Hommage an Elisabeth Grümmer

 

Vor dreißig Jahren starb Elisabeth Grümmer, am 6. November 1986 in Warendorf in Nordrhein-Westfalen (geboren am 31. März in Niederjeutz, damals im Elsass der Kaiserzeit). Zeit, sich zu erinnern. Sie hat für rund 10 Jahre mein Opernerleben unvergesslich geprägt, umgeben von den unvergesslichen Kollegen jener Zeit: Fischer-Dieskau, McDaniel und Grobe, Lagger, Otto und viele mehr. Ich lernte bei der Grümmer auf Details zu achten, auf Darstellung und Identifikation. Und sie war stets sie selbst, die Grümmer eben. Was für eine Künstlerin, was für eine liebenswürdige Frau, bei der ich noch das Glück hatte, ein halbes Jahr Unterricht zu nehmen, wenngleich ich ihre Vermittlung dabei nicht verstand. Wir fanden uns nicht. Aber an den Klang der stets unglaublich jung scheinenden Sopran-Stimme werde ich mich immer erinnern. Wie der der Callas, Cerquetti oder Schwarzkopf, Jurinac hat er in mir einen Prototyp hinterlassen, der die Grundlage für meine jahrelange Beurteilung von Stimmen bis heute geblieben ist.

Elisabeth Grümmer: Donna Anna, Salzburg 1953/ youtube

Elisabeth Grümmer: Donna Anna, Salzburg 1956/ youtube

Die Grümmer (1911 – 1986) war eine feste Größe an der Städtischen und ab 1963 dann Deutschen Oper, als ich als ganz junger Mensch nach Berlin kam. Noch im alten Haus/TdW sah ich sie als Schüler als Marschallin neben Kerstin Meyer und Lisa Otto bzw. Erika Köth. Natürlich würde man das heute nicht mehr so singen oder hören können, aber damals war sie für mich die Erfüllung. Anders als die wesentlich artifiziellere Schwarzkopf war die Grümmer außerordentlich natürlich in Bewegung und Stimme. Stets matronal, das ist wahr – ich erinnere sie als Capriccio-Madeleine gegen Ende der Oper, die Schminke lief ihr runter und die Saiten der Harfe hingen ziemlich durch. Sie war sehr früh eine ältere Frau und sah auch so aus, keine Frage. Aber sie hatte etwas, das nur wenige Sänger mir im Laufe meines Lebens offenbaren konnten: Überzeugung, Identifikation. Sie war die Partie im jeweiligen Moment. Ob Donna Anna mit enormem Aplomb (meist neben der Lorengar), ob Marschallin, Elsa, Agathe, Contessa/Mozart oder Madeleine – ihre Natürlichkeit, ihr unverstellter, frischer und mädchenhafter Ton ließen keine anderen Gedanken aufkommen, als dass man die Personen ihrer Rollen sah und miterlebte. Ihre großen Wagnerpartien kenne ich (bis auf die Elsa) nur von der LP/CD, und dort finde ich sie zu spät, zu wenig mädchenhaft für die Elsa oder Eva, zu gestanden für Elisabeth oder Hänsel (aber was für einen hörbaren Spaß hatten die beiden, Schwarzkopf und Grümmer, auf der Karajan-Aufnahme). Die Defizite wie kurzer Atem und eine gewisse Enge im passaggio wurden durch legato und vor allem wunderbarste, absolut leuchtende Höhe wieder wettgemacht. Ihre Agathe singt eine „Wolke“ zum Niederknien, die übertrifft die Schwarzkopf nur in technischer Hinsicht. The very best of Elisabeth Grümmer, eben!

