André Previn

 

Er war ein Mann der Rekorde. Nicht weniger als vier Oscars (bei elf Nominierungen) und zehn Grammy Awards (plus einen weiteren für sein Lebenswerk) heimste André Previn ein, der am 6. April 1929 (oder 1930, wie er selbst sagte) in Berlin als Andreas Ludwig Priwin geboren wurde und weit mehr war als bloß Dirigent. Er starb am 28. Februar 2019. Tatsächlich startete er seine Karriere als Arrangeur und Komponist für Hollywood-Filme. Insgesamt war er an mehr als 50 Filmen beteiligt. Diese großen Erfolge waren keineswegs absehbar gewesen, als seine jüdische Familie 1938 Deutschland verlassen musste und sich nach Zwischenstationen in Paris und New York schließlich in Los Angeles ansiedelte. Sein Vater Jack Previn alias Jakob Priwin (1885-1963) war Anwalt, Richter und Musiklehrer gewesen, seine Mutter Charlotte eine gebürtige Epstein (1891-1986). Die Niederlassung in L.A. beförderte freilich Previns Einstieg bei Metro-Goldwyn-Mayer, dem Studio, für welches er bereits ab 1946 anderthalb Jahrzehnte arbeitete. In rascher Abfolge heimste er Academy Awards für die Filmmusik zu Gigi (1958), Porgy & Bess (1959), Irma la Douce (1963) sowie My Fair Lady (1964) ein und war gar die bis heute einzige Person in der Geschichte der Oscar-Verleihungen, die im selben Jahr dreimal nominiert war (1961).

Seine Dirigentenlaufbahn ergab sich erst mit der Zeit, obschon er bereits zwischen 1946 und 1952 Dirigierunterricht bei Pierre Monteux nahm. 1967 wurde der Musikdirektor des Houston Symphony als Nachfolger von Sir John Barbirolli, um bereits im Folgejahr beim berühmten London Symphony Orchestra auf István Kertész zu folgen. Seine Wahl fiel 1968 überaus knapp aus, gab es doch teils erhebliche Vorbehalte gegen Previn, der sich bis dato vorwiegend einen Namen als Komponist, Arrangeur und Jazzpianist gemacht hatte. Allerdings sollte sich Previns Berufung für das LSO bald als Glücksfall erweisen, erreichte man mit der BBC-Sendereihe André Previn’s Music Night doch in der hektischen Umbruchszeit der späten 60er und 70er Jahre ein solch großes Publikum wie nie zuvor. Insgesamt elf Jahre, bis 1979, blieb Previn dort Chefdirigent und wurde anschließend 1992 Conductor Laureate und 2016 Conductor Emeritus. Bereits 1976 war er zusätzlich Musikdirektor des Pittsburgh Symphony Orchestra geworden (bis 1984). 1985 kehrte er als Chefdirigent des Royal Philharmonic Orchestra nach London zurück (bis 1988), übernahm jedoch auch gleichzeitig die künstlerische Leitung des Los Angeles Philharmonic. Die sich zuspitzende Auseinandersetzung mit Ernest Fleischmann, den Generalmanager des LA Phil, führte bereits 1989 zu Previns Rücktritt. Nur noch ein weiteres Mal übernahm er in der Folge die Leitung eines Orchesters, als er zwischen 2002 und 2006 den Osloer Philharmonikern vorstand. 2009 wurde er zumindest noch zum Ersten Gastdirigenten des NHK Symphony Orchestra in Tokio berufen. Sein letztes Konzert dirigierte er 2015 mit dem London Symphony Orchestra und Anne-Sophie Mutter. Auf dem Programm standen sein eigenes Violinkonzert und die von ihm geliebte zweite Sinfonie von Sergei Rachmaninow, welche er zweimal einspielte.

Anders als viele seiner Dirigentenkollegen, wusste sich André Previn bereits frühzeitig des Mediums Fernsehen zu bedienen. In unterschiedlichen Formaten wie Meet André Previn (1969), als „Mr. Andrew Preview“ in der Morecambe and Wise Christmas Show (1971 und 1972), durch die bereits genannte André Previn’s Music Night (1973, 1975 und 1976), Previn and the Pittsburgh (1977), zahllose Fernsehinterviews und Gastauftritte in Fernsehshows und Dokumentationen über Klassik, Pop und Jazz während der 1970er und 80er Jahre wurde er einem Millionenpublikum bekannt. Berührungsängste zu anderen Genres kannte er mitnichten und passte somit ideal in diese Ära.

André Previn war fünfmal verheiratet, zunächst mit der Jazzsängerin Betty Bennett (zwischen 1952 und 1957), anschließend mit der Songschreiberin Dory Langan (zwischen 1962 und 1969), mit der Schauspielerin Mia Farrow (zwischen 1970 und 1979), mit Heather Sneddon (zwischen 1982 und 1999) sowie mit der Violinistin Anne-Sophie Mutter (zwischen 2002 und 2006). 1996 wurde er von Königin Elisabeth II. zum Knight Commander of the Order of the British Empire (KBE) ernannt, durfte sich aber als Nichtstaatsbürger eines Commonwealth-Landes nicht Sir nennen. 2011 wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet und 2012 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. André Previn starb am 28. Februar 2019 knapp 90-jährig nach langer Krankheit in seiner Wohnung in Manhattan. Er hinterlässt fünf Kinder und eine gewaltige Diskographie mit mehreren hundert Aufnahmen von klassischer, zeitgenössischer, Film- sowie Jazzmusik. Sein Œuvre als Komponist ist ebenfalls sehr umfangreich und umfasst u. a. zwei Opern, Theatermusik, Orchesterwerke (darunter sein Anne-Sophie Mutter gewidmetes Violinkonzert), Kammermusik, Soloklavierstücke und Kunstlieder. Gerüchten zufolge sollte er ein Stück für das Konzert zur Jahrhundertfeier des 1919 gegründeten Los Angeles Philharmonic komponieren. Dies wird nun vermutlich unaufgeführt bleiben müssen (Foto DG). Daniel Hauser