Archiv für den Monat: März 2015

Ungewöhnliche Biographie

Fast am Schluss ihres Gesprächsbuches stellt Vera Baur fest, dass ihr Partner Christian Gerhaher „ein Grübler und Zweifler“ sei, das aber hat auch der vom Protagonisten gefesselte Leser längst bemerkt und von dem nachdenklichen und zum Nachdenken auffordernden Werk profitiert. Wer dem vor allem und zunächst dem Lied, erst später und nun in zunehmendem Maße der Oper zugewandten Sänger durch das Liedertitel als Kapitelüberschriften verwendenden Buch bis dahin gefolgt ist, hat nicht nur, aber auch eine Menge insbesondere über Robert Schumann, den der Bariton über alles schätzt, ganz besonders aber dessen Komposition zu Goethes Faust erfahren. Der Untertitel des Buches Halb Worte sind’s, halb Melodie stammt von Joseph von Eichendorff.

Vera Baur berichtet in ihrem Vorwort darüber, wie man sich kennen lernte und auf die Idee kam, aus bereits stattgefundenen und noch zu führenden Gesprächen ein Buch werden zu lassen. In dessen erstem Kapitel, Lied eines Schmiedes, klingt ein Thema an, das das gesamte Buch durchziehen wird, die Hochschätzung Schumanns und die zumindest teilweise Ablehnung anderer Komponisten, so Brahms‘, hier wegen seiner Variationen einer Schumann-Komposition, später Richard Strauss wegen seiner frühen Lieder.  Gerhaher scheut sich nicht, sehr bestimmte, persönliche Urteile abzugeben, einen Musikgeschmack zu bekunden, der vom weit verbreiteten, so das Spätwerk Schumanns betreffend, stark abweicht.  Der Schluss des Buches wird eine beinahe hymnische Verteidigung  („manische Begeisterung“) der oft geschmähten Vertonung von Textstellen aus Goethes Faust sein.

Es gibt durchaus aber auch Persönliches zu lesen, so über die unterschiedlichen Studiengänge Philosophie und Medizin, die der Hinwendung zur Musik vorausgingen, die Verpflichtung nur gegenüber Inge Borkh und Michael Stumpf, die Bedeutung des Freundes und Pianisten Gerold Huber, dessen Foto die Rückseite des Buches ziert. Der Sänger scheut sich nicht, die Dirigenten zu nennen, die er besonders schätzt: Blomstedt, Nagano, Thielemann (trotz Operette!), Rattle und Harding.

Mit Lotosblume überschrieben ist das Kapitel, in dem es unter anderem um die sogenannte Hochkultur geht, ihre Gefährdung durch die Sucht nach Events, das Problem oft schlechter Texte für wunderbare Kompositionen. Rundfunk, Fernsehen und Kultusminister sieht der Sänger in der Pflicht, ein Publikum für die Zukunft heranzubilden. „Man muss Ansprüche stellen“, nicht durch Kultur light den Menschen die Klassik schmackhaft machen wollen. Wichtig erscheint Gerhaher, dass Kultur ein Geheimnis bewahrt, nicht vollständig erklärbar ist. Manch ein Leser wird den Kopf über die Meinung schütteln, bei der Sängerausbildung würde zu viel Wert auf die Praxis gelegt, komme die Literatur zu kurz. Sonst hört man das ganz anders.

In Liebesbotschaft kann der Leser erfahren, wie Gerhaher zur Musik und speziell zum Lied kam, welche Rollen er auf der Opernbühne verkörpert, wobei es nicht verwundert, dass es die eher introvertierten Charaktere sind, die er bevorzugt,  Wolfram, den Prinzen von Homburg oder Pelléas. Don Giovanni passt eigentlich nicht in diesen Kanon, ist aber der Bewunderung für Mozart geschuldet. Fotos des Opern- und Liedsängers gibt es im zweiten Fotoblock, der erste zeigt eher den Privatmenschen von Kindesbeinen an.

Zwar kehrt der Bariton immer wieder zu Schumann zurück, doch kommen praktische Erörterungen wie die über das Passaggio, Vibrato, über Werktreue, die Gestaltung von Liedprogrammen nicht zu kurz. Interessant sind die Vergleiche zwischen Schumann und Schubert, bzw. deren Liedern.

