Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Ein glanzvoller Rückblick

 

Das 1918 gegründete und in Genf ansässige Orchestre de la Suisse Romande (OSR) ist untrennbar mit dem Namen des schweizerischen Dirigenten Ernest Ansermet verbunden, der es nicht nur ins Leben rief, sondern diesem Klangkörper auch beinahe ein halbes Jahrhundert lang vorstand und somit der französischsprachigen Schweiz internationale Geltung innerhalb der klassischen Musikszene verschaffte. Damit deckt Ansermet bereits die Hälfte der Zeitspanne ab, welche die anlässlich des 100. Orchesterjubiläums auf fünf hybriden SACDs erschienene Box One Century of Music/Premier siècle 1918-2018 bei Pentatone (PTC 5186 791) umfasst. Der Anspruch dieser Veröffentlichung war es, alle der bis dato zehn Chefdirigenten abzudecken, was gelungen ist. Es handelt sich dabei neben Ernest Ansermet (1918-1967) um Paul Kletzki (1967-1970), Wolfgang Sawallisch (1970-1980), Horst Stein (1980-1985), Armin Jordan (1985-1997), Fabio Luisi (1997-2002), Pinchas Steinberg (2002-2005), Marek Janowski (2005-2012), Neeme Järvi (2012-2015) sowie Jonathan Nott (seit 2017). Dies wird auch die teilweise ein wenig spezielle, insgesamt aber sehr kluge und geschickte Werkauswahl begründen, welche berücksichtigt wurde, waren manche künstlerische Leiter des OSR doch nur kurz im Amt und ist der Vorrat an erhaltenen Tondokumenten begrenzt. Von zwei Ausnahmen abgesehen, handelt es sich um Aufnahmen zwischen den späten 1970er Jahren und der jüngsten Vergangenheit.

Thematisch ist die ansprechend aufbereitete Kollektion in fünf Abschnitte untergliedert, die jeweils eine SACD einnehmen: Zum einen wird die französische Musik berücksichtigt, die sich prominent auf der ersten SACD befindet und zum Kernrepertoire des bedeutendsten Orchesters der Romandie gehört. Debussys Épigraphes antiques in der Orchestrierung von Ansermet und in einer Einspielung unter Sawallisch von 1978 machen den Auftakt. Ravel ist doppelt bedacht, zum einen mit dem Liederzyklus Shéhérazade mit der Sopranistin Marilyn Richardson unter Horst Stein von 1980, zum anderen mit der Suite Nr. 2 zu Daphnis et Chloé unter Armin Jordan von 1993. Als „Lückenfüller“ fungieren zwei selten eingespielte Ouvertüren, diejenige zur wagnerisch angehauchten Oper Le Roi d’Ys von Édouard Lalo unter Pinchas Steinberg von 2002 sowie die Konzertouvertüre Polyeucte von Paul Dukas, wiederum unter Jordan, von 1993. Hierbei handelt es sich mit um die stärksten Interpretationen der Werke, die auf Tonträger vorliegen.

Auf der zweiten SACD ist das deutsche Repertoire versammelt, wobei die Auswahl mit einer Ausnahme recht konventionell geraten ist. Wagners Ouvertüre und Bacchanal zu Tannhäuser (Wiener Fassung) unter Steinberg (2004), Salomes Tanz der sieben Schleier aus demselben Konzert, Schumanns Manfred-Ouvertüre ausgezeichnet unter Sawallisch (1984) sowie Don Juan von Richard Strauss unter Luisi (2000) machen das Gros aus. Ergänzt wird dieses Programm durch die vergleichsweise exquisiten Orchestervariationen über ein Thema von Paganini von Boris Blacher, welche in einer Aufnahme unter Janowski von 2012 beigegeben wurden.

Dieses Werk von 1947 bildet gleichsam die Überleitung zur Musik des 20. Jahrhunderts, die auf der dritten Disc versammelt wurde. Ligetis Melodien steuert neuerlich Sawallisch bei (1978), während Horst Stein eine beeindruckende Einspielung der atmosphärischen Prélude Photoptosis von Bernd Alois Zimmermann verantwortet (1985). Der nur kurzzeitig als Leiter des OSR amtierende Paul Kletzki dirigiert das erste Violinkonzert von Béla Bartók (Solist: Isaac Stern), welches bereits 1961, also noch in Ansermets Amtszeit, aufgezeichnet wurde. Die von Heinz Holliger komponierten Fünf Lieder nach Gedichten von Georg Trakl stehen einmal mehr unter der musikalischen Leitung von Armin Jordan. Es wirken in dieser Einspielung von 1993 zudem mit die Mezzosopranistin Cornelia Kallisch sowie der Frauenchor des Chœur de Chambre Romand. Den Abschluss bildet schließlich die nur fünfminütige Passacaglia von Alban Berg unter Luisi (2002).

Die vierte SACD bedenkt die beim OSR seit jeher sehr gepflegte russische Musik, repräsentiert besonders durch Igor Strawinsky, der mit Les Noces (Vokalisten: Francine Laurent, Nadine Denize, Louis Devos, Michel Brodard sowie der Chœur de la Radio Suisse Romande) unter dem Dirigat Horst Steins (1983) sowie Le Sacre du printemps unter Jonathan Nott vertreten ist. Letztere Aufnahme vom 1. Juni 2017 ist zugleich die neueste der gesamten Box und kann sich in Notts intensiver Lesart erstaunlich gut auch gegenüber als Referenzen gehandelten Vorgängeraufnahmen behaupten. Abgerundet wird das russische Programm durch Rachmaninows Sinfonische Dichtung Die Toteninsel unter der Stabführung von Neeme Järvi (2013), die vielleicht nicht ganz die Sogwirkung der Interpretationen Jewgeni Swetlanows besitzt, aber für sich genommen ebenfalls überzeugt.

Auf der letzten CD findet man ein wahrlich historisches Tondokument mit der nahezu 80-minütigen Einspielung der Dramatischen Legende Les Armaillis von Gustave Doret aus dem Jahre 1943. Selbstredend stand hier der damalige Chefdirigent Ernest Ansermet auf dem Pult. Das Werk ist in drei Akte untergliedert, die zwischen 22 und 28 Minuten dauern, und mit Fernando Corena, Hugues Cuenod, Georges Genin, René Chambaz, Robert Bugnard, Marie-Louise Rochat sowie Juliette Salvisberg besetzt. Die Chorleitung des Chanson Valaissane hatte Georges Haenni inne (und man wird daran erinnert, dass das Orchester ja auch Operndienst im Grand Théâtre versieht und mit eben dessen Aufführungen auch in den schweizerischen Rundfunk kommt G. H.)

Die Klangqualität der ganz überwiegend in der berühmten Genfer Victoria Hall entstandenen Aufnahmen ist tadellos. Selbst die historische Einspielung von 1943 klingt sehr ordentlich. Sie ist neben dem Bartók-Violinkonzert von 1961 auch die einzige Monoaufnahme. Der Rest erklingt in astreinem Stereo, was bereits für die 70er-Jahre-Aufnahmen gilt. Besonders die Aufnahmen aus dem 21. Jahrhundert dürfen als audiophil gelten.

Ein informatives, über 100-seitiges dreisprachiges Booklet (Englisch, Französisch, Deutsch!!!) mit einer Einführung von Jean-François Monnard zur Orchestergeschichte, den Dirigenten und wichtigen Aufnahmen rundet diese empfehlenswerte Kollektion vorzüglich ab (Orchestre de la Suisse Romande: One Century of Music/Premier siècle 1918-2018; Pentatone PTC 5186 791/ 2019). Daniel Hauser.

Russisches

 

Auf Leopold Stokowski, Ferenc Fricsay und Hermann Scherchen verweist Gabriel Feltz, der Dirigent der vorliegenden Aufnahme von Glières Ilja Muromez (Dreyer Gaido CD 21112), in seinem informativen Vorwort, in welchem er nur schwer seine Begeisterung für das eingespielte Werk, die monumentale dritte Sinfonie in h-Moll „Ilja Muromez“ des in Kiew geborenen Komponisten mit deutschen Wurzeln Reinhold Glière (1875-1956), zurückhalten kann. Die genannten großen Dirigenten hatten sich dieses tatsächlich mehr oder weniger in Vergessenheit geratenen Werkes, das 1912 mit Erfolg uraufgeführt wurde, bereits vor vielen Jahrzehnten angenommen. Geht man allein nach der Diskographie, dann ist es dieser gewaltigen Sinfonie (die mit gut 83 Minuten die Spielzeit der CD bis zum Anschlag ausreizt) gar nicht so schlecht ergangen. Abgesehen von den drei schon angeführten Dirigenten haben auch Harold Farberman (Regis/Alto), Sir Edward Downes (Chandos), Leon Botstein (Telarc), Donald Johanos (Naxos) und zuletzt JoAnn Falletta (ebenfalls Naxos) von der Kritik mit Lob bedachte Einspielungen vorgelegt. Gleichwohl konnte sich das Werk in den Konzertsälen der Welt bis heute nicht etablieren. Dies dürfte keinen monokausalen Grund haben, doch bereits die Ausmaße der Sinfonie sind derart enorm, dass sie mit Mahlers längsten Sinfonien gleichzieht. Um dies vorweg zu nehmen: Die Neueinspielung ist deutlich langsamer als fast alle ihre Vorgängerinnen. Lediglich Farberman nahm sich für jeden der vier Sätze noch etwas mehr Zeit und kam insgesamt gar auf 93 Minuten. Die EMI-Einspielung von Stokowski wird auf dem Cover der alten CD-Ausgabe zurecht als Arrangement des Dirigenten angeführt: Die Striche sind teilweise erschreckend, er benötigt gerade einmal etwa 38 (sic) Spielminuten, weswegen die Aufnahme, bei allen ihren Meriten, heutzutage keine ernsthafte Alternative mehr darstellen kann.

Beim Titelhelden Ilja Muromez handelt es sich um eine westlichen Hörern schwerlich besonders geläufige legendäre Sagenfigur der sog. Kiewer Tafelrunde, ursprünglich ein Bauernsohn, der zahlreiche phantastische Abenteuer durchmacht, bevor er mit seinen Mitstreitern in Stein verwandelt wird. Als einzige Sagengestalt wurde er von der russisch-orthodoxen Kirche sogar heiliggesprochen. Im über 23-minütigen Kopfsatz dieser Programmsinfonie wird Ilja von zwei Pilgern aus einer 33 Jahre anhaltenden Lähmung erlöst, anschließend zum dritten Bogatyr (russ. Recke) und trifft auf Swjatogor, der ihm kurz vor seinem Ableben sein Schwert und magische Kräfte vermacht. Stellenweise drängt sich hier musikalisch ein Hauch Bruckner auf. Der sogar noch um zwei Minuten längere zweite Satz sich dem furchtbaren Briganten Solvej, den Ilja letztlich besiegt. Die Behandlung der Holzbläser ist ein besonderes Highlight dieses Satzes, der an Skrjabin und gar Messiaen denken lässt. Der scherzoartige dritte Satz – der mit knapp acht Minuten bei weitem kürzeste der Sinfonie – beschreibt den Palast des Fürsten Wladimir, der wegen Iljas Zauberkraft einstürzt. Gleichwohl hebt er sich durch seine Leichtigkeit von den übrigen Sätzen deutlich ab. Hie und da fühlt man sich an Strawinskys Feuervogel erinnert, ohne dass Glière seine ihm eigene Tonsprache dafür opfern würde. Im Finale schließlich werden wieder die Dimensionen der ersten beiden Sätze abermals erreicht (26:36). Glière erweist sich hier als genialer Tondichter, der keine Vergleiche zu scheuen braucht (Versteinerungsszene). Nach einem fulminanten Höhepunkt klingt das Werk unerwartet lyrisch aus, zuletzt mit einer Reminiszenz an den ruhig-verhaltenen Beginn.

Das kleine Label Dreyer Gaido aus Münster setzt zwar nicht auf die ganz großen Namen, doch darf das Ergebnis in allen Belangen aus überaus geglückt gelten. Mit Gabriel Feltz, GMD in Dortmund, konnte einer der herausragenden deutschen Dirigenten der jüngeren Generation gewonnen werden. Die 1923 gegründeten und bis dato hierzulande diskographisch kaum in Erscheinung getretenen Belgrader Philharmoniker, denen Feltz seit 2017 ebenfalls vorsteht, erweisen sich als ausgezeichneter Klangkörper. Die im Booklet erwähnten zahlreichen Proben haben sich jedenfalls ausgezahlt. Aus dem ansonsten sehr guten Beiheft (auf Deutsch, Englisch und Serbisch) gehen leider nicht der Aufnahmeort und das genaue Aufnahmedatum hervor; die Rede ist nur davon, dass sich die Studioproduktion an ein Konzert in Belgrad vom 2. März 2018 unmittelbar anschloss. Klanglich weiß diese Hybrid-SACD jedenfalls zu überzeugen und setzt bei diesem Werk tontechnisch die neuen Maßstäbe (Glière: Sinfonie Nr. 3 h-Moll op. 42 „Ilja Muromez“; Belgrader Philharmoniker/Gabriel Feltz 2018; Erscheinungsdatum: 2019) Daniel Hauser

 

Der in Ostpreußen geborene Dirigent Kurt Sanderling (1912-2011) hatte zeitlebens eine enge Verbindung zu russischen Komponisten. Von 1936 bis 1960 emigrierte er in die Sowjetunion und amtierte von 1941 bis 1960 als Co-Chefdirigent der Leningrader Philharmoniker neben dem berühmten Jewgeni Mrawinski, dem der Ruf eines Pultdiktators anhaftete. Allein dies bürgt schon für die außerordentliche Qualität seiner Dirigate. Nach seiner Rückkehr in die nunmehrige DDR hatte er (zeitweise parallel) die Leitung des Berliner Sinfonie-Orchesters und der Staatskapelle Dresden inne. Bis ins hohe Alter stand Sanderling auf dem Podium, wovon die kürzlich vom SWR herausgegebenen Rundfunkaufnahmen aus dem Jahre 1995 zeugen (SWR19050CD). Enthalten sind das Vorspiel zum ersten Akt der Oper Chowanschtschina von Modest Mussorgski sowie die dritte Sinfonie von Sergei Rachmaninov. Interessanterweise entschied sich Sanderling für die weniger geläufige Schostakowitsch-Orchestrierung des Chowanschtschina-Vorspiels. Mussorgski selbst konnte seine Oper nicht mehr vollenden, so dass sie zunächst Rimski-Korsakow orchestrierte. Schostakowitsch, der ein enger Freund Sanderlings war, orientierte sich bei seiner 1959 vorgenommenen Neuorchestrierung stärker an Mussorgskis Klavierpartitur, so dass hier den ursprünglichen Intentionen des Komponisten stärker Rechnung getragen wurde. Sanderlings gefühlvolle Interpretation überzeugt von der Qualität dieser Fassung vollkommen.

Zu den Werken Sergei Rachmaninovs hatte Sanderling eine besonders enge Verbindung. Bereits 1956 spielte er die zweite Sinfonie für die Deutsche Grammophon Gesellschaft ein. Seinen eigenen Worten zufolge wollte er die Musik Rachmaninovs im Westen in einer Art missionarischem Eifer populärer machen. Wie die zweite lag Sanderling auch die seltener aufgeführte dritte Sinfonie sehr am Herzen. Der Violinist Efim Belski von den Leningrader Philharmonikern meinte gar, Rachmaninovs Dritte sei Sanderlings brillanteste Leistung auf dem Felde der russischen Musik. Tatsächlich weiß der damals bereits über achtzigjährige Dirigent den Hörer vom ersten Takt an zu fesseln. Die 1935/36 entstandene und 1938 revidierte Sinfonie in a-Moll erinnert in ihrer Tonsprache zunächst noch völlig an die drei Jahrzehnte ältere e-Moll-Sinfonie, deren Stimmung sie in nostalgischer Verklärung im Kopfsatz aufgreift. Mit 17:45 ist dieser bei Sanderling außergewöhnlich lange geraten; die beiden anderen Sätze folgen mit 12:12 bzw. 13:08 eher der Norm. Freilich zeigen bedrohlichere Töne im weiteren Verlauf der Sinfonie unverkennbar an, dass sich die Zeiten verändert haben.

Sanderlings Lesart lässt einen die lauwarme Reaktion des Publikums der Uraufführung vergessen und darf als deutliches Plädoyer für dieses Spätwerk gelten. Die Einspielung findet sich in der illustren Gesellschaft so gelungener Aufnahmen wie derjenigen Jewgeni Swetlanows mit dem Staatlichen Sinfonieorchester der Russischen Föderation (Canyon, 1995) oder jener Lorin Maazels mit den Berliner Philharmonikern (DG, 1981). Die Tonqualität dieser zwischen 29. und 31. März 1995 im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle entstandenen Einspielungen ist tadellos. Die Wärme des Klangbildes unterstreicht vor allem die Opulenz der monumentalen Sinfonie. Eine höchst willkommene Bereicherung der Diskographie des 2011 im biblischen Alter von beinahe 99 Jahren verstorbenen Dirigenten Kurt Sanderling. Einziger Wermutstropfen: Die CD hat lediglich 49 Minuten Spielzeit.

 

Sergei Prokofjews Kantate zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution. Hundert Jahre Oktoberrevolution. Fast dreißig Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion muss das große Spektakel ausbleiben. Anders sah dies freilich zu Zeiten Stalins aus, der das Sowjetimperium zwischen Ende der 1920er Jahre und 1953 beherrschte – oder vielmehr terrorisierte. Zum 1937 anstehenden 20. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution (wie sie seinerzeit offiziell genannt wurde) komponierte niemand Geringerer als Sergei Prokofjew, zweifelsohne alles andere als ein Stalinist, eine Kantate für Sprecher, zwei vierstimmige gemischte Chöre, Akkordeon-, Blechbläser- und Schlagzeug-Ensemble und Orchester mit insgesamt zehn Sätzen. Ganze zwei Jahre dauerte die Arbeit an dem propagandistischen Werk, das dann freilich zum Jubiläumstag gar nicht zur Aufführung gelangte – Prokofjew war in Ungnade gefallen (offiziell wurde das Spektakel wegen „linksradikaler Abweichung und Vulgarität“ abgesagt). Ein riesiges Konzert auf dem Roten Platz in Moskau mit 500 Musikern und Sängern hätte die Feierlichkeiten am 7. November (julianisch 25. Oktober) 1937 krönen sollen. Für die Textauswahl war der seinerzeit in Paris lebende Philosoph und Musikwissenschaftler Pjotr Swutschinski zuständig. Freilich hätte man durchaus sarkastische Töne heraushören können, die Prokofjew auf dem Höhepunkt des Großen Terrors zum Verhängnis werden hätten können. Tatsächlich sollte es noch beinahe drei Jahrzehnte dauern, ehe die Kantate doch noch erklang, lange nach dem am gleichen Tag erfolgten Tode Stalins und des Komponisten. 1966 brachte sie der berühmte sowjetische Dirigent Kirill Kondraschin zur Uraufführung, allerdings in bearbeiteter Form (eine Einspielung erfolgte im Jahr darauf). Die beiden Sätze mit Stalin-Bezug (Nr. 8 und 10) wurden gestrichen, dafür am Ende der zweite Satz wiederholt. Stehen blieben die Texte von Marx, Engels und Lenin. In seiner Urfassung konnte man das Werk erst 1992, ironischerweise kurz nach dem Ende der UdSSR, in London unter Neeme Järvi hören.

Nun also, zum 100. Jubiläum, besorgt mit dem Ukrainer Kirill Karabits ein weiterer renommierter Dirigent der jüngeren Generation eine Neueinspielung dieses zumindest problematischen Werkes im Zuge des Kunstfestes Weimar (Audite 97.754). Ihm zur Seite stehen der Ernst Senff Chor Berlin, die Staatskapelle Weimar und Mitglieder des Luftwaffenmusikkorps Erfurt. Es wurde also gewissermaßen alles in Gang gesetzt, um diesem wenig bekannten Werk eine neue Chance zu verschaffen und seinem künstlerischen Wert auf den Grund zu gehen. Vom Sturm auf das Winterpalais des Zaren über Lenins Tod bis hin zur Verabschiedung einer neuen Verfassung durch Stalin zieht sich das episch angelegte Opus. Dass es sich um eine Live-Aufnahme handelt, kann man gelegentlichen Publikumsgeräuschen entnehmen. Ansonsten ist der Klang ausgezeichnet eingefangen worden. Inwieweit der deutsche Chor den russischen Texten gerecht wird, müsste indes ein Muttersprachler beurteilen. Hervorgehoben werden sollte, dass die gerade erst im August erfolgte Aufführung bereits jetzt, im November, pünktlich zum 100. Jubiläum, auf CD erscheint.

