Askese und Sinnlichkeit

 

Eine Box mit 15 CDs und 9 Booklets für die Freunde barocker Vokalmusik gibt NAXOS heraus (8.501505). Es enthält die komplette Sammlung von Claudio Monteverdis Madrigalen (Libri 1 – 9), die zwischen 1587 und 1638 entstanden, ergänzt um die Scherzi musicali von 1632. Die Interpreten sind das 1992 gegründete italienische Vokal- und Instrumental-Ensemble Delitiae Musicae und sein Leiter Marco Longhini. Die Sammlung, exklusiv für NAXOS aufgenommen, nutzt die authentischsten und ungekürzten Editionen und ist – analog zur gängigen Praxis im 16./17. Jahrhundert – nur mit männlichen Stimmen besetzt. Das sichert den a capella-Gesängen einen klaren, keuschen Klang von puristischer Reinheit, der zu dieser asketischen Musik perfekt korrespondiert. Die phänomenale Intonationssicherheit des Klangkörpers soll besonders herausgestellt werden, ebenso die stilistische Reinheit sowie die sich mirakulös mischenden Stimmen.

Das Primo Libro, veröffentlicht in Venedig 1587, komponierte Monteverdi mit 19 Jahren als das dritte Werk seines Schaffens. Bereits hier sind Liebe und Tod als die zentralen Themen der Monteverdischen Musik in Licht- und Schatten-Stimmungen angelegt. Weltersteinspielungen sind „Fuggi cor“ und „Se d’un angel“. Wunderbar schwebende Klänge und reizvolle Echo-Wirkungen vernimmt man im Secondo Libro, welches sich der Liebe und Natur widmet und das der Komponist im Alter von 22 Jahren veröffentlichte. 1592 erschien das Terzo Libro, gewidmet dem Duca di Mantova und der erste durchschlagende Erfolg des Schöpfers. Mit seinen deklamatorischen und auch dissonanten Passagen hebt es sich deutlich von seinen Vorgängern ab. Besonders in „Vattene pur, crudel“ und „Vivrò fra i miei tormenti“ wird das offenbar. Expressivität und Pathos prägen das Quarto Libro mit seinen erotischen Affekten und schmerzlichen Abschieden. Das Quinto Libro von 1605 führt den expressiven Stil des vorherigen weiter und stellt das unglückliche Paar Dorinda/Silvio in den Mittelpunkt. Erst neun Jahre später erschien der nächste Band, der als definitiver Beitrag des Komponisten zum stile antico galt. Er enthält zwei meisterhafte Werke – die „Sestina“, Monteverdis Würdigung für seine 1607 verstorbene Frau, und das „Lamento d’Arianna“ als polyphone Transkription seiner berühmten Opernszene. Das Settimo Libro von 1619 betitelte der Komponist Concerto, denn hier werden die Stimmen vom Basso continuo, welches bereits in der einleitenden Symphonia zu vernehmen ist, begleitet. Beispiele von Monteverdis größten Schöpfungen finden sich im Libro ottavo mit den Madrigali guerrieri et amorosi, welche in dieser Ausgabe erstmals in ihrem Original und ungekürzt präsentiert werden und gleichfalls mit instrumentaler Begleitung erklingen. Interpoliert sind Sinfonien und Tänze von Monteverdis Zeitgenossen Biagio Marini (1694 – 1663). Dessen Sinfonia prima á 3 leitet das posthum veröffentlichte Libro nono ein, welches eines der Meisterwerke des Komponisten enthält – „Zefiro torno“.

Die Scherzi musicali von 1632, welche noch einmal die Themen von Krieg und Liebe aufnehmen, sind ein würdiger Schlussakkord dieser bedeutenden Anthologie. Bernd Hoppe