Im Kapitel  Die Löwenbraut geht es um „freundliche“ und „gute“ Dirigenten, um das Fremdeln gegenüber Puccini, um die Arbeit mit Christof Loy und mit Einschränkungen um ein Plädoyer für das Regietheater.  Ausführlich wird das Verhältnis zwischen Tannhäuser und Wolfram, wie es sich für den Bariton darstellt, erörtert. Zum Nachdenken regen Sätze wie „Der vorgestellte Klang ist das heiligste Gut des Sängers“ an.  Leichter wird es dem Leser gemacht, der Meinung zuzustimmen, eine gewisse Distanz des darstellenden Künstlers gegenüber dem Werk müsse bleiben.

Wieder Schumann widmet sich das Kapitel Der schwere Abend, in dem von der „Konzeptkunst“ des Komponisten die Rede ist, Fragen der Lied-Programm-Gestaltung erörtert werden und der Leser zum Nachdenken über den Satz „Das Defizit ist das Interessantere“ angeregt wird. Oft löckt der Sänger gegen den allgemein „gültigen“ Stachel“, so wenn er die „Verschwommenheit“ eines Liedtextes preist, wenn er Brahms‘ allgemein geschätzte Volksliedvertonungen als die Institutionalisierung der Sentimentalität bezeichnet, die das Volkslied volksliedhafter macht, als es eigentlich ist. Gerade durch die vielen Behauptungen, die den allgemeinen Vorstellungen widersprechen, wird das Buch besonders lesenswert und nachhaltig.

Dem von Gerhaher ansonsten geschätzten Gustav Mahler ist ein besonders Kapitel gewidmet, in dem, unter anderem – wieder bisher ungehört und vielleicht auch unerhört –  In diesem Wetter aus den Kindertotenliedern als „indiskret“ kritisiert wird. In einem späteren Kapitel bekennt er sich zum Schönberg der Hängenden Gärten, schreibt über Hollinger und Rihm, die für ihn komponierten und es weiterhin tun.

Wieder um Praktisches aus dem Sängeralltag geht es in Freisinn, um Timbre, Außenwirkung, Karriereaufbau. Und auch hier kann sich Staunen regen, denn zwar war die Gefahr von Glottis allgemein bekannt, nicht aber, dass man auch zu sehr „in die Maske Singen“, zu sehr den Ton abdunkeln kann, Vokale nicht verfärben solle.  Das spricht gegen manche von anerkannten Gesangslehrern verbreitete Glaubenssätze.

Nicht nur ungewöhnliche Meinungen, sondern auch die Offenheit, mit der der Bariton über Zweifel und Probleme spricht, machen sein Buch zu einer ganz besonderen Lektüre. Der hohe Anspruch an sich selbst setzt sich durchaus fort in der unausgesprochenen Forderung an den Leser, sich auf ein ungewöhnliches Buch mit ebensolchen Meinungen einzulassen (Henschel Bärenreiter Verlag ISBN 978 3 89487 942 6).

Ingrid Wanja

Erotik und Ironie

Ob eine Renaissance der Operette auf deutschen Bühnen bevorsteht oder möglicherweise schon im Gange ist, lässt sich nicht eindeutig sagen. Einzelne Signale sprechen dafür, denkt man an die Aktivitäten der Dresdner Staatsoperette, der Komischen Oper Berlin oder des Schallplatten-Labels cpo; ganz unzweifelhaft aber ist das wissenschaftliche Interesse, das seit einiger Zeit der so lange verschmähten Gattung entgegen gebracht wird. Operettenkongresse und Operettenbücher beschwören den hohen kulturgeschichtlichen und ästhetischen Stellenwert dieser Ausprägung der leichten Muse.

Albert Giers nun von der Bamberg University Press vorgelegter Versuch einer Phänomenologie des Genres kann sich also bereits auf eine – wenn auch junge – Tradition stützen: Das Standardwerk von Volker Klotz, auf das er sich häufig, wenn auch gelegentlich kontrovers beruft, aber auch Publikationen von Stefan Frey und Kevin Clarke. Sein eigener Beitrag zum Thema überrumpelt durch eine gewaltige Materialfülle auf engem Raum und die umfassende Belesenheit des Autors, der immer wieder, gleichsam aus dem Handgelenk, Querverbindungen zu anderen Künsten und Geisteswissenschaften herstellt und auch in der Philosophie heimisch zu sein scheint.