Vergleicht man die Neuaufnahme mit der 50 Jahre alten unter Kondraschin (Melodija), fallen in den vergleichbaren Sätzen (damals entfielen ja derer zwei) die sehr ähnlichen, teilweise bis auf die Sekunde identischen Spielzeiten auf. Hat sich Karabits an Kondraschin orientiert? In einigen wenigen Abschnitten lässt dieser sich ein klein wenig mehr Zeit, so in der Zwischenmusik des dritten Satzes und beim Sieg der Revolution im siebten Satz. Dies allein ist freilich kein Qualitätsmerkmal. Dass die Moskauer Philharmoniker und der Staatliche Jurlow-Chor zu Breschnews Zeiten noch idiomatischer agieren als die gleichwohl sehr engagierten deutschen Kräfte, liegt auf der Hand. Besonders während des Revolutionssatzes (Nr. 6) geht Karabits gleichwohl aufs Ganze. Die ihm innewohnende Brutalität wird durch schrille Glocken und Sirenen und mörderische Maschinengewehrschüsse unterstrichen. Als Krönung des Ganzen dann noch ein Sprecher mit Megaphon, der die Stimme Lenins verkörpert. Karabits ließ es sich nicht nehmen, dies selbst zu übernehmen. Der dramatische Höhepunkt des Werkes darf hier verortet werden. Nach dem triumphalen Sieg sodann pathetisch verklärend der im achten Satz erfolgende Eid. Die an vorletzter Stelle platzierte, rein instrumentale, etwa sechsminütige sogenannte Sinfonie könnte aus einer derselben des Komponisten stammen. Zuletzt die von Stalin auf den Weg gebrachte Verfassung, die diesen Namen kaum verdiente und in der alten Sowjetaufnahme auch gestrichen wurde. Naturgemäß erreicht das Pathos im Finale seinen Höhepunkt. Schwere Kost, die man sich allenfalls anlässlich allfälliger Jubiläen antun sollte.

 

Tschaikowski: Sinfonie Nr. 6 „Pathétique“. Griechenland und Russland sind sich auf mancherlei Art verbunden. Das Zarenreich sah sich als legitimer Nachfolger von Byzanz, auf das sich die heutigen Griechen berufen. Die Orthodoxie ist beiden gemein. Der nicht unbedingt als orthodox geltende, exzentrische griechische Dirigent Teodor Currentzis erzielte seinen internationalen Durchbruch mit russischen Orchestern, allen voran sein in Sibirien gegründetes, völlig auf ihn abgestimmtes Ensemble MusicAeterna. Ganz behutsam erarbeitet sich Currentzis den wohl berühmtesten aller russischen Sinfoniker: Pjotr Iljitsch Tschaikowski. 2016 legte er dessen Violinkonzert bei Sony vor (Solistin: Patricia Kopatchinskaja), nun folgt die sechste und letzte Sinfonie, die Pathétique. Unumstritten ist Currentzis mitnichten. Unstrittig ist indes, dass er niemanden kalt lässt.

Warum ausgerechnet mit der Pathétique beginnen? Sie mag das berühmteste Werk Tschaikowskis sein, vielfach verklärt und von Mythen umgeben. War sie wirklich die musikalische Ankündigung eines Abschieds vom Leben? Diese Frage wird nie einwandfrei geklärt werden können. An Spitzenaufnahmen besteht kein Mangel. Vom nebulösen Furtwängler (DG, Kairo 1951) über den todnüchternen Klemperer (EMI, 1961) und den idiomatischen Swetlanow (Exton, 1993) bis zum hyperemotionalen Selbstbekenntnis des späten Bernstein (DG, 1986). Currentzis ist dafür bekannt, Werke selektiv auszuwählen. Von Schostakowitsch nahm er bislang nur ausgerechnet die schwierige Vierzehnte auf. Keine Scheu also vor Tschaikowskis komplexer Letzter.

Wie nun klingt Currentzis‘ Sichtweise? Im gewaltigen Kopfsatz (knapp 20 Minuten) lotet er die gefühlsmäßigen Extreme aus, setzt scharfe Kontraste, geht bis an die Grenzen. Düstere Abschnitte werden von hoffnungsvollen Passagen unterbrochen. Auffällig lange dehnt er die Generalpausen und hält eine gefühlte Ewigkeit inne. Umso unerbittlicher, geradezu aggressiv die orchestralen Ausbrüche, hervorragend umgesetzt vom Orchester, das sich hier einmal mehr als wendig erweist. Obgleich der Klang schlank anmutet, entsteht doch nie der Eindruck von Schmächtigkeit. Streicher und Holzbläser spielen ihre ganze Virtuosität aus. Für diesen Satz die Höchstnote.

Der an einen Walzer erinnernde zweite Satz verspricht einen Schimmer von Hoffnung, auch wenn im Hintergrund bedrohlich die Pauken dräuen und einen bereits eine üble Vorahnung beschleicht. Currentzis schlägt hier ein vorwärtsdrängendes Grundtempo an und benötigt keine acht Minuten. Auch in diesem Satz kann das Orchester seine Stärken voll ausspielen.

Eine Messlatte für eine gelungene Einspielung dieses Werkes ist gerade auch der die Grenzen eines klassischen Scherzos sprengende triumphale dritte Satz (8:35). Hier trumpft noch einmal die Zuversicht überbordend auf. Das MusicAeterna kann besonders in der ersten Hälfte durch hervorragende Durchhörbarkeit bis in die Nebenstimmen überzeugen. Die sich stetig steigernde Klimax verspricht das höchste der Gefühle – und enttäuscht doch in gewisser Weise. Am Höhepunkt (bei etwa 6:45) sind die sonst so präsenten Pauken aus unerfindlichem Grund zu sehr in den Gesamtklang eingebettet. Schade. Deutlich besser dafür wieder die abschließende Coda.

Nach diesem nervenzerreißenden Intermezzo folgt die Ernüchterung im Adagio lamentoso. Von Bernstein’schen Extremen (17 Minuten Spielzeit!) ist Currentzis mit etwas über 10 Minuten weit entfernt. Gleichwohl weiß er die Zeit zu nutzen. Larmoyantes Resignieren ist seine Sache nicht von vornherein. Es mutet eher so an, als versuchte der desillusionierte Verzweifelte noch ein paar hoffnungslose Ausbrüche. Großartig wieder das Orchesterspiel. Regelrecht knarzend. Das hat man so auch noch nicht gehört. Der Ausklang kommt ganz abrupt und, recht ungewohnt, ohne Zurücknahme des Tempos.

Fazit: Eine sehr gute, etwas exaltierte Neueinspielung. Currentzis hat tatsächlich etwas in Sachen Tschaikowski zu sagen. Besonders der Kopf- und der Finalsatz sind ausgezeichnet gelungen. Das Scherzo fällt ein klein wenig ab. Die Klangqualität ist exquisit (Sony LC 06868 88985404352; 2017; genaues Aufnahmedatum?)

 

Dmitri Schostakowitsch – Komplette Konzerte (Melodija CD 10 02465)Das traditionsreiche, ehemals sowjetische Label Melodija ist in jüngster Zeit so aktiv wie lange nicht. Nach einigen CD-Erstveröffentlichungen alter Schallplatteneinspielungen folgt nun ein neuer Coup: Eine Gesamtaufnahme sämtlicher Konzerte von Dmitri Schostakowitsch, sechs an der Zahl. Es handelt sich um jeweils zwei Klavier-, Violin- und Cellokonzerte, wobei beim ersten Klavierkonzert auch noch eine Trompete mit dabei ist.

Melodija unternimmt gar nicht den Versuch, auf etablierte große Namen zu setzen. Dies beginnt bereits beim Dirigenten Alexander Sladkovsky, 52, derzeit künstlerischer Leiter des Tatarstan National Symphony Orchestra. Vom Westen weitgehend unbeachtet, legte er eine beachtliche Karriere hin und hat seit 2013 einen Plattenvertrag mit Sony in der Tasche. Das in Kasan, der Hauptstadt der autonomen russischen Republik Tatarstan, ansässige Orchester dürfte sich wohl auch ethnisch aus zahlreichen Angehörigen der Volksgruppe der Tataren zusammensetzen, was dem Ganzen einen noch exotischeren Hauch verleiht.

Kurios an diesem Großprojekt ist auch die Auswahl der Solisten. Man setzt auf die Jugend, keiner ist älter als Mitte dreißig. Freilich handelt es sich gleichwohl um Preisträger internationaler Wettbewerbe, also erwiesenermaßen um Talente. Interessant auch, dass für jedes der sechs Konzerte ein anderer Solist ausgewählt wurde, offenbar ganz bewusst. Im Einzelnen handelt es sich um die beiden Pianisten Lukas Geniusas, 27, und Dmitry Masleyev, 29; die beiden Violinisten Sergey Dogadin, 29, und Pavel Milyukov, 33; sowie die beiden Cellisten Alexander Buzlov, 34, und Alexander Ramm, 29.

Die Konkurrenz auf Tonträger ist groß und bedeutungsschwer. Der Fokus sei in diesem Zusammenhang besonders auf sowjetische Interpreten gelegt. Eugene List spielte 1975 die beiden Klavierkonzerte mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester der UdSSR unter Maxim Schostakowitsch für RCA ein. Von Mstislaw Rostropowitsch liegen beide Cellokonzerte in Aufnahmen von 1966 und 1967 mit dem Staatlichen Sinfonieorchester der UdSSR unter Jewgeni Swetlanow auf Russian Disc vor. David Oistrach schließlich ist in Mitschnitten der BBC mit dem Philharmonia Orchestra unter Gennadi Roschdestwenski (Violinkonzert Nr. 1, 1962) bzw. dem UdSSR-Staatsorchester unter Jewgeni Swetlanow (Violinkonzert Nr. 2, 1968) tontechnisch dokumentiert. Von Leonid Kogan gibt es von 1976 zumindest das 1. Violinkonzert, ebenfalls unter Swetlanow mit seinem Orchester (Melodija). Gleichwohl scheinen sich die jungen russischen Kräfte in den Neueinspielungen davon nicht eingeschüchtert zu fühlen.

Das etwas ungenau als Klavierkonzert Nr. 1 bezeichnete, gut 21-minütige Werk mit der Opusnummer 35 heißt mit vollem Titel Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester in c-Moll (1933) und schwankt zwischen einem gewöhnlichen Klavier- und einem Doppelkonzert für Klavier und Trompete. Auch aufgrund seiner Viersätzigkeit weicht es von der Norm ab (auch wenn der dritte Satz extrem kurz geraten ist). Sladkovsky versucht gar nicht erst, die Trompete (gespielt von Dmitri Trubakov) gleichberechtigt oder gar dominierend in den Vordergrund zu rücken. Ausgezeichnet Lukas Geniusas am Piano, der sich dem herben Tonfall des Konzerts anpasst und auch die schwierige Kadenz am Schluss bravourös meistert. Bereits bei diesem leichtgewichtigen, fast kammermusikalischen Werk zeigt sich ein charakteristischer östlicher Klang. List/M. Schostakowitsch erzielen in der Coda vielleicht eine noch zupackendere Wirkung, was auch am aggressiver anmutenden Trompetensolo liegen mag.

Das 2. Klavierkonzert entstand deutlich später (1957) und ist Schostakowitschs Sohn Maxim gewidmet. Ihm wohnt ein freudiger Tonfall inne, der für diesen Komponisten eher untypisch ist. Hinsichtlich seiner Dreisätzigkeit ist es zumindest formal eher an klassischen Klavierkonzerten angelegt. Pianist Dmitry Masleyev setzt die heitere Grundstimmung durchaus um, wenngleich er sie eher jovial erscheinen lässt. Mit 18 Minuten Spielzeit ist die Einspielung auch fast zwei Minuten länger als der Klassiker von 1975 mit List am Klavier und dem Widmungsträger am Dirigentenpult, was praktisch ausschließlich auf den bei Masleyev/Sladkovsky bedeutend langsameren zweiten Satz zurückzuführen ist, der hier in kontemplativster Spätromantik erklingt. Näher an Rachmaninow war Schostakowitsch wohl nie. Eugene List geht dies deutlich nüchtern-sachlicher an. Im Finale kann das tatarische Orchester auch erstmals seine Qualitäten richtig ausspielen. Die Neueinspielung ist der alten Vergleichsaufnahme insgesamt durchaus ebenbürtig, im langsamen Satz m. E. sogar überlegen.

Keinem Geringeren als dem großen Geiger David Oistrach ist das Violinkonzert Nr. 1 gewidmet. 1947/48 komponiert, erfuhr es erst 1955, nach Stalins Tod, seine Uraufführung. Dieses Opus 77 (teilweise auch Op. 99 genannt) ist vermutlich das bekannteste von Schostakowitschs Konzerten. Mit der berühmten Passacaglia verfügt es über den wohl beeindruckendsten Satz in einem Schostakowitsch-Konzert überhaupt. Im verzweifelten Kopfsatz sehr verinnerlicht, entfacht das Scherzo etwas Dämonisches (so Oistrach) und beinhaltet das DSCH-Motiv. Eine Burlesque beschließt das Werk. Bereits von seiner Anlage her ist dieses Violinkonzert ungleich gewichtiger als die beiden Klavierkonzerte und kommt in dieser Einspielung auf über 38 Minuten Spielzeit. Damit ist diese deutlich getragener als sowohl die Oistrach- als auch die Kogan-Aufnahme (beide gut 34 Minuten). Das Beiheft geht nicht fehl, wenn es hier gar von einer Violinsinfonie spricht, ist der orchestrale Part doch stark aufgewertet worden. Sergey Dogadin erweist sich als vorzüglicher Solist, der durchaus seinen Anteil an der Tempogestaltung hat. Oistrachs und Kogans Interpretationen wirken im Vergleich noch zugespitzter, wohl auch durch die Zeitumstände bedingt – und weil es sich um Live-Aufnahmen handelt. Die Passacaglia wird – wenig verwunderlich – auch in der Neueinspielung zum Höhepunkt. Vom bedrohlichen, von den Pauken dominierten Anfang, der das Invasionsthema der Leningrader Sinfonie und das Schicksalsmotiv von Beethovens Fünfter zitiert, bis hin zum gleichsam totalen Ersterben des Orchesters und nachfolgendem, virtuosen und hochemotionalen Violinsolopart. Die nahtlos anschließende, furiose Burlesque bringt erneut das Orchester ins Spiel und lässt den Hörer im Unklaren darüber, ob das Werk desillusioniert oder doch hoffnungsvoll ausklingt. Das Tatarstan National Symphony Orchestra zeichnet sich wiederum als formidabler Klangkörper aus, auch wenn nicht ganz die an Brutalität grenzende Wucht des UdSSR-Staatsorchesters unter Swetlanow zu Beginn der Passacaglia und ganz am Ende erreicht wird.

Auch das 2. Violinkonzert ist enger Beziehung zu David Oistrach zu betrachten, widmete es ihm Schostakowitsch doch anlässlich seines 60. Geburtstages. Es handelt sich im gleichen Zuge um ein Spätwerk des Komponisten und ist sogar das letzte seiner Konzerte. Die Uraufführung erfolgte 1967 – natürlich mit Oistrach. Von jugendlichem Elan ist in diesem Werk nichts mehr zu spüren, eher vom sich bereits ankündigenden Abschied. Der Solist in der hier besprochenen Aufnahme heißt Pavel Milyukov, der das hohe Niveau dieser Gesamteinspielung fortsetzt. Die Hörner des Tatarstan National Symphony Orchestra dürfen in diesem Konzert glänzen und erinnern abermals an den rauen Ton alter Sowjetaufnahmen. Dass das 2. derartig im Schatten des 1. Violinkonzerts steht, ist sicherlich ungerechtfertigt, wie diese höchst gelungene Neuinterpretation beweist, die keinesfalls davor zurückschreckt, die Schroffheit der Partitur offenzulegen (exzellentes Schlagwerk mit Tomtom-Trommel).

Die auf der dritten und letzten CD versammelten beiden Cellokonzerte sind untrennbar mit Mstislaw Rostropowitsch verbunden. Beide hat Schostakowitsch für diesen legendären Cellisten geschrieben. Es handelt sich ebenfalls um späte Werke: Das viersätzige Cellokonzert Nr. 1 stammt von 1959, das dreisätzige Cellokonzert Nr. 2 von 1966. Das DSCH-Motiv taucht im 1. Cellokonzert ebenfalls auf. Die in den Jahren 1966 und 1967 entstandenen Aufnahmen mit dem Widmungsträger als Solisten und dem Staatlichen Sinfonieorchester der Sowjetunion (einmal mehr) unter Jewgeni Swetlanow werden schwerlich jemals übertroffen werden. Gleichwohl gelingt es sowohl Alexander Buzlov im ersten Konzert als auch Alexander Ramm im zweiten an der Seite des kompetenten Dirigenten Sladkovsky eine Art moderne Referenz einzuspielen. Die Schwierigkeiten, die beide Werke den Solisten abverlangen, erscheinen wie egalisiert angesichts der dargebotenen Leistung.

Summa summarum handelt es sich bei dieser Gesamtaufnahme um eine hervorragende, sehr willkommene Erweiterung der wahrlich nicht schmalen Diskographie. In gewisser Weise knüpfen Alexander Sladkovsky und sein Orchester an die alte sowjetische Tradition an und überraschen mit einem beinahe für ausgestorben gehaltenen rauen Tonfall, wie man ihn lange nicht mehr vernahm. Ausnahmslos exzellent sind alle sechs hier repräsentierten jungen Solisten und bilden gut die heutige russische Nachwuchsgeneration ab. Melodija knüpft an die glorreichen alten Zeiten an. Die Klangqualität ist durch die Bank exquisit, Nebengeräusche sind nicht vorhanden, das spieltechnische Niveau geradezu verblüffend. Weiter so!

 

Prières Russes – russische Gebete. So heißt die Neuveröffentlichung des französischen Labels Mirare. Enthalten sind insgesamt 18 Nummern mit Stücken von berühmten Komponisten wie Rachmaninow, Tschaikowski und Glinka/Balakirew, aber auch eher unbekannte Namen wie Tanejew, Dargomyschski, Gretschaninow, Swiridow, Aliabiew und Gawrilin. Allein dreimal ist die Liturgie des hl. Johannes Chrysostomos, eines der wichtigsten Heiligen der Orthodoxie, vertreten. Unverkennbar der typische östliche Tonfall, den westliche Hörer am ehesten durch diverse Kosakenchöre kennen. Es geht die Legende um, den großen Herbert von Karajan hätten diese spezifischen Eigenarten bei seiner Einspielung der Ouvertüre 1812 von Tschaikowski, in der er zu Beginn den Don-Kosaken-Chor Serge Jaroff a capella einsetzte, beinahe in den Wahnsinn getrieben. Tatsächlich muss man bereit sein, sich auf diesen für Westeuropäer doch sehr gewöhnungsbedürftigen Tonfall einzulassen. Dann aber wird man sich der Großartigkeit dieser Musik erst richtig bewusst. Diese neue Platte beweist, dass weniger manchmal mehr sein kann. Durch den Verzicht auf einen großen Orchesterapparat, der in der Kirchenmusik der Orthodoxie nicht vorgesehen ist, gilt die volle Konzentration selbstredend dem Chor. Der Philharmonische Chor Jekaterinburg unter der Stabführung von Andrey Petrenko meistert seine Aufgabe mit Bravour. Es ist immer wieder erstaunlich, welch eine Klanggewalt allein durch die menschliche Stimme erzielt werden kann. Am beeindruckendsten fand ich gerade die ebenfalls enthaltenen russischen Volkslieder, die man in unseren Breiten tatsächlich noch am ehesten kennt. Ein Déjà-vu bereitete mir das Lied von der weiten Steppe, das in Pier Paolo Pasolinis berühmtem Film Das 1. Evangelium – Matthäus von 1964 am Ende kurz vor der Auferstehung Christi auf sehr adäquate Weise verwendet wird. Eine insgesamt erfreuliche Neuerscheinung, auch wenn die Klangqualität ein klein wenig transparenter hätte sein können (Prières Russes ;  Choeur Philharmonique d’Ekaterinburg ; Andrey Petrenko ; Mirare, 2017). Daniel Hauser

Noch immer irritierend

 

Kontrovers aufgenommen wurde Michael Sturmingers Inszenierung von Puccinis Tosca bei den Osterfestspielen Salzburg 2018 – offenbar diesmal keine Koproduktion mit der Semperoper Dresden und in der Elbmetropole bislang auch noch nicht gezeigt. Nun bringt sie Cmajor als DVD/Blu-ray Disc heraus (748404), so dass man den Eindruck von der Premiere überprüfen kann.

