Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Jennifer O’Loughlin

 

Als Titelheldin in Bellinis La Sonnambula feierte Jennifer O’Loughlin in der Spielzeit 2015/16 große Erfolge im Münchner Prinzregententheater. Ein weiteres Rollendebüt für die US-amerikanische Sopranistin stellte im Januar 2017 die Leïla in Les Pêcheurs de perles von Bizet dar. Nach ihrem Karrierebeginn an der Wiener Volksoper und neben dem aktuellen Engagement am Münchner Gärtnerplatztheater verfolgt Jennifer O’Loughlin eine internationale Karriere; in den letzten drei Jahren gastierte sie z.B. am New National Theatre Tokyo als Fledermaus-Adele (inszeniert von Heinz Zednik und dirigiert von Alfred Eschwé),  2015 mit dem Sopransolo in Orffs Carmina burana unter Kristjan Järvi beim „Georges Enescu“-Festival 2015 von Bukarest und 2016 in Händels Messias mit dem Baltimore Symphony Orchestra unter Edward Polochick sowie als Tytania in Brittens Midsummer Night’s Dream am Opernhaus von Valencia, unter der musikalischen Leitung von Roberto Abbado. Sebastian Stauss traf die Sängerin in München während der Proben zu den Pêcheurs de Perles!.

Sexy und selbstbewusst: Jennifer O’Loughlin/ Foito David Martin Jacques

Wie für alle ihre Partien beschäftigt sich Jennifer O’Loughlin beim Einstudieren von Bizets Leïla sehr gründlich mit dem Idiom und dem Stil ihrer Partie: „Schon während der Ausbildung am Konservatorium waren meine intensivsten Aussprachekurse jene in der französischen Sprache. Es gibt so viele Regeln und Nuancen! Aber ich habe es immer genossen, französisches Lied zu singen. Vor ein paar Jahren habe ich für meine Interpretation von Poulenc-Liedern den ‚Poulenc Plus’-Wettbewerb unter der Leitung von Dalton Baldwin gewonnen.“ Auch mit Thomas Grubb (u.a. Autor des Buches Singing in French, a Manual of French Diction and French Vocal Repertoire) hat Jennifer O’Loughlin zusammengearbeitet: „Es war wichtig zu lernen, wie man die nasalen Vokale singt, ohne dass Töne direkt in die Nase gehen. Dies erfordert, wie in allen Sprachen, im Französischen aber ganz besonders: viel Stütze, eine sehr offene Kehle, Nase und ein hohes Gaumensegel. Was ich außerdem als Herausforderung empfinde, ist das Schwa, wie z.B. in: ‚Me voilà seule’. Im Wesentlichen ist es ein offenes E mit abgerundeten Lippen – gefährlich, weil es regelrecht in die Kehle zurückfallen kann. Dieses Problem wird durch das Hinzufügen der abgerundeten Lippen verschärft. Also muss ich mir vorstellen, den Schwa-Laut ‚da draußen’ zu halten.“

Jennifer O’Loughlin: Amina in „La Sonnambula“ mit Maxim Kuzmin-Karavaev/ Münchner Gärtnerplatztheater/ Foto Thomas Dashuber

Neben souveräner Koloratur und großer Phrasierungskunst ist, wie selbst Muttersprachler/innen attestieren, auch im italienischen Repertoire die sorgfältige Aussprache kennzeichnend für Jennifer O’Loughlins Interpretationen. Beste Voraussetzungen also für weitere Rollen im so genannten Belcanto-Fach, nach der hoch gelobten Amina in La Sonnambula? Schließlich brachte gerade die Wahnsinnsszene aus Lucia di Lammermoor Jennifer O’Loughlin schon bei den Paris Opera Awards 2013 den „Maria Callas“-Preis ein, und die Aufnahmen der Callas kennt sie ebenso gut wie jene von anderen berühmten Sopranistinnen in italienischen Koloratur-Partien (z.B. Sutherland oder Scotto).  „Was wir heute als Belcanto bezeichnen – Rossini, Donizetti und Bellini –, war bereits das Ende der Belcanto-Ära, die bei Händel und Mozart auf dem Höhepunkt stand. Bellinis Musik finde ich in ihrer Eleganz, Raffinesse, Melodiösität und Introvertiertheit am stärksten, ähnlich wie Chopin. Wie dieser starb Bellini ja jung und konnte nicht annähernd so viel komponieren wie Donizetti oder Rossini, dessen Musik ich als extrovertiert und sehr funkelnd empfinde. Donizetti erscheint mir dagegen dramatischer; er malt gleichsam mit breiteren Strichen und führt näher an Verdi heran.“ Als Partnerin von Elīna Garanča (auf deren jüngstem CD-Recital) ist Jennifer O’Loughlin übrigens in einem Duett aus Verdis Don Carlo als Tebaldo zu hören. „Verdi war quasi die Brücke. Er verkörperte beides, sowohl die ältere Schule des Gesanges als auch das, was wir jetzt Verismo nennen. Ich denke, deshalb sind seine Werke so beliebt. Der Grund, warum das Konzept von Belcanto als Sängerschule so schwer fassbar ist, ist wohl, dass es anfangs von Kastraten perfektioniert und weitergegeben wurde. Eine vereinfachte Sichtweise besteht darin, dass es zwei Gesangsphasen und zwei pädagogische Philosophien gibt: ‚Prä- und Post-Wagner’ bzw. die Kontrolle der Stimme als rein physikalischer Mechanismus gegenüber der Verwendung der Phantasie, um den Körper zu kontrollieren. Ich persönlich gebe der älteren Schule des Gesanges den Vorzug.“

Jennifer O’Loughlin: „Die Kluge“ (mit Wolfgang Koch)/ Volksoper Wien/ Foto Dimo Dimov

Mozart als „eigentlicher“ Belcanto-Komponist bleibt in der Fachentwicklung von Jennifer O’Loughlin zentral. Zu den Münchner Wiederaufnahmen 2016/17 von Così fan tutte und der Entführung aus dem Serail mit O’Loughlin als Fiordiligi bzw. Konstanze kommt bei der Don Giovanni-Premiere im Juni noch das Rollendebüt als Donna Anna: „Meiner Meinung nach ist Donna Anna die bisher dramatischste Rolle in meinem Repertoire.  Und ich denke, es ist gut, dass ich davor noch einige Male als Konstanze auf der Bühne stehe. Rollen mit Noten über dem hohen C halten mich ‚rein und ehrlich’! Ich bleibe damit auf Kurs.“ Zwischen Leïla und den Mozart-Rollen steht im März noch eine Uraufführung des Gärtnerplatztheaters an, Frau Schindler von Thomas Morse, auf die sich Jennifer O’Loughlin ebenfalls freut: „Ich mag moderne Musik und habe eine Menge davon in der Schule gesungen,  einschließlich einem Opern-Einakter, geschrieben von einem der Kompositionsschüler. Es ist interessant, eine Rolle zu kreieren, die niemand zuvor verkörpert hat. Es ist meiner Meinung nach wichtig, daran teilzunehmen und neue Musik zu fördern, weil nur so unsere Kunstform erweitert wird. Ich genieße und erschließe mir möglichst viele verschiedene Stile, damit meine Repertoire-Möglichkeiten schier endlos sind, besonders wenn ich noch das Lied und Oratorium hinzufüge.“

Auch die abschließende Frage, welche Möglichkeiten der Regie sie für exotische Handlungsorte wie bei den in München nur konzertant gespielten Pêcheurs de perles sieht, beantwortet Jennifer O’Loughlin sehr offen: „Ich glaube, dass dieser Exotismus uns im 21. Jahrhundert weniger befremdet als zur Entstehungszeit von Pêcheurs de perles oder Lakmé! Reisen ist so viel schneller heute, und wenn ich etwas über Sri Lanka erfahren will, muss ich gar nicht hinfahren. Ich kann mir im Internet eine Reihe von Dokumentationen über dieses Land abrufen. Das Einzige, was ich von einer Inszenierung verlange, ist, dass sie sinnfällig ist und der Musik dient. Ob sie in der ursprünglich vorgesehenen Zeit angesiedelt ist, finde ich nicht so wichtig. Die Inszenierung muss dem Drama dienen, das in der Musik liegt.“

 

(Foto oben: Jennifer O’Loughlin als Tytania im „Midsummer Night’s Dream“, Volksoper Wien (C) Dimo Dimov; eine ausführliche Biographie und weitere Details finden sich auf Jennifer O’Loughlins website: http://www.jenniferoloughlin.com/)

Ein Leben lang Erste Geige

 

Eher ein Trachtenjanker als der feierliche Frack scheint zu dem freundlich-verschmitzt lächelnden Gesicht auf der Titelseite des Buches von Peter Brem, Ein Leben lang Erste Geige, zu passen, und so kontrastreich wie das Cover ist auch der Inhalt des Buches, das sich mit den höchsten und letzten Dingen der Musik in einer Art und Weise befasst, dass man es lesen kann wie einen spannenden Roman. 46 Jahre lang war der Münchner Mitglied der Berliner Philharmoniker, Teil einiger berühmter Kammerensembles und für einige Semester auch Lehrer an der Berliner Hochschule für Musik.

Wie ein Musikstück gegliedert ist die Autobiographie mit Kapiteln wie „Vorspiel“, „Auftakt“ oder „Punktierung“, nicht durchweg chronologisch aufgebaut, sondern dem Leser auch „Intermezzi“ anbietend und vor allem jedem, der eine Karriere als Musiker anstrebt, wertvolle Einsichten und Ratschläge vermittelnd. So mag es manchem Leser nicht schmecken, wenn er kategorisch erklärt: “Eine andere Methode funktioniert nicht“, und damit das kontinuierliche, von Vorlieben und Launen unabhängige ständige Üben und noch einmal Üben meint. Bei Brem führte das sogar so weit, dass er zunächst auf den Besuch des Gymnasiums verzichtete, um die Geige nicht zu kurz kommen zu lassen. Und seine Karriere wäre vielleicht anders verlaufen, wenn er sich nicht so vehement gegen ein Studium in der SU gewehrt hätte, denn an anderer Stelle stellt er fest, dass von dort vor allem zum Solisten ausgebildete, aber nicht Orchestermusiker kamen und kommen.

Höchst aufschlussreich ist der Bericht über das Vorspielen bei den Berlinern, deren besondere Organisationsform dem Leser ausführlich und nachvollziehbar geschildert wird, interessant sind die musikalischen Charakterbilder der Konzertmeister, so Michael Schwalbés, von Brandis, in dessen Quartett er jahrelang mitspielte, und von Spierer – Berliner Konzertbesuchern der letzten Jahrzehnte bestens bekannt. Brem scheut nicht vor gewagten Vergleichen zurück, wenn er schildert, dass ihm Karajan als Gott, Schwalbé als Petrus und der Rest des Orchesters als Engel vorkamen.

