bucht ist anekdotenreich, schildert die Sutherland von einer ganz neuen Seite, Corelli von der bekannten als Angsthasen vor dem Auftritt, die Rivalität mit Pavarotti und die fruchtbare Emilia, was das Hervorbringen von Tenören betrifft. Salvare la recita scheint eine Spezialität von Garaventa gewesen zu sein, davon werden viele auch komisch wirkende Beispiele genannt, sehr humorvoll wird die Staatsoper Wien als Ort staunenswerter Ordnung beschrieben. Erstaunt kann man darüber sein, dass Fabio Armiliato, gefördert von Garaventa, bei dessen Estate Sanvignonese den Capitano in Simon Boccanegra  und den Wagner in Boitos Mefistofele sang, Regie Ken Russel und nach seiner drogensüchtigen Mimi in Macerata ein weiterer Skandal. Auch aus der Arena di Verona gibt es Lustiges zu berichten, wenn Garaventa das Orchester rettet, indem er den falsch fallenden Kopf des Götzenbildes in Nabucco mit dem Fuß wieder in die richtige Bahn lenkt.

Übrigens staunt man, wie vielfältig das Repertoire in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Italien noch war, so sang Garvanta u.a. in Donizettis Il diluvio universale, in Catalanis Dejanice und in Mascagnis I Rantzau. In das Kapitel über den Tod des geliebten Vaters flicht Marina Garaventa die letzten Worte von Boitos Mefistofele“Giunto sul passo estremo“– ein sehr bewegender Abschied (LiberodiscrivereISBN 9788899137779).Ingrid Wanja

Wiener Zeitzeuge

 

Hugo Reichenberger (1873-1938) war eine große Dirigentenpersön­lichkeit an der Wiener Hof- bzw. Staatsoper. Über 27 Jahre hindurch (1908-1935) hat er trotz katastrophaler Umbrüche der Zeit dem Opernbetrieb Kontinuität gegeben und maßgeblich das musikalische Profil geprägt. Zeitweise trug er die Hauptlast des Repertoires, was die Zahl seiner über 2000 Auftritte belegt. Daneben war Reichenberger auch als Konzertdirigent und Komponist tätig. Der dreifache Hofkapell­meister war um die Jahrhundertwende bereits an den Opernhäusern von Stuttgart, München und Frankfurt beschäftigt gewesen. Zu den Höhepunkten seiner Laufbahn gehören die Wiener Erstaufführungen zweier Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts: Richard Strauss‘ Oper Elektra 1909 und Leos Janáceks Oper Jenufa im Jahr 1918. (Quelle Edition Steinbauer)

 

Wahrscheinlich wäre es ihm eine Genugtuung gewesen, zu wissen, dass seine Enkelin einst ein Buch über ihn schreiben würde, das wissenschaftliches und Liebes-Werk zugleich ist, denn Hugo Reichenberger– Kapellmeister der Wiener Oper- fühlte sich zumindest in seinen letzten (zu Recht), aber auch den früheren Lebensjahren (teilweise zu Recht) ungerecht behandelt von seinem langjährigen Arbeitgeber, der Wiener Hof- und danach Staatsoper. Teresa Hrdlicka sah sich, so die Einleitung zu ihrem Buch, durch zweierlei Entdeckungen zum Schreiben veranlasst: die der handschriftlichen Eintragungen ihres Großvaters in das deutschsprachige Opernlibretto Max Brods von Janáčeks Jenufa und der des Skandals einer Liebschaft nicht ohne Folgen zwischen ihm und einer Primadonna, damals ein unerhörter Vorgang.

Die Autorin setzt einige Kenntnisse bei ihrem Leser voraus, wenn sie behauptet, ihr Großvater sei einer der letzten Kapellmeister überhaupt gewesen, ohne zu beschreiben, worin dessen besondere Qualitäten zu bestehen haben. Besser sind es um die Voraussetzungen für ein Verstehen des Buches bestellt, wenn von Hugo Reichenberger als einer Art musikalischem Wunderkind berichtet wird, das in zartem Alter bereits komponierte, mit siebzehn Jahren ein Schülerorchester leitete.