Mit einem Vorspiel in der Tiefgarage beginnt das Geschehen, wo der flüchtende Angelotti (Andrea Mastroni mit verquollen klingendem Bassbariton) sich gegen ein Polizeikommando mit Schüssen wehrt und in die Kirche entkommen kann. Diese bestimmt eine riesige Madonnen-Statue im Zentrum (Bühne: Andreas Donhauser), umgeben vom Sagrestano (Matteo Peirone mit brummigem Bass) und sitzenden Kindern mit Zeichenblöcken. Cavaradossi mit Künstlerschal (Kostüme: Renate Martin) gibt ihnen kleine Korrekturen, bevor er seine Arie „Recondita armonia“ anstimmt. Aleksandrs Antonenko lässt einen ältlichen Tenor von gequältem Klang hören, der kein Salzburg-Niveau aufweist. Die langen Phrasen und Aufschwünge der Partie bereiten ihm hörbar Mühe. Die Tosca von Anja Harteros dagegen erfüllt alle Ansprüche, die man eine Interpretation bei diesen renommierten Festspielen stellt. Sie ist eine moderne, selbstbewusste Frau in einer weiten Hose, mit langem Mantel und Sonnenbrille ganz ohne divenhafte Allüre. Der Sopran ist dunkel und sinnlich getönt, bewältigt die Ausbrüche der Rolle ohne grellen Beiklang.

Ludovic Tézier ist ein ungewöhnlich lyrischer Scarpia, auch als Figur im korrekten Anzug aus dem herkömmlichen Rollenschema fallend und in der Erscheinung einem prominenten Politiker unserer Tage fatal ähnelnd. Autoritär ist sein erster Auftritt mit „Un tal baccano in chiesa“ auf der Kanzel, hintergründig und voller perfider Nuancen das „Tre sbirri“  mit dem nachfolgenden „Te Deum“.  Das teuflische Wesen des Polizeichefs äußert sich hier weniger in brutalen stimmlichen Attacken denn in raffinierten, perversen Zwischentönen. Zu Beginn des 2. Aktes im Palazzo Farnese, das mit Gemäldesegmenten in der Manier Michelangelos und einem männlichen Torso prachtvoll ausgestattet ist, sieht man ihn im Turnhemd am Hometrainer. Strenge Assistentinnen sind ihm beim Ankleiden behilflich oder reichen ihm ein Glas Wasser. Fast gutmütig wirkt Scarpia in der Konfrontation mit Cavaradossi, bis er seine wahren Absichten mit umso infamerer Deutlichkeit zu erkennen gibt. Eine Wendeltruppe führt nach unten in die unterirdische Folterkammer, mit der Scarpia per Telefon verbunden ist. Tosca im leuchtend roten Konzertkleid hält ihm zunächst auf Augenhöhe stand, bis die Angst um das Leben des Geliebten sie überwältigt. In ihrer Verzweiflung wirkt Anja Harteros auch darstellerisch absolut glaubwürdig, singt das „Vissi d’arte“ auf dem Tisch liegend mit kantabler Linie und grandioser Steigerung. Dagegen kommen die triumphalen Ausbrüche des Cavaradossi von Antonenko mit vulgärer Tongebung. Seine Arie „E lucevan le stelle“ im 3. Akt, der zunächst in einem Schlafsaal angesiedelt ist, wo Knaben als Erschießungskommando ausgebildet werden und Benjamin Aster mit zittriger Stimme das „Io de’ sospiri“ des Pastore anstimmt, gelingt ihm dagegen zufrieden stellend. Auch der fiebrige Ausdruck im Duett mit Tosca überzeugt. In Hosen und Lederjacke wirkt sie hier wie eine Fidelio-Leonore.

Überraschend hatte sich Scarpia nach Toscas tödlichem Messerstich wieder erhoben, und tatsächlich erscheint er – schwer verletzt – auch auf der Engelsburg, um Tosca hinzurichten. Auf seinen tödlichen Schuss antwortet sie mit einem ebensolchen.

Der Bachchor Salzburg (Alois Glaßner) sowie der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor (Wolfgang Götz) sorgen im 1. Akt für ein turbulentes Spektakel der Allievi und ein machtvolles „Te Deum“. Christian Thielemann beweist mit der Staatskapelle Dresden auch seine Affinität für das italienische Fach, fächert die Komposition mit viel Gespür für die dramatischen Teile und die lyrischen Passagen  auf. Bernd Hoppe

Michael Gielen

 

Wenige Dirigenten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden derart als Vertreter der Avantgarde angesehen wie Michael Gielen, geboren am 20. Juli 1927 in Dresden. Kurz nach Kriegsausbruch, 1940, musste seine Familie emigrieren und ging nach Argentinien, war sein Vater Josef Gielen, ein bedeutender österreichischer Burgschauspieler und Theaterregisseur, doch mit einer jüdischen Schauspielerin, Rosa Steuermann, verheiratet. Im Exil wurde Gielens musikalische Ader stark gefördert; er verkehrte dort mit solch bedeutenden Persönlichkeiten wie den Dirigenten Fritz Busch und Erich Kleiber und wurde von der Zweiten Wiener Schule beeinflusst. Die lebenslange Liebe zur Musik von Schönberg, Webern und Berg wird nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein. In Buenos Aires traf Gielen später auch auf Wilhelm Furtwängler, der einen völlig anderen Dirigententypus, ganz dem späten 19. Jahrhundert verhaftet, repräsentierte. Nach seiner Rückkehr nach Europa im Jahre 1950 arbeitete er zunächst an der Wiener Staatsoper unter Krauss, Böhm und Karajan (erstes Dirigat an der Staatsoper 1954), bevor er ab 1960 vier Jahre lang als Chefdirigent der Königlichen Oper in Stockholm amtierte (Zusammenarbeit mit Ingmar Bergman). Zwischen 1969 und 1971 leitete Gielen das Orchestre National de Belgique in Brüssel und zwischen 1973 und 1975 die Niederländische Oper in Amsterdam. Als besonders bedeutend sollte sich die Zusammenarbeit Gielens mit dem Südfunk-Sinfonieorchester ab 1964, mit dem Sinfonieorchester des Saarländischen Rundfunks ab 1966 sowie mit dem Südwestfunk-Orchester ab 1967 erweisen. 1965 dirigierte er die Uraufführung der bis dato als unaufführbar gegoltenen Oper Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann. Gielens erste Schallplattenproduktion datiert bereits in das Jahr 1952. Hauptsächlich für verschiedene Rundfunkanstalten folgten zahllose weitere Einspielungen im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte. Unter seiner Führung als Generalmusikdirektor (1977-1987) wurde die Oper Frankfurt zu einem der wichtigsten Opernhäuser in ganz Europa, die keine Berührungsängste zum sog. modernen Regietheater verspürte (Zusammenarbeit mit Operndirektor Klaus Zehelein und Regisseuren wie Ruth Berghaus und Hans Neuenfels). In seiner Frankfurter Zeit dirigierte er zudem die Museumskonzerte. Seinen internationalen Ruf festigte Gielen während seiner Chefdirigententätigkeit beim BBC Symphony Orchestra in London (1978-1981) sowie beim Cincinnati Symphony Orchestra in Ohio (1980-1986). Seine in der Rückschau wohl prägendste Amtszeit als Orchesterleiter absolvierte Gielen beim SWF-Sinfonieorchester in Baden-Baden, dem er ab 1986 als Chefdirigent vorstand und nach seinem Rücktritt 1999 noch bis 2014 als ständiger Gastdirigent verbunden war. 2002 ernannte ihn das seit 1996 als SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg firmierende Rundfunkorchester zu seinem Ehrendirigenten. Eine enge Verbindung pflegte er zudem zum Konzerthausorchester Berlin sowie zur Staatskapelle Berlin. Bei all diesen Klangkörpern versuchte er das Klangverständnis für die Musik des 20. Jahrhunderts zu befördern. Gielens Repertoire war mannigfaltig und umfasste vom Barock bis zur Moderne zahllose Strömungen. Neben der Neuen Wiener Schule waren es gerade die großen Sinfoniker Beethoven, Bruckner und Mahler, denen er sich mit Nachdruck widmete und von der Kritik mit Lob überhäufte Gesamtaufnahmen vorlegte. Überhaupt lag Gielen an der Verbindung des scheinbar Unvereinbaren (etwa die Kombination von Beethovens Neunter mit Schönbergs Überlebendem aus Warschau). Im Alter wurden seine früher flüssigen Tempi ungewohnt breit, seine Lesarten fast „klemperesk“. Diese Widersprüchlichkeit zeigte sich u. a. auch darin, dass Gielen bis zuletzt kurioserweise auf längst als überholt geltende spätromantische Orchesterretuschen bei Schumann setzte. Daneben betätigte er sich bereits seit 1946 als Komponist. Nach seinem gesundheitlich bedingten Rückzug vom Podium im Februar 2014 (letztes Dirigat beim NDR-Sinfonieorchester) wurde es ruhig um Gielen, der am 8. März 2019 im 92. Lebensjahr stehend in seinem Haus am Mondsee im Salzkammergut an den Folgen einer Lungenentzündung starb (Foto Wikipedia/Wikiwand). Daniel Hauser

Ein „philosophischer Tonsetzer“

 

„Ach je, jetzt kehrt er den Komponisten-Kollegen heraus“, könnte man noch beim Lesen des Prologs zu Timo Jouko Herrmanns SalieriBiographie denken, um dann lange vor dem Ankommen im Epilog davon überzeugt zu sein, dass man es mit einem überaus redlichen, grundsoliden und ungemein informationsreichen Buch zu tun hat.  Hand in Hand geht sein Erscheinen mit einer bereits vor einigen Jahren begonnenen Salieri-Renaissance, für die nicht zuletzt Cecilia Bartoli und Diana Damrau, aber auch der nicht erwähnte Riccardo Muti stehen.

Das erste Kapitel befasst sich mit der Jugend und Ausbildung des in Legnago im Veneto geborenen Komponisten, dessen Eltern früh verstarben und der deswegen mit seinem Gönner und Lehrer Florian Leopold Gassmann nach Wien ging, dessen reiches musikalisches Leben anschaulich beschrieben wird. Bereits in diesem ersten Kapitel wird deutlich, wie eng  die Künstler Mittel- und Westeuropas miteinander vernetzt waren, denn nach Gluck und Metatasio, die der noch junge Antonio Salieri kennenlernte, kommen im Verlauf der Biografie noch so ziemlich alle Größen seiner Zeit in den Genuss seiner Bekanntschaft, seien  es seine Schüler Beethoven und Schubert, später Meyerbeer, oder auch Mozart, bei dessen Erwähnung man natürlich sofort an das Gerücht vom Giftmord an dem unliebsamen Rivalen denkt. Näher geht der Autor darauf am Schluss seines Buches ein und enthüllt dabei einen interessanten Aspekt, wenn er auf den Zusammenhang zwischen der Verbreitung des Gerüchts mit dem Aufkommen des Nationalismus verweist, der der „welchen Tücke“, die angeblich Salieri leitete, die „deutsche Treue“ gegenüberstellte. Herrmann gelingt es überzeugend,  die Absurdität der für einen Giftmord sprechenden Argumente aufzuzeigen, mehrmals weist er auch darauf hin, dass Salieri sich durchaus als deutscher Komponist fühlte, von den Zeitgenossen auch für einen solchen gehalten wurde.

Im Kapitel über die Lehrjahre wird wie auch in den folgenden ausführlich auf seine Kompositionen eingegangen, besonders auf die Opern wie Armida, La secchia rapita, La locandiera, für die Wiedereröffnung der Scala nach einem Brand L’Europa riconosciuta. Joseph II., der den Komponisten sehr schätzte, bestellt bei ihm ein deutsches Singspiel, der Rauchfangkehrer, Gluck empfiehlt  ihn nicht nur für die Scala, sondern auch für Paris, dem er Les Danaides, später Tarrare beschert. Man möchte aus diesen so unterschiedlichen Aktivitäten, und das Buch legt das nahe,  den Schluss ziehen, dass Salieri ein europäischer Komponist war.

Interessant ist auch, dass einige Opern Salieris, so Cublai  gran Kan dei Tartari (mit der ganz jungen Diana Damrau in Würzburg) erneut in unserer Zeit uraufgeführt wurden.

Der Autor bietet dem Leser neben seinem Text auch eine Fülle von Zitaten, die zu Lebzeiten Salieris entstanden, so Kritiken seiner Werke oder Berichte von Besuchen bei dem offensichtlich äußerst gastfreundlichen Komponisten, der nicht nur zu allen Festen, Hochzeiten wie Begräbnissen der kaiserlichen Familie, dazu noch jeweils drei Krönungen (in Frankfurt, Pressburg und Prag) als Komponist wie Dirigent wirken musste, sondern auch zahlreiche Schüler teils unentgeltlich unterrichtete. Ein Brief Zelters an Goethe ist besonders hervorzuheben ebenso wie ein Bericht von Friedrich Rochlitz.

Dem Jahr 1795 und damit drei wichtigen Opern, die zu dieser Zeit entstanden, ist ein eigenes Kapitel gewidmet, Il Mondo alla Rovescia, Heraklit und Demokrit sowie Palmira, Regina di Persia. In den folgenden Jahren entstehen auch ein Falstaff und eine Komposition für den Landsturm (!), der allerdings nicht gleichzusetzen ist mit der Landbevölkerung, so wie Ludwig XVIII. nicht „wieder eingesetzt“ wurde.

Der Autor bringt dem Leser auch den Menschen Salieri nahe, der nicht nur seine Ehefrau, sondern auch den einzigen Sohn und einige seiner zahlreichen Töchter begraben musste, der eine rührende Liebe zu drei Bäumen hegte und der beitrug zur Gründung der Gesellschaft der Wiener Musikfreunde sowie zur Einführung des Metronoms.

Der Verfasser beschränkt sich nicht auf eine reine Biografie, sondern bietet dem Leser auch  musikalische Analysen der Hauptwerke Salieris, dazu eine Einordnung und Einschätzung durch Zeitgenossen und Nachgeborene und kommt zum Schluss, dass die Bezeichnung „philosophischer Tonsetzer“ eine durchaus angemessene sei. Dem kann man nur zustimmen und sich über die Bereicherung, die das Buch für den Leser bedeutet, freuen (Morio Verlag, 315 Seiten, ISBN 978 3 945424 70 4; Im Anhang Abkürzungen, Währungen, Bildnachweis, Literatur, Index; . oben: Der berühmte Adolphe Nourrit als Salieris Tarare (Wiki)). Ingrid Wanja

 

Wieder mal Tenor

 

Nicht leicht macht es die neueste CD Plácido Domingos, sich mit ihr anzufreunden, denn bereits der Titel gibt dem nicht Spanichsprechenden Rätsel auf: Volver nennt sie sich, was, wie ein Blick ins Wörterbuch beweist, „Komm zurück“ bedeutet. Das ist der Titel des letzten, des zwölften Tracks, und auch die restlichen elf geben Rätsel auf, wenn sie nicht geläufig sind wie Adiós Granada oder Guantanamera oder sich leicht übersetzen lassen wie Historia de un amor oder Gracias a la vida. Das dünnleibige Booklet verschwendet eine der wenigen Seiten an das Foto eines Blätterdachs, statt wenigstens die spanischen Texte zu veröffentlichen. Immerhin äußert sich der Begleiter des Sängers auf der Gitarre, Pablo Sainz-Villegas, in vier Sprachen über die Zusammenarbeit mit Plácido Domingo, preist ihn und die Canzonen aus eher jüngerer Zeit und aus Spanien wie auch aus Mittel- und Südamerika.

Die Stimme des Sängers erweist sich sicherlich nicht als eine junge, aber auch nicht als eine alte und hinfällige, sie ist die eines Tenors, der die Mittellage liebt und besitzt durchaus noch erotisches Potential. Je höher, aber nie hoch, der Tenor klettert, desto härter klingt er, Geschmeidigkeit ist seine Sache nicht mehr, aber ab und zu ist, so bei Caimbra, ein Lächeln in der Stimme, kann sie angenehm lässig klingen, aber auch opernhafte Ausmaße annehmen, was bei dieser Musik kein Manko sein muss. Dass die Geschichte einer Liebe tragisch ausgeht, daran lässt der Klang des Tenors keinen Zweifel aufkommen, die CD, von der man vor dem Hören dachte: „Muss das sein?“ macht dann doch Spaß mit ihrem uneingeschränkten Bekenntnis zu corazón, amor und pasión. Dazu trägt ganz wesentlich der Begleiter auf der Gitarre bei, der mal straff, mal lässig, mal in Gefühl schwelgend, mal hart und unerbittlich ein geradezu genialer Begleiter ist. Die Tracks ohne den Sänger sind deshalb durchaus nicht die weniger interessanten. Man wird beim nächsten Besuch in einem Plattengeschäft nach seinem Namen Ausschau halten (Sony 8895416852). Ingrid Wanja

André Previn

 

Er war ein Mann der Rekorde. Nicht weniger als vier Oscars (bei elf Nominierungen) und zehn Grammy Awards (plus einen weiteren für sein Lebenswerk) heimste André Previn ein, der am 6. April 1929 (oder 1930, wie er selbst sagte) in Berlin als Andreas Ludwig Priwin geboren wurde und weit mehr war als bloß Dirigent. Er starb am 28. Februar 2019. Tatsächlich startete er seine Karriere als Arrangeur und Komponist für Hollywood-Filme. Insgesamt war er an mehr als 50 Filmen beteiligt. Diese großen Erfolge waren keineswegs absehbar gewesen, als seine jüdische Familie 1938 Deutschland verlassen musste und sich nach Zwischenstationen in Paris und New York schließlich in Los Angeles ansiedelte. Sein Vater Jack Previn alias Jakob Priwin (1885-1963) war Anwalt, Richter und Musiklehrer gewesen, seine Mutter Charlotte eine gebürtige Epstein (1891-1986). Die Niederlassung in L.A. beförderte freilich Previns Einstieg bei Metro-Goldwyn-Mayer, dem Studio, für welches er bereits ab 1946 anderthalb Jahrzehnte arbeitete. In rascher Abfolge heimste er Academy Awards für die Filmmusik zu Gigi (1958), Porgy & Bess (1959), Irma la Douce (1963) sowie My Fair Lady (1964) ein und war gar die bis heute einzige Person in der Geschichte der Oscar-Verleihungen, die im selben Jahr dreimal nominiert war (1961).

Seine Dirigentenlaufbahn ergab sich erst mit der Zeit, obschon er bereits zwischen 1946 und 1952 Dirigierunterricht bei Pierre Monteux nahm. 1967 wurde der Musikdirektor des Houston Symphony als Nachfolger von Sir John Barbirolli, um bereits im Folgejahr beim berühmten London Symphony Orchestra auf István Kertész zu folgen. Seine Wahl fiel 1968 überaus knapp aus, gab es doch teils erhebliche Vorbehalte gegen Previn, der sich bis dato vorwiegend einen Namen als Komponist, Arrangeur und Jazzpianist gemacht hatte. Allerdings sollte sich Previns Berufung für das LSO bald als Glücksfall erweisen, erreichte man mit der BBC-Sendereihe André Previn’s Music Night doch in der hektischen Umbruchszeit der späten 60er und 70er Jahre ein solch großes Publikum wie nie zuvor. Insgesamt elf Jahre, bis 1979, blieb Previn dort Chefdirigent und wurde anschließend 1992 Conductor Laureate und 2016 Conductor Emeritus. Bereits 1976 war er zusätzlich Musikdirektor des Pittsburgh Symphony Orchestra geworden (bis 1984). 1985 kehrte er als Chefdirigent des Royal Philharmonic Orchestra nach London zurück (bis 1988), übernahm jedoch auch gleichzeitig die künstlerische Leitung des Los Angeles Philharmonic. Die sich zuspitzende Auseinandersetzung mit Ernest Fleischmann, den Generalmanager des LA Phil, führte bereits 1989 zu Previns Rücktritt. Nur noch ein weiteres Mal übernahm er in der Folge die Leitung eines Orchesters, als er zwischen 2002 und 2006 den Osloer Philharmonikern vorstand. 2009 wurde er zumindest noch zum Ersten Gastdirigenten des NHK Symphony Orchestra in Tokio berufen. Sein letztes Konzert dirigierte er 2015 mit dem London Symphony Orchestra und Anne-Sophie Mutter. Auf dem Programm standen sein eigenes Violinkonzert und die von ihm geliebte zweite Sinfonie von Sergei Rachmaninow, welche er zweimal einspielte.

Anders als viele seiner Dirigentenkollegen, wusste sich André Previn bereits frühzeitig des Mediums Fernsehen zu bedienen. In unterschiedlichen Formaten wie Meet André Previn (1969), als „Mr. Andrew Preview“ in der Morecambe and Wise Christmas Show (1971 und 1972), durch die bereits genannte André Previn’s Music Night (1973, 1975 und 1976), Previn and the Pittsburgh (1977), zahllose Fernsehinterviews und Gastauftritte in Fernsehshows und Dokumentationen über Klassik, Pop und Jazz während der 1970er und 80er Jahre wurde er einem Millionenpublikum bekannt. Berührungsängste zu anderen Genres kannte er mitnichten und passte somit ideal in diese Ära.

