Die Nachfrage für diese Lohengrin-Serie an der Semperoper mit vier Aufführungen im Mai übertraf das Interesse für alle Premieren der Saison um ein Vielfaches – und dies bei einer ziemlich antiquierten Inszenierung von 1983 aus dem damaligen Großen Haus der Dresdner Staatstheater. Vor allem die Chorführung der Regisseurin Christine Mielitz und die Aufzüge der Komparsen muten inzwischen doch recht betulich an und entbehrten nicht einer unfreiwilligen Komik. Aber die stimmige Optik (Peter Heilein) mit hohen Bleiglaswänden und prachtvollen Kostümen war ein wohltuender Kontrast zu den heutzutage üblichen Müll-Ausstattungen.
Grund für die enorme Kartennachfrage waren die Rollendebüts von zwei international akklamierten Sängern, die sich hier erstmals an eine Wagner-Partie wagten. Der polnische Tenor Piotr Beczala ist auf den Bühnen der Welt nach seinen Anfängen mit Mozart vor allem im italienischen und französischen Fach erfolgreich – nun erweiterte er sein Repertoire um die Titelrolle des Lohengrin und konnte damit einen großen persönlichen Erfolg verbuchen. Er bewältigte die fordernde Partie bravourös und bis zum Schluss ohne Ermüdungserscheinungen. Beim Auftritt mit „Nun sei bedankt“ klang die Stimme noch etwas nasal und nicht ganz frei, aber schon die ersten forte-Töne besaßen heldischen Glanz. Insgesamt war seine Interpretation sehr italienisch geprägt, was dieser Rolle gut ansteht. Wenige exponierte Noten gerieten etwas eng, auch müsste der Sänger sein sehr verhaltenes Spiel noch intensivieren. Aber viele wunderbare Momente prägten sich an diesem letzten der vier Abende (29. 5. 2016) unauslöschlich ein – das mit großer Zärtlichkeit intonierte „Süße Lied“ im Brautgemach, die enormen Kraftreserven für seine Anklage im letzten Aufzug, die in schönem Ebenmaß gestaltete Gralserzählung und der mit wehmütiger Süße angestimmte Abschied mit „Mein lieber Schwan“.
Schon im Vorfeld der Aufführungen hatte Anna Netrebko alle Aufmerksamkeit auf sich und ihr Debüt als Elsa gezogen. Sie sang sie mit absoluter Mühelosigkeit und in fast perfektem Deutsch, aber recht allgemein im Ausdruck – diese „blonde“ Partie ist meiner Meinung nach ihre Sache nicht. Der Sopran klingt für mich zu dunkel und ihrer Interpretation fehlen Innigkeit, Zartheit, Wehmut und Inbrunst. Die Traumerzählung begann sie intonationsgetrübt, die Szene auf dem Söller im 2. Aufzug gelang ihr dank feiner piani überzeugend. Am stärksten wirkte sie im Duett mit Ortrud, wo sie dem hochdramatischen Organ ihrer Gegenspielerin jederzeit Paroli bieten konnte. Von enormer Dramatik mit kraftvollen stimmlichen Ausbrüchen war die Szene im Brautgemach geprägt, was ihr möglicherweise in Zukunft weitere Wagnerrollen ermöglichen könnte. Für den geplanten Auftritt als Elsa in Bayreuth 2018 war die Dresdner Serie jedenfalls eine vom Publikum frenetisch umjubelte „Generalprobe“.
Evelyn Herlitzius ging die Ortrud mit wilder Sopran-Attacke an, die in dem grell auffahrenden und tremolierenden Ausbruch „Entweihte Götter“ gipfelte. Beim enervierend-schrillen „Fahr’ heim“ am Ende verließ sie dann allerdings die Bahn des Gesangs. Grund für ihre große Beliebtheit (nicht nur in Dresden) dürfte ganz sicher ihre enorme szenische Präsenz sein, die auch in den stummen Momenten zu spüren ist. Das machte ihr Duett mit Telramund zur spannendsten Szene der Aufführung. Gesanglich war der polnische Bariton Thomasz Konieczny allerdings der Schwachpunkt des Abends mit einer Stimme von mächtigem Volumen, die aber durchweg dröhnend, verquollen und undifferenziert ertönte. Auch waren bei ihm Mängel in der Artikulation zu hören. In der Auseinandersetzung mit Ortrud steigerte er sich zu Ausbrüchen von solch rasender Wut, wie man sie in dieser Vehemenz und Gewalt wohl derzeit von keinem anderen Sänger in dieser Partie hören kann. Seinen Rang als Wagner-Bass von Weltformat bestätigte Georg Zeppenfeld mit dem König Heinrich – machtvoll im Gesang und von starker Autorität. Derek Welton komplettierte die Besetzung als solider Heerrufer mit potenter, in der Höhe etwas dumpfer Stimme.
Der Sächsische Staatsopernchor Dresden und die Herren des Sinfoniechores Dresden e.V. (Einstudierung: Jörn Hinnerk Andresen) sangen glanzvoll; die Sächsische Staatskapelle Dresden wurde unter Christian Thielemann ihrem Ruf als „Wunderharfe“ in jedem Takt gerecht. Die schimmernde Transparenz des Vorspiels, das mächtig gesteigerte erste Finale, der Bläserglanz des Vorspiels zum letzten Bild – das Orchester bot an diesem Abend viele magische Momente, was das Publikum am Ende mit Ovationen honorierte (Foto oben: „Lohengrin“ an der Semperoper Dresden/ Szene/ Foto Daniel Koch/ Semperoper Dresden). Bernd Hoppe