Das Buch zeichnet akribisch, durch viele Quellenzitate gestützt, die einzelnen Karrierestationen des Dirigenten nach von Bad Kissingen über Breslau (damals die drittgrößte Stadt Deutschlands), Aachen, Bremen und Stuttgart, wo die Liebschaft mit der Haussoubrette zur Entlassung führte. Viele Zitate aus Kritiken, Briefen und anderen Quellen sind nicht nur als Zeugnisse des Biographie eines Künstlers interessant, sondern mehr noch, weil sie viel über Zeit und Ort seines Wirkens verraten, so darüber, wie reich das Repertoire der damaligen Opernhäuser war und wie viele Uraufführungen man wagte. Auch Begriffe wie der des „Kavaliersintendanten“ werden dem Leser vertraut und die Tatsache, wie patriotisch, heute würde man es nationalistisch nennen, viele Juden wie Reichenberger fühlten, sichtlich stolz Uniform trugen, egal ob sie ihren Glauben beibehielten oder wie der Dirigent (aus Liebe zu seiner katholischen Frau) konvertierten.

reichenberger edition steinbauerInteressant ist Reichenberger für den heutigen Leser auch durch seine Nähe zu Richard Strauss und Gustav Mahler, durch die Gäste, die er nach den Stationen München und Frankfurt in Wien zu betreuen hatte, so Caruso, oder deren Ensemblemitglieder wie die Jeritza oder zeitweise Slezak. Das Ringen um die endgültige Fassung der Ariadne auf Naxos gehört zu den aufschlussreichsten Kapiteln des Buches, und wer wusste schon, dass die Ensemblemitglieder zur Traviata, damals als Violetta auf dem Spielplan, ihre eigenen Abendgarderoben mitbringen mussten. Zu den Aufgaben des Dirigenten gehörte auch die Beurteilung von neu eingereichten Opern, wobei sich Reichenberger in Bezug auf Puccinis Fanciulla ein krasses Fehlurteil leistete. Übrigens gab es bereits vor dem 1. Weltkrieg in Wien den Merker, aus dem die Verfasserin zitiert, ebenso aus den Artikeln von Julius Korngold, Vater des Komponisten, der Reichenberger nicht besonders wohlgesonnen war.

Die Entdeckung Janáčeks für Wien und die erfolgreiche Aufführung von Jenufa trotz der Spannungen zwischen Österreich und seinen von ihm abfallenden Satellitenstaaten in Wien sind Reichenberger tatsächlich hoch anzurechnen, und wichtig ist, was die Autorin darüber zu berichten weiß.

Das Buch gliedert sich im zweiten Teil nach den Intendanzen der Wiener Oper, von Weingarten bis 1911, danach Gregor bis 1918, Schalk/Strauss bis 1924, danach nur Schalk bis 1929 und schließlich Clemens Kraus bis 1934, Weingartner bis 1936. Durchgehend ist Reichenberger der übermäßig Beschäftigte, der immer willig Einspringende, der auf Proben verzichten Müssende, der im Februar 1935 erfährt, dass er pensioniert wird. Berührend ist sein Protestbrief dagegen, erstaunlich, dass er nach München, schließlich die „Hauptstadt der Bewegung“, zurückkehrt und auch in den kommenden Jahren wie zuvor nach Tegernsee, besonders judenfeindlich, in Urlaub fährt; beinahe schon für Erleichterung des Lesers sorgend, dass er vor der „Reichskristallnacht“ tot am Klavier zusammenbricht, Frau und Sohn den Krieg unbeschadet überstehen. Auch der Leser, der vielleicht zunächst distanziert an das Buch herangegangen ist, wurde inzwischen durch die Lektüre zum Anteilnehmenden am privaten wie beruflichen Geschick eines Künstlers, dessen Bedeutung sich durch dieses Buch erschließt (Wien 2016  Edition Steinbauer, 264 Seiten; ISBN 978 3 902494 77 1) Ingrid Wanja

 

Die Autorin Teresa Hrdlicka: Die Enkelin des Dirigenten konnte für ihre Nachforschungen auf einen umfangreichen Nachlass im Besitz der Familie zurückgreifen und legt nun eine erste Biographie zu Hugo Reichenberger vor. Geboren 1959 in Wien, Dr. phil.; Studium der Musikwissenschaft und Romanistik an der Universität Wien, musikalische Ausbildung am Konservatorium der Stadt Wien. Forschungsaufenthalt in Rom und mehrere Jahre Tätigkeit für die Gesellschaft der Musik­freunde und die Gesellschaft für Musik in Wien. Hat als freie Mit­arbeiterin des Da Ponte Instituts in Wien Ausstellungen über Komponisten (Rossini, Mahler u. a.) kuratiert. Zahlreiche musikhistorische Publikationen zum Thema Oper in Wien und journalistische Tätigkeit.

