Archiv für den Monat: April 2020

Luigi Roni

 

Auch vor Prominenten macht das besonders in Italien schrecklich wütende Corona-Virus nicht halt. So starb am 28. März 2020 der italienische Bass Luigi Roni im Alter von 78 Jahren im Krankenhaus San Luca in der toskanischen Stadt Lucca. Besonders tragisch ist, dass er sich wahrscheinlich bei der Beerdigung seiner Ehefrau Yulija angesteckt hat und ihr nach einer Woche vergeblicher ärztlicher Behandlung in den Tod folgte.

Luigi Roni wurde 1942 in Calomini di Vergemoli im Valle del Serchio geboren und kehrte nach der Beendigung seiner Karriere in sein toskanisches Heimatdorf zurück, dem er das Musikfestival Serchio delle Muse geschenkt hatte, denn seiner Meinung nach galt auch für die ländliche Bevölkerung:“ Non si può andare avanti solo con pane e salsiccia“.

Nach dem Gewinn des Concorso „Belli“ in Spoleto debütierte der Bass wie so viele seiner Kollegen in der Festival-Stadt und zwar als Mephisto in Gounods „Faust“. 1968 kam es zu seinem Scala-Debüt unter Claudio Abbado als Tiresia in Strawinskis „Oedipus Rex“. Vierzig Jahre lang blieb er dem Mailänder Opernhaus treu, sang zuletzt unter Riccardo Chailly den Talpa in Puccinis „Il Tabarro“. Er war zunächst vor allem Verdi-Sänger, so Banco unter Bartoletti und Muti, später dann sang er häufig im seiner Heimat nahe liegenden Torre del Lago Puccini. Besonders bemerkenswert war sein Mitwirken am „Guglielmo Tell“ von Muti in den Jahren 1972 und 1977. Noch vor knapp einem Jahr sang er in Genua den Simone in Puccinis „Gianni Schicchi“.

Seine Karriere war auch eine internationale, der Met blieb er bis 2016 treu.  Seine Karriere führte ihn  an alle anderen bedeutenden Opernhäuser der Welt, auch In Berlin sang er an der Deutschen Oper. I. W.

Französisch-ungarische Gemeinschaftsarbeit

 

Die beachtliche Serie seiner Einspielungen von französischen Barockopern erweitert das Label GLOSSA um die Tragédie Jephté von Michel Pignolet de Montéclair (1667 – 1737), welche 1732 an der Pariser Académie royale de musique uraufgeführt wurde (GCD 924008).

Bei der im März 2019 in Budapest eingespielten Aufnahme handelt es sich um eine schon mehrfach (so bei manchen Einspielungen des Palazzetto Bru Zane) praktizierte Koproduktion zwischen Müpa Budapest, dem Centre de musique baroque de Versailles und der Orfeo Music Foundation. Das Orfeo Orchestra und der Purcell Choir werden geleitet von György Vashegyi, der sich für die dritte Fassung der Oper (von 1737) entschieden hat, die bisher noch nicht veröffentlicht wurde.

Dass eine biblische Geschichte auf der Opernbühne aufgeführt wurde, stieß auf die Kritik namhafter Zeitgenossen (so Voltaire), doch fand das Stück großen Anklang beim Publikum und wurde bis 1761 immer wieder (in drei verschiedenen Fassungen) gezeigt. Erst danach musste es in der Gunst der Zuhörer den Meisterwerken Rameaus weichen.

Jephté ist die einzige französische Oper des 17. und 18. Jahrhunderts auf einen Bibel-Text und verfolgt zwei Handlungsstränge – Jephté, der als Vater seine Tochter Iphise opfert, um sein Versprechen an den Herrn einzuhalten, und die Liebesbeziehung seiner Tochter zu seinem Feind Ammon. Nur Almasie, Jephtés Gattin und Iphises Mutter, greift in beide Handlungsebenen ein, die sich erst im 5. Akt verbinden.

