Archiv für den Monat: Januar 2022

Gwendolyn Killebrew

 

Gwendolyn Killebrew, eine der großen Künstlerinnen der Deutschen Oper am Rhein, ist am 24. Dezember 2021 im Alter von 80 Jahren in Düsseldorf verstorben. Die Altistin war von 1976 bis 2006 Ensemble­mitglied und blieb dem Haus auch anschließend als Gast verbunden. Im Jahr 1988 wurde sie von der Deutschen Oper am Rhein zur Kammersängerin und darüber hinaus 2011 zum Ehrenmitglied ernannt. „Wir haben mit Gwendolyn Killebrew eine bedeutende Sängerin, ein wunderbares Ensemblemitglied und eine bei allen beliebte Kollegin verloren, der wir ein ehrendes Andenken bewahren werden“, erklärt Christoph Meyer, der General­intendant der Deutschen Oper am Rhein.
Während ihrer langen Karriere war Gwendolyn Killebrew sowohl an der Deutschen Oper am Rhein als auch international an vielen Häusern erfolgreich. Sie gestaltete zahlreiche bedeutende Partien ihres Fachs vom Frühbarock bis zur Moderne. Dem Publikum in Düsseldorf und Duisburg wird sie insbesondere in ihrer Rolle als Carmen sowie in den Wagner-Partien Fricka, Erda und Waltraute, den Verdi-Rollen Ulrika, Maddalena und Azucena, ihren Monteverdi-Partien sowie als Rossinis Isabella in Erinnerung bleiben. Von der Düssel­dorfer Bühne verabschiedete sie sich am 5. Juli 2009 als Bacchis in der von Christof Loy inszenierten Offenbach-Operette „Die schöne Helena“.
Die amerikanische Altistin studierte zunächst Klavier, Gesang, Horn und Orgel. Nach Beendigung ihres Studiums an der Temple University in Philadelphia (B.S.Ed.) wurde sie Musiklehrerin und Musiktherapeutin. Ein weiterführendes Gesangsstudium an der Juilliard School of Music in New York (M.M.) legte den Grund­stein für ihre Karriere als Opern-, Lied- und Oratoriensängerin. 1967 debütierte Gwendolyn Killebrew – im Alter von erst 26 Jahren – als Waltraute („Die Walküre“) in dem von Herbert von Karajan inszenierten „Ring des Nibelungen“ an der Metropolitan Opera New York, wo sie 1979 auch als Carmen auftrat. Gast­spiele führten sie zu weltweit bedeutenden Opernhäusern und Festivals wie den Bayreuther Festspielen und den Salzburger Oster- und Sommerfestspielen und den Londoner „The Night of the Proms“.
Gwendolyn Killebrew war es ein besonderes Anliegen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen an junge Sängerinnen und Sänger weiterzugeben. Sie gab Meisterkurse und hatte Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen inne. In Düsseldorf unterrichtete sie bis ins hohe Alter in ihrem eigenen Musikstudio Sologesang, Chorgesang und Klavier. (Quelle Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf/ Foto Michl)

Stürmisches

 

Mozarts Mitridate, re di Ponto zählt zu den Jugendwerken des Komponisten, die sich bei Theatern, Festivals und Plattenfirmen großer Beliebtheit erfreuen. Davon zeugen immer wieder Neuproduktionen und CD-Einspielungen. Jüngstes Beispiel ist eine Aufnahme von ERATO, die im November 2020 in der Philharmonie de Paris entstand (0190296617577, 3 CDs). Spiritus Rector des Unternehmens ist Marc Minkowski am Pult des Ensembles Les Musiciens du Louvre – also erneut ein renommierter Musiker der Alte-Musik-Szene, denn diese Opera seria Mozarts wird (wie auch Lucio Silla) bevorzugt von auf diese Gattung spezialisierten Dirigenten mit Orchestern auf historischen Instrumenten interpretiert. (So hatte Christophe Rousset das Werk für DECCA mit Les Talens Lyriques eingespielt.) Minkowski  setzt schon in der Ouverture starke Akzente mit harschen forte-Schlägen zu Beginn und einem graziösen Mittelteil. Für pompöse Klänge sorgt der Dirigent in der Marcia des 1. Aktes und er liefert den Sängern für deren zumeist dramatisch betonte Arien eine spannende und inspirierende Folie.