André Previn war fünfmal verheiratet, zunächst mit der Jazzsängerin Betty Bennett (zwischen 1952 und 1957), anschließend mit der Songschreiberin Dory Langan (zwischen 1962 und 1969), mit der Schauspielerin Mia Farrow (zwischen 1970 und 1979), mit Heather Sneddon (zwischen 1982 und 1999) sowie mit der Violinistin Anne-Sophie Mutter (zwischen 2002 und 2006). 1996 wurde er von Königin Elisabeth II. zum Knight Commander of the Order of the British Empire (KBE) ernannt, durfte sich aber als Nichtstaatsbürger eines Commonwealth-Landes nicht Sir nennen. 2011 wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet und 2012 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. André Previn starb am 28. Februar 2019 knapp 90-jährig nach langer Krankheit in seiner Wohnung in Manhattan. Er hinterlässt fünf Kinder und eine gewaltige Diskographie mit mehreren hundert Aufnahmen von klassischer, zeitgenössischer, Film- sowie Jazzmusik. Sein Œuvre als Komponist ist ebenfalls sehr umfangreich und umfasst u. a. zwei Opern, Theatermusik, Orchesterwerke (darunter sein Anne-Sophie Mutter gewidmetes Violinkonzert), Kammermusik, Soloklavierstücke und Kunstlieder. Gerüchten zufolge sollte er ein Stück für das Konzert zur Jahrhundertfeier des 1919 gegründeten Los Angeles Philharmonic komponieren. Dies wird nun vermutlich unaufgeführt bleiben müssen (Foto DG). Daniel Hauser

Frau singt Frau

 

„Du bist wie eine Blume“ würde man wohl schwerlich auf einer Sammlung kroatischer Kunstlieder erwarten. Neben der Heine-Vertonung finden sich unter den Vorlagen auch Gedichte Goethes, Lenaus, „An die Tanne“ aus der Sammlung Des Knaben Wunderhorn und ein viergliedriger Zyklus von Anna Ritter, die um 1900 erste Gedichtsammlungen veröffentliche und sich als Mitarbeiterin der „Gartenlaube“– und der Stollwerck-Sammelalben einen Namen machte. Die sieben Komponisten, den sich die kroatische Mezzosopranistin und Pädagogin Nataša Antoniazzo zusammen mit ihrer Begleiterin Mia Elezvić in September 2018 in Zagreb widmete, dürften hierzulande weitgehend unbekannt sein (Antes BM319302). Mit Ausnahme vielleicht von Ivan Zajc (1832-1914), dessen Nikola Subic Zrinjski von 1876 heute noch zum Standardrepertoire kroatischer Bühnen gehört, und dem Begründer der kroatischen Oper Vatroslav Lisinski (1819-54), dessen Liebe und Arglist von 1846 als Antwort auf die kulturelle Vorherrschaft Ungarns eine eigenständige kroatische Oper begründete.

Als Vertreter der Moderne werden Gräfin Dora Pejačević und Blagoje Bersa bezeichnet, deren Werke zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals erklangen und dem Klavierpart eine wichtige Stimme geben. Der Schwerpunkt mit der Auswahl deutscher Gedichte soll das kroatische Kunstlied einem internationalen Publikum schmackhaft machen, was den Liedern, die im Stil der romantischer Salonlieder des 19. Jahrhunderts gehalten sind, ohne weiteres gelingt. Antoniazzos schwerer Mezzosopran schattiert den schwermütigen Stimmungshalt dunkel ab – darunter Bersas „La fête des morts“ und als umfangreichstes Beispiel Bersas Allerseelen-Lied „Seh duš dan“ – und verstärkt die oftmals melancholische Grundierung der Lieder.
Eine sehr schöne – klug zusammengestellte, ansprechend gestaltete und illustrierte – Auswahl von Liedern Bohuslav Martinůs kommt aus Prag (Supraphon SU 4235-2), wo die Sopranistin Martina Janková und der Bariton Tomás Král mit dem Pianisten Ivo Kahánek im Juni 2017 im Martinů-Saal der Musikhochschule vier Lied-Zyklen Martinůs nach slowakisch-mährischer Volkspoesie aufnahmen. In der Kürze liegt die Würze. 52 Lieder auf einer CD! Möglich wird dies durch die Liedchen auf einer Seite und die Liedchen auf zwei Seiten, prägnanten und überaus reizvollen Minutenliedern aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, die Martinů 1943 bzw. 1944 zu Zyklen mit jeweils sieben Liedern und 8 Minuten Aufführungsdauer zusammenband. Außerdem die dreißig im Entstehungsjahr 1920 uraufgeführten Slowakischen Lieder und die acht 1942 Jan Masaryk gewidmeten in New York entstandenen und im Folgejahr dort von Jarmila Novotná – die in ihrer Autobiografie schrieb, „I wore a folk costume, which the audience loved“ – erstmals aufgeführten Lieder Der neue Spaliček; Spaliček war Martinůs 1933 in Prag uraufgeführtes Ballett nach volkstümlichen Motiven. Der auch in seinen Bühnenwerken niemals geschwätzig ausholende Martinů zeigt sich in den Liedern von einer ausgesprochen liebenswürdigen Seite. Geradezu berührend die Schlichtheit, der gerade Ausdruck und die dennoch equilibristische Vielseitigkeit der Lieder, über die Martinů sagte, dass er sie „schrieb, wenn er nicht komponierte“. Allein die ungemeine Fülle seiner Lieder zeigt, dass sie für ihn schwerlich zweitrangig waren, sondern eher ein Feld experimenteller, kühner Fingerübungen darstellten. Janková und Král bringen die Lieder ausgezeichnet zur Geltung, sie mit einem reschen Sopran, er mit einem sprechenden Bariton. Gerade in den lapidaren, durchaus originellen im amerikanischen Exil entstandenen Liedchen auf einer Seite bzw. Liedchen auf zwei Seiten bestechen sie durch rhythmische Flexibilität und hüpfende Hurtigkeit; leider hat meine CD immer wieder Aussetzer. Die während eines Sommers in der Slowakei 1920 entstandene Bearbeitung einer Sammlung von Volksliedern für Klavier und Gesang, die Slowakischen Lieder, verlangen den Solisten expressiveren Ausdruck und größere stimmliche Reichweite ab, was der Sopranistin mit drallem Temperament oder kräftigem Ausdruck (Nr. 51) und dem Bariton im zartesten Piano, beispielsweise im „Abendstern“ (Nr. 23) und „Verlassenen Liebhaber“ (Nr. 46), am schönsten gelingt; stets unterstützt vom musikantisch prachtvollen Klavierton des Ivo Kahánek. „Im Unterschied beispielsweise zu Janacek, der sein ganzes Leben lang mit Volksliedern in Berührung stand und diese auch selbst sammele und theoretisch auswerte“, so im Beiheft, „kannte Martinů Volkslieder praktisch nur aus gedruckten Sammlungen“.
Frau singt Frauen.

 

Neben fünf Liedern Clara Schumanns heißt das für die polnische Mezzosopranistin Urszula Kryger in ihrem Vierländer-Umblick „Women of Music“ Lieder von Irène Wieniawski, Cécile Chaminade und Agathe Backer-Grøndahl. Die in Belgien geborene jüngste Tochter des polnischen Geigers Henryk Wieniawski, die sowohl unter ihrem Geburtsnamen Wieniawski wie unter ihrem Pseudonym Poldowski veröffentlichte, wurde ausgebildet in Brüssel, Paris und London, wo sie sich niederließ und 1901 einen Nachkommen des Duke of Marlborough heiratete. Von ihren knapp zwei Dutzend Verlaine-Vertonungen finden sich auf der CD (Dux 1524) die impressionistisch durchwobenen „L’heure exquise“ und „Cythère“, dazu die nach dem Tod ihres Erstgeborenen entstandene „Berceuse d’amorique“ mit dem Text von Anatole le Braz. Wie im Fall der künstlerisch umtriebigen, kosmopolitischen Komponistin und Salonière Irène Wieniawski, sind auch die Biografien der Französin Cécile Chaminade (1857-1944) und der Norwegerin Agathe Backer-Grøndahl (1847-1907, die ebenso wie Wieniawski sehr früh ihre musikalische Begabung unter Beweis stellten und als Pianistinnen international gefeiert wurden – die von Grieg geförderte Backer-Grøndahl bezeichnete Shaw als Nachfolgerin Clara Schumanns – geradezu aufregend und zeigen wie vernetzt die Musikwelt des ausgehenden 19. Jahrhunderts war. Während Chaminades Oeuvre, darunter die wirkungsvollen und brillanten Lieder, eine kleine Renaissance erfahren hat, gilt es die durchaus anspruchsvollen, zwischen 1872 und 1907 entstandenen Lieder der Backer-Grøndahl zu entdecken, darunter die vier Lieder op. 65 von 1904. Alle Lieder sind weit mehr als Gelegenheitsstücke, deren Klavierpart Agata Górska-Kolodziejska mit großer Achtsamkeit spielt, Kryger zeigt als vielseitige und stilistisch versierte Liedsängerin. Die nur knapp 40 Minuten Spielzeit verhindern, dass unser Interesse nachlässt.
Zu Krygers umfangreicher Diskographie gehört auch eine Einspielung der Lieder Chopin. DUX stellt jetzt eine bereits 1988 entstandenen Aufnahme ihrer Landsmännin Henryka Januszewska zur Verfügung (Dux 1497), die wegen der stimmlichen Delikatesse und des sprechenden Ausdrucks Januszewskas sowie Marek Drewnowskis sensibler Klavierbegleitung eine Wiederveröffentlichung verdient hat. Der Reiz der über einen Zeitraum von zwanzig Jahren entstandenen und nach Chopins Tod als Sammlung veröffentlichten Lieder entfaltet sich in dieser aparten Aufnahme auf besondere Weise. Rolf Fath

Vielsaitiges und Mehrstimmiges

 

Endlich. Vor nicht allzu langer Zeit konnte man noch zurecht die heutzutage schon auffällige Missachtung des französischen Komponisten François-Adrien Boieldieu (1775-1834) durch die Schallplattenfirmen beklagen. Von André Grétry (1741-1813) kurz vor seinem Tode zu seinem würdigen Nachfolger auf dem Musiktheater erklärt, prägte der in Rouen geborene Boieldieu das Genre der opéra comique zur Zeit des Empire, der Restauration und der beginnenden Julimonarchie wie kaum ein anderer. Eine Art Wunderkind, wurde er von seinen Zeitgenossen gar respektvoll „der französische Mozart“ genannt. Seine erste abendfüllende Oper schrieb er 1793 mit kaum achtzehn Jahren und drückte dem Musikleben Frankreichs und zeitweilig auch Russlands von da an bis in die frühen 1830er Jahre seinen Stempel auf.

Dass das Interesse an Boieldieu derart nachlassen würde, war noch vor einem halben Jahrhundert völlig undenkbar erschienen. In den 1960er und frühen 1970er Jahren legte die französische Rundfunkanstalt ORTF ein paar Gesamteinspielungen seiner Opern vor, darunter Le Calife de Bagdad unter Louis Fourestier, Jean de Paris unter Jean-Paul Kréder und Les Voitures versées unter Jean Brébion. Besonders La Dame blanche, sein größter Erfolg, war lange Zeit ein Dauerbrenner, wurde in Deutschland in Übersetzung gespielt und wurde häufig aufgenommen, so etwa 1962 in Paris mit Michel Sénéchal unter Pierre Stoll, 1964 mit Nicolai Gedda in Hilversum unter Jean Fournet und zuletzt 1996 wiederum in Paris mit durchaus namhafter Besetzung in einer EMI-Produktion unter Marc Minkowski.

Viel mehr ist in Sachen Boieldieu seither tatsächlich nicht erschienen, so dass diese neue cpo-Produktion (cpo 555 244-2), welche nicht nur sechs Opernouvertüren, sondern auch das Klavierkonzert beinhaltet, mit Freude begrüßt werden darf. Es brauchte wohl wirklich ein deutsches Label, einen englischen Dirigenten sowie ein italo-schweizerisches Orchester, um diesem französischen Compositeur Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, der heute selbst auf Frankreichs Opernbühnen ein unverständliches Schattendasein führt.

Die ältere EMI-Aufnahme, wieder bei Warner erschienen: Boieldieus „Dame Blanche“ unter Minkowski

Inkludiert wurden auf der knapp 70-minütigen CD die Ouvertüren zu den Opern Le Calife de Bagdad, Emma ou La Prisonnière, La Dame Blanche, Jean de Paris, Les Voitures versées sowie Ma Tante Aurore, was einen Zeitraum von 1800 bis 1825 und damit den Höhepunkt des Wirkens Boieldieus abdeckt. Mit dem Calife de Bagdad widmete sich der Komponist der an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert besonders beliebten sogenannten „Türkenoper“. Während der gesamten napoleonischen Ära konnte ihr keine andere opéra comique den Rang als meistgespielte streitig machen, was Boieldieu mit einem Schlage zu einem der erfolgreichsten Komponisten in Paris machte. Bei der bereits im Vorjahr 1799 fertiggestellten Oper Emma ou La Prisonnière handelte es sich um die erste Kooperation zwischen Boieldieu und dem deutlich älteren Luigi Cherubini, von dem auch die Ouvertüre stammt. (Noch Boieldieus letzte Oper La Marquise de Brinvilliers von 1831 war übrigens eine Gemeinschaftsproduktion mit Cherubini und Auber.) In gewissen Details wie den nach der Durchführung wiederkehrenden Einleitungstakten ist ein deutlicher Unterschied zu Boieldieus eigenen Ouvertüren feststellbar. Dass diese aus Cherubinis Feder stammende Introduktion gleichwohl hier aufgenommen wurde, ermöglicht den nicht uninteressanten Direktvergleich. Mit der besonders spritzigen und an Mozart erinnernden Ouvertüre zu Les Voitures versées ist auch Boieldieus Sankt Petersburger Zeit (1803-1810) am Hofe des Zaren Alexander I. berücksichtigt worden. Die ursprüngliche Komposition von 1808 wurde 1820 für Paris freilich noch einmal überarbeitet und hielt sich bis 1868 ununterbrochen im Repertoire. Der ungewöhnliche und zunächst unverständliche Titel Die umgeworfenen Kutschen referiert auf die zum Schmunzeln anregende Handlung, in der ein gelangweilter Schlossherr in Anjou durch den bewusst beibehaltenen schlechten Zustand der angrenzenden Straße dafür sorgt, dass Reisende dort regelmäßig unfreiwillig liegenbleiben und ihm gezwungenermaßen Gesellschaft leisten. Jean de Paris von 1812 mit seiner ins Spätmittelalter gelegten Handlung markiert Boieldieus Wiederkehr in die französische Hauptstadt und erwies sich ebenfalls als sensationeller Erfolg. Dies gilt schließlich noch mehr für die landläufig noch heute bekannte Oper La Dame blanche mit ihrer, dem damaligen Publikumsgeschmack entgegenkommenden Spukgeschichte auf einem schottischen Schloss. Mit diesem Werk konnte Boieldieu auf dem Höhepunkt der Restauration im Jahre 1825 den größten Triumph seines Lebens feiern; es wurde geradezu zum Musterbeispiel für eine opéra comique. Kein anderes Werk dieser Gattung konnte auch international solche Begeisterungsstürme hervorrufen, wovon die überaus positive Aufnahme durch Carl Maria von Weber, Franz Liszt und selbst Richard Wagner zeugt. All diesen Ouvertüren ist das Melodiöse und Kantable gemein, was wiederum den Mozart’schen Einfluss offenbart, ohne dass Boieldieu Gefahr liefe, als bloßer Epigone zu gelten.

Repräsentiert La Dame blanche den gereiften Boieldieu auf der Höhe des Lebens, vermittelt das ebenfalls enthaltene knapp halbstündige Klavierkonzert in F-Dur einen guten Eindruck von den Anfängen dieses Komponisten in seiner Heimatstadt Rouen. Bereits die Uraufführung 1792 vermittelte einen Eindruck vom Können des gerade Siebzehnjährigen. Obwohl nur zweisätzig – und damit von seinem bekannteren Harfenkonzert in drei Sätzen von 1800 verschieden –, erweist sich dieses Konzert als schönes Beispiel für die von den Wirren der Französischen Revolution musikalisch offenbar noch nicht beeinflussten Musik der frühen 1790er Jahre. Der gewichtige, nicht weniger als 17 Minuten lange erste Satz nimmt fast zwei Drittel des Konzertes ein. Mittels einer flotten Coda am Ende des neunminütigen zweiten Satzes wird gleichsam der fehlende Rondo-Satz ausgeglichen.

Lange Jahre die einzige Aufnahme: Boieldieus „Dame blanche“ von Vega, später bei Accord/Universal

Für Vergleichsaufnahmen muss man weit zurückgehen. So liegen Le Calife de Bagdad, Jean de Paris und Les Voitures versées wie auch das Klavierkonzert lediglich in mittlerweile doch betagten Einspielungen vor, die ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben. So verwundert es mitnichten, dass diesen die Frische fehlt, welche das bestens disponierte Orchestra della Svizzera italiana unter Howard Griffiths herüberbringt, der für cpo bereits u. a. einen kompletten Zyklus der Sinfonien von Ferdinand Ries, die sämtlichen Ouvertüren von Weber sowie die Sinfonien von Louis Spohr vorlegte. Das dort gezeigte hohe künstlerische Niveau wird ohne Einschränkungen auch bei den hier vorliegenden Boieldieu-Aufnahmen erreicht. Bei den Ouvertüren zu Emma ou Prisonnière und Ma

Tante Aurore dürfte es sich sogar um Weltersteinspielungen handeln, auch wenn dies nicht gesondert gekennzeichnet wurde. Erstaunlicherweise haben die Musiker aus der italienischsprachigen Schweiz unter Griffiths aber auch die diskographisch vergleichsweise gut dokumentierte Ouvertüre zu La Dame blanche derart mustergültig zustande gebracht, dass diese vollblutige und paukenstarke Interpretation alle mir bekannten Vergleichsaufnahmen überflügelt. Tatsächlich nimmt sich Griffiths Zeit, hat bei eigentlich jedem der vergleichbaren Werke langsamere Spielzeiten als bis dato üblich. Mit neun Minuten benötigt er bei La Dame blanche etwa fast zwei Minuten mehr als anderswo, doch weiß er die gewonnene Zeit zu nutzen und überzeugend auszugestalten.

Die in Wien als Professorin wirkende und diskographisch bereits breit aufgestellte serbische Pianistin Nataša Veljković zeigt sich als profund agierende Solistin im stiefmütterlich behandelten Klavierkonzert Boieldieus. Das Orchester aus Lugano, obwohl auf modernem Instrumentarium spielend, hat sich doch merklich einer historisch informierten Spielweise angenähert, was sich als weiterer großer Pluspunkt dieser Produktion erweist, die mit einem lehrreichen deutsch-englischen Beiheft ausgestattet wurde (Einleitung: Markus Schneider). Verbunden mit dem formidablen Klangerlebnis kann man hier nur von referenzträchtigen Einspielungen sprechen, die wohl auf lange Zeit die neue Messlatte gesetzt haben. Unbedingt empfehlenswert (Boieldieu: Klavierkonzert; Opernouvertüren/ Nataša Veljković, Klavier/ Orchestra della Svizzera italiana/Howard Griffiths/ cpo 555 244-2/Aufnahmedatum: 2015/Erscheinungsdatum: 2018).

 

Sogar eine deutschsprachige Aufnahme gibt es von der „Weißen Dame“ Boieildieus, vom Jugendtreffen in Schloss Rheuinsberg 2010 (Genuin GEN 10534)

Da passt eine Erinnerung an die bislang einzige „offiziell“ herausgegebene deutschsprachige Aufnahme der Weißen Dame vom Jugendtreffen in Schloss Rheinsberg 2008 bei der Firma Genuin (2 CD GEN 10534)  sehr gut, die Daniel Hauser noch einmal vorstellt:  Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat es mit dem einstmaligen Vorzeigestück der französischen opéra comique des 19. Jahrhunderts, La Dame blanche von François-Adrien Boieldieu, nicht allzu gut gemeint. Aufführungen dieses Werkes muss man heutzutage gleichsam mit der Lupe suchen, von Einspielungen gar nicht zu reden. Die meisten derselben datieren in die 1940er bis 60er Jahre. Bereits die EMI-Aufnahme unter Marc Minkowski von 1996 war ein später Nachzügler. So betrachtet, ist es wirklich begrüßenswert, dass das Label Genuin 2010 eine deutschsprachige Einspielung der Kammeroper Schloss Rheinsberg vorlegte (GEN 10534). Tatsächlich stellt diese die einzige greifbare Gesamtaufnahme der Weißen Dame auf Deutsch dar (sieht man von einer Verfilmung von 1960 ab, der eine gekürzte deutschsprachige Fassung unter dem Dirigat von Siegfried Köhler zugrunde liegt). Dies erschwert die direkte Vergleichbarkeit mit Aufnahmen in Originalsprache, zumal es sich bei der vorliegenden Produktion noch dazu um eine mit Amateuren handelt. Dies muss kein grundsätzlicher Makel sein, handelt es sich doch um ein durchaus renommiertes Festival für Nachwuchsstimmen. Da man sich zu einer Veröffentlichung entschieden hat, muss man sich allerdings auch der Konkurrenz stellen. Die vorliegende Aufnahme ist eine Koproduktion mit dem Deutschlandradio und wurde zwischen dem 23. und dem 26. Juli 2008 im Schlosstheater Rheinsberg mitgeschnitten. Man hat also eine Live-Montage mit allen Vor- und Nachteilen vor sich: Studiosterilität kann ausgeschlossen werden, doch wird man mit Bühnengeräuschen leben müssen. Insgesamt ist das Klangbild aber ohne Fehl und Tadel.

