Archiv für den Monat: September 2020

Weltersteinspielungen

 

Nach dem sehr vielversprechenden Auftakt der von Naxos verantworteten Reihe einer ersten Gesamteinspielung sämtlicher Ouvertüren von Daniel-François-Esprit Auber geht es nun in die nächste Runde, da Vol. 2 soeben erschienen ist (8.574006). Wiederum zeichnet das Tschechische Philharmonische Kammerorchester Pardubice unter Dario Salvi verantwortlich, was aufs Neue zum positiven Gesamteindruck beiträgt. Dieses Mal stehen bewusst ganz wenig bekannte Beispiele der Musik Aubers im Mittelpunkt. Insgesamt sieben Opern zwischen 1805 und 1834 wurden berücksichtigt, wobei streng genommen lediglich vier Ouvertüren darunter sind (Le Concert à la cour, ou La Débutante; Fiorella; Julie, ou L’Erreur d’un moment; Léocadie). Ansonsten handelt es sich um Entr’actes und Einleitungen zu diversen Opernakten, also deutlich kürzere und weniger ambitionierte Orchesterstücke (Lestocq, ou L’Intrigue et l’Amour; Couvin, ou Jean de Chimay; La Fiancée). In einem Fall, bei der Oper Julie, wurde zudem das zweiminütige instrumentale Finale beigefügt. Tatsächlich wird diesmal der „leichte“ Auber präsentiert, da keines der enthaltenen Stücke das Gewicht hat, welches man teilweise in Vol. 1 präsentiert bekam. Bis auf zwei Ausnahmen, die Ouvertüren zu Lécadie und Fiorella, handelt es sich durchgehend um Weltersteinspielungen, was die Sache für Liebhaber der französischen Musik des 19. Jahrhunderts freilich umso spannender macht. Wie gesagt, die Gewichtigkeit der Ouvertüren zu La Muette de Portici, Fra Diavolo, Gustave III oder auch Leicester (letztere bekannt aus Vol. 1) darf man diesmal nicht erwarten. Dies gilt auch für das Violinkonzert D-Dur mit der tadellosen Solistin Markéta Čepická, ein sehr frühes, dreisätziges Werk von weniger als 20 Minuten, entstanden um 1805, dessen Schlichtheit in keinem größeren Kontrast zum fast zeitgleichen Violinkonzert Beethovens in derselben Tonart stehen könnte. Gleichwohl liefert dann doch eben dieses Konzert mit seinem Tarantella-artigen Finalsatz womöglich den Höhepunkt dieser CD. Die Aufnahmen entstanden zwischen 4. und 7. Februar 2019 im Haus der Musik in Pardubice und repräsentieren auch technisch den hohen heutigen Standard des Labels. Eine wenig spektakuläre, für den Sammler gleichwohl unerlässliche Neuerscheinung und wichtige Ergänzung der Auber-Diskographie. Daniel Hauser

 

30Viele Melomanen erinnern sich gerne an die Kompilationen von Ouvertures, die in den goldenen Jahren der Schallplatte ihre Herzen erfreuten. Ob von einem einzigen Komponisten wie Beethoven und Rossini oder von unterschiedlichen Tonsetzern, stets freute man sich über Musikstücke, die selten im Konzertsaal oder auf LP und später auf CD zu hören waren. Waren es Opernouvertüren, dann waren diese Zusammenstellungen eine willkommene Einführung zu Bühnenwerken, die auf keinem Spielplan standen. In gewisser Hinsicht überahmen solche Platten dieselbe Funktion wie Übertragungen für ein zwei- oder vierhändiges Klavier im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Seit einiger Zeit sind solche Platten aus der Mode gekommen, vielleicht auch weil viele Theater inzwischen regelmässig Raritäten bieten.

