Archiv für den Monat: Februar 2014

Gerd Albrecht

 

Der deutsche und international renommierte Dirigent Gerd Albrecht (* 19. Juli 1935 in Essen; † 2. Februar 2014 in Berlin) ist tot. Er ist vor allem als Musikpädagoge und als Dirigent des seltenen, oft auch slawischen Repertoires in die Geschichte eingegangen, von denen er manches Werk bei orfeo eingespielt hat.

Dazu ein Auszug aus Wikipedia: Nach Studienjahren in Kiel und in Hamburg bei Wilhelm Brückner-Rüggeberg gewann Gerd Albrecht sofort den ersten Preis beim Internationalen Dirigentenwettbewerb in Besançon. Er entschied sich jedoch nicht für den schnellen Karriereweg, sondern begann 1958 als Assistent an der Stuttgarter Oper. 1961 wurde er aber schon 1. Kapellmeister in Mainz und 1963 jüngster Generalmusikdirektor (GMD) in Lübeck. 1966 ging er für sechs Jahre als GMD nach Kassel und führte Erklärkonzerte für Kinder und Jugendliche ein.[2] Er übernahm 1972 als Ständiger Dirigent die musikalische Oberleitung der Deutschen Oper in Berlin. 1975 bis 1980 leitete er das Tonhalle-Orchester Zürich, danach arbeitete er acht Jahre lang frei in den wichtigsten Musikzentren der Welt. 1988 bis 1997 war Albrecht Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und des Philharmonischen Staatsorchesters in Hamburg. Von 1993 bis 1996 war er als erster Ausländer Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie in Prag; 1998 leitete er das Dänische Radiosinfonieorchester Kopenhagen. Zudem leitete er das Bundesjugendorchester.

Albrechts Schwerpunkte lagen in der Musik der Romantik. Viele seiner zahlreichen Schallplatteneinspielungen wurden preisgekrönt. Daneben setzte er sich intensiv, auch im Fernsehen, mit seinen Gesprächskonzerten, für die Neue Musik ein. Unter seiner Leitung wurden Werke von Wolfgang Fortner, György Ligeti, Wolfgang Rihm, Hans Werner Henze und Aribert Reimann uraufgeführt, außerdem Alfred Schnittkes Historia von D. Johannes Faustus, Alexander Zemlinskys Der König Kandaules, Rolf Liebermanns Freispruch für Medea und Helmut Lachenmanns Mädchen mit den Schwefelhölzern. Auftragswerke vergab er u.a. an Krzysztof Penderecki.

Albrecht setzte sich sehr dafür ein, junge Menschen für die Musik zu begeistern; in zahlreichen Fernsehsendungen erläuterte und dirigierte er vor jugendlichem Publikum. 1974 erhielt er dafür den Adolf-Grimme-Preis. In der Reihe „Klassik für Kinder“ erklärte er Kindern klassische Werke wie etwa Die Moldau, Peter und der Wolf oder Der Zauberlehrling. 1989 gründete Albrecht die Hamburger Jugendmusikstiftung und Klingende Museen in Hamburg und Berlin. 1984 wurde er mit dem Deutschen Kritikerpreis ausgezeichnet. Albrecht war seit 1994 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München und der Freien Akademie der Künste in Hamburg. (Wikipedia/woher auch das Foto oben stammt)

 

Die englisch/amerikanische Ausgabe von Wikipedia widmet sich auch seinen Queleren mit der Prager Philharmonie. Czech Philharmonic controversy: In 1991, the musicians of the Czech Philharmonic had chosen Albrecht as its principal conductor, for a tenure scheduled to last seven years beginning in 1994. The orchestra had played a part in protesting the Soviet domination of their country and reorganized as a self-governing entity. Their selection of Albrecht effectively meant replacing Czech conductor Ji?í B?lohlávek, who then resigned early, in 1992. Consequently, by the time that he took up the post, the orchestra was already somewhat riven.[ Albrecht proved effective in improving the Czech Philharmonic’s finances and at raising its international profile with foreign tours. He is also acknowledged to have been a musical success, and his recordings with the orchestra included music of Ervin Schulhoff.[ However, a series of political conflicts led to his early resignation. In 1994, the Czech Philharmonic was invited to perform at the Vatican in a concert celebrating reconciliation between Roman Catholics and Jews. However, the invitation was to play under the American conductorGilbert Levine, already known for his close relationship with the Vatican under Pope John Paul II and subsequently for the widely-telecast, Papal Concert to Commemorate the Holocaust. Albrecht vetoed the engagement, ostensibly because the orchestra was too busy. However many suspected that the real reason for the refusal was that Albrecht was not invited to conduct the concert himself.