Deutlich problematischer und wirklicher Schwachpunkt dieser Einspielung ist die hier gewählte Lösung hinsichtlich der gesprochenen Texte, die weggelassen wurden (vielleicht auch wegen der vielen nicht-deutschsprachigen Mitwirkenden, was für eine in Deutsch gesungene Oper doch sicher problematisch ist/ G. H.). Dies wäre noch verkraftbar, hätte man sich nicht einer fragwürdigen Alternative mittels eines Schauspielers in der Rolle des Librettisten Eugène Scribe bedient, der durch den Handlungsablauf führt. Matthias Hinz, der auch den Erzähler, die Statue und den Friedensrichter gleich mit übernimmt, neigt nämlich zu einem auf die Dauer nervtötenden Overacting, welches sich schnell abnutzt und weitere Steigerungen gar nicht erst ermöglicht. Ob es sich hier um einen sonderbaren Regieeinfall (Inszenierung vom ehemaligen Counter Axel Köhler, der auch für die deutsche Übersetzung verantwortlich zeichnet) handelt, kann nicht abschließend geklärt werden. Dass sogar die hübsche Ouvertüre – Boieldieus vermutlich beste – dafür unterbrochen wird, ist eigentlich indiskutabel. Zumindest für die reine Tonaufnahme hätte man besser ganz darauf verzichtet und es allein bei den Gesangsnummern belassen.

Die Besetzung mit jungen Stimmen ist soweit sehr ordentlich, wenn auch in keinem Falle maßstabsetzend, was man bei einer solchen Produktion ehrlicherweise aber auch nicht voraussetzen darf.  Amar Muchhala als George Brown steigert sich nach Startschwierigkeiten im Verlaufe der Oper doch glücklicherweise noch. Direktvergleiche in der Cavatine Komm, o holde Dame mit so berühmten Vorgängern wie Nicolai Gedda, Michel Sénéchal oder gar David Devriès sollte man indes gar nicht erst bemühen, was nicht nur an der deutschen Übersetzung liegt, wie man bei Fritz Wunderlich oder Josef Traxel nachhören kann. Alles in allem bewältigt Muchhala die Partie aber zufriedenstellend.

Die übrige Besetzung ist durchaus solide, wobei Mara Mastalir in der Rolle der Jenny vielleicht am meisten überzeugen kann. Paola Leggeri als Anna versucht ihrer eigentlich lyrischen Stimme gelegentlich etwas forciert Dramatik aufzuerlegen. Rollendeckend Anne Catherina Wagner als Margarethe, Christopher O’Connor als Dikson und Dionisos Tsantinis als Gaveston.

Der Chor und das RIAS Jugendorchester unter Gernot Schulz liefern zwar keine neue Referenz ab, beweisen aber doch das überwiegend hohe künstlerische Niveau der Nachwuchskräfte. Im direkten Vergleich wäre indes der alten Live-Aufnahme unter Jean Fournet von 1964 (Melodram; bereits in Stereo) der Vorzug zu geben, die summa summarum bis heute die überzeugendste Gesamtaufnahme dieser mittlerweile etwas verkannten Oper bleibt. Freunde deutschsprachiger Aufnahmen französischer Opern kommen trotz der benannten Einschränkungen nicht an dieser Produktion vorbei. Daniel Hauser

 

Auf den ersten Blick wundert man sich womöglich, dass diese – so viel vorweg – wichtigen Einspielungen gerade jetzt erscheinen, ist doch gar kein Jubiläumsjahr für Albert Lortzing (1801-1851), berühmt geworden als Hauptrepräsentant der deutschen Spieloper, in Sicht. Einmal mehr steht Naxos (8.573824) hinter dem Vorhaben, einmal mehr wurde ein eher untypischer Klangkörper, das Opernorchester von Malmö in Schweden, dafür ausgewählt. Mit Jun Märkl hat man indes einen mittlerweile altbekannten Dirigenten für das Projekt gewinnen können, der für Naxos u. a. bereits einige seltene Wagner-Ouvertüren einspielte.

Geht man vorbehaltlos an das vorliegende Projekt heran, so kann man es nur würdigen, wurden doch nicht weniger als neun Ouvertüren zu Lortzings Opern vorgelegt, davon einige selten oder gar bis dato überhaupt nicht eingespielt. Tatsächlich schrieb der Komponist sogar noch weitere Bühnenwerke, so dass man sich gewünscht hätte, Naxos hätte lieber ein paar derselben berücksichtigt (darunter Ali Pascha von Janina, Casanova oder Rolands Knappen), anstatt die vergleichsweise gut dokumentierten Opern Der Wildschütz und Zar und Zimmermann mit aufzunehmen. Geschenkt. Jedenfalls gäbe es noch Potential für eine zweite CD.

Die deutschsprachige Spieloper leidet heute unter einer ähnlichen Problematik wie die französische opéra comique, ihr eigentliches Vorbild, da sie mit ihrem kleinbürgerlich-biedermeierlichen Ambiente und den gesprochenen Dialogen international einen schweren Stand hat und sich zudem für das zeitgenössische Regietheater nur sehr bedingt anbietet. Rein diskographisch sieht die Situation bei genauerem Hinsehen gar nicht einmal so trostlos auch, wenngleich nahezu alle vorliegenden Gesamtaufnahmen in etwa ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben.

Losgelöst von den jeweiligen Bühnenwerken, gleichsam als reine Instrumentalmusik und dergestalt vom Komponisten gar nicht vorgesehen, üben diese Ouvertüren gleichwohl einen ganz eigenen Reiz aus, wie man dies unlängst bei der Naxos-Produktion mit Opernouvertüren von Daniel-François-Esprit Auber, einem französischen Zeitgenossen Lortzings und dem neben François-Adrien Boieldieu wohl bedeutendsten Vertreter der opéra comique in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nachvollziehen konnte (auch wenn dort ausgerechnet der Esprit fehlte – nomen est omen).

Zumindest vom Wildschütz und Waffenschmied, von Zar und Zimmermann, Hans Sachs und Undine, ja selbst von Regina und der Opernprobe gibt es Gesamteinspielungen in Stereo. Märkls Neueinspielungen können sich durchaus gut behaupten, selbst wenn Lortzing-erfahrene Dirigenten wie Robert Heger, Heinz Wallberg und Fritz Lehan womöglich noch einen Hauch idiomatischere Ergebnisse erzielt haben mögen. Gar keine Konkurrenz gibt es beim hier erst kürzlich besprochenen Weihnachtsabend, wo nun mit der beinahe kammermusikalisch anmutenden Ouvertüre (ohne Posaunen, Hörner und Schlagwerk) endlich ein erster musikalischer Auszug vorliegt. Allein dies ist die CD schon wert. Und auch die Ouvertüre zu Andreas Hofer wurde zumindest im Stereozeitalter augenscheinlich noch nicht vorgelegt.

Was fällt interpretatorisch auf? Vergleich man die Spielzeiten mit den älteren Aufnahmen, dann lässt es Märkl (durchaus nicht zum Nachteil) gemessener und dadurch auch gewichtiger angehen. So dirigiert etwa Fritz Lehan die Waffenschmied-Ouvertüre anderthalb Minuten flotter, ist Otmar Suitner bei der (sehr kurzen) Ouvertüre zur Opernprobe eine halbe Minute schneller, Heinz Wallberg in jener zum Wildschütz gar fast zwei Minuten und Max Loy bei derjenigen zu Hans Sachs eine Minute. Wie gesagt, ist das per se kein Qualitätsmerkmal, doch ist es erfreulich, dass weithin verkannten Werke nun in einer deutlich anderen Lesart zu hören sind. Unter den inkludierten Werken sticht Regina, die zu Lortzings Lebzeiten nie aufgeführte „Freiheitsoper“, einigermaßen hervor, handelt es sich doch um sein ungewöhnlichstes Bühnenwerk mit deutlicher politischer Aussage in der Gemengelage der Revolution von 1848 – und hübschem Cellosolo in der Ouvertüre. Dies zeigt auch, dass der häufig unterschätzte Komponist durchaus zu dramatischen Werken imstande war, was bereits insbesondere in der wuchtigen und bedeutungsschweren Undine-Ouvertüre anklang.

Auch aufgrund der tadellosen Darbietung durch das Malmöer Opernorchester (wunderbar strahlende Blechbläser und sehr knallige Pauken) und der überzeugenden Klangqualität dieser im Juni 2017 im Opernhaus von Malmö entstandenen Einspielungen darf diese diskographische Erweiterung des Lortzing‘schen Œuvre als geglückt bezeichnet werden (Lortzing: Opernouvertüren/ Malmö Opera Orchestra/Jun Märkl/ Naxos  8.573824/ Aufnahme: 2017/ Erscheinungsdatum: 2019) Daniel Hauser

 

In Erinnerungen schwelgen kann wer die mittlere der drei CDs (Opera Ouvertures, Choruses and Duets) mit Chören aus der Berliner Staatsoper vor allem der Siebziger  des vergangenen Jahrhunderts stammenden Aufnahmen hört. Damals konnte man sich für 15 der 25 im Zwangsumtausch erworbenen Ostmark an der Kasse unter den Linden bei Tante Ernestine eine Karte auf dem besten Platz des Hauses kaufen, für die restlichen zehn Ostmark im Kronprinzessinnenpalais ein Menu mit der immer gleich bleibenden Wahl zwischen Weißkraut- und Rotkrautsalat als Sättigungsbeilage verzehren oder Noten, und die sogar von in der DDR nie gespielten Werken wie Adriana Lecouvreur, kaufen. Einheitsmenu und billige Klavierauszüge gehören der unwiederbringlichen Vergangenheit an, die Aufnahmen mit dem Chor der Staatsoper unter Ernst Stoy und der Staatskapelle unter Otmar Suitner erfreuen auch 2019 durch ihre Frische, ihren Elan, weniger durch die Bereitschaft, den Hörer erkennen zu lassen, in welcher Sprache gesungen wird, denn was wohl Italienisch oder Französisch sein soll, ist unverständliches Kauderwelsch, während die Tracks mit Wagner- oder Mozart (Zauberflöte), von Flotow und Nicolai gerade auch durch die Textverständlichkeit ein Genuss sind. In  den Lustigen Weibern von Windsor, die in der nächsten Spielzeit aufgeführt werden sollen, was nach Jahren der Vernachlässigung der deutschen Spieloper nur zu begrüßen ist, wird viel nächtlicher Zauber entfaltet, im Brautchor aus Lohengrin wird jedes Abgeleiertsein vermieden, die Spinnerinnen aus dem Fliegenden Holländer drehen nicht nur ihre Rädchen munter, sondern gehen genauso beschwingt mit ihrem Mundwerk zu Werke, so wie die Herren des Jägerchor unbekümmert und dabei doch diszipliniert schmettern. Das deutsche Fach könnte nicht besser aufgehoben sein, auch der Einzug der Gäste aus Tannhäuser ist purer Ohrenschmaus.

Das gilt auch für die CD mit Ouvertüren, die vorwiegend von der Staatskapelle Dresden, ebenfalls unter Otmar Suitner, gespielt werden. Auf beider Konto gehen Die verkaufte Braut, Hänsel und Gretel und zwei Ouvertüren von Franz von Suppé, letztere gern als Konzertstücke gespielt. Da wird einmal zauberhafte Märchenstimmung erzeugt, mal ein Feuerwerk guter Laune entzündet. Giuseppe Patané spielt mit der Staatskapelle ein Vorspiel zum 3. Akt von Traviata von schmerzlicher Eindringlichkeit, Franz Konwitschny eine Holländer-Ouvertüre mit edlem Bläserklang und leuchtendem Schluss, Herbert Kegel und die Dresdner Philharmonie eine rasante Donna-Diana-Ouvertüre. Die Staatskapelle Berlin unter Bernhard Klee ist mit zauberhaftem wenn nicht Wald- ,so doch Parkweben der Lustigen Weiber vertreten. Schließlich gibt es noch die Bamberger Symphoniker unter Manfred Honeck mit einer flotten Fledermaus.

Kritisch wird es mit der dritten der CDs mit von den beiden Stars der DDR, Peter Schreier und Theo Adam, bestrittenen Duetten, die für bei Berlin Classics 1974 aufgenommen wurde. Natürlich gönnt man den beiden hochverdienten Herren den Spaß, im völlig falschen Fach zu singen, aber Peter Schreier hat für den Hans nicht die Zwischenfachqualitäten, für Nadir und Faust nicht die Süße des Timbres, für den Alvaro nicht die Verdi-Glut in der Stimme und gefällt so nur als Pedrillo, bei Lortzing und mit Abstrichen als Tamino. Viel besser schlägt sich da Theo Adam, auch wenn dem Kezal das Schlitzohrige abgeht, für die Baritonpartien die Stimme künstlich aufgehellt wird oder wie für Papageno, den er neben dem Sprecher und dem 2. Priester singt, einfach zu ausladend ist. Belustigend sind diese Ausflüge in ungewohnte  Opernlandschaften allemal, die zu ungewohnten Hörerlebnissen führen und einmal mehr zusätzlich die Meinung bestätigen, dass einzig das Singen in der Originalsprache wünschenswert ist (Brilliant Classics 95414). Ingrid Wanja

 

Santuzzas Schwester

 

1975 vom Opernpapst Rodolfo Celletti gegründet, widmete sich das Festival della Valle d’Itria in Martina Franca vor allem den unbekannteren Barock- und Belcantoopern, die gerade zuvor durch Sänger wie Maria Callas oder Leyla Gencer neue Beachtung gefunden hatten. 2007 standen hingegen zwei Verismo-Werke auf dem Spielplan: Umberto Giordanos Marcella und Pietro Mascagnis Amica. Der Zweiakter des Komponisten aus Livorno erinnert im kompositorischen Aufbau stark an seine Cavalleria Rusticana mit der in die Sinfonia integrierten Gesangseinlage und dem atmosphärestiftenden Interludio.  Uraufgeführt wurde die französische Originalfassung mit Geraldine Farrar in der Titelpartie 1905 im Opernhaus von Monte-Carlo, in Italien setzte sich die italienische Fassung durch, nicht jedoch in Martina Franca, wo man immer Wert auf die Originalfassungen legt. Von der Aufführung gibt es nicht nur die hier besprochene CD von Dynamic, sondern auch eine DVD. Auf der kann man sehen, warum es insbesondere im zweiten Akt so viel Getrampel auf der Bühne gibt. (Und im Gesamteindruck nimmt sich dies nichts mit der anderen Live-Einspielung – eine ausgesungene Katia Ricciarelli – des Werkes bei Kicco. G. H.)

Das Werk spielt im verismotypischen Kreis kleiner Leute, eines Brüderpaars, das von einem Landbesitzer aufgenommen und zusammen mit dessen ebenfalls verwaister Nichte aufgezogen wurde. Der attraktivere der beiden Brüder, Rinaldo, wird vom Ziehvater verstoßen, den eher unscheinbaren, Giorgio, will dieser mit der Nichte Amica verheiraten, weil seine Geliebte, Magelone, in dem schönen Mädchen eine Rivalin um die Herrschaft über den Haushalt  sieht. Amica liebt jedoch heimlich Rinaldo, der pünktlich erscheint, um die Hochzeit zu verhindern und mit Amica in die piemontesischen Berge zu fliehen. Giorgio verfolgt rachsüchtig die beiden, und erst beim Aufeinandertreffen erkennen die beiden Brüder entsetzt, dass sie zu Rivalen geworden sind. Rinaldo will als der Stärkere auf Amica verzichten, weil er erkennt, dass der Bruder ohne sie nicht leben kann. Amica folgt verzweifelt dem Fliehenden und stürzt in einen Abgrund.

Inzwischen vergriffen: die „andere“ Einspielung der „Amica“ von Mascagni aus Budapest bei Kicco

Insbesondere das sinfonische Zwischenspiel mit seinem Vorausahnen der Tragödie zeigt in der Behandlung des Orchesters wagnerverwandte Züge. Die Gesangspartien sind anspruchsvoll, Amica könnte in dieser Hinsicht eine Schwester der Santuzza sein und wird hier von Anna Malavasi gesungen, die einen vollmundigen Mezzosopran mit allerdings recht spitzer Höhe für die Partie einsetzt und die sehr angenehm geschmeidig in den zärtlichen Momenten klingt. Ihre weitere Karriere führte kaum über Maddalenen und Suzukis hinaus, aber hier erscheint die Stimme als sehr vielversprechend. Ausnahmsweise ist einmal der Bariton der Sieger im Kampf um die Liebe der Heldin, und angesichts des virilen, dunkel getönten beinahe schon Bassbaritons von Pierluigi Dilengite kann man das nachvollziehen, umso mehr als der Tenor David Sotgiu nur über eine helle, in der Höhe enge Tenorstimme für den Giorgio verfügt, allerdings im Duett mit Amica eine ansprechende Mittellage vorweisen kann. Einen brüchigen, flachen Bariton setzt Marcello Rosiello für den Camoine ein, kaum auf sich aufmerksam machen kann Francesca De Giorgi mit der Magelone. Der eigentliche Star der Aufführung ist der Bratislava Chamber Choir, nicht immer im Einklang mit den Sängern befindet sich das Orchestra Internazionale d’Italia unter Manlio Benzi. Mit drei wirklich  hervorragenden Solisten könnte mit diesem Werk ein atemberaubender Opernabend gestaltet werden (Dynamic CD 574). Ingrid Wanja

Ivan Sardi

 

Ivan Sardi (eigentlich Ivan Szepes, geb. 7.7.1930 in Budapest – gest. 23.2.2019 in Berlin) war der langjährigen Bass-Bariton an der Deutschen Oper Berlin; von der Direktion  heißt es über ihn: Als Masetto in der Eröffnungspremiere des DON GIOVANNI von Wolfgang Amadeus Mozart am 24. September 1961 debütierte Ivan Sardi an diesem Haus. Das Ensemble dieser Aufführung machte – zusammen mit einigen Sängern, die in der Uraufführung ALKMENE von Giselher Klebe tags darauf oder in der folgenden Premiere AIDA auftraten – den Gründungsmythos des modernen Hauses an der Bismarckstraße aus.

Elisabeth Grümmer, Dietrich Fischer-Dieskau und die dem Hause eng verbundenen Gäste Erika Köth und Walter Berry gehörten schon zum Ensemble, als dieses noch in der Kantstraße seine vorläufige Heimstatt hatte. Und auch die beiden anderen jungen Ensemblemitglieder, die im DON GIOVANNI mitwirkten, nur ein oder zwei Jahre älter als Ivan Sardi, waren schon in der Kantstraße aufgetreten: Pilar Lorengar und Donald Grobe. Er war also der Jüngste und der Letzte, der dazu gekommen war, und nun ist er auch der Letzte aus diesem legendären Mozart-Ensemble, der gestorben ist.

Bis zu seiner Pensionierung 1997 wirkte Ivan Sardi in unzähligen Premieren mit und gab ihnen seinen speziellen Akzent. Es war ein nur beim Sprechen wahrnehmbarer sehr leichter ungarisch-italienischer Akzent. Er war aus seiner Heimat früh nach Italien gezogen, wo er nach der Ausbildung bereits in sehr jungen Jahren eine Karriere aufbaute. Eine Schallplattenaufnahme von RIGOLETTO mit Gianna d’Angelo, Renato Capecchi und Richard Tucker in den Hauptrollen gibt davon Zeugnis.

Auch in Berlin hat er schon vor den Auftritten an der Deutschen Oper Berlin oft im Schallplattenstudio gestanden, vor allem mit Ferenc Fricsay, mit dem schon 1958 in Zusammenarbeit mit dem RIAS ein DON GIOVANNI entstand, später Mozarts c-Moll-Messe und Verdis Requiem, bei denen weitere Sänger der Städtischen Oper Berlin bzw. der Deutschen Oper Berlin mitwirkten.

Früh übernahm er Partien, in denen er sich selbst um Jahrzehnte älter machen musste, so schon bei seinem Debüt als Einundzwanzigjähriger in Brescia, da war er Padre Guardiano in LA FORZA DEL DESTINO. Jeder Partie schenkte er die maximale Aufmerksamkeit und machte damit auch aus kurzen Auftritten eine mit allem anderen wohl abgestimmte Hauptaktion. Sei es der namenlose kleine Sträfling in AUS EINEM TOTENHAUS, der alles über sich ergehen lässt, oder die Mutter (ja, richtig: die Mutter, denn die Partie ist für Bass geschrieben, während der Vater Sopran singt) im PREUSSISCHEN MÄRCHEN von Boris Blacher. Für den Schigolch in Alban Bergs LULU, wo er mit 51 bei der Inszenierung von Götz Friedrich immer noch sein Alter hochspielen musste, probierte und übte er tagelang die „falsche Luft“, die seine Stimme laut Libretto wie eine Ziehharmonika klingen lassen sollte.