Das Label Naxos hält hingegen an der Tradition fest und hat u.a. eine Anthologie der Sinfonie von Domenico Cimarosa auf 4 CDs veröffentlicht. Jetzt wird ein Zyklus mit den Ouvertüren des Daniel-François-Esprit Auber (1782-1871) gestartet. Auch von diesem Protagonisten der Pariser Oper in der ersten Hälfte des 19. Jh. liegen inzwischen mehrere Bühnenstücke vor. Trotzdem bietet sein umfangreicher Werkkatalog immer noch genügend Ungespieltes, um das Unternehmen zu rechtfertigen. Man hätte sicherlich auch noch mehr in den Archiven gefunden, aber Naxos hat den Fehler begangen, neben einigen Seltenheiten wie den Ouverüren zur „Ciracassienne“ (1861), der „Fiancée“ (1829) oder dem „Enfant prodigue“ (1850) auch inzwischen gut bekannte Stücke („Fra Diavolo“, „Le domino noir“) aufnehmen zu lassen. Ein Fehler, war das, weil dadurch die Mängel der Aufführung noch mehr auffallen. Von einem französischen Orchester wie dem Orchestre de Cannes würde man mindestens einen idiomatischen Zugang zum urfranzösischen Opernkomponisten Auber erwarten, am besten aber Esprit und jene unnachahmliche Mischung aus Ironie und Melancholik, welche die Partituren auszeichnet. Das Orchestre de Cannes klingt indes wie ein Kurorchester am Ende eines überaus anstrengenden Arbeitstages, und das bleierne Dirigat des Österreicher Wolfgang Dörner zeichnet sich durch eine an Stellen schwer erträgliche Schwerfälligkeit aus. Liebhaber der Opéra-comique, die sich diese CD aus Neugier antun wollen, sei empfohlen, ältere Aufnahmen mit Albert Wolff oder Richard Bonynge in Reichweite zu halten, um zu hören, wie Auber tatsächlich klingt  (D.F.E. Auber, Overtures 1 (Circassienne, Cheval de bronze, Domino noir, Frau diavolo, Fiancée, Diamants de la couronne, Marco Spada, Enfant prodigue), Orchestre de Cannes, Wolfgang Dörner, CD Naxos 8573553). Michele Ferrari

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Nicht wesensverwandt

 

Eher mit Radames und Lohengrin, aber auch noch Edgardo  als mit den leidenschaftlichen Helden des Verismo unterwegs ist momentan Piotr Beczala, wenn wieder Opernaufführungen stattfinden können. So folgt er dem Beispiel vieler Kollegen, die sich  schon einmal auf CD in Partien ausprobieren wollen, ehe sie diese auf der Bühne verkörpern, ehe sie deren Lieben und Leiden zur Gänze und nicht nur in ausgesuchten Highlights durchlitten haben.

Ob es an dieser zwangsläufig mangelnden Vertrautheit mit Loris und Turridu, mit Maurizio di Sassonia und Kalaf liegt, dass man an des polnischen Tenors neuer CD zwar wie stets die perfekte Technik, das angenehme Timbre, die sichere, wenn auch nicht durchweg aufblühende Höhe, die geschmackvolle Präsentation bewundert, aber mit ihr nicht warm, geschweige denn von ihr mitgerissen wird? Man wird das Gefühl nicht los, dass man es mit der Arbeit eines Musterschülers in Sachen tadellosen Gesangs , aber nicht mit blutvollen, leidenschaftlichen, zerrissenen, kurzum unverwechselbaren Opernhelden, ja Menschen zu tun hat.

Es beginnt mit den beiden Arien des Cavaradossi, die getreu den Anweisungen Puccinis gesungen werden, denen aber doch für „Tosca, sei tu“ der Enthusiasmus, für „le belle forme“ die Decrescendo-Erotik fehlt. Schön ist, dass mit dem Vorspiel zu „E lucean le stelle“ die Arie eingeleitet wird, „tanto la vita“ hat man aus anderer Kehle schon inbrünstiger gehört, aber die präsente Mittellage ist natürlich ein nicht zu vernachlässigendes Plus.

Es geht weiter mit den drei Arien des Maurizio, zunächst aus dem ersten Akt, in der Korrektheit vor emotionalem Überschwang triumphiert, danach „L‘anima ho stanca“, wo eine extremere Agogik dem extremen Gemütszustand des Singenden angemessener wäre, schließlich die Schlachterzählung mit recht offener Höhe.

Turridu kommt mit dem „Brindisi“ und dem „Addio alla mamma“ zu Wort, aber  der strahlende Übermut des ersteren, das südliche Feuer, das Mitreißende werden vernachlässigt zugunsten einer  kultiviert-korrekten Darbietung. Beim Addio berührt immerhin das dunkle „all’aperto“.