Der spezielle Klang der Berliner wird erwähnt, die Findung der Chefdirigenten Abbado und Rattle beschrieben und nicht nur deren spezielle Arbeitsweisen analysiert, sondern auch die von Maazel, Muti, Bernstein, Celibidache, Thielemann und vieler anderer Dirigenten, die mit dem Orchester arbeiteten. Dabei weist Brem mehrfach drauf hin, dass eigentlich bei der Wahl Abbados wie der Rattles eigentlich Daniel Barenboim sein Favorit war. Die Probenarbeit und Aufführungspraxis der drei Chefdirigenten, die er erlebte, wird miteinander verglichen, so die an Brahms‘ 3. Sinfonie. Ab und zu gibt es auch einen Einblick in Privates, so  das gemeinsame Kind von Abbado und Mullova betreffend.

Als jahrelanger Geschäftsführer kann Brem natürlich auch über Nichtkünstlerisches berichten, so darüber, dass die Philharmoniker eigentlich, wer hätte das gedacht, zu schlecht bezahlt wurden oder dass es feine Unterschiede zwischen dem Berliner Philharmonischen Orchester und den Berliner Philharmonikern gibt. Besonders hervorgehoben wird die Jugendarbeit von Rattle, der der Verfasser zunächst recht skeptisch gegenüber stand, und ein leiser Tadel schwingt in der Feststellung mit, dass der britische Dirigent trotz angeblichen Thomas-Mann-Lesens im Original die Proben nie auf Deutsch stattfinden ließ. Er befasst sich auch aufschlussreich mit der Frage, was einen „Superdirigenten“ ausmache, schildert die Aktivitäten der Philharmoniker anlässlich des Mauerfalls und setzt sich mit den atmosphärischen Strömungen im Publikum der Philharmonie auseinander. Als Revolutionär zeigt er sich in der Zusammenarbeit seines Orchesters mit den Scorpions unter Klaus Meine (gegen Abbados Meinung dazu), ebenso in seiner Bejahung der Einrichtung der Digital Concert Hall, die weit weniger umstritten war.

Aber nicht nur musikalische Höhenflüge, sondern auch ganz „Gewöhnliches“ beschäftigt ihn, so  die Hustengeräusche aus dem Publikum und die einheitliche Kleidung für nichtabendliche Auftritte, dunkelblaue Anzüge von Joop, die sich zu seinem Leidwesen bis heute bei den Damen im Orchester nicht durchsetzte.

Zu denken geben sollte manchem Musiker, wie strikt Brem persönliche Beziehungen zwischen z.B. Angehörigen eines Kammermusikensembles ablehnt, welche Schwierigkeiten die Aufführung von Opern, insbesondere des Rosenkavaliers, einem Orchester bereiten können. Nicht überraschend ist für den Leser, wie eng hingegen die Beziehung eines Musikers, vor allem eines Geigers zu seinem Instrument ist, und mit viel Anteilnahme wird er lesen, welche Bedeutung die vier Geigen Brems für ihren Besitzer hatten. Auch Niederlagen wie das vergebliche Bemühen um die Stelle des Konzertmeisters werden nicht verschwiegen, und manch kritischer Blick wird u.a. auf die Auswüchse des Artenschutzgesetzes geworfen, das die Mitnahme uralter Instrumente z.B. in die USA verhindert. So pessimistisch der Blick auf die Zukunft der zu zahlreichen Musikstudenten ausfällt, so optimistisch ist dieser, wenn der Verfasser auf seine nun nicht mehr beruflich, aber privat geübte Beschäftigung mit Musik richtet und damit den Leser in einer gar nicht pessimistischen Stimmung zurücklässt (260 Seiten, rororo 2016; ISBN 978 3 499 63141 2Ingrid Wanja

 

Klara Takacs

 

Mit Bedauern hören wir vom Tode der ungarischen Mezzosopranistin Klara Takács, die am 21. Januar 2017 in Budapest im Alter von nur 71 Jahren verstarb. Sie ist westlichen Opernliebhabern natürlich durch ihre Königin von Saba auf der Hungaroton-Aufnahme in Erinnerung, aber auch als Donizettis Favorite oder Heldin Zaida im Dom Sebastien unter Eve Queler in New York. Zudem hat sie bei Hungaroton viele Aufnahmen hinterlassen. Sie galt als der Mezzoexport Ungarns. Nachstehend ein Auszug aus dem unersetzlichen Kutsch-Riemens.

 Takács, Klara, Mezzosopran, * 24.4.1945 Lengyeltoti (Ungarn); sie sang zuerst im Budapester Madrigalchor, wurde darauf an der Franz Liszt-Musikakademie von Budapest zur Solistin ausgebildet. 1975 war sie Preisträgerin beim Internationalen F. Erkel- Wettbewerb in Budapest. Seit 1973 bekanntes Mitglied der Nationaloper Budapest, an der sie als Lola in »Cavalleria rusticana« debütierte. Hier hatte sie als Orpheus von Gluck, als Adalgisa in Bellinis »Norma«, als Titelheldin in Goldmarks »Königin von Saba«, als Titelfigur in Rossinis »La Cenerentola«, als Cherubino in »Figaros Hochzeit« und in einer Fülle weiterer Partien sehr große Erfolge. Ähnliche Erfolge ergaben sich bei Gastspielen in Ungarn wie im Ausland und auf den Gebieten des Konzert- und Oratoriengesanges. Sie gastierte mehrfach an der Wiener Staatsoper und nahm 1986 an deren Japan- Tournee teil. 1987 Gastspiel am Teatro Colón Buenos Aires als Charlotte im »Werther« von Massenet und als Eudoxia in »La Fiamma« von O. Respighi. 1991-92 sang sie bei den Festspielen von Salzburg die Marcellina in »Figaros Hochzeit«. – Sie sollte nicht mit der jüngeren Sängerin Tamara Takácz (* 1950) verwechselt werden, die fast gleichzeitig, und auch als Mezzosopranistin, in Budapest tätig war.

Schallplatten der Marke Hungaroton, darunter mehrere integrale Opernaufnahmen: »Medea« von Cherubini als Partnerin von Sylvia Sass, »Königin von Saba« von Goldmark, »Nerone« von Boito, »Hunyadi László« von Erkel, »Der Apotheker« von Haydn, »Belfagor« von O. Respighi, »Andrea Chénier« von Giordano, Mozart-Requiem, »Die Legende der hl. Elisabeth« von F. Liszt, Missa solemnis von Beethoven, »Lieder eines fahrenden Gesellen« von G. Mahler, »Hary János« von Kodály, geistliche Musik von J. Haydn, Suzuki in »Madame Butterfly«, Krönungsmesse von F. Liszt, Petite Messe solennelle von Rossini; auf Ariola-Eurodisc Maddalena im »Rigoletto«, auf Legato Zaida in »Dom Sébastien« von Donizetti. [Lexikon: Takács, Klara. Großes Sängerlexikon, S. 23853/ (vgl. Sängerlex. Bd. 5, S. 3424) (c) Verlag K.G. Saur] (Foto oben Klara Takacs/ Meghalt Takács Klára operaénekes24.hu)

 

 

Hermann Levi

 

Acht Jahre war der jüdische Dirigent Hermann Levi als gefeierter Hofkapellmeister in Karlsruhe tätig. Ein bedeutender Höhepunkt seiner Laufbahn war das Dirigat der Uraufführung von Richard Wagners Parsifal 1882 in Bayreuth – gegen den Widerstand des Komponisten, der der Überzeugung war, dass ein Jude diese christliche Oper nicht dirigieren könne. Im Gedenken an den heute fast vergessenen Künstler wird der Vorplatz des Badischen Staatstheaters Karlsruhe offiziell Hermann-Levi-Platz benannt. Darüber hinaus erinnern wir in einer Ausstellung im FOYER an den Musiker und Komponisten. Außerdem wird Levi in unserer Opernuraufführung Wahnfried auch auf der Bühne zu erleben sein. Ab Februar 2017 wird sich die Adresse des STAATSTHEATERS von Baumeisterstraße 11 in Hermann-Levi-Platz 1 ändern. (Quelle Badisches Staatstheater/ Foto swr)

 

Dazu auch eine Vita aus dem unersetzlichen Wikipedia (mit Dank): Hermann Levi (* 7. November 1839 in Gießen; † 13. Mai 1900 in München) war ein deutscher Orchesterdirigent und Komponist. Hermann Levi war der Sohn des hessischen Landesrabbiners Benedikt Levi und Henriette Mayer (1807–1842). Seine Mutter entstammte der bekannten Tabakfabrikantenfamilie Mayer in Mannheim. Seine Urgroßväter mütterlicherseits waren der kurpfälzische Hoffaktor Gottschalk Mayer und der Mannheimer Bankhaus-Gründer Wolf Hajum Ladenburg. Sein Großvater väterlicherseits war der Wormser Rabbiner Samuel Levi, ein Sohn des Rabbiners Wolf Levi in Pfersee bei Augsburg. Sein Bruder war der Bankprokurist Wilhelm Levi des Bankhauses Ladenburg, der sich später Wilhelm Lindeck nannte und Vermögensverwalter des Komponisten Johannes Brahms wurde. Hermann Levi heiratete 1895 Mary Fiedler geb. Meyer (1854–1919), eine Tochter des Kunsthistorikers Julius Meyer und Witwe des Kunsthistorikers Konrad Fiedler (1841–1895).

Hermann Levi wuchs in Gießen auf. In Mannheim absolvierte er bei Hofkapellmeister Vinzenz Lachner eine Art musikalische Lehre. Von 1855 bis 1858 studierte er am Leipziger Konservatorium. Nach Reisen unter anderem nach Paris übernahm er den Posten des Musikdirektors in Saarbrücken und wechselte 1861 nach Mannheim. Von 1862 bis 1864 war er Chefdirigent der Deutschen Oper in Rotterdam, anschließend bis 1872 am Großherzoglichen Hoftheater Karlsruhe. In Karlsruhe begann er 1864 mit dem Lohengrin und dirigierte dort zweiter nach der Münchener Uraufführung Die Meistersinger von Nürnberg. Das Angebot, die Uraufführung von Die Walküre in München zu übernehmen, schlug er 1869 aus. Levi freundete sich Johannes Brahms an, die Freundschaft zerbrach allerdings Mitte der 1870er Jahre, und mit Clara Schumann.

Ab 1872 amtierte er als Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München, bis er sich 1896 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog und in Partenkirchen niederließ. 1872 wurde er Mitglied der Zwanglosen Gesellschaft München[1], der er bis zu seinem Tode angehörte.

1874 dirigierte er erstmals den Tristan und wurde nach eigenem Bekenntnis gegenüber Joseph Joachim zum „Wagnerianer“, und 1878 den kompletten Ring. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn dirigierte Levi im Juli 1882 die Uraufführung des Parsifal in Bayreuth. Obwohl aus bedeutenden jüdischen Familien stammend, war Levi in die christliche Mythenwelt Wagners hineingewachsen und seit 1871 mit dem Komponisten freundschaftlich verbunden. Wagner selbst wies Kritik, sein „heiligstes“ Werk nicht von einem Juden dirigieren zu lassen, entschieden zurück. Jedoch stand immer die Forderung Wagners an Levi, sich taufen zu lassen, im Raum. Dieser Erwartung entsprach Levi bei aller Verehrung Wagners zwar nie, der äußere und vor allem innere Konflikt belastete ihn jedoch sehr, wie sich Levis Schüler Felix Weingartner erinnerte.

