Der ugeheuerliche Erfolg von Ruggero Leoncavallos Pagliacci im Londoner Hippodrome veranlasste die Eigentümer der Institution, eine weitere Kurzoper bei dem italienischen Komponisten in Auftrag zu geben. Seine Wahl fiel auf Puschkins Zingari, vielleicht nicht zuletzt wegen des Riesenerfolgs einer anderen Oper um eine leidenschaftliche, aber wankelmütige Zigeunerin, Carmen. So entstand unter der Federführung von Enrico Cavacchioli das Libretto um eine Fleana, allerdings Sopran, die einen Tenor aus seinem bürgerlichen Leben herausreißt, um ihn wenig später zugunsten eines Baritons zu verlassen, worauf der Tenor nicht nur sie, sondern auch den neuen Liebhaber tötet, indem er Feuer in ihr Zelt wirft. Das wie stets sehr informationsreiche Booklet zur CD von Bongiovanni weiß auch von vielen Einflüssen von Zigeunermusik auf Leoncavallos neues Werk zu berichten, die aber so bedeutend nicht sind, abgesehen vom Intermezzo zwischen den beiden Liebesabenteuern der schönen Fleana. In London wurden dann nicht wie noch heute üblich die Pagliacci an die Cavalleria gekoppelt, sondern an Gli Zingari, die immerhin auch 62 Aufführungen erlebten. Danach wurde das Werk wie die anderen Leoncavallos außer Pagliacci schnell vergessen, auch weil zu sehr an die Pagliacci erinnernd, erlebte durch die RAI 1975 den Versuch einer Wiederbelebung und 1999 in Montecatini. Die im Jahre 2019 entstandene CD ist ein Verdienst wohl auch der Gattin des Verismo-Liebhabers, des Dirigenten Gianandrea Gavazzeni, Denia Mazzol Gavazzeni.
Das Werk beginnt sehr schwungvoll, die Zigeunerchöre erinnern allerdings eher an die aus den Pagliacci als an echte Volksmusik. Die Musik ist sehr gefällig, sehr melodiös, die Liebesduette leidenschaftlich bis hin zur Emphase sich steigernd.
So verdienstvoll es sein mag, dass sich Denia Mazzola Gavazzini der vergessenen Opern annnimmt, so sehr ist sie doch zugleich die Crux dieser Aufnahmen, da sie den Zenit ihres Gesangvermögens bereits überschritten hat, die maestà selvaggia, die der zentralen Figur nachgesagt wird, nicht zu vermitteln vermag, oft dünn und scharf klingt und Nachdrückliches durch viel Vibrato darzustellen versucht. Man merkt zwar immer noch, dass sie um viele Finessen weiß, nur hapert es bei der Umsetzung, eine weniger spitze Stimme wäre zumindest bei den Liebesszenen wünschenswert, Abscheu und Ablehnung darzustellen, gelingt ihr besser, ein „forse“ kurz vor dem Ehebruch hört sich verheißungsvoll an, die „risata sardonica“ allerdings fällt schwach aus, und für den absoluten Schlager „Tagliami“ braucht eine Stimme einfach mehr Substanz, „dolce morir“ gelingt nicht mit so viel Vibrato.
Mit viel Slancio versucht der Tenor Giuseppe Veneziano als Rádu Schmelz in seine Stimme zu zwingen, bleibt aber zunächst recht flach, so auch im Dammi un amore, erfreut allerdings mit einer schönen Fermate auf Re. Wechselt er von Amore zu Gelosia, dann klingt die Stimme wie befreit, zeigt einen tollen Einsatz für „ Eccolo finalmente“ und bei „Ho perduto la pace vagabonda“ wird sie dunkel, wie tief verschattet klingend. Finster drohend hört sich der Bariton von Armando Likaj in der Partie des Tamar , des zunächst Verschmähten, an. Empfindsam gibt er sich in „Taci, non dir“, im zweiten Bild kann er mehr auftrumpfen, hat er da doch eine schöne Canzone mit Canto notturno. Warm klingt der nur wenig beanspruchte Bass von Giorgio Valerio als Il Vecchio. Das Orchestra Filarmonica Italiana unter Daniele Agiman kann sich vor allem im Intermezzo, das man auch für ein Konzertstück halten könnte, auf das Angenehmste profilieren. Der Coro Ab Harmoniae klingt angenehm, weniger wild, als man von auf der Flucht vor Bestohlenen oder angesichts einer Katastrophe erwarten würde. Das Stück selbst verdient es, einmal wieder als Pendant zu den Pagliacci auf einer Bühne zu erscheinen (Bongiovanni 2585-2). Ingrid Wanja