Viele Firmen haben in der Vergangenheit versucht, mit den Mitschnitten von den Bayreuther Festspielen Geld zu verdienen – von den legendären „offiziellen“ der EMI, der Decca, Testament, Philips über die ebenfalls mythischen der Nachkriegszeit bei grauen Labels zu den ungemein lobenswerten Veröffentlichungen bei orfeo (der wunderbare Tristan mit der Mödl damals als einzig hinreißend aufbereiteter Auftakt der stattlich gewachsenen Reihe, über die wir stets berichten), als Videos bei DG, Unitel Classica et al. Und nun bringt die Firma opus arte die Bayreuther Früchte der jüngsten Jahre heraus, als Videos bereits bis 2015, nun auf CD als eine neue Offensive mit Aufführungen ab 2008, die alle bereits live und vom Ort besprochen wurden und an deren Meriten oder Kritikpunkte sich viele Wagnerfreunde noch erinnern. Vieles erscheint bei reiner Akustik offensichtlicher als durch die Optik kompensiert (oder umgekehrt). Man wird aber den nagenden Zweifel nicht los, ob es sich bei den CDs nicht doch um die Soundtracks der 2015 bereits auf 12 DVDs herausgebenen Opernbox/OA1194BD handelt… eine Resteverwertung also? Was hört man also wirklich? Im Folgenden die ersten CD-Besprechungen in diesem bunten opus-arte-Früchtekorb aus Bayreuth, weitere folgen. Ingrid Wanja hört sich tapfer durch die Dokumente. Das Foto oben zeigt eine Teilansicht der bekannten Wagner-.Büste in Bayreuth/ Foto Winter.
Optik gegen Musik: Überrascht ist der Hörer der Meistersinger von Nürnberg aus dem Bayreuth von 2008, dem zweiten Durchgang nach der Premiere im Jahr zuvor, von den mit den letzten Takten von Musik einsetzenden Buh-Rufen: So schlecht war die Aufführung doch nicht! Aber bei einem Blick auf die spärlichen Fotos, einem Walther in unsäglich hässlichem Kostüm und einem auf weißem Ledersofa aus der Bierflasche trinkenden Sachs wird klar, dass die Unmutsbezeigungen wohl der Optik, nicht dem Gehörten galten. Und da ist man froh, es nicht sehen zu müssen.
Den allerstärksten Kontrast dürften beide sich im Quintett des dritten Akts in der Schusterstube liefern, das Michaela Kaune mit einer wunderbaren Süße in der Stimme, innig, beseelt, mit schön aufblühender Höhe, dabei noch sehr mädchenhaft und reicher Agogik anführt und damit ihr Engagement rechtfertigt, nachdem im Jahr zuvor Amanda Mace die Partie gesungen hatte.. Ebenfalls tadellos ist Michael Volle als Beckmesser, eigentlich bereits ein Sachs und fast schon zu markant für den Stadtschreiber. Artur Korn ist ein Pogner mit angenehmer Wärme in der Stimme, singt „Das schöne Fest“ mit fast italienischem Legato, phrasiert wissend und ist vorbildlich textverständlich. Eigentlich männlicher als der Stolzing wirkt der Tenor von Norbert Ernst als David, der viel akustische Abwechslung in die langen Belehrungen des Ritters bringt, viel Munterkeit, gewandt und wendig bei beachtlicher Textverständlichkeit. Eine jungstimmige Magdalene ist Carola Gruber, manchmal etwas zu soubrettig zwitschernd.
Einen Riesenerfolg soll Klaus FlorianVogt als Stolzing beim Bayreuther Publikum errungen haben. „Am stillen Herd“ vermeint man einen Knaben sitzen zu hören, die Erzählung klingt wie ein Märchen für Kinder, die Mittellage des Tenors war damals noch weniger präsent als in letzter Zeit. Das Preislied wird mit strahlender Höhe, aber insgesamt zu monoton gesungen, auch hier irritiert besonders am Anfang die Knabenstimme.