Er wirkte in zahlreichen Uraufführungen mit, in gut dokumentierten, wie dem auch als DVD verfügbaren JUNGEN LORD, aber auch in vergessenen wie dem TEMPELBRAND von Toshiro Mayuzumi. Es ist unmöglich, alle Partien aufzuzählen, die Ivan Sardi an der Deutschen Oper Berlin gesungen hat, geschweige denn, ihre Einmaligkeit zu beschreiben. Aber eine soll noch erwähnt werden: Als Götz Friedrich ihn 1994 bat, den Prolog zu HERZOG BLAUBARTS BURG als Vertreter der Autoren Béla Bartók und Béla Balász mit ungarischem Flair zu sprechen, zögerte er kurz, denn er wollte nicht als Ungar, sondern als Schauspieler in die Produktion einsteigen. Dann aber schaffte er sich – wie eine fremde Sprache – einen starken ungarischen Akzent an und spielte die Rolle mit unvergleichlicher Intensität.

Auch nach seiner Pensionierung zeigte sich Ivan Sardi häufig in der Deutschen Oper Berlin, der er auch durch seine Frau, die noch einige Zeit im Orchester spielte, verbunden blieb. Beide erschienen dann zu Ehemaligentreffen, wo zwanglos von alten Zeiten geplaudert werden konnte. Nun wird er nicht mehr kommen.

Leitung, Ensemble und Mitarbeiter*innen der Deutschen Oper Berlin, vor allem aber die Ehemaligen trauern mit den Hinterbliebenen um einen großen Sänger und eine große Persönlichkeit aus ihrer Mitte. Sie werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Curt A. Roesler (ehemals Chefdramaturg)/ Dietmar Schwarz (Intendant der Deutschen Oper Berlin; Foto Jürgen Kranich/DOB)

Nicht mehr im Schatten

 

Primadonnenwürdig sind die Arien von Händel und Vivaldi für die Seconda Donna, die Julia Böhme für ihre Accent-CD ausgesucht hat, verleihen sie doch aufwühlenden Gefühlen wie ungezügelter Rachsucht, bösem Triumph oder abgrundtiefer Verzweiflung angemessenen Ausdruck. In willkommenem Kontrast zu so machtvollen Gefühlsaufwallungen stehen die wohl von der Interpretin selbst verfassten angenehm burschikosen und unprätentiösen Texte, die in die jeweilige Arie einführen.  Kurz & knapp heißt es stets zu Beginn der Information, so über Händels Oper Lotario, in der die intrigante Matilde giftmischerisch tätig wird und in drei fulminanten Arien ihren durch und durch bösen Charakter offenbart. „Furie del crudo averno“ zeigt vom ersten Ton an eine substanzreiche, ehrliche, stets Sein, nie Schein offenbarende Stimme, die auch in den beiden folgenden Arien „Arma lo sguardo“ und „Quel superbo“  den Charakter der Figur erfasst, reichlich chiaro-scuro einsetzt und mit präzisen Koloraturen überzeugt.

Von der Täterin zum Opfer begibt sich die Sängerin mit der Tamiri aus Vivaldis Farnace, in deren Arie „Forse, o caro“ der sanfteren Dame ein feiner, runder Glockenton der Altstimme zuteil wird, wo ein schönes Ebenmaß der Stimmführung  das Ohr des Hörers erfreut.

Hin- und hergerissen zwischen demütig ertragenem Schmerz und zaghafter Freude, tra speme e timor,  ist Händels Selene aus seiner Oper Berenice. Das sehr gute La Folia Barockorchester unter Robin Peter Müller verdeutlicht zusätzlich zur Solistin das Schwanken der Nichtheldin, das sich auch in feinen Rubati kundtut. Es geht weiter mit Händels Il Floridante, wo die unschuldige Elmira zwischen Hoffen und Bangen in schöner Passivität ihres Freundes harrt, die Stimme in „Notte cara“ in wie dunkler Samt klingende Tiefen geführt wird.

Geschmeidige, stets geschmackvoll bleibende Verführung  bzw. erotischen Übermut atmen die beiden Arien der Alcina aus Vivaldis Orlando furioso, mit sicheren Intervallsprüngen beweist seine Selinda aus Farnace ihre Unbekümmertheit.

An ihre Grenzen in der tiefen Lage kommt Julia Böhme mit Händels Zenobia aus Radamisto. Für sie sprechen die eindrucksvolle Lautmalerei,  so das tiefdunkle O in la morte, oder die schöne Geläufigkeit des Singens, die allerdings bei Vivaldis Bradamante für  „Asconderò“ nicht so ausgeprägt ist, während in der zweiten Arie, „Se cresce un torrente“, hochvirtuos zur Sache gegangen wird.

Den Abschluss bildet die Arie der Zanaida aus Vivaldis Argippo, in der die Sängerin den Kontrast zwischen Wut und Willen zur Vergebung wirkungsvoll herausarbeitet, letztere noch einmal purer akustischer Balsam ist (ACC 24356). Ingrid Wanja

Ekkehard Wlaschiha

 

Alberich ist nicht mehr! So pathetisch das auf den ersten Moment auch klingen mag, steckt doch für mich viel Wahrheit darin, denn Ekkehard Wlaschiha, geboren am 28. Mai 1938 im sächsischen Pirna, ist am 20. Februar 2019  im 81. Lebensjahr verstorben. Manche Medien titelten jedenfalls so und ähnlich im Jahre 1991, als Gustav Neidlinger, nicht nur für mich der Vorgänger Wlaschihas, beinahe gleichaltrig starb. Über die Musikhochschule Weimar führte Wlasdchiha sein Weg 1961 zunächst nach Gera, wo er am Thüringischen Landestheater als Dr. Cajus in Nicolais Lustigen Weibern von Windsor sowie als Don Fernando in Beethovens Fidelio debütierte. Bis in die frühen 1980er Jahre verlief seine Karriere weitgehend innerhalb der damaligen DDR, zunächst eher unauffällig mit Stationen am Sächsischen Landestheater Dresden-Radebeul (1964-1966) und dann wiederum in Weimar am dortigen Nationaltheater (1966-1970), ab 1970 als Mitglied der Leipziger Oper, welches er bis 1983 blieb. Erste Gastspiele führten Wlaschiha freilich in sozialistische Bruderstaaten, nach Sofia und Leningrad. Erst 1982 begann seine eigentliche internationale Karriere, als er in Reggio Emilia gastierte. Im selben Jahr wurde er Ensemblemitglied der Deutschen Staatsoper Berlin, wo er mit den großen Partien seines Fachs eine unentbehrliche Hauskraft wurde. Erstmals trat Wlaschiha (noch als Gast) an der Deutschen Staatsoper bereits 1975 als Pizzaro im Fidelio auf, sang 1977/78 den Tonio im Bajazzo, 1980/81 wiederum den Pizzaro, 1981/82 auch den Jochanaan, den Escamillo und den Tomski. Seit seiner Festanstellung 1982 konnte man ihn zunächst als Biterolf, Jago und Rigoletto, kurz darauf auch als Amfortas und Telramund erleben. 1985 verkörperte er dort erstmals den Kaspar, den Sebastiano in Tiefland sowie den Ercole Severolus im Palestrina. Beim Gastspiel der Staatsoper in Las Palmas erlebte man ihn 1986 einmalig als Sprecher in der Zauberflöte. Von der Vielfältigkeit seines Repertoires zeugte 1987/88 der Kaalchas in Iphigenie in Aulis. 1990 schließlich war er erstmals als Holländer sowie als Kurwenal (Gastspiel in Tokio) zu sehen; die erstere Rolle verkörperte er nochmal 1994. Am zweiten großen Berliner Opernhaus im Westteil der Stadt, der Deutschen Oper, hat er bereits 1988 als Alberich gastiert.

Nun ging es auch außerhalb der DDR Schlag auf Schlag: 1983 war er beim Festival von Lausanne, 1984 erstmals bei den Bayreuther Festspielen, 1987 auch an der Bayerischen Staatsoper in München, 1988 am Royal Opera House, Covent Garden, in London und 1989 schließlich erfolgte das lang erwartete Debüt an der Metropolitan Opera in New York. Selbstredend als Alberich, möchte man hinzufügen. Tatsächlich war Wlaschihas Repertoire bedeutend größer. Nicht nur sang er beinahe alle für seinen mächtigen Bassbariton in Frage kommenden Wagner-Partien (Sachs, Amfortas, Klingsor, Kurwenal, Telramund, Holländer, Biterolf – vorm Wotan hielt er respektvoll Abstand), sondern war auch gefragt als Scarpia, Pizarro, Alfio, Tonio, Coppelius, Jochanaan oder Kaspar, den er bei der Eröffnungsvorstellung der wiederrichteten Semperoper 1985 sang. Dies ging in späteren Jahren ein wenig unter angesichts seiner Omnipräsenz als Nibelung. Fluch und Segen zugleich. Nach weiteren Abstechern nach Chicago und Philadelphia (1988) sowie nach Paris (1992) war er nach seinem sukzessiven Rückzug aus Berlin ab der Spielzeit 1993/94 der Bayerischen Staatsoper in München verbunden und sang 1995 auch an der Hamburgischen Staatsoper.

Ab den späten 80er Jahren wurde er vermehrt für Schallplattenaufnamen herangezogen und ist – man ahnt es – besonders als Alberich bestens dokumentiert, sei es unter James Levine im Studio (DG) oder live unter demselben an der Met (DG) und Wolfgang Sawallisch in München (EMI). Tatsächlich reifte er in dieser ihm wie auf den Leib geschnittenen Rolle über die Jahre sogar immer mehr und brillierte insbesondere im leider nur über Rundfunkmitschnitte zugänglichen Kirchner-Ring unter Levine in Bayreuth in den Jahren 1994 bis 1998, der ihn sängerisch wie darstellerisch auf dem absoluten Zenit seiner Laufbahn zeigt. Kein heutiger Rolleninterpret hat mehr dieselbe Schwärze wie Wlaschihas Schwarz-Alberich. In eigentlich all seinen anderen Wagner-Rollen schimmerte das etwas Grobschlächtige, Verschlagene des Alberich durch, was im Nibelungenring ideal war, als „Alberich in Nürnberg“ oder „Alberich im Gralstempel“ aber auch etwas gewöhnungsbedürftig.  Ab Ende der 90er Jahre wurde es allmählich ruhiger um Wlaschiha, der sich 2003 mit fünfundsechzig  von der Bühne zurückzog (sein letzter Bühnenauftritt interessanterweise nicht als Alberich, sondern als Pizarro in Dresden). Daneben trat er auch als Konzert- und Oratoriensänger in Erscheinung (Foto oben: Ekkehard Wlaschiha/ Künstlerpostkarte). Daniel Hauser

„Denn Offenbach macht glücklich.“

 

Nein, man kann nicht wirklich behaupten, dass es keine Überfülle an spannender Offenbach-Literatur gäbe, die seit dem 150. Geburtstag des Komponisten 1969 herausgekommen wäre, angefangen mit P. Walter Jacobs rororo-Monographie Offenbach in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.  Und deshalb gibt es in lockeren Abständen literarische und akustische updates zum Offenbach-Jahr 2019. Die finden sich weiter unten auf der Seite, nach dem kurzen Überblick, den uns Kevin Clarke vom Operetta Research Center Amsterdam  beschert. Dies alles unter den Augen von Hortense Schneider, eine vom Autor vielfach beschworene Offenbach-Diva. G. H.

 

Natürlich gab’s auch schon vor Walter Jacobs Lesenswertes, zum Beispiel Das imaginäre Tagebuch des Herrn Jacques Offenbach des Kölner Musiksoziologen Alphons Silbermann von 1961. Aber man kann sagen, dass sich der Blick auf Offenbach in den zurückliegenden Jahren auffallend geweitet hat und dass viele neue Themenbereiche in den Fokus gerückt sind. Eine bahnbrechende Publikation war 1999 der Band Offenbach und die Schauplätze seines Musiktheaters, herausgegeben von Rainer Franke. Da gibt es Essays zu „Offenbach und die französische Operette im Spiegel der zeitgenössischen Wiener Presse“ oder „Offenbach in London: Chronologie der Aufführungen seit 1857“, aber auch einen Aufsatz „Zum Theater im Zweiten Kaiserreich“ und Manuela Jahrmärkers sensationellen Text „Vom Sittenverderber zum ewig klassischen Komponisten“. Außerdem gibt es darin so viele zitierte historische Quellen (Zeitungsartikel usw.), dass es eine Offenbarung ist zu lesen, wie die Zeitgenossen Offenbachs Musiktheater beurteilt haben, wobei „Sittenverderber“ noch die harmloseste Formulierung ist.

Ein Jahr darauf erschien dann auf französisch die monumentale Biografie von Jean-Claude Yon, schlicht Jacques Offenbach betitelt (Edition Gallimard ISBN-10: 2070130975). Auch Yon zitiert ausgiebig aus zeitgenössischen Zeitungsartikeln, er tut dies aber vor allem unter Verwendung von französischen Quellen, während bei Franke primär deutschsprachige Quellen verwendet werden. Auch Yon ist eine Fundgrube für grandiose Formulierungen. Darüber hinaus hat Yon keinen Stein unumgedreht gelassen und erstmals mit Dokumenten aus Geburtsregistern usw. das Privatleben Offenbachs durchleuchtet und dabei viel entdeckt, was zuvor gern unter den Teppich gekehrt wurde, z.B. Details zur Liaison mit der Starsängerin Zulmar Bouffar und den unehelichen Kindern von Offenbach. (Bouffar war u.a. die erste Gabrielle in Pariser Leben.)

Später gab’s noch eine famose Ausstellung zu Offenbach im Pariser Orsay-Museum (plus Katalog), Offenbach erschien 2012 auch prominent platziert in einer Ausstellung des Theatermuseum Wien unter der Raumüberschrift „Die Geburt der Operette aus dem Geist der Pornografie“ (die gleiche Überschrift findet sich im Katalog Welt der Operette). Zur erotischen Dimension des Offenbach-Theaters hatte schon Siegfried Krakauer in Offenbach und das Paris seiner Zeit 1937 einiges sagen, 2014 griff auch Librettoforscher Albert Gier das Thema in Wär’ es auch nichts als ein Augenblick: Poetik und Dramaturgie der komischen Operette auf. Und 2015 lieferte Bonnie Gordon von der University of Virginia wegweisende Überlegungen zu den Offenbach-Diven, frühen Formen des Feminismus, Rassismus bei den Pariser Weltausstellungen im Vergleich zum „Ausstellen“ von „sexuellen Wilden“ auf der Offenbach-Bühne. Ihr Beispiel ist Émile Zolas Roman Nana, von dem ausgehend Gordon zu Sara Baartman (der „Schwarzen Venus“) kommt, zu Hortense Schneider und Cora Pearl (beide legendäre Offenbach-Interpretinnen und Halbwelt-Göttinnen) und schließlich zum Hier und Heute.

Nun ist 2019 der 200. Geburtstag von Offenbach gekommen und etliche Offenbach-Neuerscheinungen auf dem Markt. Bahnbrechend ist zweifellos Laurence Senelicks englischsprachige Studie Jacques Offenbach and the Making of Modern Culture, bei Cambridge University Press (ISBN  9780521871808)  zu einem recht exorbitanten Preis erschienen. Aber trotzdem ist das Buch ein Must-have: weil Senelick genau nachzeichnet, wie und warum Offenbachs Stücke global Furore machten. Es ist also weniger eine Biografie, sondern eine Wirkungsgeschichte, die zu Offenbachs Lebzeiten einsetzt und bis in die jüngste Vergangenheit reicht. Die Bilder von Aufführungen in Japan, der Sowjetunion oder den Vereinigten Staaten sind atemberaubend.

In seinen Analysen weist Senelick nach, dass er die vielen neuen Ansatzpunkte rund um Offenbach und Operette zur Kenntnis genommen hat: von Gender Studies bis zu postkolonialen Rassismusdebatten und LGBTIQ-Interpretationen ist so ziemlich alles dabei, was mein Herz begehrt. Ich habe das Buch verschlungen und den Preis nicht bereut. Und davon nachstehend mehr beim Interview mit dem Autor.

 

Zu Offenbach gibt es weiterhin von Peter Hawig und Anatol Stefan Riemer das Buch Musiktheater als Gesellschaftssatire. Also  Die Offenbachiaden und ihr Kontext (“Musiktheater als Gesellschaftssatire. Die Offenbachiaden und ihr Kontext” von Peter Hawig and Anatol Stefan Riemer/ Musikverlag Burkhard Muth, 2018/ 565 Seiten, 60 Notenbeispiele, ISBN 978-3-929379-46-4, 68 Euro). Fangen wir diese Rezension doch einfach von hinten an. Der letzte Satz in Peter Hawigs neuer Studie zum Offenbach-Jubiläumsjahr 2019 lautet: „Denn Offenbach macht glücklich.“ Damit meint er die unmittelbare Wirkung der Musik. Denn: „Keine noch so tiefschürfende musikalische oder Diskurs-Analyse, keine noch so sorgfältige historische, biographische oder komparatistische Verortung kann den Genuss der Musik, die unmittelbare Freude am Bühnenereignis ersetzen.“

Das mag stimmen. Allerdings sind viele Bühnenereignisse und viele rein akustische Offenbach-Erlebnisse stark davon geprägt, was sich Interpreten unter ‚Operette‘ eigentlich vorstellen. Und somit ist es auch theaterpraktisch relevant, was Forscher wie Peter Hawig und seine vielen ‚Zöglinge‘ in Umlauf bringen. Denn es macht im Idealfall neugierig, sich Jacques Offenbach und seinem einzigartigen Musiktheater mit neuem Blick zu nähern und es entsprechend neu aufzuführen.

“Musiktheater als Gesellschaftssatire. Die Offenbachiaden und ihr Kontext” by Peter Hawig and Anatol Stefan Riemer (Musikverlag Burkhard Muth, 2018)

Dass das dringend nötig ist, findet übrigens auch Peter Hawig selbst, der immer wieder die Art der aktuellen Aufführungspraxis beklagt. Er will eine andere Form der Offenbach-Pflege, und er möchte damit verbunden auch ein anderes Offenbach-Bild in unseren Köpfen erzeugen. Vor zehn Jahren hat er die Essays von Robert Pourvoyeur „zur Rehabilitierung eines Komponisten“ übersetzt und herausgegeben beim Musikverlag Burkhard Muth. Dort sind auch viele Bücher von Hawig-Jüngern erschienen, die ein ähnliches Rehabilitationsziel verfolgen. Aber auch Hawigs eigenes Die Offenbach-Renaissance findet nicht statt von 2014 zielt in diese Richtung. Und jetzt liest man in Musiktheater als Gesellschaftssatire. wieder: „Die eigentliche Zeit der Offenbachiade scheint noch immer nicht gekommen zu sein.“

Als würden wir auf diesen Tag X warten wie andere auf den Messias oder das Jüngste Gericht, an dem endlich die Spreu vom Weizen getrennt wird, was in Hawigs Weltsicht bedeutet: die vielen schrecklich-kitschigen (und unwerten) Operetten des 20. Jahrhunderts versinken im Orkus und Offenbach steigt wie ein Phönix auf und regiert allein. Und zwar nicht nur mit seinen satirisch-parodistischen „Offenbachiaden“, sondern auch mit seinen ‚richtigen‘ und ‚vollwertigen‘ Opern. Denn Offenbachs Operettentheater auf eine noblere Opéra-comique-Ebene zu heben und Offenbach zum Spielopernschöpfer zu (v)erklären, das ist auch in diesem Buch das Ziel hinter den Analysen von Erinnerungsmotivik und Harmonik in der Einzelauseinandersetzung mit 13 Werken, die Hawig als „Offenbachiaden“ bezeichnen möchte. Auch sie sind – u.a. wegen der Erinnerungsmotivik – fast so wertvoll wie die Spielopern, findet Hawig.

Es ließe sich jetzt viel sagen zum Versuch des Autors einer Definition der „Offenbachiade“, den ich persönlich peinigend banal finde („ein erkennbarer Bezug der Handlung zur gesellschaftlichen Aktualität“ oder „Satire auf den kaiserlichen Staat“ bzw. „eine rauschhafte Beschwörung des Weins, des Tanzes und des Eros“).