Die exquisite Besetzung wird angeführt von Michael Spyres in der Titelrolle. Der amerikanische Tenor hat in letzter Zeit mit sensationellen Aufnahmen bei ERATO für Aufsehen gesorgt. Auch hier kann er sich profilieren, besticht schon in seiner ersten Arie, „Se di lauri il crine adorno“, mit differenzierter Stimmführung und glanzvoller Bewältigung der unterschiedlichen Register. Mit dem stürmischen „Quel ribelle“ beendet er furios den 1. Akt. Im Kontrast dazu ist „Tu, che fedel“ im 2. Akt zunächst von nachsinnendem  Duktus, entfaltet aber im Mittelteil vehemente Wirkung. So auch „Già di pietà mi spoglio“ am Ende des 2. Aktes, das in seiner virulenten Art mit herausgeschleuderten Spitzentönen von effektvollem Zuschnitt ist und von Spyres imponierend umgesetzt wird. Ähnlich vehement ist die Arie „Vado incontro al fato estremo“ im 3. Akt, die dem Interpreten einmal mehr Bravour verlangt und in der sich der Sänger erneut bewähren kann.

Für die Primadonnenpartie der Aspasia wurde Julie Fuchs verpflichtet, die sogleich in ihrer Auftrittsarie „Al destin, che la minaccia“ ihr virtuoses Vermögen demonstrieren muss. Immerhin wurde die Rolle bei der Uraufführung in Mailand 1770 von der prominenten Sängerin Antonia Bernasconi gesungen, die sich zunächst weigerte, die Arien Mozarts zu singen und denen von Quirino Gasparini den Vorzug gab, welche drei Jahre zuvor am Teatro Regio in Turin zur Aufführung gelangt waren. Julie Fuchs wartet nach dem erregten Orchestervorspiel mit einem anonym klingenden Sopran auf, der über die nötige Flexibilität für die Koloraturketten verfügt, es auch nicht an Bravour fehlen lässt, aber insgesamt unpersönlich bleibt. In der lyrischen Arie des 2. Aktes „Nel grave tormento“ besticht sie mit kultivierter Stimmführung, im Mittelteil auch mit virtuosen Koloraturen. Mit Sifare hat sie am Ende des 2. Aktes das einzige Duett des Werkes zu singen: „Se viver non degg’io“, Beide Soprane vereinen sich hier zu schmeichelndem Wohllaut. Im 3. Akt hat Aspasia eine ausgedehnte Szene mit Recitativi accompagnati und der Cavatina „Pallid’ ombre“, in der man sich verschattetere Farben wünschte.

In der zweiten Sopranpartie des Werkes, Prinzessin Ismene,  ist ein neuer Star der französischen Musikszene zu hören: Sabine Devieilhe. Ihr Auftritt „In faccia all’oggetto“ ist von lieblicher Anmutung und kommt ihrer klaren, anmutigen Stimme sehr entgegen. Bei „ So quanto a te dispiace“ zu Beginn des 3. Aktes kann sie dagegen mit Gewinn ihre geläufige Gurgel einsetzen.

Bei der Mailänder Uraufführung wirkten drei Kastraten mit – als Mitridates Söhne Farnace und Sifare sowie als dessen  Statthalter Arbate. In der vorliegenden Aufnahme gibt es nur einen Countertenor: Paul-Antoine Bénos-Djian als Farnace, der mit der berühmten Arie „Venga pur, minacci e frema“ aufhorchen lässt. Fein getupft kommen die staccati, die Stimme ist reizvoll getönt und bewegt sich mühelos durch die Register. „Va’ l’error mio palesa“ zu Beginn des 2. Aktes überzeugt mit zupackendem Vortrag. Am Ende des 3. Aktes hat er noch ein Solo mit „Già dagli occhi“, wo er mit fein gesponnenen Linien überzeugen kann. Sifare wird von der Sopranistin Elsa Dreisig wahrgenommen, deren Stimme keine männliche Figur zu imaginieren vermag. Ihre dramatische Auftrittsarie „Soffre il mio cor“ bewältigt sie technisch souverän und im 2. Akt kann sie bei „Lungi da te“ ihr lyrisches Potential einbringen. Aber die Stimme ähnelt zu sehr der von Fuchs und kann sich nicht unverwechselbar profilieren. Eher kann Adriana Bignagni Lesca mit androgyn klingendem, dunkel glühendem  Sopran dem Arbate eine männliche Aura verleihen. Der Auftritt mit „L’odio nel cor frenate“ ist forsch und energisch zupackend. Die Besetzung ergänzt der bekannte Tenor Cyrille Dubois als römischer Tribun Marzio, der mit der bewegten Arie im 3. Akt „Se di regnar sei vago“ einen soliden Auftritt hat. Recht ungewöhnlich endet die Oper mit einem kurzen Quintett („Non si ceda al Campidoglio“), in dem alle Protagonisten geloben, sich gegen die römische Tyrannei zu widersetzen. Bernd Hoppe