Barocke Team-Arbeit

 

Auf einer Blue-ray Disc veröffentlicht DYNAMIC als Weltpremiere unter dem Titel Intermedi della Pellegrina ein Open-air-Spektakel, das im Juni 2019 im Giardino di Popoli des Palazzo Pitti von Florenz aufgezeichnet wurde (57856). Es vereint die sechs Intermedien, welche 1589 für die Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit von Don Ferdinando I. mit Cristina di Lorena (Christine von Lothringen), Großherzogin der Toscana, aufgeführt wurden. Es war eine frühe Form des Gesamtkunstwerkes – noch lange vor Richard Wagners Idee – mit einer Kombination von allen Künsten: Musik, Theater, Dichtung, Tanz, Malerei, Architektur. Ursprünglich stammen diese Zwischenspiele aus Komödien, in die sie eingefügt wurden (in diesem Fall in Girolamo Bargaglis La Pellegrina), doch hat der Regisseur des Abends, Valentino Villa, sie in dieser Koproduktion des Maggio Musicale Fiorentino mit den Gallerie degli Uffizi zusammengefasst zu einer neuen Geschichte, welche die Hochzeit von Ferdinando und Cristina zum Inhalt hat. Er erdachte eine Wanderaufführung, teilte das Publikum in farblich differenzierte Gruppen auf, die dann einem Führer mit entsprechendem Banner von einem Spielort zum nächsten folgen.

Von Atem beraubender Schönheit ist die historische Kulisse der Aufführung im Garten des Palastes mit seinen alten Mauern, den Grotten, Skulpturen und Terrakotten – alles in unterschiedliche und wechselnde Farben getaucht (Light Designer: Alessandro Tutini). Leider hat Gianluca Sbicca schrill-bunte Kostüme in schlecht verstandener Vivienne-Westwood-Manier beigesteuert. Da werden Farben abenteuerlich gemixt, Stofffetzen wüst kombiniert und den Sängern schräge Perücken, scheußliche Klunkern und Strass besetzte Butterfly-Brillen verordnet. Auch die Inszenierung bedient sich fragwürdiger Mittel, die eher einer Persiflage entsprechen. Statisten agieren nicht nur angemessen als Fahnenträger und Bogenschützen, sondern auch als Butler, Tennis- und Golfspieler sowie Ringer in Schutzhelmen. Oft sind sie von Marco Angelilli choreografisch geführt, allerdings vielfach profan und ridikül. Sie jonglieren mit Disko-Kugeln, üben sich in der Gebärdensprache, spielen im Sandkasten.

Sechs Komponisten haben an den Intermedien mitgewirkt, das erste mit dem Titel „L’Armonia delle Sfere“ – wie alle komponiert im Stil des recitar cantando – stammt von Cristofano Malvezzi (1547 – 97). Hier sorgt Rossana Bertini als Sopran I in einem abenteuerlichen rot-grünen Outfit mit strenger, bohrender Stimme für irritierende Eindrücke. Danach kommt der Chor in weißen Anzügen zum ersten Einsatz; und das Coro Ricercare Ensemble (Einstudierung: Alberto Allegrezza) hat Gelegenheit, in der Lobpreisung auf das hohe Paar seinen wohllautenden Gesang hören zu lassen. Im nächsten Titel, der Sinfonia a 6, leitet der renommierte Dirigent der Alten Musik, Federico Maria Sardelli, sein Ensemble Modo Antiquo und signalisiert auf Anhieb, mit diesem auf historischen Instrumenten musizierenden Klangkörper das herausragende Ereignis der Aufführung zu sein. Der Dirigent verfügte über die Originalinstrumentierungen sowie den Bericht eines Zeitzeugen, des Komponisten Cristofano Malvezzi, aus dem Jahre 1591, der die musikalische Pracht der Aufführung minutiös schildert. Die Blechbläser, spezialisiert auf die Musik der Renaissance und des Barock, sorgen für ein überwältigendes Klangbild, das die pompös-feierlichen Instrumentalstücke in imponierender Manier wiedergibt. Als Sopran II lässt Elena Bertuzzi, gleichfalls im Vogelscheuchen-Outfit, eine angenehmere, weil weichere Stimme hören. Das Gesangs-Sextett komplettieren die Altistin Candida Guida, der Tenor Paolo Fanciullacci, der Bariton Marco Scavazza und der Bass Mauro Borgiono.

Die nächsten beiden Intermedien, „La Contesa fra le Pieridi e le Muse“ und „Il Combattimento di Apollo col serpente Pitone“, komponierte Luca Marenzio (1554 – 99). In der einleitenden Sinfonia a 5 imponiert Modo Antiquo erneut mit funkelndem Bläserglanz.

Schöpfer des Intermedio IV mit dem Titel „Demoni celesti annunciano l’avvento di un’epoca felice“ sind Giulio Caccini (1550 – 1618), wiederum Cristofano Malvezzi und Giovanni de’ Bardi (1534 – 1612). Von letzterem stammt der ungemein wirkungsvolle Teil „Miseri abitator del cieco Averno“ mit düsteren Akkorden, welche eine apokalyptische Stimmung erzeugen.

Das fünfte Intermedio, „Arione e il delfino“, komponierten Malvezzi und Jacopo Peri (1561 – 1633), Schöpfer der ersten (verschollenen) Oper der Musikgeschichte, Dafne. Der letzte Beitrag, „Appare in cielo Giove con il concilio degli dei“, stammt von Malvezzi und Emilio de’Cavalieri (1550 –1602). Eingeleitet von Trommelklängen, marschiert ein Zug mit Bannerträgern und Spielleuten herein und stimmt den finalen Hymnus „O che nuovo miracolo“ an, in den alle Solisten und der Chor einfallen, um das Glück des Paares zu preisen. Bernd Hoppe