Czech president Václav Havel became involved, telling Albrecht that his actions were damaging the orchestra. The situation steadily deteriorated, with Albrecht painting himself in press interviews as a victim of racismand anti-German feeling and for being expected personally to atone for all past German misdeeds. He also claimed that his phone was bugged. Havel retaliated in the media with his own claims. Albrecht and B?lohlávek collaborated for the 100th anniversary concert, each conducting half of it, on January 4, 1996, but Havel was conspicuously absent and members of the orchestra showed their allegiances when the time came for applause. Albrecht resigned from this post a month later asserting that his musical authority had been undermined. (…)  Albrecht continued to conduct, such as in Japan and Denmark. From 2000-2004, he was principal conductor of the Danish National Symphony Orchestra. In 2003, he caused controversy when he spoke from the podium at one concert to protest the US invasion of Iraq. He later apologized for the incident.In Japan, he served as principal conductor of Yomiuri Nippon Symphony Orchestra from 1998 to 2007, after which he is conductor laureate. (Wikipedia)

„Tanz ist eine Droge!“

Als „deutsche Ballerina von Weltformat“ wurde sie gefeiert und hat mit zum Stuttgarter „Ballettwunder“ beigetragen. Mittlerweile ist Birgit Keil Direktorin des Karlsruher Staatsballetts und Professorin an der Musikhochschule Mannheim. Mit Hanns-Horst Bauer unterhielt sie sich über Fügung, Leidenschaft und Charisma.

Birgit Keil 02 ©Hanns-Horst BauerIhre Compagnie darf sich seit dem vergangenen Jahr  „Staatsballett“ nennen. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie? Hier in Karlsruhe gibt es schon seit langem das Staatstheater, die Staatsoper und die Staatskapelle. So ist es eigentlich sehr schön, dass wir uns jetzt Staatsballett nennen dürfen. Ich betrachte das als großartige Anerkennung und Würdigung der Arbeit, die wir hier leisten. Ich freue mich sehr darüber, vor allem auch für mein Ensemble.

Sie konnten in der vergangenen Saison Ihr zehnjähriges Jubiläum als Ballettdirektorin feiern. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt? Sie waren doch mit der Leitung der Akademie des Tanzes in Mannheim und Ihrer privaten Tanzstiftung ganz schön ausgelastet Nur unter diesen Voraussetzungen wollten Sie das Karlsruher Ballett übernehmen. Ja, das ist richtig, es gab genug zu tun. Und Ballettdirektorin zu werden, das stand eigentlich nicht auf meiner Wunschliste. Aber diese Aufgabe schien mir, als man auf mich zukam, doch sehr sinnvoll. Allerdings nur in Verbindung mit der Tanzakademie; die wollte ich auf gar keinen Fall aufgeben, da man in der Ausbildung besonders viel bewegen kann. Mit ihr und meiner Stiftung habe ich die Möglichkeit gesehen, junge Talente für die Compagnie zu entdecken und ihnen hier eine Chance zur professionellen künstlerischen Weiterentwicklung zu bieten. Und: „Übernommen“ würde ich das nicht nennen, sondern eher neuformiert. Was hier vor meiner Zeit gemacht wurde, war sicher auch gut, aber in jeder Hinsicht eine andere Richtung.

Birgit Keil 03 ©Hanns-Horst BauerIn der Akademie bilden wir schwerpunktmäßig klassisch aus,  vergleichbar zum Beispiel mit der John-Cranko-Schule in Stuttgart und den Tanzakademien in München, Berlin und Hamburg. Mein Ziel war es, ein Ensemble aufzubauen, das im Stande ist,  auf hohem Niveau die großen Klassiker zu tanzen. Inzwischen gehören zu unserem Repertoire Don Quichotte, Giselle, Coppelia, Nussknacker, Schwanensee, Dornröschen, Romeo und Julia und La Fille mal gardée – Werke, in denen man mit anderen Häusern vergleichbar ist. Diese großen Produktionen kann natürlich ein Ensemble unserer Größe allein nicht stemmen. Doch in Verbindung mit der Akademie und dem Ballettstudio (Studierende des Masterstudiengangs der Akademie des Tanzes Mannheim) ist dies möglich. Zusätzlich erachte ich die kreative Entwicklung als unerlässlich. Das heißt: die Zusammenarbeit mit bedeutenden etablierten und die Förderung junger Choreographen.