Nach dem Prolog mit den mythischen Gottheiten Apollon, Polymnie, Terpsichore, Vénus und La Verité führt der 1. Akt in das Lager der Israeliten diesseits des Jordan. Nach langem Exil kehrt Jephté zurück in das Land seiner Vorfahren, entschlossen, gegen seinen Feind Ammon zu kämpfen. Er bittet Gott um Unterstützung und schwört, den ersten Menschen zu opfern, der ihm bei seiner Rückkehr begegnet.

Wegen seiner Gefühle für Iphise weigert sich der gefangene Ammon zu fliehen. Sie teilt seine Zuneigung, leidet jedoch unter ihrer verwerflichen Leidenschaft. Als Jephtés Sieg angekündigt wird, läuft sie ihrem Vater als Erste entgegen. Gemeinsam mit seiner Gattin Almasie beklagt er das schreckliche Los, das ihm auferlegt ist, sein eigenes Blut zu vergießen. Almasie offenbart ihrer Tochter das Vorhaben des Vaters. Würdevoll ist sie bereit zu sterben, lehnt auch Ammons Angebot ab, sie mit Waffengewalt zu retten. Dieser ist entschlossen, sich an dem Gott, der seine Geliebte tötet, zu rächen.

Der 5. Akt führt in den Tempel von Maspha, wo am Altar alles für das Opfer bereit ist. Da ertönen Rufe der Aufständischen unter Führung Ammons, denen sich Jephté entgegenstellen will, doch trifft ein Blitz seinen Feind. Wieder grollt Donner, und in einer Vision erkennt der Oberpriester Phinée, dass der Zorn Gottes besänftigt und das Leben Iphises zu schonen ist. Alle preisen die göttliche Gerechtigkeit.

Die Einspielung profitiert von der exzellenten Qualität des Orchesters, welches vom Dirigenten zu lebhaftem Musizieren inspiriert wird. Die Ouverture zum Prologue und die Préludes zu den Akten sind schwungvoll und Affekt betont, die zahlreichen Tänze lebendig und von straffem Rhythmus – von martialischem Pomp die Marche und Airs des Guerriers, fulminant die Marche au son des tambourins, lebhaft und in ihren Dudelsackanklängen von schottischer Anmutung die Première et deuxième Pastourelle. Auch der Chor besticht mit klangreichem und vitalem Gesang, wirkt oft auch mit großem Anteil in Duos oder Trios mit (z. B. „Esprit de feu“ im letzten Akt oder im Finale „Du plus beau de nos jours“).

Die stimmige Besetzung wird angeführt von Tassis Christoyannis in der Titelrolle mit hellem, wohllautendem Bariton. In seiner Auftrittsarie zu Beginn des 1. Aktes, „Rivages du Jourdain“, evoziert er mit expressivem Nachdruck den Konflikt der Figur. Nicht weniger eindrucksvoll ist der Oberpriester Phinée von Thomas Dolié, dessen Bariton etwas dunkler getönt, aber gleichfalls von imponierender Eindringlichkeit ist. Beider Duo „Viens, répands le trouble et l’effroi“ ist von kämpferischem Impetus. Erschauernd tönt Jephtés Rezitativ „Que vois-je?“, welches das Entsetzen widerspiegelt, als er seine Tochter Iphise erblickt. Chantal Santon Jeffery singt sie mit lyrischem Sopran von berührender Empfindsamkeit. Ihr Air vor dem Opfertod, „Je meurs“, ist in seiner Schlichtheit besonders ergreifend. Reifer und gleichfalls gefühlvoll klingt die Stimme von Judith van Wanroij als ihre Mutter Almasie. Das Duo der beiden Frauen im 2. Akt, „Maître des vastes cieux“, spricht von Auflehnung gegen das Unvermeidliche. Ihr Zwiegesang im 4. Akt, „Seigneur, tout mortel“, ist erfüllt vom gemeinsamen Schmerz über das bevorstehende Opfer. Im Finale preisen beide gemeinsam mit Jephté in einem lebhaften Trio mit Chor den glücklichen Ausgang. Bernd Hoppe

Im Treppenhaus

 