Im einleitenden Essay über die Gattung als solche ruft Gier gewichtige Kronzeugen auf: Schopenhauer, Nietzsche, Bloch, Adorno, Proust. Und Karl Kraus, dessen Definition, die Operette nehme „eine Welt als gegeben, in der sich der Unsinn von selbst versteht und in der er nie die Reaktion der Vernunft herausfordert“, besonders triftig erscheint. Die Musik hat dabei nach Kraus die Funktion, „den Krampf des Lebens zu lösen, dem Verstand Erholung zu schaffen und die gedankliche Tätigkeit entspannend wieder anzuregen“. Die Operette bewegt sich in einem „Paralleluniversum“ (Gier), in dem die Gesetzmäßigkeiten der realen Welt weitgehend außer Kraft gesetzt sind.

Giers Ausgangsthese: „Der uneigentlichen sprachlichen steht die Aussage der Musik als eigentliche gegenüber“. Das bedeutet: „die Musik drückt klar und eindeutig erotisches Begehren aus, das unverstellt zu benennen Konventionen verbieten“. Nach Adorno ist die Musik für den Hörer „Mittel zu Zwecken seiner eigenen Triebökonomie“. In der Operette tritt die „rückhaltlose Bejahung triebhaften Begehrens“ (Gier) an die Stelle der romantischen Liebe, die in der Oper im Zentrum steht. In Offenbachs Operetten und in denen seiner besten Nachfolger sind nach Gier „sinnliche Eigentlichkeit und die Uneigentlichkeit des antiillusionistischen Spiels untrennbar miteinander verbunden“.

Was das konkret bedeutet, wird in zwei langen Kapiteln zu den Themen „Uneigentlichkeit“ und – daraus resultierend – „Intertextualität“ an zahlreichen Beispielen festgemacht. Das „(postmodern anmutende) intertextuelle Spiel der Entlehnungen, der kreativen Anverwandlung, polemischen Abgrenzung, parodistischen Korrektur bis hin zum Plagiat“ sei ein Hauptmerkmal der „komischen Operette“, die Gier deutlich vom „musikalischen Tränentheater“ abhebt, das in den Tauber-Operetten Lehárs seine Vollendung fand. Intertextualität meint Rückbezüge auf Opern, Schauspiele, erzählende Literatur, aber auch andere Operetten, die gleichsam recycelt oder neu weiter erzählt werden.

In Reynaldo Hahns Ciboulette (1923) sieht Gier den Prototyp einer komischen Operette, es handelt sich gleichsam um eine „Operette über die Operette“ und zugleich um eine Hommage an Jacques Offenbach, auf dessen Stücke nicht nur die Schauplätze der Handlung verweisen. Eine zentrale Rolle fällt darin Duparquet zu, dem Rechnungsprüfer der Markthallen, der sich überraschend als Rodolphe aus Murgers Vie de Bohème zu erkennen gibt und auf Anfrage mitteilt, dass auch seine drei Künstlerfreunde mittlerweile Staatsbeamte geworden sind. Im deutschen Sprachraum haben Egon Friedell und Alfred Polgar etwas Ähnliches versucht wie Hahns Librettisten Robert de Flers und Francis de Croisset: die als solche bezeichnete „Muster“operette Der Petroleumkönig oder Donauzauber (1908).

Weitere Kapitel des Buches widmen sich der Affinität der Operette zum Märchen und zur Kolportage, untersuchen die zahlreichen Spielarten von Erotik und Humor in diesem Genre und verfolgen Spuren zeitgenössischer Realität in verschiedenen Libretti. Ein relativ knapp gehaltener Ausklang verbindet eine Hommage an Fritzi Massary, der kreativen Interpretin, mit Aspekten der Aufführungsgeschichte der folgenden Jahrzehnte. Interessant ist der Hinweis auf das Pasticcio Frou-Frou-les Bains von Patrick Haudecoeur (2001), von dem es auch eine deutsche Version gibt: Eine Meta-Operette mit Versatzstücken aus französischen und deutschen Werken.