Des Grieux reiht sich in die Schar der Verismohelden ein mit dem „Donna non vidi mai“, das von einem schönen Spitzenton gekrönt wird, aber auch das Sichverströmen der Stimme vermissen lässt, weit besser gelingt das Tändelnde des „Fra voi belle“. Dass der Tenor doch ein Gefühl dafür hat, wo seine Grenzen im Moment liegen, zeigt der Verzicht auf „Guardate“ aus dem 3. Akt.

Es geht weiter mit Andrea Chénier, dessen Arien aus dem ersten und letzten Akt in umgekehrter Reihenfolge aufgenommen worden sind. Der „Bel di di maggio“ ist  schön gesungen, lässt aber den unbefangenen Hörer nicht die Ausnahmesituation des Dichters erahnen, beim „Improvviso“ gelingen die epischen Teile besser als die dramatischen Ausbrüche, bei denen die Stimme an Qualität verliert.

Amor ti vieta“ müsste mehr Leidenschaft verströmen, „Vesti la giubba“ wird sehr kultiviert gesungen, was nicht unbedingt ein Lob sein muss. Natürlich ist absolute Stimmkontrolle Pflicht, nur  das Bemühen darum sollte nicht zu hören sein.

Mit Puccinis „Fanciulla“ geht es weiter, und im „Lascia che creda“ kann man rundum zufrieden sein, mit dem männlich dunklen Timbre und dazu der lacrima nella voce. Die Szene des Edgar beweist, dass der Sänger eine lange Szene gut aufbauen, eine Spannung sich entwickeln lassen kann, für den Rinuccio aus „Gianni Schicchi“ ist die unbekümmerte Leichtigkeit der Stimmführung nicht mehr gegeben. Sehr anständig wird auch Pinkertons „Fiorito asil“ gesungen, „Nessun dorma“ sollte wohl der krönende Abschluss sein, ist es aber nicht, da Beczala nicht der trompetende vokale Kraftprotz ist, den sich der gemeine Hörer unter dem Kalaf vorstellt, sondern ein kultivierter, technisch unangreifbarer, aber den leidenschaftlichen und leidgeprüften  Herren des Verismo doch recht fern stehender Opernsänger.  Marco Boemi begleitet mit dem Orquestra de la Communitat Valenciana kompetent (Pentatone PTC 5186733). Ingrid Wanja

 

Askese und Sinnlichkeit

 

Eine Box mit 15 CDs und 9 Booklets für die Freunde barocker Vokalmusik gibt NAXOS heraus (8.501505). Es enthält die komplette Sammlung von Claudio Monteverdis Madrigalen (Libri 1 – 9), die zwischen 1587 und 1638 entstanden, ergänzt um die Scherzi musicali von 1632. Die Interpreten sind das 1992 gegründete italienische Vokal- und Instrumental-Ensemble Delitiae Musicae und sein Leiter Marco Longhini. Die Sammlung, exklusiv für NAXOS aufgenommen, nutzt die authentischsten und ungekürzten Editionen und ist – analog zur gängigen Praxis im 16./17. Jahrhundert – nur mit männlichen Stimmen besetzt. Das sichert den a capella-Gesängen einen klaren, keuschen Klang von puristischer Reinheit, der zu dieser asketischen Musik perfekt korrespondiert. Die phänomenale Intonationssicherheit des Klangkörpers soll besonders herausgestellt werden, ebenso die stilistische Reinheit sowie die sich mirakulös mischenden Stimmen.

