Dem Verismo verschworen scheinen sich momentan unsere Operndiven zu haben, denn nach Anna Netrebko und Elina Garanca legt nun auch Krassimira Stoyanova eine CD dieses Titels vor. Die ihre zeichnet sich zuerst einmal dadurch aus, dass den Arien nicht unvermittelt beginnen, sondern dass häufig mit einigen Takten der vorangehenden Musik in die Stimmung der Arie hineingeführt wird, so mit dem Zwiegespräch zwischen Adriana und Michonet in die „Poveri fiori“. In diesen wie bereits zuvor in der „Umil’ancella“ erweist sich der Sopran durch seine wunderbare Farbigkeit, durch die feine Textausdeutung, das dunkel glühende Timbre und die reiche Agogik als ideale Gestalterin der leidenschaftlichen Figuren dieser Musikepoche. Die Höhe wird niemals scharf, die Beherrschung der Technik trotz temperamentvollen Stimmeinsatzes nie gefährdet, und es gibt keinerlei Scheu davor, den Überschwang der Gefühle vokal zu verdeutlichen. Die „poveri fiori“ erklingen mal ätherisch fein, mal in vollem, dramatischem Glockenton.
Es beginnt mit Manon Lescaut, die für die „trine morbide“ ein üppiges Farbspektrum aufbringen kann, zwar keine Mädchenstimme hat, aber eine, die den Nachklang von Leidenschaft und die aktuelle Melancholie vermitteln kann. Vielseitig gestaltet wird auch „Sola, perduta, abbandonata“ mit dem Wechsel zwischen Verhaltenheit und Verzweiflung, dem rührend ungläubigen „non voglio morir“.
Ebenfalls mit zwei Ausschnitten ist Madama Butterfly vertreten, mit „Un bel di“ in ruhiger Gewissheit und großzügiger Phrasierung und mit dem Abschied vom Kind in dramatischer Gestaltung. Liùs „Signore ascolta“ aus Turandot ist von zart keuschem Klang, die Sängerin hat eine Vielzahl von Schattierungen für die Charakterisierung jeder ihrer Figuren zur Verfügung und setzt schwebende Piani in der Höhe ein, die Stimme scheint ganz ohne Druck auf alle Intentionen ihrer Besitzerin einzugehen. In „Tanta amore segreta“ gibt es wundersame Tongespinste zu entdecken.
Der mit Abstand umfangreichste Track ist einer unbekannten Oper Mascagnis, Lodoletta, gewidmet und schildert wild bewegt den Kältetod eines enttäuschten und betrogenen Mädchens, aus des Komponisten L’amico Fritz stammt „Son pochi fiori“ in feiner Verhaltenheit und Schlichtheit für den Beginn. La Stoyanova beweist, wie schön diese kaum jemals gehörte Musik klingen kann, wenn sie so raffiniert wie hier gesungen wird.
Sehr lyrisch, elegisch beginnt die Sängerin die Arie Wallys, umso dramatischer wirkt der Schluss. Suor Angelica hat für „Senza mamma“ einen schönen Klageton und ein feines Decrescendo zum Schluss, Maddalena aus Andrea Chénier für das klug sich steigernde „La mamma morta“ eine dunkelgetönte, leidenschaftliche Klage. Edgars Fidelia schwelgt in blühender dolcezza. Toscas Gebet am Schluss der CD schließlich klingt wie das sehr glaubhafte Geständnis nicht nur der Figur, sondern ihrer Interpretin selbst, die sich im Zenit ihres Könnens, Frische und Reife zugleich einsetzend, zu befinden scheint. Das Münchner Rundfunkorchester unter Pavel Baleff erweist sich als sicherer Begleiter der Ausnahmesängerin (Orfeo C 899 171 A). Ingrid Wanja