Für den Romanisten Gier bieten sich vor allem die französischen Beispiele der Gattung für genauere Analysen an – neben den Werken Offenbachs und Ciboulette sind das Victor Rogers Joséphine vendue par ses soeurs und Maurice Yvains „Pas sur la bouche“ (1925). Das letztgenannte Stück, an dem die Erotik in der Operette exemplifiziert wird, ist bei uns allerdings unbekannt geblieben und auch seine prominent besetzte Verfilmung durch den großen Cinéasten Alain Resnais (2003) kam nie ins deutsche Kino; es gibt davon eine bei Pathé veröffentliche DVD, die allerdings keine deutschen Untertitel enthält.

Die Dramaturgie gerät in diesem zitaten- und fußnotenprallen Werk gegenüber der Poetik ein wenig ins Hintertreffen. Aspekte der Bühnenwirklichkeit werden nur angerissen. Wie die Stücke aufgebaut sind, wie sich Text und Musik, Gesang und Tanz zueinander verhalten, mit welchen Mitteln komische und sinnliche Wirkungen erzielt werden, mit einem Wort: wie diese Stücke „funktionieren“ – dem geht Gier nur am Rande nach. Dafür bietet er ein riesiges Kompendium der in den Libretti verwendeten Topoi; dabei werden einige hundert Titel angetippt, von denen auch der fortgeschrittene Operettenfreund noch nie gehört hat und die er höchstwahrscheinlich auch niemals zu hören geschweige denn zu sehen bekommen wird.

Ekkehard Pluta

 

Der Autor: Albert Gier/Foto BR

Der Autor: Albert Gier/Foto BR

„Wär’ es auch nichts als ein Augenblick“ : Poetik und Dramaturgie der komischen Operette / Albert Gier, Bamberg: Univ. of Bamberg Press, 2014, (Romanische Literaturen und Kulturen ; 9), ISBN 978-3-86309-258-0

 

Gerhahers Lieblingswerk

Eigentlich lag die Doppel-CD mit Schumanns Szenen aus Goethes Faust noch ziemlich weit unten im Stapel der zu rezensierenden DVDs und CDs, aber das wiederholte Loblied auf das Werk in Christian Gerhahers Buch (s. Rezension in operalounge.de) muss einfach in jedem Leser den Wunsch wecken, sich näher mit der späten und nicht so recht anerkannten Arbeit des Komponisten zu beschäftigen, umso mehr als die Aufnahme mit Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Daniel

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Harding den Bariton in der Titelpartie verzeichnet.

Trotz der manchmal kritisierten „dicken“ Instrumentierung gelingt es dem Dirigenten, einen durchsichtigen Klang zu erzeugen, umspielt das Orchester zart Gretchens Gesang, gelingt das Vorspiel zur Arie des Ariel wunderschön schwebend. Bedürfte es einer Ehrenrettung für die FaustSzenen, dann gelingt sie, was das Orchester betrifft, Daniel Harding vortrefflich. Der Chor, zu dem sich der Kammerchor der Augsburger Domsingknaben im letzten der drei Teile gesellt, kann seine Klangfarben erstaunlich ändern, je nachdem ob er Lemuren gespenstisch oder als Chorus Mysticus in ätherischer Feierlichkeit zu singen hat. Bei „der Zeiger fällt…“ sieht man vor dem inneren Auge das Geschehen.

Auch die Solisten lassen keinerlei Wunsch offen. An ihrer Spitze steht Christian Gerhaher als Faust, Pater Seraphicus und Doctor Marianus. Zärtlich drängend und dabei die Intimität der Szene wahrend singt der wunderschön timbrierte Bariton die Gartenszene aus Faust I, die Diktion des Liedsängers bewährt sich auch hier durch ihre Klarheit, sinnvoll entwickelt wird „Des Lebens Pulse…“ unter besonderer Hervorhebung von „am farbigen Abglanz“. Die besondere Kunst des Sängers besteht darin, dass die Stimme sich auf die jeweilige Situation und die Entwicklung der Figur einzustellen weiß, ihr dabei aber im Grundton treu bleibt. Wie grauer Schleier legt es sich nach der Erblindung Fausts auf die Stimme, seherisch klingt „Ein Sumpf zieht am Gebirge hin..“, um sich noch zu steigern auf „Solch ein Gewimmel möchte‘ ich sehn“ in zunehmender Vergeistigung. Für den Pater Seraphicus hat der Bariton beschwingtere Töne, als Marianus klingt er wie von Erdenlast befreit.