Verdutzt lugt Dr. Cajus durch die schmutzigen Scheiben des vollgeramschten Pubs, in dem Sir John Falstaff die „Sun“ liest und vor leergegessenen Tellern die Reste seines Frühstücks verdrückt. Dabei wird er bewacht von seinen beiden furchterregenden Kumpanen, dem Koloss Bardolfo  und dem frettchenhaften Pistola. Falstaff geht immer. Und überall. In seiner 200. Spielzeit 2018/19 hat das Madrider  Teatro Real dessen Geschichte natürlich etwas älter ist als der jetzige Bau –  Komödienspezialist Laurent Pelly, der das Stück erstaunlicherweise noch nie inszeniere, damit beauftragt, im April 2019 Verdis Komödie in Szene zu setzen. Das funktioniert recht gut. Die Typen sind herrlich: beispielsweise der züngelnde Tenor Mikeldi Atxalandabaso als Bardolfo und das kolumbianische Buffoschwergewicht Valeriano Lanchas als bulliger Pistola. Mit ihnen möchte man nicht frühstücken, geschweige denn in diesem klebrig staubigen Etablissement. Nachdem sich rasch die Wände des schlauchschmalen Ladens verschieben, zaubert Barbara de Limburg die abendlich beleuchteten Fenster der umliegenden Wohnblocks herbei, vor denen Falstaff über die Ehre philosophiert, was man von dem Alten mit dem filzigen Bart und der abgewetzten Strickweste nicht erwartet hätte. Flugs gelangen wir daraufhin ins weitläufige Treppenhaus der Fords. Viele gedrechselte Handläufe, braune Karomuster, die auch in Brüssel, Bordeaux und Tokio zu sehen sein werden. Dazu die Damen in der tüchtigen Bürgerlichkeit der 1960er und 1970er Jahre in geschmackvollen Twinsets und mit Perlenketten und passenden Handtaschen. Das läuft wie von selbst, ein bisschen komisch, ein bisschen nostalgisch, vor allem sehr grau eingetrübt, als liege Windsor in den einstigen Hochburgen des Kohleabbaus in Schottland. Und wie Pelly das Ensemble auf den vielen Stufen verteilt, treppauf, treppab wuselnd, hat etwas mechanisch Aufgedrehtes, eher Rossini als Verdi. Es fehlt mir an rechtem Spielwitz und Komik, an Tiefe und Trennschärfe zwischen den Sphären des Falstaff und der Weiber, so sehr Pelly seiner Inszenierung eine sozialkritische Ebene einziehen möchte. Wenig überzeugend der grotesk übersteuerte Schluss mit dem kalkgesichtigen Mob, der auf Falstaff eindrischt und Gericht hält. Zu lachen gibt es in dieser Welt nicht viel.

Roberto De Candia ist ein gutmütiger Falstaff mit einer warmen Stimme, die auf der Bluray (BelAir BAC 477) erstaunlich groß klingt, dabei ausreichend beweglich und witzig, allenfalls ein wenig zu einförmig. Nach Maestri ist De Candia einer der versiertesten Interpreten der Partie, was man an Nuancen und der feinen Diktion merkt, doch manches bleibt auch ein wenig großflächig und, bei wenig profunder Tiefe, angedeutet. Weshalb sich die Damen, die kaum mit einem derart Gestrandeten in Kontakt kommen dürften, abgeben, bleibt schleierhaft. Einstige Größe oder einen gesellschaftlichen Abstieg kann dieser Falstaff nicht vermitteln. Die Damen sind mit der im dritten Akt lyrisch zupackenden Ruth Iniesta als Nannetta, der als Alice wenig verführerischen und unraffiniert singenden Rebecca Evans als Hausfrau auf Abwegen, der hübsch timbrierten Maite Beaumont als blasser Meg Page und der in guter Tradition stehenden, bei manchen Tönen etwas fahl klingenden, aber komischen Daniela Barcellona als einem Gläschen nie abgeneigter Quickly schlüssiger besetzt als die Herren. Diese werden angeführt von dem tölpelhaften Ford des nicht besonders überzeugenden Simone Piazzola. Joel Prieto ist mit schmelzend leichtem Tenor ein rechter Fenton-Darling, Christophe Mortagne dreht mächtig auf und macht viel aus dem Cajus. Daniele Rustioni dirigiert das Orchester des Teatro Real bei diesem verzichtbaren Erlebnis sauber, rhythmisch flexibel und exakt, es fehlen Farben, Atmosphäre und alles, was zwischen den Zeilen verborgen ist. Da greife man dann doch lieber vielleicht zu Giulini oder einer der anderen AufnahmenRolf Fath

