Die vorliegende Live-Aufnahme der Kurzoper Dido and Aeneas von Henry Purcell ist das Ergebnis von Rechercheaktivitäten. Ort, Besetzung und Erstaufführungshinweise der Oper sind unbekannt, es sei denn, die Aufführung in einer Mädchenschule 1689 war tatsächlich der Anlass für die Komposition. Die früheste Quelle für die komplette Purcell-Oper entstand erst ein Jahrhundert später. Bisher orientierte man sich an dem Parallelen aufweisenden Vorgänger „Venus and Adonis“ von John Blow. In Zeitungsarchiven fand man einen Hinweis auf eine Aufführung in London im Jahr 1704, bei der „Dido and Aeneas“ mit The Love of Mars Venus der Komponisten John Eccles und Gottfried Finger kombiniert wurde, dessen Musik und Text mit Aufführungshinweisen 1697 veröffentlicht wurde und auf dieser SACD ebenfalls ergänzend enthalten ist (allerdings ohne jede weitere Erläuterung im Beiheft, noch nicht einmal die Rollenbesetzung wird genannt). Da die Sänger der damaligen Aufführung bekannt sind, kann man Rückschlüsse auf Besetzung und Tonlage der korrespondierenden Purcell-Oper ziehen, insbesondere auf die Rolle der Sorceress, die mit einem Mann besetzt war, der Sailor mit einem Sopran, die Rolle der sSecond Woman wurde gestrichen. Weiterhin verwendet man eine Version von „Fear no danger“ aus dem Jahre 1700, die das Stück als Soloarie anstelle eines Duetts ausweist. Fabio Bonizzoni dirigiert das Ensemble La Risonanza über dessen Größe und Besetzung für diese Aufnahme das Beiheft keine Informationen enthält. Die sehr gute Akustik der gelungenen Einspielung lässt vermuten, dass Generalbass und Streicher in sehr kleiner Besetzung spielen. Bonizzoni gelingt ein dichtes Klangbild, die Dramatik erklingt ohne Zuspitzungen, sondern durch eine gestische Deutlichkeit, die die Spannbreite zwischen Humor und Schwermut versinnbildlicht. Man ist bei dieser Einspielung vor allem um Authentizität bemüht. Gesanglich gibt es weitere Anpassungen bei dieser Rekonstruktion. Um den Reim zu erhalten wird bspw. „destiny“ als „destinai“ ausgesprochen, was laut eines zitierten Sprachwissenschaftler wahrscheinlich korrekt ist. Das Beiheft erhält weitere Erläuterungen zu den Abweichungen bei der Aussprache, eine Besonderheit, die eher dem Muttersprachler auffallen dürfte. Sängerisch hat man ein stimmlich sehr harmonisches und harmonisierendes Ensemble versammelt, bei dem man niemanden hervorheben kann. Die italienische Sopranistin Raffaella Milanesi singt als Dido mit emotionaler Innigkeit, aber auch mit einem etwas undeutlich wirkendem Englisch, der österreichische Bariton Richard Helm als ihr Gegenpart Aeneas ist mit vornehmer Stimme hingegen sehr gut verständlich. Der schöne Sopran von Stefanie True wertet Belinda auf, Iason Marmaras als Sorceress ist deklamatorisch stark und verleiht der Zauberin Statur. Weiterhin hört man Michaela Antenucci (1. Witch, Sailor) und Anna Bessi (2. Witch, Spirit). Der sehr gut disponierte Chor besteht aus 13 Sängern des Coro Costanzo Porta.(SACD Challenge Classics, CC72737) Marcus Budwitius