Im Februar 1883 besuchte er Wagner in Venedig, am Tag nach seiner Abreise starb Richard Wagner. Levi dirigierte März/April des Jahres den Zyklus von Gedächtnisaufführungen mit allen Opern Wagners in München. Er blieb bis 1894 der „Major“ und die rechte Hand der Witwe Cosima Wagner bei der Leitung der Bayreuther Festspiele. Der anhaltende Erfolg der Musik Richard Wagners nach dessen Tod ist eng mit Levis Namen verknüpft. Antisemitische Anfeindungen auch durch Richard Strauss, der sich 1891 über das jüdische Dirigat des heiligen Parsifal bei Cosima Wagner, ebenfalls eine glühende Antisemitin, beschwerte, belasteten ihn schwer.

Levi führte den „Mozart-Zyklus“ in das deutsche Opernrepertoire ein. Er übersetzte selbst die Libretti von Lorenzo da Ponte zu Mozarts Opern Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte ins Deutsche. Dabei bemühte er sich geschickt, die beim Gesang wichtigen Vokale des italienischen Originals möglichst zu erhalten; so übersetzte er zum Beispiel in „Cinque… dieci…. venti… trenta… trentasei…quarantatre“ (Le Nozze di Figaro) das letzte Zahlwort nicht (wörtlich) mit „dreiundvierzig“, sondern (vokalerhaltend) mit „ja, ja, es geht“. Diese Übersetzungen erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit und haben sich gegen andere Übersetzungsversuche durchgesetzt; viele Formulierungen daraus wurden geflügelte Worte („Reich mir die Hand, mein Leben“). Ein Umstand, der die Nationalsozialisten in Verlegenheit bringen sollte: Einerseits sollten Opern nur in deutscher Sprache aufgeführt werden, und andererseits war das Libretto des konvertierten Juden da Ponte auch noch von einem weiteren Juden, nämlich Levi, übersetzt worden.

Levi verfolgte in jungen Jahren zunächst eine Karriere als Komponist: In Paris entstand als sein op. 1, ein an Schumann orientiertes Klavierkonzert in a-Moll, das vom Gewandhausorchester Leipzig uraufgeführt wurde, außerdem eine Symphonie, eine Violinsonate, Klavier- und Kammermusik sowie verschiedene Liedvertonungen. Nach einer harschen Kritik von Brahms an seinen Werken gab Levi jedoch diesen Teil seiner musikalischen Tätigkeit trotz großer Erfolge auf und vernichtete alle Manuskripte. Erhalten geblieben sind lediglich die im Druck erschienenen Werke, zwei Liederzyklen und die Solostimme des Klavierkonzerts. Das verloren geglaubte Orchestermaterial des Klavierkonzerts wurde vom Pianisten und Dirigenten Martin Wettges in der Zentralbibliothek Zürich wiederentdeckt. Er rekonstruierte daraus die Partitur und führte das Werk am 1. Juni 2008 wieder auf (Christian Schröder, Begleitheft zu einer Aufführung des Klavierkonzerts am 4. Februar 2014 in Gießen) (Quelle Wikipedia).

 

Musik eines Heimatlosen

 

Lust auf Operette? Die neue Aufnahme der Polnischen Hochzeit bei cpo ist von Herzen zu empfehlen. Das wunderbare Werk von Joseph Beer kommt unter der Mitwirkung der Hauptdarsteller Nikolai Schukoff und Marina Rüping ganz und gar zu seinem Recht. “In der Heimat blüh’n die Rosen – nicht für mich den Heimatlosen”, singt Graf Boleslav in seiner ersten Arie. Es hätte genausogut aus der Biografie des Komponisten stammen können.

Joseph Beer wurde 1908 in Lemberg (Lwów, Lviv) geboren, das damals noch zum österreichisch-ungarischen Reich gehörte, aber 10 Jahre später eine der wichtigsten Städte des wiederauferstandenen Polens wurde. Beer studierte in Wien, und nach dem “Anschluss” flüchtete er nach Frankreich,  nach Paris, wo er sich mit Hilfe des Direktors des  Châtelet am Leben hielt und die Musik für den Film Festival du Monde komponierte. Sein Versuch die USA zu erreichen missglückte: Weiter als bis Nizza kam er nicht. Er ging in den Untergrund.

Joseph Beer als junger Mann/ Dank an seine Tochter Beratrice Beer/ Jaworski

Untergetaucht komponierte er Stradella in Venedig, eine Oper im veristischen Stil (Premiere in Zürich 1949), die seine letzte zu sein scheint. Er hat überlebt. Nach dem Krieg erreichte ihn die Nachricht, dass seine Eltern in Auschwitz ermordet worden waren. Auch sein Freund, Mentor und Librettist von Polnische Hochzeit, Fritz Löhner-Beda, hatte das Lager nicht überlebt. Anfang der 50er Jahre heiratete Beer Hanna Königsberg, auch eine Holocaustüberlebende (Königsberg war als Kind, zusammen mit ihren Eltern, aus Deutschland geflüchtet). Zusammen mit ihr und ihren zwei Töchtern blieb er in Nizza – bis zu seinem Tod 1987.

Joseph Beer ist niemals über die Nachricht vom Verlust seiner Familie hinweggekommen. Er zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück und hörte mit dem Komponieren auf. Stattdessen stürzte er sich auf sein Studium der Musikwissenschaft: 1966 promovierte er mit dem Thema: „Die Entwicklung des harmonischen Stils in den Werken von Scriabin“.

Seine Operette Polnische Hochzeit wurde nach dem Krieg nicht mehr aufgeführt, Beer wollte dazu seine Zustimmung nicht geben. Das „Warum?“ können wir nur raten, aber offenbar war die Konfrontation mit der Operette für ihn angesichts des Schicksals seiner Familie zu schmerzhaft.

Aber seine Wurzeln verleugnete er nie. Laut seiner Tochter Bèatrice fühlte er sich in erster Instanz als Jude, aber danach sofort als Pole. Kein Österreicher bitte, aber auch nicht Franzose. Er wohnte jedoch in Frankreich beinahe fünfzig Jahre und wurde nach dem Krieg französischer Staatsbürger, aber sein Herz blieb in Lemberg, auch wenn er die Stadt niemals mehr wiedergesehen hat. Er sprach fließend polnisch, was ohne Zweifel wichtig war, um die richtigen Akzente in seinen Partituren zu setzen.

Es ist beinahe nicht zu glauben, aber Beer komponierte Polnische Hochzeit in nur drei Wochen. Die Premiere 1937 in Zürich war ein enormer Erfolg. Sie wurde in acht Sprachen übersetzt und, außer in Nazi-Deutschland, in vierzig verschiedenen Ländern auf die Bühne gebracht.

Unter dem Titel Les Noces Polonaises sollte die Operette am 1. Oktober 1939 im Théâtre du Châtelet aufgeführt werden. Für die Hauptrollen warn Jan Kiepura und Martha Eggerth vorgesehen, was durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges verhindert wurde.

Polnische Hochzeit ist eine herrliche Operette in reicher Wiener Tradition. Man hört Anleihen an Emmerich Kálmán und Paul Abraham (Victoria und ihr Husar!), aber die Partitur ist auch reich gespickt mit polnischen Volkstänzen und jüdischen Volksmelodien. Dazu kommen die  in dieser Zeit viel verwendeten Jazzeinflüsse: Das Duett „Katzenaugen“ ist ein unverfälschter Charleston.

Joseph Beer: Poster zur Uraufführung in Zürich/ Dank an die Tochter Beatrice Beer, die bei youtube mit einem Lied aus der Operette zu hören ist/ Jaworski

Der Operettenliebhaber entdeckt darin alle notwendigen Ingredienzien. Die Jugendlieben  Boleslav und Jadja treffen sich wieder, als Boleslav in sein Vaterland zurückkehrt. Jadja ist Boleslavs reichem Onkel versprochen, aber das schlaue Dienstmädchen Suza (eine Art weiblichen Figaro) weiß das Treiben zu einem guten Ende zu bringen. Die Geschichte hat auch viel von Don Pasquale. Was die Polnische Hochzeit anders sein lässt, ist der hohe Patriotismusgehalt: Die Geschichte spielt im Jahr 1830, im durch die Russen besetzten Polen.

Nikolai Schukoff begegne ich öfter bei den (vergessenen) Operetten von Schirmer und cpo, und das macht mich froh. Nach Giuditta und Zigeunerbaron ist es schon seine dritte Operettenaufnahme. Seine Stimme eignet sich sehr dafür, meiner Meinung nach viel besser als für Wagner, der kleine Narben auf seiner Stimme hinterlassen hat. Er hat braucht etwas  Zeit, um sich „aufzuwärmen“ (die Aufnahme ist live). Schon bei der Mazurka „Polenland mein Heimatland“ kommt er richtig in Schwung und lässt ein paar strahlende hohe Noten hören. Ganz besonders ist auch sein Gefühl für den Rhythmus, wobei er sehr gut unterstützt wird durch den Dirigenten Ulf Schirmer. Und für den schmachtend gesungenen Hit, „Du bist meine große Liebe“, würde selbst ein Gedda sich nicht für schämen müssen. Martina Rüping ist eine wunderbare Jadja. Ihr warmer Sopran weiß mich in dem mit melancholischem Unterton gesungenen „Wenn die Mädel zu Mazurka gehen“ sehr zu rühren. Und was für eine schöne Nummer das ist! Genau wie das Duett „Herz an Herz“ (wo man an „Lippen schweigen“ denkt). Genießen! Michael Kupfer-Radecky imponiert als Graf Staschek, und Susanne Bernhard ist eine zauberhafte Suza. Alles in allem ein absoluter Gewinn. Basia Jaworski (Den Artikel entnahmen wir dem Blog von Basia Jaworski: basiaconfuoco mit Dank; Übersetzung aus dem Niederländischen von Beate Rothen-Heithausen.)

https://basiaconfuoco.wordpress.com/2017/01/16/joseph-beer-polnische-hochzeit-english-translation/   https://www.facebook.com/Basia-con-fuoco-1482758521751156/

http://www.josephbeercomposer.com/      http://beatricebeer.com/

 

Sinnlicher Glaube

 