Krzysztof Penderecki

 

Er zählte den den wenigen Komponisten der Avantgarde, die einer breiten Öffentlichkeit geläufig waren, und war ohne Frage der bedeutendste lebende Komponist Polens. Krzysztof Penderecki am 23. November 1933 im polnischen Dębica geboren, kam auf Initiative des Vaters bereits früh mit Musik in Verbindung. Von Anfang an war er breit aufgestellt, studierte nicht nur Komposition an der Krakauer Musikakademie, sondern auch Philosophie, Kunst- und Literaturgeschichte an der dortigen Universität. Bereits 1958 übernahm er eine Professur in Krakau und trat ab dem Folgejahr als Komponist in Erscheinung, als ihm beim Zweiten Warschauer Wettbewerb junger polnischer Komponisten der Durchbruch gelang. Von 1972 bis 1987 amtierte er als Rektor der Musikakademie Krakau und dozierte daneben, sicherlich begünstigt durch seine fließenden Deutschkenntnisse, zwischen 1966 und 1968 an der Folkwang-Hochschule in Essen. Den größten Ruhm fuhr er durch die Verwendung seiner Musik in zahllosen Filmen ein, am bekanntesten freilich in Der Exorzist (1973) und in Shining (1980), zuletzt noch in Das Massaker von Katyn (2007) sowie Shutter Island (2010). Daneben schrieb er in seinen früheren Jahren auch spezifische Filmmusik für Die Handschrift von Saragossa (1965) und Ich liebe dich, ich liebe dich (1968). Seine wirkungsmächtigste Oper, Die Teufel von Loudun, datiert in diese künstlerisch besonders kreative Phase (1968/69). Überhaupt waren ihm die (zeit)geschichtlichen Zusammenhänge wichtig, denkt man an das an Hiroshima gemahnende Threnos (1960/61), das Klavierkonzert Auferstehung (2001/02, rev. 2007) mit Bezug auf den 11. September 2001 oder das Polnische Requiem (1980-1984, rev. 1993). Es gab keine klassische Gattung, an der sich Penderecki nicht versucht hätte, darunter nicht weniger als acht Sinfonien, mehrere Konzerte für Soloinstrument und Orchester, ein Te Deum, A-Capella-Stücke, Klavierwerke und Kammermusik. Ebenso zahlreich die Preise, Auszeichnungen und Ehrungen, welche Penderecki im Laufe seines Lebens einfuhr, darunter der Prix Italia (1968), die Mitgliedschaft in der Royal Academy of Music (1995), der Orden des Weißen Adlers – das höchste Ehrenzeichen Polens – (2005), ein Emmy (1996) und ein Grammy (2013), daneben etliche Ehrendoktorate und Ehrenprofessuren sowie die Ehrenmitgliedschaft unter anderem in der Akademie der Künste (Berlin) und der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Zudem trat er als Dirigent auf. Am 29. März 2020 ist Krzysztof Penderecki nun im 87. Lebensjahr stehend in Krakau nach langer, schwerer Krankheit verstorben (Foto Wikipedia). Daniel Hauser

Barocke Team-Arbeit

 

Auf einer Blue-ray Disc veröffentlicht DYNAMIC als Weltpremiere unter dem Titel Intermedi della Pellegrina ein Open-air-Spektakel, das im Juni 2019 im Giardino di Popoli des Palazzo Pitti von Florenz aufgezeichnet wurde (57856). Es vereint die sechs Intermedien, welche 1589 für die Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit von Don Ferdinando I. mit Cristina di Lorena (Christine von Lothringen), Großherzogin der Toscana, aufgeführt wurden. Es war eine frühe Form des Gesamtkunstwerkes – noch lange vor Richard Wagners Idee – mit einer Kombination von allen Künsten: Musik, Theater, Dichtung, Tanz, Malerei, Architektur. Ursprünglich stammen diese Zwischenspiele aus Komödien, in die sie eingefügt wurden (in diesem Fall in Girolamo Bargaglis La Pellegrina), doch hat der Regisseur des Abends, Valentino Villa, sie in dieser Koproduktion des Maggio Musicale Fiorentino mit den Gallerie degli Uffizi zusammengefasst zu einer neuen Geschichte, welche die Hochzeit von Ferdinando und Cristina zum Inhalt hat. Er erdachte eine Wanderaufführung, teilte das Publikum in farblich differenzierte Gruppen auf, die dann einem Führer mit entsprechendem Banner von einem Spielort zum nächsten folgen.