Elisabeth Grümmer: Agathe/ Berlin/ Buhs/ youtube

Elisabeth Grümmer: Agathe/ Berlin/ Buhs/ youtube

Überhaupt Schwarzkopf. Die Grümmer litt drunter, wie sie mir andeutete, selbst wenn sie doch stets diskret blieb (ich gestehe, ich hatte ein paar Gesangsstunden bei ihr, aber wir verstanden uns nicht, und als Lehrerin war sie auch nicht so überzeugend wie als Sängerin, wie mir manche Unglückliche versicherten, die durch ihre Hände gegangen waren…). Aber die Schwarzkopf hatte Legge und die besseren Verträge und war bei der Columbia, die Grümmer bei der Electrola und wurde nur für die Londoner Aufnahmen dahin ausgeliehen. Man kann nur spekulieren, was sie alles hätte aufnehmen können. So blieb es bei den bekannten Standardeinspielungen wie Tannhäuser, Lohengrin, Meistersinger, Freischütz oder Hänsel und Gretel. Keine Cosi, kein offizieller Don Giovanni, kein dto. Figaro, keine Jenufa, keine Ariadne…. Kein Rosenkavalier, dessen Marschallin ihre internationale Visitenkarte und ein wirklicher Gegenpol zur Schwarzkopf war. Ein Jammer – aber Sammler haben natürlich den Rias-Mitschnitt der Städtischen Oper 1959 mit Kerstin Meyer und Lisa Otto unter Varviso, in dessen Monolog sich die ganze Kunst der Grümmer ausbreitet: Noblesse, Würde, Unverstelltheit, eben diese strömende, jugendliche Stimme, die sie sich bis ins Alter bewahrt hatte. Und den gibt´s nun bei the intense media, nicht die ganze Szene aber immerhin, auf CD 2 live! Ach ja!

Kerstin Meyer und Elisabeth grümmer im "Rosenkavalier" an der Städtischen Oper Berlin/ Foto Buhs/ youtube

Kerstin Meyer und Elisabeth Grümmer im „Rosenkavalier“ an der Städtischen Oper Berlin/ Foto Buhs/ youtube

Zeit, sich zu erinnern. Würdigungen sind ja meist so eine Sache für sich, Man mag nicht meckern, weil man sich freut, dass sich überhaupt jemand der geliebten Objekte annimmt. Aber wer ist bei the intense media auf diese absolut törichte Beschriftung der Box gekommen? „Elisabeth Grümmer – Die schönste Stimme der Romantik“? Was heißt „schönste“? Welche Romantik? Zelter? Schubert? Bach? Auch dies ein Repertoire, das die Grümmer reichlich gesungen hat, nicht nur eben Weber, Wagner oder Humperdinck und Strauss (wobei die letzteren beiden nun auch nicht die ausgewiesenen Romantiker sind…). Und die magere Papphüllen-Ausstattung bzw. Stück-Auswahl machen neben vielen glücklichen Momenten auch mürrisch, weil viel Bekanntes vorherrscht und manches fehlt, das man sich in einer 10-CD-Hommage–Box gewünscht hätte! Aber die Box kostet auch nur rund 13 Euro, da will man nicht meckern. Auf den 10 CDs bei Intense (bei krümeligster Beschriftung, weiß auf braun und kaum leserlich) gibt es vor allem die vielen, vielen Lieder (2 CDs), die sie für die Electrola/EMI, aber auch bei ihren zahllosen Liederabenden in der späten Karriere sang. Und dafür bin ich der Firma sehr dankbar. Die Schlichtheit ihres Tons passt zu Schubert, Schumann, Brahms oder Zelter ideal. Live gibt´s Auszüge aus dem Spanischen Liederbuch 1958, wie viele andere begleitet von Hugo Dietz. Und sie beherrschte die kleine Kunst perfekt.

Elisabeth Grümmer: Madeleine/ "Capriccio"/ Berlin/ Buhs/ youtube

Elisabeth Grümmer: Madeleine/ „Capriccio“/ Berlin/ Buhs/ youtube

Auch die Oratorien von Bach und Haydn waren ihre Domäne. Ich möchte ihre Johannes– oder Matthäus-Passion nicht missen, auch nicht ihre Mitwirkung im Verdi-Requiem (Fricsay 1952, ehemals DG) oder ihr überirdisches Solo im Brahms-Requiem. Hier greift intense media neben Electrola auf die gängigen Radio-Aufnahmen aus Berlin, München, Salzburg oder Wien zurück. Furtwängler, Jochum und andere Berühmte sind ihre Dirigenten. Die Aufnahmen sind bekannt und bereits oft publiziert. Da ist kaum Rares, nur liebevoll Vertrautes. Ein Ausschnitt aus der Bachkantate 68 weist auf ihre Electrola-Eterna-Aufnahmen mit den Thomanern hin, da gibt’s noch mehr zu heben. Zwei Mozart-Konzertarien von 1956 (Radio) erinnern an ihre Mitwirkung beim Mozartfest in Stuttgart und einen der Schwerpunkte ihres Schaffens.