Warum soll es in der Kirche eigentlich nicht genauso klingen wie im Opernhaus? In Gaetano Donizettis  Messa di Gloria e Credo c-Moll klingt das Kyrie wie die Introduktion zu einer Oper und vor allem das Gloria wie eine umfangreiche Szene aus einer seiner Königinnnen-Opern inklusive Vertrauten und Schleppenträgerinnen, bei der zwei Sopransoli einen Bass-Solo effektvoll umrahmen; aufgerüstet wird die Szene durch ein ausgedehntes Flötensolo in „Domine Deus“ und vor allem durch ein umfangreiches, ungewöhnlich reichhaltiges Violinsolo in „Qui sedes ad dextram Patris“, das Donizetti für den Geigenvirtuosen Pietro Rovelli geschrieben hatte, der ab 1819 mehrere Musikpositionen in seiner Heimatstadt Bergamo inne hatte (Naxos 8.573605). Seinem Lehrer Simon Mayr Schrieb Donizetti bezüglich einem Kaiser Ferdinand I. gewidmeten Ave Maria; „Es ist immer gut, wenn Seine Majestät weiß, daß es selbst unter den Opernkomponisten einen guten Christen gibt, der sich ein wenig mit der geistlichen Musik auskennt“. Hätte er Kyrie, Gloria und Credo einen anderen Text unterlegt, könnte man die Messa di Gloria e Credo für eine entlegene Donizetti-Rarität halten, die sich Franz Hauk, wie schon bei der Ersteinspielung der Kantate Aristea, vorgenommen hat, doch auch bei der Messa di Gloria e Credo, die Hauk mit dem Simon Mayr Choir und dem Concerto de Bassus-Ensemble im September 2014 in der Ingolstädter Asamkirche aufgenommen hat, ist die Konkurrenz überschaubar. Ergänzt wird die 1837 in Neapel erstmals aufgeführte Messe, die auf bereits 1820 komponierten Einzelsätzen basiert, durch drei Kompositionen Mayrs, welche um die gleiche Zeit entstanden sein sollen: Sanctus, Benedictus und Agnus Dei. Man könnte sich bei den Solisten Stimmen mit mehr Gesicht und einen etwas farbigeren Zugriff vorstellen – wie mag der große Sopranpart bei einer wirklichen Donizetti-Primadonna klingen? -, doch die Aufnahme kann durch Hauks stilistische Ernsthaftigkeit gefallen, die er auch in seiner schier unüberschaubaren Mayr-Diskographie bei Naxos vielfach unter Beweis gestellt hat. Rolf Fath

 

Dirigentenportraits

 

Sehr unterschiedlich sind die beiden Sujets, die Dirigenten Leonard Bernstein und Carlos Kleiber, viel Gemeinsames hat die jeweilige Machart der Filme, die sich ihnen widmen. Larger than Life nennt sich das Werk Georg Wübbolts, das bei major erschienen ist, der Film von Eric Schulz und beide Titel atmen bereits etwas von dem Geist, der Leben und Wirken von Bernstein und Kleiber bestimmte. Enttäuscht wird in beiden Fällen der Betrachter und Hörer sein, der sich größere Abschnitte, wenn nicht gar ganze Sätze von Konzerten erwartet hat, von Kleiber bekommt man im wesentlichen und wiederholt kleinste Bruchstücke von den Proben zum Stuttgarter Freischütz, etwas Fledermaus, Tristan, Rosenkavalier zu hören, von Bernstein Mahler, aber auch Bruchstücke aus eigenen Kompositionen wie West Side Story, Candide oder Mass, wobei die Auseinandersetzung mit Carreras ausgespart bleibt.

Nicht mit Superlativen sparen die Zeugen des Wirkens der beiden Musiker, so hört man die Vokabeln Universum oder Kaleidaskop für Bernstein, von dem auch viel Menschliches berichtet wird wie die Liebe zu Tabak und Whisky, der Hang zum Küssen von jederman, es wird darauf hingewiesen, dass er der erste komplett in den USA ausgebildete Komponist und Dirigent war, aber auch ein leidenschaftlicher Lehrer und Moderator.  Mitropoulos, Koussevitzky und Copland werden als seine Vorbilder erwähnt, Tanglewood als Mekka des musikliebenden Amerika. Als seine Götter werden Mozart, Brahms und Mahler genannt, als Orchester, mit denen er besonders gern arbeitete, u.a. das des Bayerischen Rundfunks und die Wiener, ab 1986 arbeitete er im Rahmen des Schleswig Holstein Festivals.. Auch wenn der „gymnastische“ Dirigent Bernstein sich in vielem von seinem Kollegen Kleiber unterschied, vereinte beide der ständige Zweifel, der sie plagte, bei Bernstein auch einer des Glaubens und der Fähigkeit, das „ultimative Werk“ zu schaffen.

Vieles berichten seine drei Kinder über Bernstein, viel Überzeugendes Kent Nagano, der ihm nahe stehen durfte, „weil er der Einzige war, der nichts von ihm wollte“.

Nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls bei Major erschienenen Portrait Kleibers mit dem Titel I am lost to the World ist der bei Arthaus herausgegebene Film Traces to Nowhere, obwohl es auf beiden Aufnahmen gemeinsame Zeitzeugen gibt wie Otto Schenk oder Otto Staindl. Der Film versucht neben der Würdigung des Dirigenten, vor allem auch durch zahlreiche Orchestermusiker, die mit ihm arbeiteten, auch eine Hinterfragung des problematischen Verhältnisses zwischen Vater Erich und Sohn Carlos, des Einflusses desselben auf die allgemein bekannten Absonderlichkeiten des Menschen und Künstlers Kleiber. Mehr noch als durch die Schwester erfährt man durch die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender viel über den Dirigenten, von Orchestermusikern viel Einleuchtendes, und auch die Zeugnisse anderer Weggefährten lassen deutlich werden, dass der als düster, scheu, stets unzufrieden geltende Dirigent das Gegenteil von all dem sein konnte und dass er zudem dankbar war, wenigstens Herbert von Karajan gegenüber, dessen Grab er regelmäßig besuchte.

Dass Red Bull diese Aufnahme ermöglichte, lässt zudem denjenigen schmunzeln, der weiß, dass sich Kleiber einst für ein Konzert mit einem Audi entlohnen ließ (Bluray Bernstein  C-Major 736004; Bluray Kleiber Arthaus 108 041). Ingrid Wanja

Gerd Grochowski

 

Mit nur 60 Jahren starb überraschend der Bass-Bariton Gerd Grochowski. Das Hessische Staatstheater Wiesbaden schreibt: Am 16. Januar 2017 ist Gerd Grochowski überraschend verstorben. In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von dem großen Sänger und unserem wahren Freund Gerd Grochowski.  Am 15. Januar 2017 hat er nach einer beglückenden Probenphase die Premiere der »Walküre« gesungen und als Wotan Ovationen geerntet. Am 16. Januar rief er wegen starker Schmerzen im Herzbereich den Notarzt und ist in Mainz, trotz aller Versuche der behandelnden Ärzte, um 15:09 Uhr verstorben.

Gerd Grochowski erlangte seinen internationalen Durchbruch an der Metropolitan Opera New York als Kurwenal (»Tristan und Isolde«). In dieser Rolle und auch als Gunther (»Götterdämmerung«) wurde er daraufhin an die Mailänder Scala und die Berliner Staatsoper eingeladen. Es folgten weitere Engagements an großen internationalen Bühnen: San Francisco Opera (Gunther, Telramund (»Lohengrin«), Covent Garden London und Tokyo NNT (Telramund), Berliner Staatsoper (Pizarro /»Fidelio«) und Scarpia (»Tosca«)), bei den Proms London (Pizarro, Gunther), am Teatro Real Madrid (Doktor Schön /»Lulu«), Salzburger Osterfestspiele (Gunther), Festival Aix en Provence (Schischkow/ »Aus einem Totenhaus«) und der Münchner Staatsoper (Scarpia, Klingsor/ »Parsifal«). In diesem Sommer gab er sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen als Klingsor. Dem Wiesbadener Publikum ist er bekannt in den Titelpartien von »Herzog Blaubarts Burg« und »Der fliegende Holländer«. Als Wotan kehrte Gerd Grochowski im »Ring des Nibelungen« zurück, den er bereits in der Produktion des Landestheaters Linz sang. (Quelle Hessisches Staatstheater Wiesbaden; das Foto oben zeigt Gerd Grochowski in einem Werbe-TV-Feature der San Francisco Opera anlässlich seines Telramund ebendort/ Foto youtube)

 

Dazu ein Eintrag bei wikipedia: Gerd Grochowski (1956 in Krefeld – 16. Januar 2017 in Mainz) war ein deutscher Opernsänger der Stimmlage Bassbariton. Er wurde insbesondere in Wagner-Partien und für Rollen des frühen 20. Jahrhunderts bekannt. Am 16. Januar 2017 verstarb Grochowski unerwartet an einem Herzinfarkt.

Grochowski studierte zuerst Klavier und Musikerziehung, schließlich auch Gesang bei Edith Kertész an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Zu seinen Lehrern zählten auch der Dirigent Konrad Junghänel und der Bariton Josef Metternich. Nach seinem Abschluss wurde er 1986 als Ensemblemitglied an die Oper Köln verpflichtet.

Der Sänger blieb drei Spielzeiten am Kölner Opernhauses und war danach überwiegend als Lieder- und Konzertsänger tätig. Ab 2001 folgte ein Engagement an die Oper Bonn, parallel dazu Gastspiele an den Wuppertaler Bühnen, an der Oper Frankfurt und beim Brucknerfest in Linz. In diesen Jahren erarbeitete er sich ein breites Repertoire, welches von der Frühklassik (Gluck) bis ins späte 20. Jahrhundert (Britten) reichte, und spezialisierte sich auf die dramatischen Partien seines Faches. Besonderen Erfolg errang er mit den klassischen Bösewichtern der Opernwelt, dem Pizarro in Beethovens Fidelio oder dem Scarpia in Puccinis Tosca, er etablierte sich aber schon früh als verlässlicher und kompetenter Wagner-Sänger, zuerst als Holländer, Telramund und Klingsor, später auch als Kurwenal, Gunther, Wotan und Wanderer.

Seinen Durchbruch zu einer internationalen Karriere erarbeitete sich der Sänger in der Titelpartie des Doktor Faustus von Ferruccio Busoni am Württembergischen Staatstheater in Stuttgart. Für diese Rolle wurde er von der Zeitschrift Opernwelt als Sänger des Jahres nominiert. Es folgten in rascher Folge Verpflichtungen an die Metropolitan Opera in New York (als Kurwenal), ans Teatro alla Scala von Mailand (als Kurwenal und Gunther) und an die Bayerische Staatsoper in München (als Scarpia und Pizarro). Die Plattform Bach Cantatas schrieb im Jahre 2009, Grochowski habe sich einen gut begründeten Ruf als einer der besten Sänger seines Faches erarbeitet. Der Gunther in Wagners Götterdämmerung brachte ihn auch nach Berlin und London, an die San Francisco Opera und – unter der musikalischen Leitung von Sir Simon Rattle – zu den Salzburger Osterfestspielen. Als Telramund gastierte er am Royal Opera House Covent Garden in London, weiters in San Francisco, am NNT Tokyo und in der Berliner Philharmonie. Als Amfortas und Klingsor war er an der Opéra de Lyon, in Frankfurt und München zu sehen und zu hören.

Grochowski sang in zwei Inszenierungen des legendären französischen Regisseurs Patrice Chéreau, die beide auch als DVD erschienen sind: Im Sommer 2007 übernahm er die Rolle des Šiškov in einer internationalen Koproduktion von Janáčeks selten gespielter Oper Z mrtvého domu [Aus einem Totenhaus], die für die Wiener Festwochen erarbeitet und danach an weiteren wichtigen Bühnen gezeigt wurde, unter anderem beim Festival d’Aix-en-Provence und beim Holland Festival in Amsterdam, an der Mailänder Scala und an der New Yorker Met. Es dirigierte Pierre Boulez. Im Dezember desselben Jahres sang er – in der feierlichen Premiere zur Saisoneröffnung der Mailänder Teatro alla Scala – den Kurwenal in Tristan und Isolde. Es dirigierte Daniel Barenboim.