Das Primo Libro, veröffentlicht in Venedig 1587, komponierte Monteverdi mit 19 Jahren als das dritte Werk seines Schaffens. Bereits hier sind Liebe und Tod als die zentralen Themen der Monteverdischen Musik in Licht- und Schatten-Stimmungen angelegt. Weltersteinspielungen sind „Fuggi cor“ und „Se d’un angel“. Wunderbar schwebende Klänge und reizvolle Echo-Wirkungen vernimmt man im Secondo Libro, welches sich der Liebe und Natur widmet und das der Komponist im Alter von 22 Jahren veröffentlichte. 1592 erschien das Terzo Libro, gewidmet dem Duca di Mantova und der erste durchschlagende Erfolg des Schöpfers. Mit seinen deklamatorischen und auch dissonanten Passagen hebt es sich deutlich von seinen Vorgängern ab. Besonders in „Vattene pur, crudel“ und „Vivrò fra i miei tormenti“ wird das offenbar. Expressivität und Pathos prägen das Quarto Libro mit seinen erotischen Affekten und schmerzlichen Abschieden. Das Quinto Libro von 1605 führt den expressiven Stil des vorherigen weiter und stellt das unglückliche Paar Dorinda/Silvio in den Mittelpunkt. Erst neun Jahre später erschien der nächste Band, der als definitiver Beitrag des Komponisten zum stile antico galt. Er enthält zwei meisterhafte Werke – die „Sestina“, Monteverdis Würdigung für seine 1607 verstorbene Frau, und das „Lamento d’Arianna“ als polyphone Transkription seiner berühmten Opernszene. Das Settimo Libro von 1619 betitelte der Komponist Concerto, denn hier werden die Stimmen vom Basso continuo, welches bereits in der einleitenden Symphonia zu vernehmen ist, begleitet. Beispiele von Monteverdis größten Schöpfungen finden sich im Libro ottavo mit den Madrigali guerrieri et amorosi, welche in dieser Ausgabe erstmals in ihrem Original und ungekürzt präsentiert werden und gleichfalls mit instrumentaler Begleitung erklingen. Interpoliert sind Sinfonien und Tänze von Monteverdis Zeitgenossen Biagio Marini (1694 – 1663). Dessen Sinfonia prima á 3 leitet das posthum veröffentlichte Libro nono ein, welches eines der Meisterwerke des Komponisten enthält – „Zefiro torno“.

Die Scherzi musicali von 1632, welche noch einmal die Themen von Krieg und Liebe aufnehmen, sind ein würdiger Schlussakkord dieser bedeutenden Anthologie. Bernd Hoppe

 

Kurt AZESBERGER

 

Mit Bedauern lasen wir im online-Merker von Tode des Tenors Kurt AZESBERGER, am 10. August 2020, geboren am 8. April 1960 in Arnreit (Oberösterreich); er wurde im österreichischen Stift St. Florian erzogen und gehörte dem bekannten Knabenchor des Stiftes an; er war dessen Alt-Solist. Er studierte dann Musik und Gesang am Bruckner-Konservatorium von Linz/Donau und setzte seine Ausbildung an der Musikhochschule in Wien bei Hilde Rössl-Majdan und bei Kurt Equiluz fort. 1987 erwarb er dort das Diplom für Oratorien- und Liedgesang. Nachdem er den Bach-Gesang bei Peter Schreier studiert hatte, wurde ihm 1991 der Mozart-Interpretationspreis der Republik Österreich für junge Künstler verliehen. Er begann nunmehr eine internationale Konzertkarriere. Er sang bei den Salzburger Festspielen (1986 in Beethovens C-Dur-Messe, 1993 in Kodálys »Budavári Te Deum«, 1996 den Evangelisten in der Matthäus-Passion von J.S. Bach und den Klaus-Narr in A. Schönbergs »Gurrelieder«, 1998 in Mozarts C-Moll-Messe und einem weiteren Mozart-Konzert und 2002 den Mönch in Schönbergs »Jakobsleiter«), beim internationalen Brucknerfest in Linz und beim Carinthischen Sommer. Man hörte ihn als Oratorien- und Liedersänger in Amsterdam, in Den Haag und London, und vor allem natürlich in Wien. Es kam dann auch zu Bühnenauftritten, so 1993 am Landestheater von Linz/Donau als Titelheld in der Händel-Oper »Xerxes« (»Serse«). 1993 sang er in Birmingham und in London gemeinsam mit dem Ensemble des Glyndebourne Festivals den Cascada in konzertanten Aufführungen von Lehárs »Die lustige Witwe«. 1994 sang er am Landestheater von Linz/Donau, in der darauf folgenden Spielzeit an der Staatsoper Berlin, 1999 (konzertant) in Köln den Ägisth in »Elektra« von R. Strauss. 1997 gastierte er in der Titelpartie von Mozarts »La clemenza di Tito« an der Wiener Volksoper. Bei den Salzburger Festspielen sang er 1997 (ebenso wie zuvor schon bei den dortigen Osterfestspielen) den Narren im »Wozzeck« von A. Berg und 2000 den Gran Sacerdote in Mozarts »Idomeneo«. In Berlin trat er 2000 als Evangelist in der Johannes-Passion von J.S: Bach auf; im Festspielhaus von Baden-Baden sang er den Gran Sacerdote in Mozarts »Idomeneo«. 2011 gastierte er als Wirt im »Rosenkavalier« an der Mailänder Scala. In seinem sehr umfassenden Konzertrepertoire nahm auch die zeitgenössische Musik eine wichtige Stellung ein. Seit 2014 bekleidete er das Amt des Stiftskapellmeisters im Kloster Wilhering. Er war Universitätsdozent einer Masterklasse an der Linzer Anton Bruckner Privatuniversität. Er starb ganz unerwartet während eines Urlaubs in Südtirol. Schallplatten: Hänssler-Verlag (»Lazarus« von Fr. Schubert als Nathanael).