Was die ganze Box den Kauf wert sein lässt sind neben dem

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grümmer intense mediaErwähnten die Arien aus den Electrola-EMI-Rias-Beständen. Beethovens Egmont und Zelters Faust (!!!), beide mit Orchester unter Artur Rother 1949 sind da die freudigen Überraschungen; Mignon, Hoffmann, Margarethe, Carmen, Pique Dame (von Urania) und Othello mit Schock sind nicht mehr greifbar und zeigen die Grümmer in einem internationalen Fahrwasser, weg von Mozart und Wagner/Strauss. Und da hätte man gerne mehr und anderes gehört, vor allem aus den Radio-Archiven. Etwa ihre Arie aus Ruslan und Ludmila/Glinka unter Rother vom Rias 1947. Etwa Glucks Orfeo mit der Malaniuk vom NWDR 1953 oder das Lohengrin-Duett mit Fehringer aus München 1963. Oder sogar – ganz verwegen – als akustische Dokumente den Soundtrack ihres Lohengrin-Konzerts mit Isabel Strauss und Ernest Blanc beim französischen TV, den die INA in grauem Griesel zum Verkauf anbietet. Dass die Vier letzten Lieder von Strauss nicht auftauchen, die zu ihrem Standardrepertoire gehörten, will ich gar nicht mehr erwähnen…

Elisabeth Grümmer: Desdemona/ Berlin/ Buhs/ youtube

Elisabeth Grümmer: Desdemona/ Berlin/ Buhs/ youtube

Stattdessen gibt es viel Bekanntes, quasi Querschnitte durch die EMI- oder Bayreuth-Gesamtaufnahmen vom Lohengrin/Matacic, Tannhäuser/Konwitschny, Meistersinger/Kempe/Leinsdorf/Knappertsbusch, Freischütz/Keilberth/Furtwängler, Hänsel und Gretel/Karajan, Don Giovanni/Mitropoulos/Furtwängler… The best of E. G sozusagen. Das ist doch alles zu oft publiziert und nimmt nur CDs weg. Gewinnender sind die Einzelaufnahmen der ehemaligen Singles oder 25-cm-LPs wie der Rosenkavalier mit der Rysanek als Marschallin unter Schüchter, die Einzelarie aus Cosi fan tutte, Figaro (Fricsay/NWDR 1961 und Electrola) und dto. Zauberflöte. Idomeneo ist mit der Elettra aus Salzburg 1961/ Fricsay vertreten, und die war eine wichtige späte Partie von ihr. Ein paar Boni versöhnen mich gegen Schluss – etwa die Hallenarie unter Rother von 1953, wo die Stimme sich exemplarisch in ihrer unverkennbar frischen Farbe und unverstellten Mitteilung zeigt, wo man eine im besten Sinne jugendlich-dramatische deutsche Sängerin hört, die jedem Wort seine Bedeutung zukommen lässt. Wie bei der Agathe scheint mir dies ein bis heute unübertroffenes Dokument an erfülltem Gesang zu sein. Darum liebe ich Oper und Lieder (Elisabeth Grümmer – Die schönste Stimme der Romantik, keine Beilage, 10 CDs, the intense media, 600215; Foto oben Electrola/ Buhs). G. H.

  1. Hans-B, Volmer

    In Wieland Wagners „blaue Wunder“ konnte ich Elisabeth Grümmer oft erleben.
    Eine wunderbare Elsa mit ihrer charismatischer Stimme. Als Gast konnte ich sie in Hamburg auch als Agahte erleben,

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  2. Wilfried Henning-Wirth

    Es gab zur damaligen Zeit sehr gute Sänger und Sängerinnen. Ich denke da an Gudula Janovitz oder Christa Ludwig. In meien geistigen Träumen stelle ich mir da vor, wie es wohl geklungen hätte wenn die Stimmen zu sammmen vereint gewesen. wären. Mein Taum war es immer Opernsänger zu werden.Leider hat mein ständiges Lampenfieber es nicht zu gelassen. Also blieb mir nur das kleine Konzert und der Opernchor.Heute bedaure ich es sehr das ich zu feige war das durch zu stehen, zumal ich ja nicht alleine bin. Auch die grossen stimmen werden von Lampenfieber nicht verschont. Leider.Als Trost bleiben mir meine LP von Eterna aus dem Jahre 1970

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    1. Geerd Heinsen Beitragsautor

      ach das freut auch mich – sie erreicht auch meine seele und löst dort unbeschreibliches wohlgefühl aus, danke für die zuschrift, sie freut mich ebenfalls sehr. gh

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  3. Wolfgang Hainer

    Mag ja sein, daß viele der Ausschnitte schon öfter erschienen sind – aber wer hat schon alle diese Gesamtaufnahmen (ich gestehe, trotz des strengen Diktums von Kesting den Carlos-Kleiber-Freischütz und nicht den von Keilberth zu besitzen!!)? Jede dieser Aufnahmen ist ein Ereignis, die Mozarts und Wagners allemal – immer singt sie die „Seele der Melodie“.
    Und heute? Ganz abgesehen davon, daß meist die richtigen Dirigenten fehlen: im Fach von E:G. fällt mir spontan Camilla Nylund ein, sonst…?