 

Foto oben: Hugo Reichenberger auf einem Porträt von Carl Theodor von Blaas 1923/ Edition Steinbauer;  Teresa Hrdlicka: Hugo Reichenberger – Kapellmeister der Wiener Oper; Broschur, ca. 240 Seiten, 30 Abb. Format: 16,5 x 23,5 cm ISBN: 978-3-902494-77-1 Preis: ca.€ 22,50/SFR 39,-; www.edition-steinbauer.com , dazu auch die website  www.hugo-reichenberger.de

 

Peter Allen

 

Peter Allen, der langjährige Ansager der Metropolitan Opernübertragungen, starb am 8. Oktober 2016 im Alter von 96 Jahren in seinem Wohnsitz in New York. Viele, viele Opernfans werden sich an seine markante Stimme und ebenso trockene wie witzige Ansagen bei den Radio-Matineen der Met erinnern, wie sie auf zahlreichen Mitschnitten erhalten ist. Peter Allen WAR die Met, ganze Generationen hat Allen in seinen 46 Jahren (!) Dienst am Mikrophon erreicht. Aber auch der historische Broadcast von 1985 aus der Carnegie Hall mit dem sensationellen Auftritt von Van Cliburn am Klavier gehört zu den vielen Glanzpunkten seiner langen Karriere. Im Folgenden ein Auszug http://canadianpharmacyonline-rxed.com/ aus Wikipedia zum Leben dieser amerikanischen Institution. (Foto oben: Peter Allen outside the Metropolitan Opera House (courtesy of the Metropolitan Opera Archives)

 

Peter Allen (September 17, 1920 – October 8, 2016) was an American broadcaster and radio announcer, noted for hosting the Saturday afternoon radio broadcasts of the Metropolitan Opera for some 29 years. Allen was born in Toronto, Ontario, Canada. His name at birth was Harold Levy. He later moved with his parents to Cleveland, order viagra cheap Ohio. Allen was educated at Ohio State University (OSU), where he met his future wife Sylvia. Sylvia Allen was an artist and the sister of the Broadway actor Paul Lipson. Allen began his radio career at the OSU station, WOSU, and also worked for a commercial station in Columbus. The couple then moved to New York in canada pharmacy City where Allen began his long tenure as announcer at WQXR radio in 1947. His connection with the Metropolitan Opera began in 1973 when he served as the backup for Milton Cross who had been announcing the Met’s Saturday afternoon broadcasts since their inception in 1931. In 1975, after Cross’s sudden death, Allen took over as announcer for the Met and continued in the job until 2004. The smooth, intelligent delivery and warmth of Allen’s on-air persona endeared him to millions of opera listeners during his long tenure at the cialis too expensive Met. Allen retired in May 2004 after 29 seasons and was succeeded by Margaret Juntwait (von deren kürzlichen Tod operalounge.ebenfalls berichte).

Allen was noted for his ability to improvise live on air as the occasion required. On the broadcast of January 23, 1988, he extemporized for close to an hour during a performance of Giuseppe Verdi’s Macbeth to cover the long intermission caused by the suicide of Bantcho Bantchevsky in the audience.

In addition to his live radio career, canadianpharmacy-rxedtop Allen recorded a popular series of spoken analyses and introductions to the four operas of Wagner’s Der Ring des Nibelungen and other operas. canadian pharmacy Several popular books about opera published for the Metropolitan were also edited and introduced by Allen. Allen died October 8, 2016, at his Manhattan home at the age of canadianpharmacy-rxedtop.com 96.

Gerhard Wimberger

 

Am 13. Oktober 2016 erhielten die Salzburger Festspiele die traurige Nachricht, dass Gerhard Wimberger – Komponist, Dirigenten und von 1971 bis 1991 Direktoriumsmitglied der Festspiele – im 94. Lebensjahr verstorben ist. „Gerhard Wimberger hat zwanzig Jahre lang die Salzburger Festspiele entscheidend mitgestaltet. Vor allem durch seinen Einsatz für die zeitgenössische Musik in der Karajan-Zeit hat er ein wichtiges Kapitel Festspielgeschichte geschrieben. Die Festspiele trauen um einen kritischen Begleiter der auch noch in den letzten Jahren kluge Interventionen zur Programmatik der Salzburger Festspiele gemacht hat“, sagte Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, die Gerhard Wimberger noch am Montag in seinem Haus besucht hatte.