Einen recht grobkörnigen, knorrigen Sachs gibt Franz Hawlata. Sein Fliedermonolog zeigt wenig akustischen Duft, die Stimme ist nicht farbig, geschmeidig und warm genug, was besonders beim Wahn-Monolog auffällt. „Verachtet mir die Meister nicht“ hat wenig vokale Autorität, klingt unangenehm grimmig, und „deutsch“ wird fast verschluckt, was jedoch kein Wunder ist bei all dem Wesens, was um diese damals noch ganz unschuldige Vokabel gemacht wird. Jedes Regisseurs Pflicht sollte es sein, einen Blick in die Geschichtsbücher zu wagen, ehe er sich graue Haare über dem Grübeln darüber wachsen lässt, wie man das Wörtlein desinfizieren, eliminieren, entnazifizieren kann.
Das Orchester unter Sebastian Weigle zaubert stimmungsvoll im Vorspiel zum 3. Akt, lässt flüssig und leichtfüßig, wenn angebracht mit schönem Ernst den Reichtum der Partitur zu ihrem Recht kommen. Machtvoll stimmt der Chor unter Eberhard Friedrich das „Wach auf!“ an (3 CD QACD9031 D). Ingrid Wanja
Vogt anstelle von Kaufmann: Recht froh ist man bei der Betrachtung des Covers für die drei CDs des Bayreuther Lohengrin von 2011, dass man nur hören darf und nicht sehen muss, handelt es sich doch um den Ratten-Lohengrin von Hans Neuenfels, der 2010 seine Premiere in Bayreuth erlebte. Waren damals Jonas Kaufmann als Lohengrin und Evelyn Herlitzius als Ortrud zu erleben, so gab es ein Jahr danach als Alternativ-, wenn nicht gar Kontrastbesetzung Klaus Florian Vogt und Petra Lang. Geblieben ist Andris Nelsons mit beherztem Dirigat schöner Steigerungen und der Lust an extremen Tempi. Als vorzüglich erweisen sich Frauen-, Männer- und gemischter Chor (Eberhard Friedrich) bei ihren vielfältigen Eingriffen ins Geschehen.
Süßstimmig und knabenhaft, wie man ihn kennt, erledigt sich Klaus Florian Vogt auch dieser Aufgabe, wobei der Lohengrin aus bekannten Gründen die geeignetste Partie für den höhensicheren Tenor, dem das Fundament zu fehlen scheint, ist. Allerdings ist er völlig unheldisch, wenn nicht wesenlos, tadellos nur im Piano, aber wenig heischend im Frage-Verbot, und „du fürchterliches Weib“ würde selbst zaghaftere Damen, als Ortrud eine ist, nicht in Verlegenheit bringen. „Heil dir, Elsa“ wird monoton gehaucht, und wenn es in der Brautnacht nicht klappt, glaubt man den Schuldigen schnell gefunden zu haben, so unerotisch werden die „süßen Düfte“ beschworen. Vor sieben Jahren war die Mittellage noch wenig präsent, so dass der Beginn der Gralserzählung farblos bleibt, die erste Erwähnung der Taube als Fermate manieriert klingt, und obwohl der Sänger sich um eine reiche Agogik bemüht, wechselt die Stimme oft nur zwischen knabenhaft und greinend. Zärtlich allerdings hört sich das „und bei dem Ringe soll er mein gedenken“ an und setzt so einen schönen Schlusspunkt.
An ihrer schlechten Diktion leidet die Elsa von Annette Dasch, das Vibrato hält sich damals noch in tolerierbaren Grenzen, die Stimme klingt frisch, aber „Es gibt ein Glück“ enttäuscht, weil ausgesprochen salbungsvoll dargeboten, nichts ist von Entrücktheit zu vernehmen.
Petra Lang hat wenig von der düsteren Ortrud, und ihr „Gott“ klingt längst nicht so schrecklich, wie der Gatte meint. Deswegen schickt sie ihm wohl auch noch eine grässliche Lache hinterher. Ihr „Entweihte Götter“ allerdings lässt deren Thron wackeln, und sie wirkt durch die ungefährdeten Schärfen in der Höhe, während die Mittellage blass bleibt. Unverständlich bleibt sie leider vor dem Dom, hat davor, in der nächtlichen Szene, aber eine feine Falschheit in der Stimme.