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  4. Jürgen Lemke

    Unvergessen: durfte sie 1967 mit Jean Cox und 1968 mit Wolfgang Windgassen in Bremen am Goetheplatz (!!!) erleben – sowie mit den 4 letzten Liedern in der Glocke….mit heutigen Vergleichen: unerreicht.

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  5. Edmund Grümmer

    Mein Nachname lässt erkennen, dass die große Sängerin Elisabeth Grümmer zu meiner (angeheirateten) Verwandtschaft gehört. Ich hatte die 10-CD Box bestellt und bekam heute die Nachricht, sie sei vergriffen. Schade. Nach allem Lob, das G.H. oben ausspricht, möchte ich meine höchst persönliche Aussage zustimmend nur kurz treffen: Es gibt für mich keine Sängerin, die die Agathe so frisch und natürlich singt. Ich kenne ferner auch niemanden, der das Sopran-Solo im Brahms-Requiem so überzeugend fromm (im natürlichen wie im allgemein-religiösen Sinn) singt wie Elisabeth Grümmer. Es sind nur zwei Eindrücke, die mich nachhaltig überzeugten und dankbar für diese Erfahrung machten. Ich verehre Elisabeth Grümmer, die ihrem Ensemble stets treu verbunden blieb, obwohl sie auf allen großen Bühnen der Welt sang. Ich verehre sie, weil sie diese Stetigkeit auch privat lebte. Ihre neidischen Kolleginnen in Berlin meinten: „Ach, die Grümmer, die ist ja so hausbacken…“ Sie lebte einfach keine Skandale wie manches Möchte-gern-Sternchen, das morgen schon vergessen ist. Danke, Elisabeth!

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  6. Kevin

    Was heißt „Natürlich würde man das heute nicht mehr so singen oder hören können“, wenn es doch „damals“ für den Autor des Artikels „die Erfüllung“ war – und wenn es das noch heute auf CD ist? Ich denke, es gibt sehr wohl junge Sänger, die so gestalten könnten, wenn sie wollten. Und wenn nicht Kritiker und Dirigenten ihnen das dauernd ausreden würden, weil’s angeblich nicht zeitgemäß sei. Strauss und Wagner sind auch nicht wirklich zeitgemäß, aber das schmälert nicht ihre Wirkung. Und das gilt genauso für den Stil der Grümmer – oder den der Lemnitz (oder Schnwarzkopf). Man kann gar nicht oft genug betonen, dass es lohnt, diese alten Aufnahmen zu studieren und davon zu lernen für die Zukunft. Ohne es exakt zu kopieren, dann man sich Impulse davon geben lassen. Das gilt auch fürs italienische Repertoire mit Leuten wie Tebaldi…. so singt heute auch niemand mehr. Für einen Rosenkavalier mit Grümmer und Lisa Otto (oder Erna Berger, auf der Kleiber Aufnahme aus München) würde ich jedenfalls alles stehen und liegen lassen. Weil es zeitlos gültig bleibt.

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    1. Wolfgang Hainer

      Richtig! Denn was soll dieser von einer bestimmten (Kritiker-)Mafia immer wieder verbreitete Unsinn einer „veralteten“ Interpretation, die z.B. „historisch nicht informiert“ ist. Ideologie in der Kunst bleibt gefährlich…

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  7. Henning Beil

    Es gibt nur wenige Sopranistinnen, die mir ähnlich viel bedeuten wie Elisabeth Grüner. Ich habe sie wegen der Mauer leider nie life auf der Bühne erleben können, aber seitdem ich mich für Oper interessiere, ist sie mir durch Platten vertraut gewesen. Es geht ein unbeschreiblicher Zauber von ihren Darbietungen aus, den ich eigentlich nicht in Worte fasen kann. Sie ist eine der ganz grossen Persönlichkeiten des Operngesangs gewesen. Man muss sie einfach lieben.

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