Gretchen im Dies- und Jenseits ist Christiane Karg mit klarer, reiner Sopranstimme, sanft und im dritten Teil mit schönem Jubelton. Bewährt stilvollsingt Alastair Miles den Mephistopheles, der nicht nur in „Ihn sättigt keine Lust“, zeigt, wie man eine schöne Stimme hässlich erscheinen lassen kann. Einen feinen lyrischen Tenor besitzt Andrew Staples für Ariel, den Pater Ecstaticus und kleinere Aufgaben, bei Letzterem lässt er den frommen Rausch hörbar werden. Das „Ewig-Weibliche“ verkörpert am besten Bernarda Fink mit kultiviertem Mezzo. Kurt Rydl ist der markante Pater Profundus, der seinem Namen Ehre macht. Mari Eriksmoens Sopran ist für Marthe und Sorge zu frisch mädchenhaft, passt viel besser zum Jüngeren Engel. Vor allem der dritte Teil der Szenen, aus Faust II stammend, macht die Begeisterung des Faust-Interpreten für das Werk nachvollziehbar (BR Klassik 900 122).

Ingrid Wanja

Müdigkeit im Försterhaus

Dieser Freischütz von Carl Maria von Weber ist oft aufgelegt worden. Es gibt ihn in mindestens drei verschiedenen CD-Ausgaben der Deutschen Grammophon, wo er 1959 eingespielt wurde. Sogar ein Querschnitt kommt hinzu. Nun hat sich das Label Urania Records die Einspielung gegriffen mit dem deutlichen Hinweis auf die Urheberschaft der Produktion (WS 121.234). Das ist fair. In diesem Falle aber wirkt es ein bisschen so, als wolle man damit nichts zu tun haben. Die anderen waren es, nicht wir! Nachzuvollziehen wäre es. Denn die Produktion hat auch mit den Jahren nicht gewonnen und keine Patina angesetzt. Sie ist problematisch geblieben. Zumal sie seit jeher in harter Konkurrenz steht gegen die von Joseph Keilberth betreute EMI-Aufnahme. Diese entstand nur ein Jahr zuvor. Ein Geschwisterpaar, zwischen dem keine Liebe aufkommt, weil der ältere Teil von beiden immer vorgezogen wurde wie ein Erstgeborener. Das ist so, seit sie gemeinsam auf dem Markt sind. Nun sind die Sympathien völlig zu Recht so unterschiedliche verteilt.

Jochums Aufnahme findet nicht richtig zusammen. Trotz schöner Momente in den sinfonischen Passagen zerfällt sie in Einzelteile. Es will keine rechte Stimmung aufkommen, obwohl die Dialoge lebensechter und natürlicher gesprochen werden als bei der EMI. Irmgard Seefried kommt zu spät als Agathe. Der einstige Samt dieser Stimme hat viel Glanz verloren und wirkt gelegentlich belegt in der Höhe. Auch Rita Streich als Ännchen ist nicht mehr taufrisch und versucht, Jugendlichkeit durch eine gewisse Aufgeräumtheit herzustellen. Die Idee, den Max mit einem lyrischen Tenor zu besetzten, ist verführerisch. Mehr nicht. In diesem Fall scheitert sie an Richard Holm, der besser bei Jaquino oder David geblieben wäre. Holms Stimme reicht nicht für die dramatischen Teile der Partie, er stemmt sie wie Hanteln im Sportstudio. Schaden nimmt die Diktion. Wörter verwischen. Im Terzett im nächtlichen Försterhaus klingt er nur noch müde. Dabei steht ihm noch der Marsch in die Wolfsschlucht bevor, in der es auffallend sachlich zugeht, als scheine die Sonne und nicht der Mond, dessen Milch dem Libretto nach eigentlich aufs Kraut fallen soll. Für Gestaltung bleibt Holm nicht viel übrig. Aus dem lyrischen wird gelegentlich ein Charaktertenor.