Neben Wagner und den Bösewichtern entwickelte sich im Laufe der Jahre ein weiterer Schwerpunkt im Repertoire des Sängers, die Oper des frühen 20. Jahrhunderts. Er absolvierte sein Rollendebüt als Dr. Schön in Bergs Lulu am Teatro Real in Madrid, sang an De Nationale Opera in Amsterdam den Orest in der Elektra von Richard Strauss sowie in San Francisco und Stuttgart den Prus in Janáčeks Sache Makropulos. Am Palau de la Música Catalana von Barcelona verkörperte er erstmals die Titelpartie in Bartóks Herzog Blaubarts Burg, unter der musikalischen Leitung von Pinchas Steinberg, eine Rolle, die er 2015 auch am Hessischen Staatstheater Wiesbaden übernahm. In Barcelona, allerdings am Gran Teatre del Liceu, war Grochowski auch in einer Barockoper zu sehen und zu hören, als Thoas in Glucks Iphigénie en Tauride, inszeniert von der deutschen Tanzkünstlerin Pina Bausch.

Sein Bayreuther Debüt erfolgte im Jahre 2016 als Klingsor in der Parsifal-Neuinszenierung von Uwe-Eric Laufenberg. Es dirigierte Hartmut Haenchen.  Er war für diese Rolle auch bei den Bayreuther Festspielen des Jahres 2017 vorgesehen.

In Laufenbergs Inszenierungen des Rings des Nibelungen am Musiktheater Linz in den Jahren 2013 bis 2015 sowie am Hessischen Staatstheater Wiesbaden in der Spielzeit 2016-17 war er als Wotan und Wanderer verpflichtet. Am Vorabend seines Todes sang er mit großem Erfolg den Wotan in der Premiere der Walküre in Wiesbaden. Das Publikum dankte mit Ovationen.

Gerd Grochowski trat regelmäßig in konzertanten Opernaufführungen und als Bass-Solist in großen Chor-Orchesterwerken auf. Beispielsweise sang er den Herzog Blaubart im Auditori von Barcelona (unter der musikalischen Leitung von Pinchas Steinberg) und den Fremden in Henzes Opfergang in der deutschen Erstaufführung am 16. Dezember 2010 an der Ruhr-Universität in Bochum (mit den Bochumer Symphonikern unter Leitung von Steven Sloane). Weiters übernahm er eine Reihe von Wagner-Parien in konzertanten Aufführungen: den Amfortas am Teatro Regio di Parma und an der Ungarischen Staatsoper in Budapest, den Gunther bei den BBC Proms (unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim) sowie den Telramund an der Opéra National de Montpellier (geleitet von Michael Schønwandt). Im Sommer 2016 war er – neben Camilla Nylund – Solist der MDR-Wagner-Gala im Gewandhaus von Leipzig.

Zu seinem Konzertrepertoire zählten die Bass-Solopartien in Beethovens Missa solemnis, Bruckners Te Deum, Janáčeks Glagolitischer Messe und in Brittens War Requiem. Im Januar 2014 übernahm er in der Tonhalle Düsseldorf die Baritonpartie in Zemlinskys selten gespielter Lyrischer Symphonie, op. 18. Das War Requiem sang er unter Leitung von Charles Dutoit in der Tokyo Radio Hall, Brahms‘ Deutsches Requiem mit der Dresdner Philharmonie unter Rafael Frühbeck de Burgos im Salzburger Festspielhaus. Er gastierte auch an der Royal Albert Hall in London sowie in Konzertsälen in Rom und Lille, Brüssel, Amsterdam, Berlin, Saarbrücken und Stuttgart.

Grochowski sang weiters unter der musikalischen Leitung Sylvain Cambreling, Paolo Carignani, Vladimir Jurowski, Ingo Metzmacher, Kent Nagano, Carlo Rizzi, Dennis Russell Davies, Sebastian Weigle und Lothar Zagrosek. (Quelle Wikipedia)

Rosemarie Lang

 

Die Intendanz der Berliner Staatsoper schreibt: Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Rosemarie Lang, die am 12. Januar 2017 nach langer schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren verstarb. Aus dem Erzgebirge stammend kam die Mezzosopranistin nach Stationen am Theater Altenburg und am Opernhaus Leipzig, wo sie seit den frühen 1970er Jahren sang, 1987 an die Berliner Staatsoper. Seitdem war sie unserem Haus als Ensemblemitglied eng verbunden. Ihr Debüt feierte sie als Klytämnestra in Glucks Iphigenie in Aulis. In der Folgezeit trat sie u. a. in Partien wie Cherubino (Die Hochzeit des Figaro), Dorabella (Così fan tutte), Rosina (Der Barbier von Sevilla), Octavian (Der Rosenkavalier), Brangäne (Tristan und Isolde), Fricka (Die Walküre), Magdalene (Die Meistersinger von Nürnberg), Clairon (Capriccio) und Gräfin Geschwitz (Lulu) auf. Auch als Konzertsängerin und Liedinterpretin machte sie sich einen Namen. Gastspiele führten sie u. a. zu den Salzburger Festspielen, an die Wiener Staatsoper, das Teatro Real Madrid, das Opernhaus Oslo sowie an die Oper Washington. Zahlreiche Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen – etwa mit Werken von Bach, Beethoven, Mendelssohn, Brahms, Tschaikowsky, Prokofjew, Schönberg und Eisler – dokumentieren ihre vielseitige künstlerische Tätigkeit.

2009 musste Rosemarie Lang, die über mehr als zwei Jahrzehnte zu den Publikumslieblingen der Staatsoper zählte, aus gesundheitlichen Gründen ihre Karriere beenden. Die Staatsoper Unter den Linden wird Rosemarie Lang, der großartigen, sensiblen Sängerdarstellerin, die vielen Bühnenfiguren ein besonderes Profil gegeben hat, ihr ehrendes Andenken bewahren. In Trauer die Intendanz (Quelle: Berliner Staatsoper)

Auf youtube gibt es einiges von Rosemarie Lang zu hören, so Auszüge aus der Matthäuspassion unter Heinz Rögner 1985 und mehr. G. H.

 

Dazu auch eine Vita im amerikanischen Online-Musik-Magazin Bach-Cantatas: Rosemarie Lang (Mezzo-soprano) Born: May 21, 1947 – Grünstädtel by Schwarzenberg (Erzgebirge), Germany; The German mezzo-soprano, Rosemarie Lang, studied in Leipzig singing and was there pupil of Elisabeth Breul, Eva Schubert-Hoffmann and later of Helga Forner. In 1969 she won the Robert Schumann Competition in Zwickau, and in 1972 the Bach Competition.

After singing first at the National Theatre of Altenburg (Thuringia), Rosemarie Lang joined in 1972 the Opera House of Leipzig, at which she appeared through a career of many years. Appearances led her to the State Operas of Dresden and Berlin (where she appeared in 1987 as Klytaemnestra in Iphigenie in Aulis by Gluck, in 1988 as Brangaene in Tristan) and on more stages in East Germany. Since 1987 she was a regular member of the State Opera of Berlin. In addition she had a versatile, successful concert career. The high points in her stage repertoire were roles such as Dorabella in Cosi fan tutte, Cherubino in Le Nozze di Figaro, Sesto in La clemenza di Tito by Mozart, Romeo in I Capuleti e I Montecchi by Bellini, Rosina in Il Barbiere di Siviglia by Rossini, Octavian in Rosenkavalier and Clairon in Capriccio by R. Strauss. In July 1989 she sang at the State Opera Berlin in the premiere of the opera Graf Mirabeau by S. Mathus. At the Salzburg Festival she sang in 1990 the alto solo in the Stabat Mater of Dvorák. In 1996 she made guest appearance at the Opera of Oslo as Fricka and as Waltraute in Der Ring des Nibelungen. In 2004 she sang Elegie für junge Liebende at Kirchstätten in Berlin.

Rosemarie Lang was an estimated Lieder singer (Frauenliebe und -leben by R. Schumann, Winterreise by Schubert, Wesendonck-Lieder by R. Wagner).

Recordings: Philips (Alto solo in Paulus by Felix Mendelssohn), DGG (Larina in Eugen OneginDer feurige Engel by Prokofieff, 8th Symphony by Gustav Mahler), Ars vivendi (Deutsche Sinfonie by Hanns Eisler, Lieder by R. Schumann and Johannes BrahmsTe Deum by Bruckner), BGM (Silla in Palestrina by Hans Pfitzner). Foto oben: /Bach-Cantatas 

 

Errungenschaft und Erfolg

 

Im Jahr 2016 wurde René Jacobs 70 Jahre. In fünf Jahrzehnten als Sänger und Dirigent hat der Belgier die Wiederentdeckung der Musik des 17. und frühen 18.Jahrhunderts maßgeblich beeinflußt und hat Werke wieder aufgeführt und hörbar gemacht, für die es keine Aufführungstradition mehr gab. Wer etwas über Jacobs künstlerischen Werdegang und dadurch auch über die Re-Etablierung der Musikepoche zwischen Monteverdi und Mozart auf Opern- und Konzertbühnen erfahren will, für den lohnt sich der Griff zu einem Buch, das bereits 2013 bei Bärenreiter/Henschel erschien. Ich will Musik neu erzählen ist der Titel eines Gesprächsbands zwischen Jacobs und der Heidelberger Musikwissenschaftlerin Silke Leopold, in dem Jacobs umfangreiche Auskunft zu seinem künstlerischen Wirken gibt. Es gibt vier große Kapitel, die von Leopold jeweils über wenige Seiten mit einleitenden Anmerkungen versehen wurden. In den „Stationen einer Karriere“ geht es um den Werdegang vom Chorknaben über den Sänger, dessen männliche Altstimme stilbildend war, indem er die durch England übermittelte Art des Falsettierens durchbrach und einem neuen Klangbild zur Popularität verhalf, bis zum Dirigenten. Angesprochen werden auch kurz die Tätigkeit als Lehrer an der  Schola Cantorum Basiliensis sowie die künstlerische Leitung der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Die Aufbruchsstimmung der Szene zeigt sich im gemeinsamen Forschen, Entdecken und Musizieren, früh lernte Jacobs die Kuijkens, Gustav Leonhardt, Ton Koopmann und Jos van Immerseel kennen, mit Konrad Junghänel und William Christie erlebte er einen besonderen Moment bei der Aufnahme von Charpentiers „Leçons de ténèbres“ für harmonia mundi, eine weitere mit Cavallis Calisto in der Inszenierung von Herbert Wernicke.