Von Atem beraubender Schönheit ist die historische Kulisse der Aufführung im Garten des Palastes mit seinen alten Mauern, den Grotten, Skulpturen und Terrakotten – alles in unterschiedliche und wechselnde Farben getaucht (Light Designer: Alessandro Tutini). Leider hat Gianluca Sbicca schrill-bunte Kostüme in schlecht verstandener Vivienne-Westwood-Manier beigesteuert. Da werden Farben abenteuerlich gemixt, Stofffetzen wüst kombiniert und den Sängern schräge Perücken, scheußliche Klunkern und Strass besetzte Butterfly-Brillen verordnet. Auch die Inszenierung bedient sich fragwürdiger Mittel, die eher einer Persiflage entsprechen. Statisten agieren nicht nur angemessen als Fahnenträger und Bogenschützen, sondern auch als Butler, Tennis- und Golfspieler sowie Ringer in Schutzhelmen. Oft sind sie von Marco Angelilli choreografisch geführt, allerdings vielfach profan und ridikül. Sie jonglieren mit Disko-Kugeln, üben sich in der Gebärdensprache, spielen im Sandkasten.

Sechs Komponisten haben an den Intermedien mitgewirkt, das erste mit dem Titel „L’Armonia delle Sfere“ – wie alle komponiert im Stil des recitar cantando – stammt von Cristofano Malvezzi (1547 – 97). Hier sorgt Rossana Bertini als Sopran I in einem abenteuerlichen rot-grünen Outfit mit strenger, bohrender Stimme für irritierende Eindrücke. Danach kommt der Chor in weißen Anzügen zum ersten Einsatz; und das Coro Ricercare Ensemble (Einstudierung: Alberto Allegrezza) hat Gelegenheit, in der Lobpreisung auf das hohe Paar seinen wohllautenden Gesang hören zu lassen. Im nächsten Titel, der Sinfonia a 6, leitet der renommierte Dirigent der Alten Musik, Federico Maria Sardelli, sein Ensemble Modo Antiquo und signalisiert auf Anhieb, mit diesem auf historischen Instrumenten musizierenden Klangkörper das herausragende Ereignis der Aufführung zu sein. Der Dirigent verfügte über die Originalinstrumentierungen sowie den Bericht eines Zeitzeugen, des Komponisten Cristofano Malvezzi, aus dem Jahre 1591, der die musikalische Pracht der Aufführung minutiös schildert. Die Blechbläser, spezialisiert auf die Musik der Renaissance und des Barock, sorgen für ein überwältigendes Klangbild, das die pompös-feierlichen Instrumentalstücke in imponierender Manier wiedergibt. Als Sopran II lässt Elena Bertuzzi, gleichfalls im Vogelscheuchen-Outfit, eine angenehmere, weil weichere Stimme hören. Das Gesangs-Sextett komplettieren die Altistin Candida Guida, der Tenor Paolo Fanciullacci, der Bariton Marco Scavazza und der Bass Mauro Borgiono.

Die nächsten beiden Intermedien, „La Contesa fra le Pieridi e le Muse“ und „Il Combattimento di Apollo col serpente Pitone“, komponierte Luca Marenzio (1554 – 99). In der einleitenden Sinfonia a 5 imponiert Modo Antiquo erneut mit funkelndem Bläserglanz.

