Dieser Freischütz von Carl Maria von Weber ist oft aufgelegt worden. Es gibt ihn in mindestens drei verschiedenen CD-Ausgaben der Deutschen Grammophon, wo er 1959 eingespielt wurde. Sogar ein Querschnitt kommt hinzu. Nun hat sich das Label Urania Records die Einspielung gegriffen mit dem deutlichen Hinweis auf die Urheberschaft der Produktion (WS 121.234). Das ist fair. In diesem Falle aber wirkt es ein bisschen so, als wolle man damit nichts zu tun haben. Die anderen waren es, nicht wir! Nachzuvollziehen wäre es. Denn die Produktion hat auch mit den Jahren nicht gewonnen und keine Patina angesetzt. Sie ist problematisch geblieben. Zumal sie seit jeher in harter Konkurrenz steht gegen die von Joseph Keilberth betreute EMI-Aufnahme. Diese entstand nur ein Jahr zuvor. Ein Geschwisterpaar, zwischen dem keine Liebe aufkommt, weil der ältere Teil von beiden immer vorgezogen wurde wie ein Erstgeborener. Das ist so, seit sie gemeinsam auf dem Markt sind. Nun sind die Sympathien völlig zu Recht so unterschiedliche verteilt.
Jochums Aufnahme findet nicht richtig zusammen. Trotz schöner Momente in den sinfonischen Passagen zerfällt sie in Einzelteile. Es will keine rechte Stimmung aufkommen, obwohl die Dialoge lebensechter und natürlicher gesprochen werden als bei der EMI. Irmgard Seefried kommt zu spät als Agathe. Der einstige Samt dieser Stimme hat viel Glanz verloren und wirkt gelegentlich belegt in der Höhe. Auch Rita Streich als Ännchen ist nicht mehr taufrisch und versucht, Jugendlichkeit durch eine gewisse Aufgeräumtheit herzustellen. Die Idee, den Max mit einem lyrischen Tenor zu besetzten, ist verführerisch. Mehr nicht. In diesem Fall scheitert sie an Richard Holm, der besser bei Jaquino oder David geblieben wäre. Holms Stimme reicht nicht für die dramatischen Teile der Partie, er stemmt sie wie Hanteln im Sportstudio. Schaden nimmt die Diktion. Wörter verwischen. Im Terzett im nächtlichen Försterhaus klingt er nur noch müde. Dabei steht ihm noch der Marsch in die Wolfsschlucht bevor, in der es auffallend sachlich zugeht, als scheine die Sonne und nicht der Mond, dessen Milch dem Libretto nach eigentlich aufs Kraut fallen soll. Für Gestaltung bleibt Holm nicht viel übrig. Aus dem lyrischen wird gelegentlich ein Charaktertenor.
Gegen den Profi Kurt Böhme, der den Kaspar schon 1944 bei Karl Elmendorff in Dresden gesungen hat, kann er nichts ausrichten. Warum also diese von vornherein unglückliche Paarung der beiden Jägerburschen? Die Besetzung der übrigen Partien mit Eberhard Wächter (Ottokar), Albrecht Peter (Kuno) und Paul Kuen (Kilian) sind noch das Beste an der ganzen Produktion. Es singt der Chor und es spielt das Sinfonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks.
Rüdiger Winter