Besonders mit Eros als zentralem Element des Offenbach-Theaters setzt sich Peter Hawig ungern auseinander. Dass in nahezu allen zeitgenössischen Kritiken – die man seit 1999 recht leicht nachlesen kann in dem Sammelband Offenbach und die Schauplätze seine Musiktheaters – von der „entsittlichenden Wirkung“ seiner Stücke gesprochen wird, dass es um „Exzess“ und „Derbheit bis zum Äußersten“ geht, um die „Verletzung von Dezenz“ und „Gefährdung der allgemeinen Moral“, dass genau diese Aspekte die Grundelemente für den spektakulären weltweiten Erfolg Offenbachs waren (Laurence Senelick schreibt in seiner neuen Buch „Like ‚French,‘ ‚Offenbach’ could be applied as shorthand for a range of eroticized performances“), wird von Hawig weiträumig umschifft.

Offenbach: Poster depicting can-can dancers by Henri de Toulouse-Lautrec, 1895/ Wiki

Am sinnfälligsten wird das in seinem Kapitel „Offenbach in der Belletristik“. Da wird eine eindrucksvolle Zahl von Werken angeführt, von Thomas Manns Buddenbrooks und Zauberberg bis zu Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, aber auch portugiesische Romane wie Os Maias, O Primo Basilio, O Mandarim, A Tragédia de Rua das Flores von José Maria Eça de Queiroz. Auch Karl Kraus‘ Die letzten Tage der Menschheit werden erwähnt sowie Wolfgang Quetes Frère Jacques über Offenbachs Bruder Jules. Was man jedoch vergebens sucht ist eine Erwähnung von Émile Zolas Nana – ein Roman, aus dem immerhin Ralf-Olivier Schwarz in seinem neuen Buch Jacques Offenbach. Ein europäisches Porträt (Böhlau Verlag) ausführlich zitiert im Kontext der Theater, in denen Offenbach aufgeführt wurde. Während Schwarz Nanas berüchtigte Nacktheit auf der Bühne und die Abgründe der Gier“ weglässt, die sie bei den Zuschauern aufreißt, weil sie ihm (erstaunlicherweise) für eine Diskussion von Offenbachs Musiktheater unwichtig erscheinen, so lässt Hawig den Roman einfach ganz weg. Vermutlich weil ihm die dort geschilderte Form von Aufführungspraxis nicht ins „Veredelungskonzept“ passt – und weil Offenbach bei Zola nicht namentlich genannt wird. Obwohl ziemlich klar ist, wer gemeint ist und worum es geht, was auch Selenick bestätigt; und zwar inklusive Nacktheit und Abgründen der Gier. (Vielleicht sind anglo-amerikanische Forscher da einfach aufgeklärter, als die deutschen Hochschulkollegen?)

Während mich die Uninspiriertheit der Werkanalysen von Hawig und Riemer schon reichlich irritiert hat (da ist Volker Klotz auf einem ganz anderen intellektuellen und sprachlichen Niveau), so gibt‘s doch einen echten Knaller aus Seite 489, den ich wie einen Todesstoß empfunden habe. Denn nachdem Hawig die Wiener Offenbachiade-Versuche von Johann Strauss (Der lustige Krieg und Fledermaus) mehr oder weniger abgewatscht hat, kommt er zu diesem Statement: „In einigen bedeutenden Hervorbringungen aber kann die Wiener Operette den Anspruch als Nachfolgerin der komischen Oper Lortzings oder Nicolais durchaus einlösen.“ Es geht hierbei um Suppés Boccaccio, Millöckers Bettelstudent und Genées Nanon, die Wirtin vom Goldenen Lamm.

Offenbach: “La loge de Madame Hortense Schneider” 1873. Painting by Edmond Morin/ Wiki

Dass Hawig an dieser Stelle mehr oder weniger wortwörtlich die nationalsozialistische Operettenideologie zitiert (ohne das entsprechend auszuweisen oder zu problematisieren), finde ich schockierend. Bei Hans Severus Ziegler (Macher der Ausstellung „Entartete Musik“) heißt es 1939 in Reclams Operettenführer, dass man die „geschmackvolle und musikalisch kultivierte Operette älterer und neuer Zeit“  (natürlich von „arische[n] Operettenkomponist[en]“) mit den „komische Spielopern“ Lortzings kombinieren solle. Denn deren „Leichtigkeit und wirk­lich[e] Humorigkeit“ sei geeignet zur „geschmacks­bildend[en] Erziehung des Publikums, dessen Stilgefühl und Sinn für Unter­haltung nicht weiter verflachen“ dürfe.

Eine entsprechende EMI-Gesamtaufnahmenserie aus den 1960er- und 70er-Jahren von Lortzing und „klassischen“ Operetten mit den gleichen Solistenteams ist bis heute im Umlauf, inklusive Offenbach-Aufnahmen. EMI hat sich da auch in Frankreich entsprechend hervorgetan mit Operettenaufnahmen, mit den gleichen Sängern, mit denen auch Opéras comiques in Serie eingespielt wurden.

In dieser einen Nebenbemerkung lässt sich für mich das Problem des ganzen Buchs zusammenfassen: Offenbach soll letztlich auf Lortzing- und Spielopernniveau gehoben werden. Was in völliger Verkennung dessen steht, was die Singularität von Offenbachs Welterfolg einst ausmachte und möglicherweise heute neuerlich ausmachen könnte.

Offenbach: Hortense Schneider im Kostüm der Grande-Duchesse de Gerolstein/ Wiki

Was heißt all dies? Der neue Band in der Reihe der Jacques-Offenbach-Studien des Musikverlags Burkhard Muth wird als recht unattraktiv verpacktes Buch in die diversen deutschen Universitätsbibliotheken wandern und da vermutlich wenige Studierende der Musik- und Theaterwissenschaft zu einem neuen Umgang mit Offenbach inspirieren. Was schade ist. Hoffen wir mal, dass die Bibliotheken das Cambridge-University-Press-Buch von Laurence Senelick vorrätig haben. Das ist zwar teurer, aber bietet mehr sprachlichen Schliff, mehr Bilder und mehr aufregende Fakten. Davon könnte sich die deutschsprachige Offenbach-Forschung insgesamt eine Scheibe abschneiden, statt ewig auf der „Rehabilationsschiene“ im Kreis zu kurven. Volldampf voraus in eine neue Richtung fände ich lohnender. Die entsprechenden Stichpunkte sind durchaus im Umlauf und wurden auch bereits von einigen Regisseuren und Sängern mit Erfolg aufgenommen, etwa von Dirigent Adam Benzwi, der mit Regisseur Max Hopp eine Annäherung an Die Prinzessin von Trapezunt versucht: ganz ohne Lortzing- und Nicolai-Konnex. Dafür mit dem knackigen Musicalstar Jan Rekeszus, der Abgründe der Gier aufreißen kann, egal ob er nun nackt auftritt oder nicht! Kevin Clarke / Operetta Research Center Amsterdam

 

Viel Positives könnte ich von Ralf-Olivier Schwarz’ Jacques Offenbach: Ein europäisches Porträt im Böhlau Verlag (ISBN 9783412512958)  nicht wirklich behaupten. Es zeichnet ganz klassisch den Werdegang Offenbachs nach: von Köln nach Paris, dann zurück und weiter nach Wien und Bad Ems. Abgesehen von einigen schönen Zitaten aus Offenbachs Privatkorrespondenz an seine Geschwister und Kollegen war in dem Buch wenig, was nicht schon 1969 von P. Walter Jacob abgedeckt worden wäre. Der allerdings definitiv die besseren Bilder hat.

Was Schwarz stattdessen neu liefert sind recht ausführliche Inhaltsangaben von vielen Stücken, so dass man immer weiß, was in den Werken, von denen er spricht, passiert. Aber was diese Werke besonders macht – und warum sie trotz der teils einfachen musikalischen Struktur – in den höchsten Gesellschaftskreisen Europas solch eine Wirkung entfalteten, das diskutiert Schwarz nicht. Für ihn sind es (fast) immer geniale Kompositionen; mehr muss man nicht wissen, mehr scheint ihn nicht zu interessieren.

Er zitiert recht ausführlich Zolas Nana, das Kapitel in dem eine Operettenaufführung im Théâtre des Variétés beschrieben wird. (Der Ort, wo die großen Offenbachiaden Schöne Helena und Großherzogin von Gerolstein uraufgeführt wurden mit Hortense Schneider, das Theater, wo der Prince of Wales La Snédèr in ihrer Garderobe aufsucht, was bei Zola im Detail geschildert wird und wenige Fragen offen lässt.) Aber Schwarz‘ Zitieren endet dort, wo Zola ausmalt, was die eigentliche Wirkung von Nana ausmacht: nämlich ihr unverschämter Nacktauftritt, der die Männer im Publikum „mit Wahnsinn schlägt“ und „Abgründe der Begierde aufreißt“. Dazu gibt es in Offenbach und die Schauplätze seines Musiktheaters historische Quellen, die belegen, dass Zola nicht frei fantasiert hat. Schwarz lässt auch die Zola-Passage weg, in der der Direktor des Théâtre des Variétés sagt, an seinem Haus gehe es nicht um „Kunst“, vielmehr sei das Theater „ein Bordell“. Dazu hat Laurence Senelick in seinem Essay „Sexuality and Gender“ in der Reihe The Cultural History of Theatre in the Age of Empire 2018 ebenfalls ausführlich publiziert: von den Verträgen, die Schauspielerinnen verpflichteten, mit Besuchern zu schlafen, vom Zurschaustellen von Körpern, von Prostitution und von den Auswirkungen all dieser äußeren Umstände auf das musikalische Unterhaltungstheater.

Bei Schwarz wird das alles weggelassen. Offenbach ist der liebe nette sympathische Familienvater, der zwar gern ohne Ehefrau auf Reisen geht. Aber dessen Seitensprünge nicht weiter von Belang sind, wenn’s darum geht, seine Bedeutung als Komponist zu beurteilen. Die Erkenntnisse von Carolyn Williams aus Gender, Genre, Parody zur Parodieoperette und Modernität des Resampling-Verfahrens lässt Schwarz gleichfalls unerwähnt. Was Offenbach eigentlich genial macht, was Operette so erfolgreich macht, was das eigentlich Neue an dem Genre à la Offenbach ist oder warum Offenbach-Diven exorbitante Gagen bekamen, weit über dem Durchschnittseinkommen für Schauspielerinnen in der Zeit (wie bei Senelick nachzulesen) … dazu hat Schwarz nichts zu sagen, gar nichts.

Jacques Brindejont-Offenbach: Mein Großvater Offenbach/ Henschel Verlag

Stattdessen wird recht ausführlich aus dem 1940er Erinnerungsbuch von Offenbachs Enkel Jacques Brindejont-Offenbach zitiert (Mein Großvater Offenbach), ohne jemals zu hinterfragen, wie verlässlich dessen Beschreibungen eines harmonischen Familienlebens sind, von dem er bestenfalls durch Hörensagen wusste. Es muss wohl nicht extra erwähnt werden, dass solche Familienerinnerungen eines Enkels niemals verlässliche Quellen sein können, besonders dann nicht, wenn Yon das genaue Gegenteil nachgewiesen hat: damit ist nicht gemeint, dass Offenbach kein guter Familienvater gewesen sei, sondern dass er sein Leben schlicht in mehrere Sphären einzuteilen wusste, die sauber getrennt blieben. Und die Trennung ist für seine Karriere nicht unerheblich, somit also auch von Bedeutung für die Beschreibung seines Oeuvres. Eine Analyse – oder zumindest Erwähnung – solcher Mehrschichtigkeit sucht man bei Schwarz vergeblich. Die explizit „europäische“ Dimension von Offenbachs Leben übrigens auch.

Ralf-Olivier Schwarz ist als Experte beratend beteiligt an den umfangreichen Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag, bestehend aus vielen Aufführungen in Köln von seltenen und verschollen geglaubten Stücken von Offenbach und seinem Umfeld, dazu gehört auch das Singspiel Esther, Königin von Persien von Vater Isaac Offenbach. Das ist wunderbar und superspannend. Es ändert aber nichts daran, dass ich persönlich die Biografie viel zu brav fand: brav im Sinn von Weglassung von allem, was irgendwie „provozierend“ sein könnte.

Aber Offenbachs Musiktheater war für die Zeitgenossen eine Provokation. Darüber hat u.a. Patrick O’Connor ausführlich im Opera-Rara-Booklet zu Vert-Vert (ORC 41) geschrieben, wo er dokumentiert, dass Offenbachs Ausflüge an die Opéra Comique vor allem deswegen scheiterten, weil das bürgerliche Publikum um den Ruf und die Heiratschancen seiner Töchter fürchtete, wenn sie in einer Offenbach-Aufführung gesehen würden. Das gleiche beschreibt auch Offenbach-Darstellerin Emily Soldene in My Theatrical and Musical Recollections mit Bezug auf die Auftritte von Hortense Schneider 1870/71 als Großherzogin von Gerolstein in London. Das Theater war halb leer, weil das bürgerliche Publikum von Schneiders derber Darstellungsform entsetzt war und um die „Sittlichkeit“ der Familienangehörigen fürchtete, während der Adel und Hochadel in den teuren Logen saß und applaudierte. Ihnen war egal, was die Welt von ihnen dachte; sie konnten es sich leisten, unsittlich zu sein.

Auch was die politische Dimension Offenbachs ausmacht bleibt bei Schwarz vage. Da ist ein gleichfalls neues Buch von Alan Strauss-Schom deutlich ergiebiger, nämlich eine Biografie von Napoleon III. Unter dem Titel The Shadow Emperor (St. Martin´s Press,ISBN-10: 9781250057785) erfährt man viel zur Welt des Zweiten Kaiserreichs und viel zu jenen Personen, die Offenbach protegierten, allen voran Napoleons Halbbruder, der Graf von Morny. Ich war wirklich gefesselt von den Fakten, die Strauss-Schom zu Morny ausbreitet, weil sie verständlich machen, wieso Offenbach unter Mornys Schutz diese Form von Theater überhaupt an der Zensur vorbeibekam und wieso Mornys Freunde aus dem Jockey Club und Kaiserhaus ins Offenbach-Theater stützten. Vor Jahren hatte bereits Regisseur Istvan Szabo im Film Offenbachs Geheimnis gezeigt, dass Morny der eigentlich Strippenzieher hinter all den politischen Anspielungen und Witzen bei Offenbach ist. Nach Lektüre von Strauss-Schom scheint mir das absolut plausibel. Ralf-Olivier Schwarz erwähnt Morny kaum; und dass der Graf der Patenonkel von Offenbachs einzigem Sohn ist, erscheint Schwarz auch nicht besonders diskussionswürdig.

Wer historische Hintergründe zu Offenbach will, sollte sich also an Strauss-Schom halten, dessen Buch ein eigenes Offenbach-Kapitel enthält. An Yon kommt eh niemand vorbei, wobei es tragisch ist, dass dieses Buch bislang nicht ins Deutsche oder Englische übersetzt wurde. Für 2019 ist auch keine entsprechende Ausgabe in Sicht.

Wer einen Überblick über die wichtigsten Stationen von Offenbachs Leben sucht, ist bei Schwarz genauso richtig wie bei der rororo-Monographie von 1969. Wer ausführlichere Inhaltsangaben von unbekannten Werken sucht, findet sie auch bei Heiko Schon in dessen neuem Buch Jacques OffenbachMeister des Vergnügens, inklusiver einiger interessanter Verweise auf Plattenaufnahmen (s. operalounge.de)

Man könnte sagen: Zu Offenbach und 2019 ist das finale Wort noch nicht gesprochen. Ich bin gespannt, was für Bücher noch herauskommen werden. Nachdem ich unlängst eine Schöne Helena-Aufführung mit Studierenden der UdK Berlin sehen durfte, habe ich jedenfalls Bonnie Gordon nochmals aus dem Regal geholt, neu gelesen und mich gefragt, wie rassistisch eigentlich die EMI-Aufnahme der Belle Hélène mit Jessye Norman ist? Da führt dann eins zum anderen … und letztlich führt alles zu Themen, die heute weltweit heiß diskutiert werden und in deren Kontext man auch Offenbach und Operette sehen kann bzw. sollte. Es sind aber genau die Kontexte, von denen Schwarz nicht spricht. Ich persönlich finde das sehr enttäuschend, andere wiederum finden es vielleicht beruhigend im Sinn einer gewissen Retro-Nostalgie. Kevin Clarke / Operetta Research Center  (Foto oben: Jaques Offenbach fotographiert von Nadar, um 1860/ Wikipedia)

 

Und nun zum Interview mit Autor und Offenbach-Fachkraft Laurence Senelick: Das Offenbach-Jahr zeitigte im Vorfeld viele, wenn auch nicht all zu viele Aktivitäten der Erinnerung. Hannover und Paris brachten den Roi Carotte heraus, zahllose Hoffmänner erblichten das Licht der Theater, in Strasbourg gab es den unbekannten Bartouk und manches mehr an deutschen wie europäischen Bühnen. Heiko Schons neues Offenbach-Buch wurde in operalounge.de rezensiert (nebst einem Interview mit dem Autor)  und ORCA, das Operetta Research Center Amsterdam in Gestalt von Leichte-Muse-Fachmann Kevin Clarke sprach auch mit Laurence Senelick über dessen neues und oben erwähntes Buch “Jacques Offenbach and the Making of Modern Culture” bei Cambridge University Press (ISBN  9780521871808). Wir freuen uns, dieses Interview „nachzudrucken“, das bereits auf der ORCA-website nachzulesen ist. Auch wir lieben Offenbach, und danken beiden Beteiligten. Nachstehend also Kevin Clarkes Interview mit Professor Selineck, in English of course. G. H.

 

At long last someone has written a brand new Offenbach book – in English. And what’s even better, it’s a great book full of historical facts mostly overlooked (or ignored) by the English language operetta world; they certainly don’t pop up in books such as Richard Traubner’s well-known Operetta: A Theatrical History. Laurence Senelick paints a much more ‘gritty’ and ‘sexually charged’ picture of the genre and how it started in Paris and Vienna in the 1850s, asking what made operetta so revolutionary – and what made Offenbach so incredibly successful. The title of the new book is Jacques Offenbach and the Making of Modern Culture, published by Cambridge University Press in the wake of the bicentenary of Offenbach’s birthday 2019. Mr. Senelick has also recently published the essay “Sexuality and Gender” in The Cultural History of Theatre in the Age of Empire“, edited by Peter Marx (im Verlag Methuen Drama;  ISBN 97814725858449);  it too deals expansively with Offenbach in Paris, London, and New York City. Laurence Senelick is Fletcher Professor of Drama and Oratory at Tufts University and a Fellow of the American Academy of Arts and Science. He has agreed to give the Operetta Research Center an exclusive interview about his work on Offenbach – and his personal take on operetta. (Und wir von operalounge.de danken für die freundliche Genehmigung zur „Übernahme“)

 

Offenbach: Laurence Senelick “musing.” (Photo Private)/ ORCA

After many (award winning) books on Russian theater (Gordon Craig’s Moscow ‘Hamlet’) or queer themes such as The Changing Room: Sex, Drag, and Theatre, you have now devoted yourself to Jacques Offenbach and “The Making of Modern Culture.” What attracted you to Offenbach’s 19th century world of opéra bouffe? What was the initial impulse to delve into such an enterprise, as Professor of Drama and Oratory? I have to approach this question from two directions: the personal and the professional. First, as a child I was a great Gilbert & Sullivan fan and knew the Savoy operas virtually by heart. But as I matured, I realized that there was at least one fundamental element of human nature absent in those works – sexuality, indeed any kind of passion. This was provided in some small way by the Viennese school (one of the first LP albums I bought was the Schwarzkopf Lustige Witwe), but what was appealing about Offenbach was his lack of sentimentality. In addition, he reveled in nonsense, as did I. My first experiences of Offenbach in performance were uneven: the appalling Met Périchole on tour, the film of Tales of Hoffmann, a delightful conservatory staging of Ba-Ta-Clan, but I collected whatever I could on vinyl. The scarcity and the relative obscurity of Offenbach were tantalizing.; it too deals expansively with Offenbach in Paris, London, and New York City. Laurence Senelick is Fletcher Professor of Drama and Oratory at Tufts University and a Fellow of the American Academy of Arts and Science. He has agreed to give an interview about his work on Offenbach – and his personal take on operetta.

Now as to professional interests: I was among the first wave of American scholars to make a serious study of popular entertainment of the past and then one of the first to explore gender and sexuality in performance. Offenbach sits at the nexus of these phenomena. Moreover, he was turning into a Zelig. Wherever I looked, at European performers in Japan or theatre in the concentration camp, there was Offenbach. I kept expecting that others would catch on to his ubiquity, but, despite biographies and monographs on individual aspects, no one had tried to pull together all the threads of his influence throughout the world. I had already done something like that for Chekhov, and decided it was incumbent upon me, with his bicentenary looming, to make Offenbach’s wider significance apparent – and in the process share my enthusiasm.