Schöpfer des Intermedio IV mit dem Titel „Demoni celesti annunciano l’avvento di un’epoca felice“ sind Giulio Caccini (1550 – 1618), wiederum Cristofano Malvezzi und Giovanni de’ Bardi (1534 – 1612). Von letzterem stammt der ungemein wirkungsvolle Teil „Miseri abitator del cieco Averno“ mit düsteren Akkorden, welche eine apokalyptische Stimmung erzeugen.

Das fünfte Intermedio, „Arione e il delfino“, komponierten Malvezzi und Jacopo Peri (1561 – 1633), Schöpfer der ersten (verschollenen) Oper der Musikgeschichte, Dafne. Der letzte Beitrag, „Appare in cielo Giove con il concilio degli dei“, stammt von Malvezzi und Emilio de’Cavalieri (1550 –1602). Eingeleitet von Trommelklängen, marschiert ein Zug mit Bannerträgern und Spielleuten herein und stimmt den finalen Hymnus „O che nuovo miracolo“ an, in den alle Solisten und der Chor einfallen, um das Glück des Paares zu preisen. Bernd Hoppe

Hertha Töpper

 

Nicht immer ist die Karriere einer Sängerin so genau auf Tonträgern dokumentiert wie bei Hertha Töpper. Als die vermutlich erste Aufnahme gilt der Wachgesang der Brangäne aus Wagners Tristan vom 12. Oktober 1950 aus der Grazer Oper, der ein großes Talent erahnen lässt. Die Stimme ist ruhig und sicher, die Atemreserven scheinen endlos. Bereits fünf Jahre zuvor hatte sie an diesem Haus mit der Ulrica im Maskenball von Verdi debütiert. Graz ist ihre Heimatstadt. Dort wurde sie am 19. April 1924 geboren. Sie wuchs in einem musikalischen Elternhaus auf. Ihr Vater ist Musiklehrer gewesen. Noch vor dem Abitur nahm sie Gesangsunterricht. Seit 1949 war sie mit dem zwanzig Jahre älteren Komponisten Franz Mixa verheiratet, der auch Einfluss auf ihre weitere stimmliche Entwicklung genommen haben dürfte.

Bayreuth wurde bereits 1951 für die ersten Nachkriegsfestspiele auf die junge Sängerin aufmerksam. Sie sang die Floßhilde in Rheingold und Götterdämmerung sowie die Siegrune in der Walküre. Im selben Jahr eroberte sie sich das Publikum in München als Octavian im Rosenkavalier (Foto oben / isoldes-liebestod.net) von Richard Strauss, der eine ihre Paraderollen wurde und ihr auch für 1962 und 1963 einen Vertrag mit der Metropolitan in New York eintrug, was in diesen Jahren noch viel bedeutete. Es gibt mindesten zwei Mitschnitte der Oper auf CD. Strauss blieb ein wichtiger Komponist für die Töpper. Sie sang auch die Clairon in Capriccio, die auf einer Gesamtaufnahme unter Clemens Krauss verewigt ist, die Adelaide in der Arabella und die Gaea in der Daphne, die der Bayerische Rundfunk sogar filmisch produzierte. An der Münchner Staatsoper war sie 1957 an der Uraufführung der Oper Die Harmonie der Welt von Paul Hindemith beteiligt.

Nicht eben kurz ist die Liste der Plattenaufnahmen, die alle Genres berühren. Sogar ein Querschnitt durch den Bettelstudent von Millöcker und eine Gesamtaufnahme von Suppés Banditenstreiche sind dabei. Untrennbar verbunden ist der Name von Hertha Töpper mit den Münchner Bach-Produktionen des Dirigenten Karl Richter, der sie auch auf viele Gastspielreise mitnahm. Richter schätzte an ihr die Disziplin und die schnörkellose Stimme, die sich gut in das Ensemble einpasste, einen festen Sitz hatte und technisch perfekt war. Zu Bach-Kantaten-Einspielungen ging sie auch nach Leipzig. Von 1971 bis 1981 hatte sie eine Professur für Gesang an der Musikhochschule in München, wo sie bereits 1955 zur Kammersängerin ernannt worden war. Am 28. März 2010 ist Hertha Töpper im Alter von fünfundneunzig Jahren gestorben. Rüdiger Winter