Gegen den Profi Kurt Böhme, der den Kaspar schon 1944 bei Karl Elmendorff in Dresden gesungen hat, kann er nichts ausrichten. Warum also diese von vornherein unglückliche Paarung der beiden Jägerburschen? Die Besetzung der übrigen Partien mit Eberhard Wächter (Ottokar), Albrecht Peter (Kuno) und Paul Kuen (Kilian) sind noch das Beste an der ganzen Produktion. Es singt der Chor und es spielt das Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks.

Rüdiger Winter

Lucine Amara

 

Am Sonntag, dem 1. März 2015, wurde die langjährige Met-Sopranistin Lucine Amara 90 Jahre alt – man sieht als Älterer, wie die Zeit fliegt, wenn die „Haushalts“-Sänger, mit denen man aufgewachsen ist, nun stolze Alter erreichen. Das lässt einen doch noch einmal seine Vor- und Nachlieben überdenken. Namentlich eine so solide Sängerin wie Lucine Amara, nie ein Weltstar, aber doch von großer Qualität und von unglaublich konstanten Auftritten, wäre heute kaum noch denkbar. Ganze Generationen von Met-Besuchern konnten sich an ihrer zeitübergreifenden Präsenz und Vielseitigkeit erfreuen. Sie war eine im wahren Sinne eine universelle Sängerin mit einer enormen Bandbreite. Und Wagner-Fans wird sie mit ihrer Studio-Elsa neben Kónya bei RCA/Teldec/Decca in Erinnerung sein, von zahlreichen Aufnahmen der alten CBS ganz abgesehen. Zum Geburtstag nun eine Würdigung, die wir von dem interessanten Blog Opera Fresh übernommen haben – in Englisch sorry.

Lucine Amara als Aida an der Met/Melancon/Metropolitan Opera Archives/

Lucine Amara als Aida an der Met/Melancon/Metropolitan Opera Archives

Lucine Amara began her career as a chorister with the San Francisco Opera. After starting out as a contralto, she switched to soprano and by 1946 was making her debut at the War Memorial Auditorium. The biggest part of her career was on the East coast at The Metropolitan Opera where she sang from 1950-1991 in 748 performances. She debuted as the Celestial Voice in Verdi’s Don Carlo with a cast that included Jussi Björling, Delia Rigal, Robert Merrill, Fedora Barbieri, Cesare Siepi, and Jerome Hines. Her roles at the beginning of her career in New York tended to be mostly comprimario: First Lady (Die Zauberflöte), Ines (Il Trovatore), Wellgunde (Götterdämmerung), Kate Pinkerton (Madama Butterfly), Priestess (Aida), Countess Ceprano (Rigoletto), Frasquita (Carmen), Serving Woman (Elektra), Leaders of the People (Alceste), Flower Maiden (Parsifal), Annina (La Traviata). Rare exceptions in the first two years of performing at the MET were the roles of Nedda in I Pagliacci and Micaela in Carmen.

Lucine Amara als Tatjana mit George London/Onegin/Melancon/Metropolitan Opera Archives/

Lucine Amara als Tatjana mit George London/Onegin/Melancon/Metropolitan Opera Archives

By 1953 she was singing Mimì in La Bohème under the baton of Alberto Erede. She would go on to sing Pamina (Die Zauberflöte), Countess Almaviva (Le Nozze di Figaro), Donna Elvira (Don Giovanni), Desdemona (Otello), Antonia (Les Contes d’Hoffmann), Tatiana (Eugene Onegin), Leonora (La Forza del Destino), Liù (Turandot), Fiordiligi (Così fan tutte), Eva (Die Meistersinger von Nürnberg), Ariadne (Ariadne auf Naxos), Marguerite (Faust), Ellen Orford (Peter Grimes), Luisa (Luisa Miller), Maddalena (Andrea Chénier), Alice Ford (Falstaff), Cio-Cio San (Madama Butterfly), Elsa (Lohengrin), Amelia (Un Ballo in Maschera), and the title roles inAida and Tosca. Her final roles at the MET were Mother Marie (Dialogues des Carmélites), Santuzza (Cavalleria Rusticana), Gertrude (Hänsel und Gretel), and Madelon (Andrea Chénier). Be sure to visit the birthday tribute page for more photos and audio clips.

 

Das Foto oben zeigt Lucine Amara als Madama Butterfly/Melancon/Metropolitan Opera Archives