Geori Boué

 

Sie war eine der schönsten Frauen der französischen Opernszene: Géori Boué – Tosca, Desdemona, Marguérite, Mireille und viele andere Frauenfiguren des französischen Repertoires. Blond, charmant und bezaubernd, auch als alte Dame. Sie starb  am 5. Januar 2017 im hohen Alter von 98 Jahren in Paris. Ältere Operngänger bekommen immer noch verzückte Augen, wenn von ihr die Rede ist – sie war der Inbegriff der eleganten Französin, très á la mode und außerordentlich erfolgreich. Ihre wirklich reichliche Hinterlassenschaft auf ehemals Schellacks und später LP/CD legt von ihrer Kunst Zeugnis ab: eine feste, helltimbrierte, aber außerordentlich leistungsfähige Stimme, die zwischen den lyrischen und den dramatischeren Tönen mühelos ihren hochindividuellen Klang fand. Zudem zeigen einige Spielfilme (so der berühmte Malibran-Film von Sascha Guitry) und Fernsehverfilmungen von Opern (so eine bezaubernde Mireille) ihre Spielfreudigkeit und eben auch Eleganz.

Géori Boué als Mireille/ Foto artlyrique.fr

Nachstehend ein Auszugsbeitrag aus dem unerlässlichen Kutsch/Riemens. Bei youtube gibt es zudem reichlich von ihr zu hören und zu sehen, und viele Firmen haben ihr Vermächtnis wieder aufgelegt. Une vrais Francaise. G. H. 

 

Boué, Géori (eigentlich Georgette), Sopran, (geboren 16.10.1918 Toulouse – gestorben 5. Januar 2017 Paris); sie studierte am dortigen Konservatorium bei Claude Jean und debütierte 1935 am Opernhaus von Toulouse als Page Urbain in den »Hugenotten« von Meyerbeer. Sie sang dann in Toulouse Partien wie den Siebel im »Faust« von Gounod, die Hilda in »Sigurd« von Reyer, die Mathilde in Rossinis »Wilhelm Tell«, die Micaela in »Carmen« sowie Operettenrollen. Sie schloß ihre Ausbildung in Paris bei Reynaldo Hahn und Henri Busser ab, sang an Operettentheatern der französischen Hauptstadt und kam 1938 an die Opéra-Comique Paris (Antrittsrolle: Mimi in »La Bohème«). Seitdem große Erfolge an den beiden führenden Operntheatern von Paris, an der Opéra-Comique wie an der Grand Opéra, an der sie seit 1941 (Antrittsrolle: Marguerite im »Faust« von Gounod) regelmäßig sang, so auch 1953 in der Premiere von Rameaus »Les Indes galantes«. An der Grand Opéra hatte sie ihre großen Erfolge als Rosenn in »Le Roi d’Ys« von Lalo, als Eva in den »Meistersingern«, als Desdemona in Verdis »Othello«, als Salomé in »Hérodiade« und als Thaïs von Massenet. 1941 gastierte sie bei den Vorstellungen in der Arena von Arles als Mireille in der Originalfassung der gleichnamigen Oper von Gounod. 1944 trat sie am Grand Théâtre in Genf auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer internationalen Gastspielkarriere.

Géori Boué und ihr Ehemann, der Bariton Roger Bourdin, auf dem Cover einer Schellack zu „Mirelle“/ presbytere.typepad.com

Sie erschien als Gast an der Oper von Nizza, am Teatro Liceo von Barcelona und an der Oper von Mexico City. 1946 gastierte sie am Opernhaus von Zürich, 1954 am Théâtre de la Monnaie in Brüssel, 1949-50 in Rio de Janeiro, auch in Chicago, am Teatro Comunale Bologna (1958 als Herzog von Reichstadt in »L’Aiglon« von Honegger und Ibert und an der Oper von Monte Carlo, 1952 als Mireille und in der Titelrolle der Operette »Ciboulette« von Reynaldo Hahn). An der Mailänder Scala sang sie die Mélisande in »Pelléas et Mélisande« von Debussy, während ihr Gatte Roger Bourdin den Pelléas gestaltete. 1955 gastierte sie beim Maggio musicale in Florenz in »Angélique« von Ibert. Bei einer Rußland-Tournee trat sie u.a. am Bolschoj Theater Moskau als Tatjana im »Eugen Onegin« und als Madame Butterfly auf. Ihre weiteren Bühnenpartien waren die Traviata, die Nedda im »Bajazzo«, die Prinzessin in »Marouf« von H. Rabaud, die Titelrolle in »Louise« von Charpentier, später auch die Charlotte in Massenets »Werther«. 1957 kam es zwischen ihr und der Direktion der Grand Opéra zu Auseinandersetzungen, worauf sie sich mehr der Operette zuwandte und nun auch auf diesem Gebiet zu großen Erfolgen kam, so 1960 am Théâtre Mogador Paris in Offenbachs »Belle Hélène« und Lehárs »Lustiger Witwe«. Sacha Guitry übertrug ihr in dem Tonfilm »La Malibran« die Rolle jener unvergeßlichen Diva des 19. Jahrhunderts.

Géori Boué: Poster zur Verfilmung von „La Malibran“ von Sascha Guitry/ artlyriquefr.fr

1966 gründete sie in Paris das Centre Lyrique Populaire de France. In Frankreich als lyrische Sopranistin innerhalb ihrer Generation kaum übertroffen; neben ihrer Tätigkeit auf der Bühne entwickelte sie eine große Karriere im Konzertsaal, vor allem als Lied-Interpretin. Nach 1973 gab sie ihre Karriere auf und arbeitete dann im pädagogischen Bereich. – Verheiratet mit dem bekannten Bariton Roger Bourdin (1900-73).

Schallplatten: Odeon, Urania (vollständige »Thaïs«), HMV (»Faust« unter Sir Thomas Beecham), Columbia (»Hoffmanns Erzählungen«), Bourg (»L’Aiglon« von A. Honegger, 1956), Decca, Saturn (Arien), Pathé, alle unter dem Namen Mme Géori-Boué erschienen. [Lexikon: Boué, Géori. Großes Sängerlexikon, S. 2770 (vgl. Sängerlex. Bd. 1, S. 412) (c) Verlag K.G. Saur] (Foto oben: Géori Boué/ Foto Okley/artlyriquefr.fr)