Einen echten Heldenbariton kann Jukka Rasilainen für den Telramund einsetzen, der im Unterschied zu Kollegen auch noch vor dem Dom eine urgesunde, unangefochtene Stimme vernehmen lässt. Besonders seine gute Diktion erfreut den Hörer. Er hätte es nicht nötig, seinen Bariton durch Vokalverzerrungen bösartiger erscheinen zu lassen. Markant und ebenfalls durch Textverständlichkeit beeindruckend ist der Heerrufen von Samuel Youn. Zwar könnte man sich einen jünger und heller klingenden Bariton wünschen, aber das ist Geschmackssache (3 CD QA CD9034 D). Ingrid Wanja
Frisch vom Friseur: Kaum zu glauben, dass die beiden Herrschaften mittleren Alters in Tristan und Isolde, sie im braven kanariengelben Kleidchen mit frischer Dauerwelle, er mit Schlips und Kragen ihr scherzend einen Handschuh zum Hineinbeißen hinhaltend, sich den Wonnen des Herniedersinkens der Nacht hingeben können. Allzu spießig und eher einer guten Tasse Kaffee als dem Liebestrank zugetan hatte 2009 Christoph Marthaler das unsterbliche Liebespaar in seiner Bayreuthinszenierung gesehen, und der Hörer tut gut, das Cover beiseite zu legen und sich beim Hören auch nicht von der Rückseite der CD-Kassette mit obligatem Lazarettbett irritieren zu lassen.
Hörenswert ist vor allem Robert Dean Smith, optisch immer ein bisschen phlegmatisch wirkend, aber hier mit einem grundsoliden Tenor aufwartend, mit sehr guter Diktion, angenehmem Timbre, einem Tenor, der in allen Lagen gleich gut anspricht, auch im dritten Akt keine Ermüdungserscheinungen zeigt und am Ende des ersten Akts den Taumel, in den die Liebenden geraten, nachvollziehbar macht. Wunderschön gesungen ist „O sink‘ hernieder“ (gehört denn nach „sink“ ein Apostroph?) Emphatisches gelingt dem Sänger ohne hörbaren Druck auf die Stimme, die stellenweise im dritten Akt- und dies als Ausdrucksmittel, wie erloschen klingt. Eine ergreifende Studie liefert Robert Holl als König Marke mit tiefdunklem Bass, in dem viel Trauer liegen kann. Im ersten Akt noch dröge, im dritten dann angemessen knorrig und Kernig ertönt der Kurwenal von Jukka Rasilainen, der mit einem zarten „Lebst du noch?“ rühren kann. Sehr dunkel besetzt ist der Melot mit Ralf Lukas, dessen Stimme sehr schön ist, aber nicht das eifernd Geifernde bringen kann, was die Partie verlangt. Den jungen Seemann lässt Clemens Bieber mit immerjungem Tenor seine Sehnsucht ausdrücken.
Sehr wenig versteht man dem, was die Isolde von Iréne Theorin zu singen hat, nicht einmal „Er sah mir in die Augen“, und so kann nur der ihre Leistung genießen, der textsicher ist. Sehr schön ist die farbige Mittellage, die ihre ist eine bedeutende, wissende Stimme, der man die starke Frau, die sie darstellt, abnimmt. Geheimnisvoll klingt „Kennst du der Mutter Künste“, schön ist das Piano vor „O sink hernieder“, leider häufig schrill die Höhe insbesondere im Forte. Auch in den Liebestod schleicht sich Scharfes und Spitziges ein. Eine sanfte Wächterin ist die Brangäne von Michelle Breedt, deren Gesang sich mit warmem Timbre und sehr kontrolliertem Singen der Habenseite der Aufnahme zuordnen lässt. Diese wurde nicht von mehreren Aufführungen zusammengeschnitten, sondern stammt zu Gänze vom 9.August 2009, einer Vorstellung, in der das Orchester unter Peter Schneider eine solide, aber keineswegs mitreißende Aufnahme ermöglichte (3 CD opus arte OA 9033). Ingrid Wanja