Vor neuen Aufgaben

 

Noch kein halbes Jahrhundert Lebens- und naturgegeben noch viel weniger Schaffenszeit hinter sich gebracht und schon Memoiren geschrieben, dazu noch mit dem an Grabesstille gemahnenden Titel Der Klang der Stille!? Philippe Jordan, neuer Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper, zuvor u.a. der Pariser Oper und der Wiener Symphoniker, hat es getan und nicht nur sich selbst damit einen Meilenstein gesetzt, sondern dem Leser auch eine Fülle von Einsichten, Anregungen und eine immense Bereicherung an Wissen, an Möglichkeiten, Musik bewusster zu erleben, geboten.

Dabei ist von der Stille nur kurz am Anfang und danach erst wieder ganz am Schluss in einem recht kurzen , allerdings um so eindringlicher wirkendem Kapitel die Rede, spielt das Biographische eher eine untergeordnete Rolle, ist das ca. 250 Seiten umfassende, von Haide Tenner aufgezeichnete Buch in drei Teile gegliedert: einen chronologischen, relativ kurz die Biographie umfassenden, den umfangreichen zweiten, in Paris und Wien unterteilten, in dem auf die von Jordan aufgeführten Komponisten eingegangen wird, und einen abschließenden dritten, der thematisch gegliedert ist.

Im Vorwort wird bereits von ersten Begegnungen mit klassischer Musik berichtet, dann vom Musikunterricht, vom Eintauchen in eine andere Dimension, der Spannung zwischen der Stille im Publikum und dem Erklingen des ersten Tons der Musik. Schon hier wird deutlich, dass es dem Dirigenten um mehr geht als um seine Biographie und seine Karriereschritte, um die Vermittlung von spirituellen Erfahrungen, die erst durch Musik möglich werden.

Über Zauberflöte, Holländer, Rheingold und Parsifal vollzieht sich das Erleben von Musik, erleichtert dadurch, dass der Vater ein Dirigent ist, aber zugleich auch begrenzend insofern, als der Sohn es vermeiden wird, zu Lebzeiten des Vaters Werke aufzuführen, die er durch diesen  kennen gelernt hat. Andererseits führt der Vater ihn in das Korrepetitorendasein ein mit einem Rosenkavalier am Chatelet. Lernen wird er nicht durch ein Studium, sondern durch Praxiserfahrung, dazu gehören auch Galeerenjahre wie die Verdis, wenn Jordan mit 21 Jahren in Ulm auch als Orchester- und Sängerpsychologe gefragt ist.

Besonders interessant wird es für den Leser, wenn er immer wieder auf Ausführungen stößt, die erkennen lassen, wie unzufrieden der Dirigent, und da wird er nicht der einzige sein, mit Regieleistungen ist, wie er sieht, dass die Arbeit von Orchester und Sängern unter ihnen leiden kann, wie hässliche Kostüme mitentscheidend sein können über den Misserfolg einer Produktion, dass Regisseure überzeugende Exposés einreichen und doch ganz andere Ergebnisse abliefern können. Jordan scheut nicht davor zurück, das in seinem Buch anzuprangern, aber hat offensichtlich, so beweist es die unsägliche Damnation de Faust in Paris, nichts Wirkungsvolles dagegen tun können. Ähnlich ist es um Konflikte, die ungeeignete Sänger auslösen, bestellt.