Welche Rolle hat beim Aufbau Ihrer Compagnie Ihre eigene tänzerische Vergangenheit gespielt? Ich komme aus Stuttgart, wo John Cranko, der von Anfang an mich glaubte, Ballettgeschichte geschrieben hat. So kann ich meine persönlichen Erfahrungen einbringen. Zudem bestehen aus dieser Zeit weltweit Kontakte, die meinem Ensemble zugutekommen.

Birgit Keil 04 ©Hanns-Horst BauerIhre Compagnie setzt sich im Augenblick aus 20 weiblichen und 16 männlichen Mitgliedern zusammen. Haben Sie auch, wie viele andere Häuser, Probleme mit dem männlichen Nachwuchs? Natürlich studieren an unserer Akademie mehr junge Frauen als Männer. Das hat sicher auch mit den bekannten Vorurteilen zu tun, die in Deutschland noch weit verbreitet sind, im Gegensatz zu anderen Ländern wie Frankreich oder Russland. Dabei ist der körperliche Einsatz der Tänzer vergleichbar mit Hochleistungssport. Hinzu kommt noch der künstlerische Aspekt mit der kreativen Interpretation von Inhalten und Musik. Für mich sind sie alle individuelle Persönlichkeiten, die ich respektiere und fördere. Dafür braucht man sicher  viel Erfahrung, fachliche wie auch menschliche. Ich bin selbst sehr ehrlich, sensibel und emotional und mag mich nicht verstellen. Von meinen Tänzern und Studierenden will ich  in den Vorstellungen begeistert werden. Ich möchte weinen, ich möchte lachen können. Sie müssen mich einfach mitreißen. Das ist alles sehr aufregend und spannend, zeigt es doch – die Tänzer kommen aus aller Welt -, dass  Tanz keine Grenzen kennt. Für mich ist der Tanz die schönste, aber auch die vergänglichste, zerbrechlichste Kunst, bei der der Körper selbst das Instrument ist. Die große Kunst ist, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Wenn man nicht süchtig danach ist, den Tanz nicht als Droge im positiven Sinn betrachtet, sondern ihn nur als Job sieht, dann kann das nicht funktionieren. Voraussetzung ist Talent. Dazu braucht man aber auch Durchhaltevermögen, Willenskraft, Leidenschaft und Ausstrahlung – eben Charisma und das nötige Quäntchen Glück. Glück ist, wenn meine Seele tanzt.

Birgit Keil 05 ©Hanns-Horst BauerWann hat Ihre Seele zu tanzen begonnen? Ich glaube, ich bin für den Tanz geboren. Ich glaube in meinem Leben an Fügung. Meine Mutter hat mich, zu meiner großen Freude, schon ganz früh ins Kinderballett geschickt.  Meine ersten Spitzenschuhe habe ich mit sechs Jahren bekommen. Das Päckchen habe ich voller Vorfreude aber erst zu Hause zusammen mit meiner Mutter ausgepackt und die Schuhe sofort angezogen. Ich bin dann, ganz ohne Angst, zum ersten Mal auf Spitzen durchs Zimmer gelaufen. So wurde Spitzentanz zu meiner Stärke. Ich hatte das Glück, für den Tanz prädestiniert zu sein. Als Kind war ich zwar häufig krank, was mich aber, wie mir scheint, gestärkt hat.

Birgit Keil 06 ©Hanns-Horst BauerNach Ihrer Welt-Karriere als Primaballerina haben Sie sich fürs Unterrichten an einer Hochschule entschieden. Wie kam es dazu? Ich fühlte, dass der Zeitpunkt gekommen war, meine Tätigkeit zu verändern. Meinen Abschied von der Bühne betrachtete ich als Neuanfang, denn künftig wollte ich mich für den tänzerischen Nachwuchs engagieren. In diesen zu investieren schien mir sinnvoll. Die einzige Art, Tanz lebendig zu halten, ist, diesen an die nächsten Generationen weiterzugeben. Da kam der Ruf durch Ministerpräsident Erwin Teufel, mich an die Mannheimer Akademie des Tanzes zu verpflichten, genau im richtigen Augenblick. Hier konnte ich in der Lehre meine Erfahrungen einbringen und Hilfestellungen leisten. Für mich selbst war es auch eine Chance zur Weiterentwicklung, denn so ein Hochschulapparat ist recht kompliziert. Viele haben mir davon abgeraten. Ich hab´s trotzdem gewagt, und jetzt sind es schon 18 Jahre seit der Gründung. Ganz wesentlich zum Gelingen beigetragen hat sicher der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth als Kuratoriumsvorsitzender. Mit der Stiftung können wir den tänzerischen und choreographischen Nachwuchs fördern.