Mehrere Seiten über Arie und Rezitativ sowie über Stimmlagen und Gesangstraktate folgen unter der Überschrift „Über alte Musik und historische Aufführungspraxis“. Jacobs erläutert seine Praxis, verrät bspw., was es mit der „Pathosformel“ auf sich hat, die es sowohl bei Händel als auch bei Mozart und anderen Komponisten dazwischen gibt und die aus zwei Sechzehnteln, einer Viertel und zwei Achteln besteht. Viele aufführungspraktische Entscheidungen, Interpretations- und Ästhetikprobleme werden von Jacobs angeschnitten oder beantwortet. „Über Komponisten und ihre Werke“ dreht sich in unterschiedlicher Ausführlichkeit um Schubert, Bach, Händel, Telemann, Keiser, Purcell, Lully, Rameau, Mozart, Haydn, Rossini und um Monteverdi, Cavalli und die venezianische Oper sowie um Reformopern und Opernparodie (Gassmanns „L’Opera Seria“); Jacobs‘ Anmerkungen zu den Komponisten erfolgen praxisbezogen aus den Erfahrungen seiner eigenen Aufführungen und Aufnahmen. Das abschließende Kapitel „Produktionsbedingungen im Opernbetrieb“ handelt von Eingriffen in den Notentext und kreative Freiheiten, die Verpflichtung von Sängern und Orchestern, Dirigenten und Regisseuren bzw. historische Aufführungspraxis und Regietheater sowie Festivals, Jacobs‘ Arbeit in Innsbruck und Zukunftsplänen. Ergänzt wird das Buch durch Fotos (farbig und schwarzweiß) und ein fünfseitiges Namensregister: auf den ca. 210 Seiten fallen ca. 250 unterschiedliche Namen, das Buch ist auch ein interessantes Who-is-who der Szene für Alte Musik, nur ein Register der erwähnten Werke und Produktionen fehlt zur schnellen Übersicht. Das Gespräch ist keine konträre Diskussion, Leopold fungiert überwiegend als kenntnisreiche Stichwortgeberin. „Ich will Musik neu erzählen“ ist moderierte Selbstdarstellung in lockerem und gut zu lesendem Gesprächston, ein informationsreiches Buch über Erfahrungen, Erfolge und Errungenschaften des Künstler René Jacobs, das seinen Reiz aus dem Wechsel zwischen musikwissenschaftlicher Fragestellung, künstlerischem Werdegang und persönlicher Ansicht bezieht. (Silke Leopold, René Jacobs – „Ich will Musik neu erzählen“, 223 Seiten, Bärenreiter/Henschel ISBN 978-3-7618-2266-1) Marcus Budwitius

Roberta Peters

 

Die Met-Legende Roberta Peters starb am 18. Januar 2017 in New York. Roberta Peters, eigentlich Roberta Peterman (* 4. Mai 1930 in der Bronx, New York; † 18. Januar 2017 in Rye, New York war eine US-amerikanische Opern-, Operetten-, Musical-, Lied- und Konzertsängerin (Sopran). Sie gehörte zu den bekanntesten Koloratursopranistinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war das einzige Kind eines Schuhmachers und einer Hutmodistin. Im Alter von 13 Jahren begann sie ihre musikalische Ausbildung u.a. bei William Pierce Herman. 1950 debütierte sie, die bisher noch nie auf einer Bühne stand, als Zerlina in (Don Giovanni) an der Metropolitan Opera in New York und wurde über Nacht bekannt. Roberta Peters sang auf allen großen Opernbühnen der Welt. Ab Mitte der 1950er Jahre gastierte sie an mehreren italienischen Opernhäusern sowie an der Staatsoper Wien. Besonderes Aufsehen erregte sie als Königin der Nacht bei den Salzburger Festspielen 1963/64.

Zum Repertoire der international gefragten Sängerin gehörten u.a. die Rollen der Susanna in Die Hochzeit des Figaro, der Rosina in Der Barbier von Sevilla, der Norina in Don Pasquale, der Nanetta in Falstaff, der Sophie in Der Rosenkavalier, der Lucia in Lucia di Lammermoor, des Amore in Orpheus und Eurydike, der Marzeline in Fidelio, der Despina in Così fan tutte, um nur einige der vielen zu nennen. Gelegentlich sang sie auch die Violetta in La traviata und die Mimi in La Bohème. In ihrer späteren Karriere fügte sie ihrem Repertoire einige Operetten- und Musicalrollen hinzu, wie beispielsweise Die lustige Witwe oder The King and I.

Die Sopranistin war eine weltweit gefragte Lied- und Konzertsängerin. Eine umfangreiche Diskografie und eine hohe Anzahl diverser TV- und Videoaufzeichnungen dokumentieren das große musikalische Spektrum dieser Ausnahmekünstlerin.

Roberta Peters und Robert Merrill/ youtube

Roberta Peters war 1951 mit ihrem Kollegen an der Metropolitan Opera, dem Bariton Robert Merrill, für wenige Monate verheiratet. Aus ihrer 1955 geschlossenen zweiten Ehe gingen zwei Söhne hervor. (Quelle Wikipedia)

 

Dazu auch eine Biografie be idem amerikanischen Musik-Blog Bach-Cantatas: Roberta Peters (Soprano); born: May 4, 1930 – New York City, New York, USA; The outstanding American soprano, Roberta Peters (real name: Petermann), was the daughter of a shoe salesman and a hat maker. She grew up in the Bronx, loving to sing and dreaming of becoming a star. Her parents made great financial sacrifices to prepare her for a career in music. Her grandfather, who was a headwaiter, knew the tenor Jan Peerce, who was a well-known cantor. Her grandfather convinced the famous cantor to listen to his grand-daughter. She was only 13, but Jan Peerce was very impressed and arranged for her to study with William Herman, who had coached many opera stars. Herman made sure she had French, German, and Italian lessons and made her sing scales from a clarinet method. He made sure she did not perform prematurely, but worked with her for six years, finally having her sing for Sol Hurok when she was 19. Hurok arranged for an audition with Rudolph Bing, general manager of the Metropolitan Opera. Bing had her sing the Queen of the Night aria from W.A. Mozart’s The Magic Flute, with its high Fs, seven times, listening from all parts of the hall to make sure she could fill the hall with sound. He scheduled her to sing the role in 1951.

However, on November 17, 1950, Roberta Peters received a phone call from Rudolph Bing, asking her if she could sing that night. Nadine Conner, cast as Zerlina in W.A. Mozart’s Don Giovanni had a mild case of food poisoning and could not perform. She was hired a few weeks earlier on the basis of a single audition, but had never sung with a full orchestra, never performed in a full opera production, never even performed on stage, professionally or otherwise, except for her audition. She was not an official understudy, but she knew the role and accepted. The rest, as they say, is history. Her parents were planning to go to the opera that night in the standing section. When they got home from work, Roberta surprised them with the announcement that they would be watching her perform, from box seats. She and her mother took a cab, but ended up getting on the subway when the cab got stuck in traffic. Fritz Reiner, the conductor that night, was known for being hard to follow, but he made a point of coming to Roberta’s dressing room to encourage her. Her performance was received with great enthusiasm, and her career took off.

Benjamin Rayson , Luigi Alva und Roberta Peters in „The Barber of Seville“ 1966/ Foto Des Gates Seattle Opera

Roberta Peters subsequently remained on its roster for more than 40 years, the longest tenure of any soprano in the history of the Met. Combining a wonderful voice with attractive good looks, she became the darling of America and a great proponent of opera for the masses. She gave more than 500 performances at the Met in 24 roles. She also sang with the opera companies of San Francisco and Chicago, at Covent Garden in London, at the Salzburg Festivals, and at the Vienna State Opera.

Roberta Peters was on of the leading coloratura sopranos of her generation. She also appeared with success on television, films, and in a great number of Voice of Firestone radio broadcasts. In addition to opera, she appeared in operettas and musical comedies and has performed her varied repertoire around the world. She twice represented the USA in the former Soviet Union, becoming the first American-born artist to receive the Bolshoi Medal. She has also given recitals and master-classes in the People’s Republic of China, Japan, Korea, Hong Kong and Taiwan and was once caught in the middle of the Six-Day War in Israel while performing for soldiers with her late colleague, Richard Tucker.

President John F. Kennedy first invited Roberta Peters to perform at the White House, where she has performed for every president since. In addition to supporting social causes and performing frequently for charity, she has taken an active part in promoting government funding for the arts. President Bush appointed her to the National Council on the Arts in 1991, and in 1998, President Clinton awarded her the National Medal of Arts. She holds honorary doctorates from Elmira, Ithaca, Westminster, Colby and New Rochelle Colleges, Lehigh and St. John’s Universities and the University of Rhode Island.

Roberta Peters was briefly married to Robert Merrill, With Louis Biancolli she wrote A Debut at the Met (1967). She is still giving solo recitals at 70, 50 years after that first auspicious audition. Contributed by Aryeh Oron (July 2005)/ Bach-Cantatas.com / Foto oben https://de.wikipedia.org/wiki/Roberta_Peters)

 

Eine leidenschaftliche Kämpferin

 

Grace Bumbry konnte am 4. Januar 2017  ihren 80. Geburtstag feiern. Und das ist ein schöner Anlass, eine amerikanische Künstlerin zu ehren, die zusammen mit ihren Kolleginnen Leontyne Price, Shirley Verrett und wenigen anderen jener Zeit dem Vorbild Marian Andersons folgte und schwarzen amerikanischen Sängern den Zugang zu den internationalen Opernbühnen ermöglichte.

Das klingt heute nicht so sensationell wie in den Sechzigern (!!!) des letzten Jahrhunderts, als die Bumbry ihr Debüt am Basler Stadttheater machte und am 20. Juli 1961 als „Schwarze Venus“ im Bayreuther Tannhäuser reüssierte – und für Furore sorgte. Vielleicht weniger mit der Stimme als solcher als mit der Tatsache, dass Wieland Wagner in den Heiligen Hallen eine Schwarze singen ließ. Ungeheuer! Wagnerianer tobten. Aber es war ohnehin für schwarze Amerikaner leichter in Europa, namentlich in Deutschland, eine Karriere zu beginnen, als in den USA, wo Rassendiskriminierung bis heute herrscht, weniger als damals, aber doch noch. Viele amerikanische (und besonders viele schwarze)  Soldaten blieben nach dem Krieg eh in Europa, wo die Vorurteile geringer, wenngleich immer noch beträchtlich,  waren.

Grace Bumbry/ grace-bumbry-organisations.com

Der Venus in Bayreuth folgte – als wichtiger Meilenstein – die Eboli in Covent Garden. Auch dort war die Bumbry die erste schwarze Sängerin auf der Königlichen Bühne. Ihre Karriere folgte dem damaligen Muster – erst in Europa sich einen Namen machen und dann in die USA zurückkehren. 1965 erreichte sie die Met, es folgten Salzburg (Carmen und die Verfilmung mit Karajan) und weitere  internationale Häuser. Paris war 1969 eine weitere wichtige Station (Abigaille), und die Eröffnung der Opéra Bastille 1990 vereinte die Bumbry mit ihrer Kollegin Shirley Verrett in den Troyens (wenngleich ich mich da im Saal an ein recht gemischtes Echo erinnere…). 1997 verabschiedete sie sich von der Bühne mit der Klytämnestra in Lyon … und kehrte überraschenderweise mit der Monisha in Joplins Treemonisha an das Pariser Châtelet zurück. Was für eine Frau.