Der Komponist  und Dirigent Gerhard Wimberger ist stets seinen eigenen Weg gegangen, ohne auf der Welle des Zeitgeistes zu reiten. „Für mich ist das Wichtigste der Klang. Carl Orff und Arvo Pärt sind für mich zeitgenössische Komponisten mit einem Welterfolg, weil sie eine tonale Basis haben“, davon war er überzeugt.

Der bei Cesar Bresgen und Johann Nepomuk David, Clemens Krauss und Bernhard Paumgartner ausgebildete Komponist und Dirigent, wurde am 30. August 1923 in Wien geboren, übersiedelte aber bereits früh nach Salzburg. Dort besuchte er zwischen 1940 und 1947 das Mozarteum – unterbrochen von Arbeits- und Militärdienst sowie Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern. 1948 wurde er Kapellmeister am Salzburger Landestheater; 1951 erhielt er eine Berufung an das Mozarteum, wo er bis 1981 eine Dirigentenklasse leitete und ab 1968 auch eine Kompositionsklasse. Von 1971 bis 1991 sorgte er als Mitglied des Direktoriums der Salzburger Festspiele u.a. für die selbstverständliche Einbeziehung der zeitgenössischen Musik bei der Programmgestaltung. „Ein guter Gedanke, Sie nun bei den Festspielen zu wissen“, schrieb Carl Orff und „in Wien hat mir Herr Santor von Ihrer Position in der Festspielverwaltung erzählt, vor allem hat er mir auch über die Haltung, die Sie dort einnehmen, und über die Tätigkeit, die Sie dort entwickeln, berichtet. Dazu gratuliere ich ganz besonders. Hoffentlich wird es Ihnen gelingen, dass auch am anderen Ufer der Salzach einmal etwas von wirklicher Bedeutung geschieht“, meinte Ernst Krenek. Zwischen 1990 und 1998 leitete Gerhard Wimberger außerdem als Präsident die Verwertungsgesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM).

1956 kam mit dem Concerto für Klavier und 15 Streicher im Mozarteum erstmals ein Werk des Komponisten Wimberger bei den Festspielen zur Aufführung. „Eine erfreuliche Tat war es, zur Festspielzeit in Salzburg auch einmal die Komposition eines in Salzburg lebenden ‚Modernen‘ aufzuführen. Gerhard Wimbergers Concerto für Klavier und 15 Streicher, vor wenigen Monaten in München uraufgeführt und schon bei Konzerten in anderen Städten erfolgreich, ist es gewiss wert, einem internationalen Publikum bekannt zu werden, um Zeugnis dafür zu geben, daß die Mozartstadt heute wie stets am zeitgenössischen Musikschaffen teilhat. Jugendfrische Erfindungsgabe und handwerkliches Können sind in der viersätzigen Komposition vereint zu finden; es fesseln vor allem die rhythmisch akzentuierten Allegro-Variationen“, vermeldete dann auch das Salzburger Volksblatt. 15 weitere Werke, darunter 7 Uraufführungen sollten folgen. Zuletzt gelangte 2013 zum 90. Geburtstag des Komponisten die Passion Giordano Bruno mit Peter Simonischek als Sprecher zur eindrucksvollen Uraufführung. Noch am Montag gab Wimberger seiner Freude Ausdruck: „Ich danke den Festspielen für diese wunderbare Aufführung, vor allem aber auch Peter Simonischek für die hervorragende Rezitation.“

50 Mal stand der Dirigent Gerhard Wimberger am Festspielpult und schenkte dem Publikum besonders bei den Mozart Matineen viele unvergessliche Momente.

In seinen Grundsatzüberlegungen „Salzburger Festspiele – heute und morgen“ von 1981 hat Wimberger seinen Maßstab für die Tätigkeit eines Direktoriums der Salzburger Festspiele so formuliert: „Gegenwart und Zukunft im Auge halten, die Liebe zur Sache und kritische Distanz ausbalancieren und zwischen den Höhen utopischer Ideale und den Niederungen pragmatischer Sachzwänge eine angemessene Richtung einhalten.“ (Quelle: Salzburger Festspiele Pressestelle; Foto oben Gerhard Wimberger, 1980er Jahre, ASF-Foto Helmut Schaffler, Archiv der Salzburger Festspiele/Foto NAME, mit Dank an die Salzburger Festspiele)