Birgit Keil 07 ©Hanns-Horst BauerStiftung in Stuttgart, Akademie-Leitung in Mannheim, Ballettdirektorin in Karlsruhe – wird Ihnen das nicht manchmal zu viel? Nein, im Gegenteil. Der Synergie-Effekt ist bemerkenswert. Förderung – Ausbildung – professionelle Karriere ergibt für mich das magische Dreieck aus Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe.

Hat es Sie nie gereizt, selbst zu choreographieren? Ich habe mit sehr viel Freude ein paar kleinere Choreographien gemacht, allerdings nie mit dem Gedanken, Choreographin zu werden.

Viele berühmte Choreographen haben Werke eigens für Sie geschaffen. Was war das für ein Gefühl? Eine aufregende Herausforderung, in die ich mich mit totaler Hingabe vertieft habe. Eine Kreation war immer ein Zwiegespräch zwischen dem Choreographen und mir. Wobei John Cranko eine der wichtigsten Persönlichkeiten in meinem Leben war. Er hat mir künstlerisch den Weg gewiesen.

Birgit Keil 08 ©Hanns-Horst BauerWichtig war und ist für Sie wohl auch Vladimir Klos. Er war nicht nur Ihr großer Pas-de-deux-Partner beim Stuttgarter Ballett, Sie sind auch privat ein Paar. Er ist Professor an der Tanzakademie, deren Leitung Sie innehaben, und er ist Ihr Stellvertreter beim Karlsruher Staatsballett. Spricht man da zu Hause eigentlich auch über etwas anderes als übers Ballett? Natürlich auch übers Ballett, aber nicht nur. Wir haben ja noch andere Interessen, auch wenn bisweilen die Zeit dafür fehlt.

 

 

Birgit Keil 01 ©Hanns-Horst BauerBiographie: Birgit Keil wurde in Kowarschen im Sudetenland geboren. Nach der Vertreibung ihrer Familie kam sie als Zehnjährige nach Stuttgart, wo sie mit ihrer Tanzausbildung an der Ballettschule der Württembergischen Staatstheater begann. 1961 wurde sie, als John Cranko die Direktion des Stuttgarter Balletts übernimmt, Mitglied der Compagnie. Ihr außergewöhnliches Talent brachte ihr ein einjähriges Stipendium an der Royal Ballet School in London ein. Nach ihrer Rückkehr zum Stuttgarter Ballett wurde sie zur Solistin ernannt. Danach machte Birgit Keil eine glanzvolle Karriere als Primaballerina. Durch Tourneen mit dem Stuttgarter Ballett und durch Solo-Auftritte u.a. in Paris, Mailand, Wien, London und New York wurde sie weltweit als „die deutsche Ballerina“ gefeiert. Als solche tanzte sie alle Hauptrollen des klassischen und modernen Repertoires. Ihre Interpretation inspirierte namhafte Choreographen wie etwa Kenneth MacMillan, Glen Tetley, Jiří Kylián, John Neumeier, Hans van Manen und natürlich John Cranko zu Werken, die eigens für sie geschaffen wurden. Im Herbst 1995 beendete die Tänzerin ihre Bühnenlaufbahn und rief zur gleichen Zeit zusammen mit der Mailänderin Marchesa Mina di Sospiro die private Tanzstiftung Birgit Keil ins Leben. 1997 begann sie als Professorin ihre Lehrtätigkeit an der Akademie des Tanzes der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim, deren Leitung ihr nach wenigen Monaten übertragen wurde. 2003 übernahm sie zusätzlich die Ballettdirektion des Badischen Staatstheaters Karlsruhe. Seit 1968 verbindet Birgit Keil eine private und berufliche Partnerschaft mit Vladimir Klos, von 1972 bis 1997 Erster Solotänzer des Stuttgarter Balletts. Klos ist ebenfalls Professor in Mannheim und ihr Stellvertreter in Karlsruhe.  hhb

Fotos ©Hanns-Horst Bauer