Die Stimme war für mich immer eine Sache für sich, Geschmackssache eben. Zwischen Mezzo und Sopran pendelnd überzeugte sie eher im Mezzofach – ihre Sopran-Ausflüge wie Norma (als die sie mit Shirley Verrett in London alternierte: einen Abend sie als Norma und am anderen als Adalgisa  und vice versa), Gioconda und andere sind für mich ein gemischtes Glück und profitierten von ihren guten Spitzennoten. Aber ihr saftiges, in Teilen „schwarzes“  Timbre (anders als bei der Verrett oder Norman) war durchschlagend für die Eboli, Amneris oder Lady Macbeth (weniger für den Orfeo oder die Medea) . Hier regierten Feuer und Leidenschaft.  Hier kam ihr ungeheures Bühnentemperament durch, das die Rollen mit überdimensionaler Leidenschaft, mit einer überbordenden Persönlichkeit ausstattete. Bei der Bumbry war´s nie langweilig, hier herrschte eine Actrice großen Zuschnitts. Das ließ niemanden kalt. Als Studentin  von Lotte Lehmann und Pierre Bernac hatte sie zudem auch den Zugang zum Lied, das sie bewundernswert neben der Oper pflegte. Ihre guten Deutschkenntnisse waren dabei ein wertvoller Zugang.

Grace Bumbry als Carmen mit Franco Corelli in Chicago 1964/ grace-bumbry-organisations.com/ Chicago Opera

Sie ist auf vielen, vielen Aufnahmen dokumentiert, von den frühen Recitals bei DG und Einspielungen dann bei Philips (eben der Tannhäuser), Decca (auch der Messiah gehört dazu) und EMI/ Eterna (Carmen, Operetten, Orfeo) bis hin zu Gemischtem bei Orfeo. Dazwischen liegt die Türkenbaba bei Erato, Santuzza und mehr bei Melodram live. Die frühe  Norma unter Gabor Halasz in Martina Franca neben Lella Cuberli als Adalgisa in Martina Franca soll nicht vergessen werden. Auch auf DVD ist sie vertreten: von besagter Carmen unter Karajan bis hin zur Eboli und dem Mezzo in Verdis Requiem. In einer TDK-Hommage an Lotte Lehmann spricht sie liebevoll von ihrer einstigen Lehrerin. Und ganz wichtig: Sie ist Teil einer Dokumentation über schwarze Sänger („Aida´s brothers and sisters – black voices in opera and concert“ bei Arthaus), womit sich der Kreis schließt.

Grace Bumbry ist das was man in Amerika ein „role model“ nennt: eine Vorkämpferin, ein Beispiel für andere. Eine Mutmacherin. Ohne Sänger/innen wie sie hätten es Schwarze heute auf der Opernbühne nicht so weit gebracht, weitgehend problemlos akzeptiert zu werden, hätten keine Kathleen Battle, Jessye Norman oder Pretty Yende (eine Südafrikanerin) solche Karrieren gemacht. Nach Sportlern und Musikern öffneten diese starken Frauen die Opern-Tür für die Jüngeren. Deshalb hat sie alle Ehrungen verdient: Grace Bumbry ist seit dem 17. Mai 1992 in den Saint Louis „Walk of Fame“ aufgenommen worden, wurde zur Ehrendoktorin des Ebner-Rust College Holy Springs (Missouri) und der University of Missouri St. Louis ernannt (1980)[  und an UNESCO Projekten beteiligt (Road of Salvery). Grace Bumbry erhielt den Alumna-Preis von der Akademie Musik des Westens, bekam den Premio Giuseppe Verdi von Italien verliehen und wurde 1996 zum Commandeur des französischen Ordens Ordre des Arts et des Lettres durch die französische Regierung ernannt. Im Dezember 2009 wurde ihr von dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama der Preis Kennedy Center Honors (dt. Kennedy-Preis) des Kennedy Centers in Washington D.C. für ihr Lebenswerk verliehen (wie Wikipedia auflistet). Happy Birthday Miss Bumbry! G. H. (Foto oben: Grace Bumbry/ Cover der DG-Lied-LP SLPM 138 826/ Foto Max Jacoby)

 

Dazu auch ein Lebenslauf aus dem unersetzlichen Kutsch/Riemens: Bumbry, Grace, Alt/Sopran, * 4.1.1937 St. Louis; eigentlicher Name Grace Ann Melzia Bumbry. Studium an der Boston University, an der Northwestern University in Evanstown und 1955-58 an der Music Academy of the West in Santa Barbara (Kalifornien). Durch Lotte Lehmann gefördert, studierte sie den Liedgesang in Paris bei Pierre Bernac. Zunächst trat sie als Liedersängerin in Erscheinung. Bühnendebüt 1960 an der Grand Opéra Paris als Amneris in »Aida«. Sie etablierte sich im gleichen Jahr am Stadttheater von Basel, wo sie vier Jahre lang bis 1964 blieb. Aufsehenerregende Gastspiele 1961 in Brüssel als Carmen und seit 1963 immer wieder an der Covent Garden Oper London, wo sie als Eboli in Verdis »Don Carlos«, als Amneris, als Salome (1970) wie als Tosca (1973) auftrat. 1963 gastierte sie an der Oper von Chicago als Ulrica in Verdis »Maskenball«. Als erste farbige Sängerin wirkte sie 1961-63 bei den Festspielen von Bayreuth mit, und zwar als Venus im »Tannhäuser«. Der Erfolg der »Schwarzen Venus« war sensationell. Bei den Festspielen von Salzburg hörte man sie 1964-65 als Lady Macbeth in Verdis »Macbeth«, 1966-67 als Carmen; 1965-67 gab sie dort viel beachtete Liederabende. Große Karriere auch an der Metropolitan Oper New York seit 1965 (Antrittsrolle: Eboli im »Don Carlos« von Verdi). An der  Mailänder Scala bei ihrem Debüt 1966 ebenfalls begeistert gefeiert. Neben den genannten Partien galten als ihre großen Kreationen im Alt-Fach die Dalila in »Samson et Dalila« von Saint-Saëns, die Azucena im »Troubadour«, die Fricka im Nibelungenring und der Titelheld im »Orpheus« von Gluck. 1970 begann die Künstlerin mit der Interpretation von Sopranpartien (Salome, Tosca, Jenufa, Gioconda, Aida, Elisabetta im »Don Carlos« von Verdi, Lady Macbeth). Als erste Sopranpartie sang sie 1970 in Wien die Santuzza in »Cavalleria rusticana«. 1975 zu Gast bei den Festspielen von Verona, 1979 an der Grand Opéra Paris als Abigaille im »Nabucco« von Verdi, 1987 an der Oper von Nizza in der Titelpartie von Massenets »Hérodiade«, 1989 in Marseille als Didon in »Les Troyens« von Berlioz. 1974 erregte ihre Gestaltung der Titelfigur in Janáčeks »Jenufa« an der Mailänder Scala großes Aufsehen, 1975 gastierte sie in Paris als Ariane in »Ariane et Barbe-bleue« von Dukas. 1975 war sie die Bess in der Erstaufführung von Gershwins »Porgy and Bess« an der New Yorker Metropolitan Oper. 1986 sang sie beim Festival von Orange nochmals die Venus im »Tannhäuser«. 1987 wirkte sie in den Aufführungen von Verdis »Aida« vor den Tempeln im ägyptischen Luxor als Amneris mit, die sie im gleichen Jahr auch in der Arena von Verona vortrug.

Grace Bumbry Amneris an der Met / grace-bumbry-organisations.com/ Met Opera Archives/ Melancon

1990 sang sie in der Eröffnugsvorstellung der neu er  bauten Opéra Bastille Paris die Cassandre wie die Didon in »Les Troyens«. 1990 hörte man sie bei den Festspielen von Verona als Carmen, 1991 als Turandot in der gleichnamigen Puccini-Oper, die sie auch 1991 an der Australian Opera Sydney, 1993 an der Covent Garden Oper London übernahm. Bei den Festspielen von Salzburg sang sie 1994 die Türkenbab in »The Rake’s Progress« von Strawinsky. 1995 hörte man sie in der Megaron Mousikis Halle in Athen in der Titelrolle der Oper »Medea« von Cherubini/Lachner, ebenso 1995 in der New Yorker Carnegie Hall in der Titelrolle von Massenets »Hérodiade« (in einer konzertanten Aufführung der Oper). Weltweite Gastspielkarriere mit glanzvollen Auftritten in München, Hamburg, Frankfurt a.M., Zürich, Helsinki, Stockholm, Budapest, Belgrad, Lissabon, Barcelona und in den Musikzentren in Nordamerika. Neben der dramatischen Ausdruckskraft ihrer Stimme bewunderte man auf der Bühne ihre großartige schauspielerische Begabung. Ihre voluminöse, dunkel timbrierte Stimme konnte nicht zuletzt auch im Lied- Vortrag große Leistungen erbringen. Verheiratet mit dem Tenor Andreas Jaeckel (* 1930), von dem sie sich aber wieder trennte Sie wurde zum Ehrendoktor des Ebner-Rust College Holy Springs (Missouri) und der University of Missouri St. Louis ernannt. Schallplatten: Westminster (»Israel in Egypt« aus Salt Lake City), Decca (»Messias«, »Don Carlos« von Verdi), Philips (Venus im »Tannhäuser«). DGG, RCA (»Aida«), Morgan Records (»Jenufa« in Italienisch), Legendary Recordings (Abigaille in Verdis »Nabucco«), Orfeo (»Macbeth«, Salzburger Festspiele 1964), Lévon (Amneris in »Aida«), CBS (»Le Cid« von Massenet), Eurodisc (»Orpheus« von Gluck) und Columbia (»Carmen«). Der denkwürdige Bayreuther »Tannhäuser« von 1961 ist auf Melodram erhalten.