Offenbach: Die drei Helenen three famous Helenas in Vienna, in the 1860s, showing their legs to attract male audiences/ ORCA

What were/are the reactions of your colleagues at Tufts University or elsewhere to an operetta enterprise like this? My colleagues in the Drama and Dance Department had no idea what a study of Offenbach might entail, but for a long time we have offered courses in musical theatre. Barbara Grossman’s class in the American musical is extremely popular, and for many years I taught a workshop in Cabaret, which, in addition to studying the history and varieties of the form, presented a public cabaret as its final project. In the Music Department, opera experts were cheer-leaders from the start, and found opportunities for me to present my research to opera study groups. I have lectured on Offenbach not only at Tufts, but at Harvard, Stanford, the American Society for Theatre Research, the University of Cologne, Queen’s University, Belfast, and the Ludwig-Maximilian University in Munich. In every case, my audiences confess to a revelation: they had never before realized how important or how all-pervasive Offenbach is.

While there have been endless scholarly publications on Offenbach in German, over the past decades, and while there has been a lot of new material published on operetta in general, the English language output has been limited. Your book is the first on Offenbach in a long while, and it’s coming out at Cambridge University Press. Why do you think there have been so little English language publications? Has the revival and re-appreciation of operetta, that can be noted in Germany, not reached the English speaking theater world or academia? Actually, for a long while, there was a tendency in German academe to sideline comic opera as “Triviallliteratur.” Nevertheless, Offenbach has retained a place on the German-speaking stage longer and more prolifically than in English. So German and Austrian readers may be more familiar with his music. Because of his hybrid nature – a Jew from Cologne who seemed to straddle French and German cultures comfortably – he fits more neatly there. The centrality of Offenbach studies in Bad Ems is also relevant. Anglophone cultures think of operetta largely as Gilbert & Sullivan (Strauss and Lehár are exotics), who evolve easily into musical comedy. Only within the last decade or so has “light opera” caught the attention of academics here, and usually in terms of global or transnational theatre trends. Another problem is the notorious reluctance of Americans to master foreign languages: Offenbach is best appreciated in French, and to study him one has to have German as well. Finally, as I note in my foreword, scholarship has, until recently, tended to shrink from anything wildly comic or unabashedly anarchic.

You say that the current “general impression” most people have of Offenbach is “based on misinformation.” And that the cliché image of Offenbach “hardly does justice to a virtuosic and original musical genius.” What is that “standard Offenbach image,” and how to you try to set the wrong image straight in your book? My statement of the “general impression” of Offenbach was overly generous. Whenever I told an average educated theatre-goer that I was writing a book about Offenbach, the reaction was a blank look. Either the name meant nothing to him or he had heard of Tales of Hoffmann. Some could identify the cancan.

President Grant and Jim Fisk watch La Perichole Fifth Avenue Theater in New York, 1869. Illustrated Police Gazette. (Laurence Senelick, Jacques Offenbach and the Making of Modern Culture“ 2018/ ORCA

So my book had first to inform and only then to correct. However, I didn’t want to write another biography or retail the standard anecdotes. I used the Introduction to indicate aspects of Offenbach relevant to the “making of modern culture,” and the first chapter to sketch the outline of his French career, with later chapters filling in other aspects. Part of my “basic strategy” is to demonstrate his omnipresence in all sorts of cultural manifestations throughout the past century and half. He’s been there all along, but overlooked.

You describe, at length, some of the prima donnas who performed Offenbach shows originally, and made them international successes. You point out that they earned exception salaries with roles such as Genevieve, Hélène, Grand-Duchesse or Périchole. (Up to $ 1,200 monthly, paid in gold, while the average leading actress in the best dramatic theaters were paid $ 50 a week!) What characterized the performances of original divas such as Hortense Schneider, Emily Soldene, Marie Geistinger, Léa Silly, or Julia Matthews? How do they fit the widespread US notion of “operetta,” as laid out by Richard Traubner in Operetta: A Theatrical History, where we read in the 2003 update that the genre is about “flowing champagne, ceaseless waltzing, risqué couplets, Graustarkian uniforms and glittering ballgowns, romancing and dancing! Gaiety and lightheartness, sentiment and Schmalz”? Traubner’s characterization applies far more accurately to Viennese operetta than to Offenbach who is low on waltzes, sentiment and Schmalz. Nor does it apply in general to opéra bouffe or opéra comique, Offenbach’s chief genres. Cambridge University Press asked me to delete 100 pages from the manuscript of my book. In the process, whole sections that dealt with the careers of individual divas such as Josefine Gallmeyer and Anna Judic had to go by the board. Of Offenbach’s favorites, Lise Tautin was puckish, Zulma Bouffar saucy, Hortense Schneider suggestive. He tailored roles to their personalities. Outside France, the leading ladies often felt free to be far more daring and come-hither. Even there, however, there is a wide range: Dévéria was alluring, Emily Soldene matey, Lillian Russell stately. High-end critics often evaluated them first on their vocal ability, and then on their “personal” qualities: looks, charm, comic spirit, élan. In the 1860s and ‘70s, outside of France, there was usually comment on the level of innuendo, vulgarity or sex appeal they projected. Standards of beauty change rapidly, but if one examines the portraiture of Offenbach’s leading ladies, at least in the 19th century, they are buxom rather than svelte, with well-proportioned limbs and generous bosoms. This well-upholstered physique was the norm, however, and didn’t change until the 1920s (I mention how the opulent Lillian Russell was supplanted by the trim Edna Wallace Hopper.)

Offenbach: Hortense Schneider en folie, portrait by Alexis Pérignon/ Wiki/ ORCA

You quote a great many historical sources – from all over the world – that describe Offenbach’s theater as “only suited for a limited section of the public.” That section being: “dissolute young ‘gents’ and battered old rakes.” (The Theatre, November 1878.) Would you say that this “sexual” aspect of 19th century operetta is important for understanding the immediate popularity of the new genre? And is this “sexually liberated” form of musical theater unique, and maybe modern, from the perspective of today’s “generation porn”? One of the most important developments in theatre history after the Second World War was RezeptionsgeschichteNo theatrical form can be understood without a study of the public at which it was aimed. Offenbach was keenly alert to the tastes of his audience(s), which is why his style altered from the 1850s into the 1870s. Unlike Wagner with his Music of the Future, Offenbach believed that music was for the here and now, the present moment. However, even if he catered to his public, he did not pander. True, a great many playgoers were men about town eager to ogle an ankle (this was the case as well with the ballet and grand opera); but the audience was also packed with musical connoisseurs, persons of taste and judgement, and the best brains of the society. Much of the moral opprobrium expressed in 19th-century criticism is deliberately overstated. In writing his music and planning his effects, Offenbach attended to the old adage, “Perform for the smartest person in the room.” He sought not simply to titillate but to liberate the public from convention and social restrictions.

Even though there are so many quoted articles from the German research world, one article that explicitly deals with Offenbach and sex is absent: “The Birth of Operetta from the Spirit of Pornography,” included in the catalogue of the Theater Museum Vienna for its exhibition Welt der Operette/World of Operetta (2012). Did you not want to discuss “pornography” in your book? Did you find it unsuitable or unserious? (And I’m not just asking this because I wrote the essay.) I regret that I was unfamiliar with your article and the catalogue in question. By 2012 I had accumulated two decades’ worth of material, which need to be sorted and evaluated; so I decided to be highly selective in anything new I consulted. I was not by any means avoiding a discussion of pornography. A glance at my bibliography, including my contributions to The Dictionary of Erotic Literature, will indicate that I have written a great deal on sex, homosexuality, pornography and cross-dressing in the theatre over the course of forty years. I published the first anthology on gender in the performing arts and translated (from the Dutch) the first “coming-out” play.

In the case of Offenbach, I thought it more important to rehabilitate him as a satirist and absurdist, in hopes of awakening interest among musicologists, cultural historians and, most important, opera companies. In his lifetime and afterwards, the composer was often dismissed precisely because of his so-called licentiousness. I thought that, by quoting so many censorious appraisals, I made that facet abundantly and proportionately clear. Perhaps touting him as a pornographer might evoke more interest, but I don’t believe he was one – after all, a pornographer has only one goal, to arouse sexually. What’s more, pornography is best consumed individually or in the dark, whereas eroticism can be shared in a public arena. I deplored the blatant sensationalism of certain current productions, because some contemporary opera directors are prone to coarsen and distort the works they stage in search of shock effects. In any case, in my book Offenbach is praised throughout as a liberator from convention and tradition, including their sexual manifestations.

Zu Offenbachs „Fées du Rhin“: Aubers „Lac des Fées“/ Illustration/ Gallica BNF

You describe, at length, how Offenbach (and operetta) transitioned “from paragon of prurience to a good outing for the kiddies.” How and why did such a transition happen? And why has it never been reversed, especially after the second sexual revolution of the 1960s/70s? Wouldn’t a re-focus on Offenbach’s “prurient” side be far more rewarding that positioning him as a “timeless classic,” as a “Mozart of the Champs Elysées”? Are younger people incapable of even imagining such a side in operetta, even if the information is given to them quote by quote (as you do in your book)? That particular transition refers only to London in the 1880s and ‘90s, when anodyne opéra-comiques such as Mme Favart were most popular. Even now Offenbach is not considered suitable for Christmas matinees. Barbe-bleue cannot be turned into Hänsel und Gretel.

I have addressed some of these issues in the previous answer. I can hardly believe that my book plays down the prurient side of Offenbach; chapter after chapter reports on condemnations of his work as ranging from titillating to downright filthy.

The sexual revolution of the 1960 and ‘70s devised its own music, particularly the rock opera, to express its passion. The Rocky Horror Show is a kind of Orphée aux enfers for that generation. When contemporaneous attitudes to sexuality are injected into musical theatre of the past, the idea is to regenerate familiar classics in the often mistaken belief that this makes them more accessible to modern audiences (e.g., La Traviata set in an AIDS ward). Offenbach, except perhaps for Hoffmann, is too little known to benefit from radical reinterpretations. (One extreme exception was the Josephine Baker La Créole, but that was a star vehicle.)

Besides, in our blasé era, the forbidden thrill spectators of 1865 might get from a shapely leg or a naughty pun is hard to recreate. I think more appealing sides of Offenbach for young people might be his disrespect for authority, his reversal of values and his trajectory towards chaos.

Offenbach leading ladies clockwise from top left Marie Garnier in „Orphée aux enfers“, Zulma Bouffar in „Les brigands“, Léa Silly (role unidentified), Rose Deschamps in „Orphée aux enfers“/ OBA

You devote an entire sub-chapter to Emile Zola’s novel Nana (1880) which you describe as “the most obsessional attack on La belle Hélène,” driven by “jealousy” and detestation of the Second Empire. Yet, what Zola describes as back-stage activity matches many of statements about Offenbach and the close association of operetta with the demi-monde. It also matched, 1:1, what we read in encyclopaedias such as Meyer’s Conversations-Lexikon 1877, where there’s more or less the same description of Offenbach as in Zola’s novel. Should we not take Zola’s description of the theater scene in Paris 1860 more seriously? And if we do, what can we learn about the original impact of operetta? (And operetta theatres as brothels? Isn’t such a re-appropriation of venue similar to modern day pop concerts?) Zola prided himself on being a documentarian who got his facts right; but he also claimed to be an objective observer, which is not at all the case. Besides describing what he sees, he is attempting to make operetta a symbol for the corruption of the Second Empire, and that is to overstate the case. Zola’s distaste for opéra bouffe (not just Offenbach) has to do with the French hierarchy of artistic values. Zola was trying to promote fiction as a branch of science and naturalism as the best approach to drama; the popularity of operatic burlesque detracted from that effort.

In his novel “Nana”, Emile Zola describes a “Belle Hélène” performance that is only slightly veiled as “The Blonde Venus”. Zola makes it very clear why the original diva attracted such attention, and caused such a sensation. As to the Conversations-Lexikon, German treatments of Offenbach after the Franco-Prussian War are invariably denunciatory, if not downright anti-Semitic (which is why Nietzsche is such an outlier). Many moralists condemned all performances other than serious dramatic offerings as licentious and demoralizing. Yes, there were playhouses exclusively dedicated to“pièces à femmes” whose only function was to serve as a bordello showroom, but even they were not pornographic in the modern sense. (Pornographic performances took place only in brothels or as puppet-shows for invited guests.)

Yes, operetta theatres projected sexuality from the stage, but as a by-product of the music and entertainment they purveyed, not as the primary function.  I don’t see pop concerts as an analogue because they stimulate audience participation. However, Dionysian the galop at the end of Orphée, it neither requests nor requires dancing in the aisles.

You trace Offenbach performances around the world. One surprising chapter deals with Offenbach’s operettas being performed in the Arab world. From today’s perspective it seems almost unthinkable that someone like Hortense Schneider as a semi-nude Helen could appear in a Muslim country, by invitation of the state leader. What happened, what’s the story here?  In fact, although the Khedive wanted Schneider to inaugurate his theatre, it was Céline Montaland, a somewhat more subdued performer, who premiered Offenbach in Cairo. One has to remember that the Ottoman Empire was not fanatically religious, and that Ismail Pasha was a Westernizer who had fallen in love with Paris and its pleasures.

Offenbach: Emily Soldene as Offenbach’s Helena./ ORCA/ Gänzl

We don’t know how Hélène was costumed at that performance, but in any case the Arab audience would have viewed this as something Other. It is noteworthy that the Egyptians in the audience wore Western formal dress, so that the whole occasion was removed from everyday life. And once the Khedive was deposed, the operetta theatre was closed, ending this chapter. Later versions of Offenbach were thoroughly assimilated to Arab culture.

In your final chapter, you discuss recent model performances and influential recordings. You name Felicity Lott and Frederica von Stade as “accomplished artists” who have “devoted themselves to perfecting the Offenbach style.” Considering that Lott and von Stade are both classic opera singers, coming from Mozart and Richard Strauss, how does their singing compare to the style of Offenbach’s original prima donnas? Is it really the “right” style for Offenbach to have such artists interpret his music/roles? And if Lott/von Stade are “perfecting the Offenbach style” for current listeners, why is Jessye Norman as Hélène “a misguided attempt to titivate the operas”? Where’s the difference, and are there alternatives on record we can listen to? (Should musical comedy stars sing/perform Offenbach? Would their style be closer to what the original divas and divos did?) We are fortunate in having recordings of some of the creators of Offenbach’s works. They are not what we consider musical-comedy voices nowadays (nor are the first sopranos and tenors of Gilbert and Sullivan): they have an operatic quality. However, this is less an issue of timbre or range, than of interpretative skills. A superb Offenbach singer like Fanély Revoil can point a lyric so that its innuendo or comic gist comes across beautifully. Lott can do it, Norman cannot.

Maggie Teyte’s rendition of La Périchole’s letter aria is one of the best ever recorded, but it’s unlikely that she could have sustained a convincing performance of the whole role. One of the most misguided recording projects was to have Joan Sutherland sing Noël Coward: there is no lightness of touch, no pointing of phrases, no crisp diction. An Offenbach singer requires not only a voice trained for Mozart or Rossini, but acting ability, glancing wit. This also holds true of the dialogue. French performers are capable of racing through the words, while coloring them with meaning and nuance. German operetta singers are also pretty good at filling a line with expression, but English-speakers are almost always leaden and flat-footed in their delivery.

However, it is hard to choose between glorious singing and comic timing. In the first production of La Vie Parisienne and in Barrault’s,most of the cast were actors, and the interpretation didn’t suffer. On the contrary.

On the last page of your book you talk about an LGBT reading of Offenbach’s Le Grande Duchesse in Paris, 2013. Yet elsewhere in the book you don’t discuss the LGBT relevance of Offenbach and/or operetta (e.g. in Island of Tulipatan and the notion of a same-sex marriage). Did this aspect not interest you? (It seems to have recently interested producers in the USA who released the very first English language recording of that show in 2017.) It is not a question of my interest, since I was recording the fortunes of Offenbach in the world. The Island of Tulipatan was rarely staged before my book was in production, and even now recordings outnumber performances. The gender-switching certainly opens itself up to ponderous exegesis and “queer theory,” but I doubt if Offenbach or his librettist intended anything other than a tantalizing jeu d’esprit that allowed for plenty of double entendre.

Similarly, Offenbach has never been regarded as anything other than an exuberant expression of the heterosexual libido until recently. Some of the current experiments in “queering” Offenbach seem to me more an attempt to épater the average opera-goer than a serious re-interpretation of the libretto (let alone the music).

 

ORCA-Chef Kevin Clarke vor dem Yiddish Theatre New York/ ORCA

After your book, what do you hope will be the next step in Offenbach research in the English language world? And what would you personally like to see happening for the Offenbach bicentenary in 2019, in the USA or UK? I would like to see the opera-producing community take a lively interest in Offenbach, resulting in a rash of new performances, particularly of the neglected operas. This may entail new translations, although if the operas cannot be performed entirely in French, then (ideally) only the dialogue should be translated and supertitles provided for the songs. At least one Offenbach piece should be in the repertoire of every opera company in the bicentennial year, and several in such specialized operations as the Ohio Light Opera Festival. New commercial recordings and special issues of musical journals should certainly devote much of their activity to Offenbach in 2019.

Performance is its own kind of research. As is common nowadays, these performances issues of musical journals should be devoted to the occasion. Possible commemorative events have been planned for Paris and Cologne, I hear, but so far the news is nebulous. There’s no doubt that we shall be inundated with the cancan and the barcarolle, but that’s tolerable so long as the rest of Offenbach’s remarkable oeuvregets a hearing. Kevin Clarke (mit Dank an ORCA; Foto oben: Offenbachs Diva Hortense Schneider im Kostüm der Gerolstein auf einem von Alexis-Joseph Perignon/ Wikipedia)

Polarisierend

 

Niemand weiß, wie flink die Himmelpost und ob der leidenschaftliche Brief von Simone Kermes bereits beim Adressaten Giorgio Federico alias Georg Friedrich alias George Frideric Händel oder auch Handel angekommen ist, ob dieser bereits der darin angekündigten Umarmung entgegenfiebert oder -bangt, ob er ihr vielleicht schon beim Schreiben über die Schulter geguckt hat und zustimmend lächeln oder wütend aufbrausen musste, wenn sie ihre Stimme mit der seiner Sängerin Francesca Cuzzoni verglich. So ungewiss die Reaktion des seligen (Mio caro) Händel auf Brief und CD von Simone Kermes sein kann, so sicher ist, dass auch deren letzte Aufnahme, wie schon einmal ausschließlich mit Arien des Hallensers, die irdische Hörerschaft in zwei Lager spalten wird, das der bedingungslos Jubelnden und das der kritisch sich Distanzierenden.

Auch wer immer wieder bereit ist, sich aufs Neue auf der Kunst der Leipziger Sopranistin einzulassen, wird auf der neuen CD die gleichen Mängel entdecken müssen, die bereits auf vorausgegangenen zu beanstanden waren. Mit wütendem Enthusiasmus stürzt sich die Sängerin mit jeder neuen Arie in die Extreme, besonders was die Tempi angeht und erweckt den Eindruck, dass dies nicht aus dem jeweiligen Werk selbst erwächst, sondern der Suche nach dem Effekt um des Effekts willen geschuldet ist. Dass dabei eine korrekte Intonation, eine gut gestützte Mittellage, raffinierte Variationen, eine feine messa di voce  auf der Strecke bleiben müssen, auf  Schleppen und Anschleifen der Töne nicht verzichtet werden kann, ist kaum verwunderlich, kommen doch beinahe alle die musikalisch  so unterschiedlich angelegten Damen (und auch Herren) daher wie furie terribili. Dabei liegt der Stimme das Zarte, Sanfte viel eher, klingt allerdings sehr schnell affektiert wie die Cleopatra, deren Pianogespinste reizvoll sein können, oft aber auch affektiert wirken, wenn die Attitüde Substanz vortäuschen will. Die Presto-Teile werden prestissimo gesungen, klingen dann manchmal sehr verhuscht, gleichen eher einem Raunen als dem Singen mit der Vollstimme. Auch für die Arie des Angelo aus La Resurrezione wünscht man sich mehr vokalen Nachdruck.

Es gibt kaum eine Arie, an deren Ausführung nicht etwas auszusetzen wäre, sei es bei der der Melissa und bei Ombra mai fu das Naiv-Manierierte, bei ebenfalls Melissa und bei Medea das extreme Ausreizen der Kontraste um des Effekts willen, der Verzicht auf Schattierungen, wie sie der Rodelinda eigentlich gut anstehen würden. Mehr corpo und Wärme als bei den meisten anderen Tracks verspürt man in den beiden Arien aus Athalia und Saul, und zu Adelaides „Scherza in mar“ passt, dazu noch mit einer schönen Kadenz versehen, das „Kindliche“ der Stimme am besten, weniger zu „Süße Stille“, wo es gespreizt und unnatürlich wirkt.

Begleitet wird Simone Kermes von den von ihr gegründeten Amici Veneziani, Die CD wird es in die Klassik-Charts schaffen, denn es gibt genügend Anhänger einer Kunst, die dem Effekt um seiner selbst willen huldigt (Sony 19075861772). Ingrid Wanja