An dem Buch erfreut nicht nur die sympathisch uneitle, sachliche Darstellung, sondern auch das Eingehen auf technische Fragen, die den Leser interessieren könnten, so die des Auf-den Schlag-Spielen und das Hinter-dem-Schlag-Spielen oder die Charakteristika, die die Besonderheit einzelner Orchester ausmachen, die wesentlich abhängig sein können von den Forderungen der Dirigenten, so Barenboims an die Staatskapelle oder Harnoncourts an die Zürcher. Junge Dirigenten sollten sich des Autors Ratschlag, mit mittleren Häusern und dazu Gastspielen zu beginnen, zu Herzen nehmen.

Den Galeerenjahren folgen die Aufbau- und diesen die Pionierjahre, und es wird deutlich gemacht, welche Bedeutung jeweils jede dieser Epochen für die Entwicklung einer Künstlerpersönlichkeit hat.

Die beiden großen Hauptteile des Buches sind Paris und damit vor allem der Opernmusik und Wien und damit vor allem der konzertanten Musk und ihren hervorragenden Komponisten gewidmet, es werden aber auch Fragen wie Repertoire oder Stagione, Gäste oder Ensemble, Akustikprobleme der jeweiligen Säle oder ihre Baugeschichte erörtert.

Man erfährt viel und freut sich oft, so wenn für Puccini, von manchen verachtet, eine erfolgreiche Lanze gebrochen wird, man wundert sich manchmal, so wenn König Heinrich und die Seinen als kriegslüstern angesehen werden, aber man kann von einem Schweizer nicht verlangen, dass er weiß, aus welchem Grund der deutsche König gegen die Ungarn zog. Man fühlt sich bereichert durch die Ausführungen über das Rubato bei Wagner und Verdi, den französischen und italienischen Carlos, über die Bemerkungen über den Zeitmonolog der Marschallin und vieles andere.

Werdenden Dirigenten ist das Buch ganz besonders zu empfehlen, denn es mangelt ihm nicht an praktischen Ratschlägen, so zu Salome oder Pelléas, und auch die Anmerkungen über den Gebrauch des Taktstocks oder den Verzicht auf denselben sind erhellend.

Über Wagners Antisemitismus lässt sich nicht streiten, wohl aber darüber, ob Kundry, Alberich oder Beckmesser als jüdische Figuren angelegt wurden. Aber auch das zeichnet ein gutes Buch aus, dass es dazu Anlässe bietet, vor allem, wenn es Anspruchvollstes so klar und nachvollziehbar vermittelt, und wer die Meistersinger liebt, wird sich darüber freuen, dass Jordan an Sachsens Ansprache nichts Anstößiges entdecken kann.

Mit den Wiener Symphonikern hat Jordan viel Schubert, Bach, Beethoven, Brahms, Mahler, später auch Bruckner erarbeitet und vermittelt dem Leser, worauf es ihm dabei ankam, so auch darauf, das Orchesterprofil zu schärfen, gemeinsam zu atmen.

Das Buch schießt mit einem Vorausblick auf die neue Wiener Zeit mit der Staatsoper, an der er 7 Monate verbringen, 30 bis 40 Vorstellungen dirigieren wird. Mozart soll ein Schwerpunkt sein, ein Mozartensemble aufgebaut werden, und das Publikum soll jünger werden.

Es folgen noch kurze, aber inhaltsreiche Kapitel zum Handwerk des Dirigierens, zur Frage, ob es um Realisation oder Interpretation von Werken geht, zur Frage, was eigentlich Erfolg ist. Natürlich fehlt auch nicht der Appell, die klassische Musik angesichts von Dauerberieselung und zugleich Verdrängung aus den Schulen stärker zu fördern, und zum Titel zurück geht es mit einem „Ich wünsche uns allen mehr Stille in dieser lauten Zeit!“  (250 Seiten, Residenz Verlag 2020; ISBN 978 3 70173463 4). Ingrid Wanja