[Nachtrag] Bumbry, Grace; 1997 hörte man sie in Lyon (Théâtre de Gourvières) als Klytämnestra in »Elektra« von R. Strauss, womit sie ihre Bühnenkarriere zum Abschluß brachte. Sie unternahm auch Tourneen mit einem von ihr gegründeten Vokal- und Instrumental-Ensemble (Grace Bumbry Black Musical Heritage Ensemble). [Lexikon: Bumbry, Grace. Großes Sängerlexikon, S. 3327 (vgl. Sängerlex. Bd. 1, S. 497; Sängerlex. Bd. 6, S. 264) (c) Verlag K.G. Saur]

Rekonstruktionserfolg

 

Die vorliegende Live-Aufnahme der Kurzoper Dido and Aeneas von Henry Purcell ist das Ergebnis von Rechercheaktivitäten. Ort, Besetzung und Erstaufführungshinweise der Oper sind unbekannt, es sei denn, die Aufführung in einer Mädchenschule 1689 war tatsächlich der Anlass für die Komposition. Die früheste Quelle für die komplette Purcell-Oper entstand erst ein Jahrhundert später. Bisher orientierte man sich an dem Parallelen aufweisenden Vorgänger „Venus and Adonis“ von John Blow. In Zeitungsarchiven fand man einen Hinweis auf eine Aufführung in London im Jahr 1704, bei der „Dido and Aeneas“ mit The Love of Mars Venus der Komponisten John Eccles und Gottfried Finger kombiniert wurde, dessen Musik und Text mit Aufführungshinweisen 1697 veröffentlicht wurde und auf dieser SACD ebenfalls ergänzend enthalten ist (allerdings ohne jede weitere Erläuterung im Beiheft, noch nicht einmal die Rollenbesetzung wird genannt). Da die Sänger der damaligen Aufführung bekannt sind, kann man Rückschlüsse auf Besetzung und Tonlage der korrespondierenden Purcell-Oper ziehen, insbesondere auf die Rolle der Sorceress, die mit einem Mann besetzt war, der Sailor mit einem Sopran, die Rolle der sSecond Woman wurde gestrichen. Weiterhin verwendet man eine Version von „Fear no danger“ aus dem Jahre 1700, die das Stück als Soloarie anstelle eines Duetts ausweist. Fabio Bonizzoni dirigiert das Ensemble La Risonanza über dessen Größe und Besetzung für diese Aufnahme das Beiheft keine Informationen enthält. Die sehr gute Akustik der gelungenen Einspielung lässt vermuten, dass Generalbass und Streicher in sehr kleiner Besetzung spielen. Bonizzoni gelingt ein dichtes Klangbild, die Dramatik erklingt ohne Zuspitzungen, sondern durch eine gestische Deutlichkeit, die die Spannbreite zwischen Humor und Schwermut versinnbildlicht. Man ist bei dieser Einspielung vor allem um Authentizität bemüht. Gesanglich gibt es weitere Anpassungen bei dieser Rekonstruktion. Um den Reim zu erhalten wird bspw. „destiny“ als „destinai“ ausgesprochen, was laut eines zitierten Sprachwissenschaftler wahrscheinlich korrekt ist. Das Beiheft erhält weitere Erläuterungen zu den Abweichungen bei der Aussprache, eine Besonderheit, die eher dem Muttersprachler auffallen dürfte. Sängerisch hat man ein stimmlich sehr harmonisches und harmonisierendes Ensemble versammelt, bei dem man niemanden hervorheben kann. Die italienische Sopranistin Raffaella Milanesi singt als Dido mit emotionaler Innigkeit, aber auch mit einem etwas undeutlich wirkendem Englisch, der österreichische Bariton Richard Helm als ihr Gegenpart Aeneas ist mit vornehmer Stimme hingegen sehr gut verständlich. Der schöne Sopran von Stefanie True wertet Belinda auf, Iason Marmaras als Sorceress ist deklamatorisch stark und verleiht der Zauberin Statur. Weiterhin hört man Michaela Antenucci (1. Witch, Sailor) und Anna Bessi (2. Witch, Spirit). Der sehr gut disponierte Chor besteht aus 13 Sängern des Coro Costanzo Porta.(SACD Challenge Classics, CC72737) Marcus Budwitius

Rudolf Hanisch

 

Der Erfurter Tänzer und Choreograf Rudolf Hanisch ist tot. Er starb am 7. Januar 2017 im Alter von 73 Jahren. Hanisch war mehr als 40 Jahre lang fest am Theater Erfurt beschäftigt. Geboren 1943 in Ahrensburg/Schleswig Holstein absolvierte er von 1958 und 1963 eine Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule Berlin. Anschließend folgte ein Engagement am Landestheater Altenburg bevor er 1967 nach Erfurt ans Theater verpflichtet wurde. Hier arbeitete er als Solotänzer unter Ballettmeisterin Sigrid Trittmacher-Koch und war beispielsweise als Prinz in den Balletten Aschenbrödel, Dornröschen und Nussknacker sowie vielen weiteren großen klassischen Rollen zu erleben. Ab 1982 war Rudolf Hanisch auch als Trainings- und Ballettmeister im Theater Erfurt tätig, Ende der 80er Jahre als stellvertretender Ballettdirektor und ab 2002 als Mitarbeiter im künstlerischen Betriebsbüro. Auch nach Auflösung der Ballettsparte (2003) und seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2008 blieb Hanisch dem Theater treu und arbeitete vielfach als Choreograf – zuletzt für insgesamt drei Produktionen im Jahre 2015: Faust, Andrea Chénier und Das Land des Lächelns (Foto Theater Erfurt).

Dazu Generalintendant Guy Montavon: „Das Theater Erfurt hat mit Rudolf Hanisch einen stets freundlichen Menschen und zuverlässigen Mitarbeiter verloren. Er hat sein Wissen gern und mit Freude weitergegeben, vielen Nachwuchstänzern war er ein großes Vorbild. Mein Mitgefühl gilt seinen Angehörigen.“ (Quelle Theater Erfurt)

Geori Boué

 

Sie war eine der schönsten Frauen der französischen Opernszene: Géori Boué – Tosca, Desdemona, Marguérite, Mireille und viele andere Frauenfiguren des französischen Repertoires. Blond, charmant und bezaubernd, auch als alte Dame. Sie starb  am 5. Januar 2017 im hohen Alter von 98 Jahren in Paris. Ältere Operngänger bekommen immer noch verzückte Augen, wenn von ihr die Rede ist – sie war der Inbegriff der eleganten Französin, très á la mode und außerordentlich erfolgreich. Ihre wirklich reichliche Hinterlassenschaft auf ehemals Schellacks und später LP/CD legt von ihrer Kunst Zeugnis ab: eine feste, helltimbrierte, aber außerordentlich leistungsfähige Stimme, die zwischen den lyrischen und den dramatischeren Tönen mühelos ihren hochindividuellen Klang fand. Zudem zeigen einige Spielfilme (so der berühmte Malibran-Film von Sascha Guitry) und Fernsehverfilmungen von Opern (so eine bezaubernde Mireille) ihre Spielfreudigkeit und eben auch Eleganz.

Géori Boué als Mireille/ Foto artlyrique.fr

Nachstehend ein Auszugsbeitrag aus dem unerlässlichen Kutsch/Riemens. Bei youtube gibt es zudem reichlich von ihr zu hören und zu sehen, und viele Firmen haben ihr Vermächtnis wieder aufgelegt. Une vrais Francaise. G. H. 

 

Boué, Géori (eigentlich Georgette), Sopran, (geboren 16.10.1918 Toulouse – gestorben 5. Januar 2017 Paris); sie studierte am dortigen Konservatorium bei Claude Jean und debütierte 1935 am Opernhaus von Toulouse als Page Urbain in den »Hugenotten« von Meyerbeer. Sie sang dann in Toulouse Partien wie den Siebel im »Faust« von Gounod, die Hilda in »Sigurd« von Reyer, die Mathilde in Rossinis »Wilhelm Tell«, die Micaela in »Carmen« sowie Operettenrollen. Sie schloß ihre Ausbildung in Paris bei Reynaldo Hahn und Henri Busser ab, sang an Operettentheatern der französischen Hauptstadt und kam 1938 an die Opéra-Comique Paris (Antrittsrolle: Mimi in »La Bohème«). Seitdem große Erfolge an den beiden führenden Operntheatern von Paris, an der Opéra-Comique wie an der Grand Opéra, an der sie seit 1941 (Antrittsrolle: Marguerite im »Faust« von Gounod) regelmäßig sang, so auch 1953 in der Premiere von Rameaus »Les Indes galantes«. An der Grand Opéra hatte sie ihre großen Erfolge als Rosenn in »Le Roi d’Ys« von Lalo, als Eva in den »Meistersingern«, als Desdemona in Verdis »Othello«, als Salomé in »Hérodiade« und als Thaïs von Massenet. 1941 gastierte sie bei den Vorstellungen in der Arena von Arles als Mireille in der Originalfassung der gleichnamigen Oper von Gounod. 1944 trat sie am Grand Théâtre in Genf auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer internationalen Gastspielkarriere.

Géori Boué und ihr Ehemann, der Bariton Roger Bourdin, auf dem Cover einer Schellack zu „Mirelle“/ presbytere.typepad.com

Sie erschien als Gast an der Oper von Nizza, am Teatro Liceo von Barcelona und an der Oper von Mexico City. 1946 gastierte sie am Opernhaus von Zürich, 1954 am Théâtre de la Monnaie in Brüssel, 1949-50 in Rio de Janeiro, auch in Chicago, am Teatro Comunale Bologna (1958 als Herzog von Reichstadt in »L’Aiglon« von Honegger und Ibert und an der Oper von Monte Carlo, 1952 als Mireille und in der Titelrolle der Operette »Ciboulette« von Reynaldo Hahn). An der Mailänder Scala sang sie die Mélisande in »Pelléas et Mélisande« von Debussy, während ihr Gatte Roger Bourdin den Pelléas gestaltete. 1955 gastierte sie beim Maggio musicale in Florenz in »Angélique« von Ibert. Bei einer Rußland-Tournee trat sie u.a. am Bolschoj Theater Moskau als Tatjana im »Eugen Onegin« und als Madame Butterfly auf. Ihre weiteren Bühnenpartien waren die Traviata, die Nedda im »Bajazzo«, die Prinzessin in »Marouf« von H. Rabaud, die Titelrolle in »Louise« von Charpentier, später auch die Charlotte in Massenets »Werther«. 1957 kam es zwischen ihr und der Direktion der Grand Opéra zu Auseinandersetzungen, worauf sie sich mehr der Operette zuwandte und nun auch auf diesem Gebiet zu großen Erfolgen kam, so 1960 am Théâtre Mogador Paris in Offenbachs »Belle Hélène« und Lehárs »Lustiger Witwe«. Sacha Guitry übertrug ihr in dem Tonfilm »La Malibran« die Rolle jener unvergeßlichen Diva des 19. Jahrhunderts.

Géori Boué: Poster zur Verfilmung von „La Malibran“ von Sascha Guitry/ artlyriquefr.fr

1966 gründete sie in Paris das Centre Lyrique Populaire de France. In Frankreich als lyrische Sopranistin innerhalb ihrer Generation kaum übertroffen; neben ihrer Tätigkeit auf der Bühne entwickelte sie eine große Karriere im Konzertsaal, vor allem als Lied-Interpretin. Nach 1973 gab sie ihre Karriere auf und arbeitete dann im pädagogischen Bereich. – Verheiratet mit dem bekannten Bariton Roger Bourdin (1900-73).

Schallplatten: Odeon, Urania (vollständige »Thaïs«), HMV (»Faust« unter Sir Thomas Beecham), Columbia (»Hoffmanns Erzählungen«), Bourg (»L’Aiglon« von A. Honegger, 1956), Decca, Saturn (Arien), Pathé, alle unter dem Namen Mme Géori-Boué erschienen. [Lexikon: Boué, Géori. Großes Sängerlexikon, S. 2770 (vgl. Sängerlex. Bd. 1, S. 412) (c) Verlag K.G. Saur] (Foto oben: Géori Boué/ Foto Okley/artlyriquefr.fr)