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Schlimmes erdulden müssen die Opern von Mozart und Verdi und vieler anderer Komponisten durch die moderne Regie, weitgehend verschont davon bleiben die Werke von Leoš Janáček, denen allerhöchstens die Verwurzelung in einer Landschaft, in einem Milieu abhanden kommt, deren Grundkonflikt und Personal hingegen intakt bleiben. Das mag daran liegen, dass hochtrabende Ideale wie la patria, l’onore, l’amor eterno sowieso bereits im Libretto außen vor bleiben, das Personal sich weder in göttlichem noch aristokratischem Milieu bewegt und ein end, wenn nicht mit dem Tode der Hauptpersonen verbunden, doch nie so richtig happy ist. Janaceks Jenufa liefert den Beweis dafür, wenn ihr zwar oft die farbigen volkstümlichen Trachten, nicht aber die Integrität ihres Charakters, der der Küsterin und die aus einem gesellschaftlichen Konflikt erwachsende Tragik genommen wird. So auch geschehen in der Inszenierung von Claus Guth für Covent Garden, deren erster Akt in einer Anstalt, in der die Frauen vor ihren Betten sitzend Kartoffeln schälen, im Hintergrund Männer die Pissoirs benutzen, spielt, der zweite in einem riesigen Käfig und der dritte schließlich in einem Riesenraum, dessen Fußboden mit gelben Blüten bedeckt ist (Bühne Michael Levine). Ganz in Schwarz gekleidet ist auch die an sich feierbereite Gesellschaft im ersten Akt, dafür im letzten in übermäßig farbige, fröhliche Kostüme, die den Kontrast zu der furchtbaren Entdeckung im schmelzenden Eis umso stärker werden lässt (Kostüme Gesine Völlm), die quasi obszön wirken. Bedrohlich wirken im zweiten Akt nicht nur die den Käfig umgebenden Frauen, sondern zusätzlich die eine unter ihnen, die sich als Krähe entpuppt. Mit Beginn jeden Akts muss erst ein Vorhang aus schwarz-weißen Lamellen emporgezogen werden, um den Blick auf das Geschehen frei zu geben, wodurch eine zusätzliche Distanz zwischen Bühnenpersonal und Publikum konstruiert wird. Den Eindruck von auswegloser Düsternis verstärkt noch die Tatsache, dass sich die Massen wie unter einem Zwang stehend bewegen, dass Jenufa wie besessen in der am Bühnenrand aufgeschütteten Erde wühlt. Ob es dem frischvermählten Paar gelingen wird, sich eine gemeinsame Zukunft aufzubauen, bleibt offen und lässt den Zuschauer nachdenklich zurückbleiben.
Für die beiden weiblichen Hauptrollen, und es gibt nur solche, standen zwei wunderbare Singschauspielerinnen zur Verfügung. Asmik Grigorian ist eine schöne, stolze Jenufa, die alle Gefühlsregungen, mit denen das Stück sie so reich ausgestattet hat, in Darstellung wie Gesang an das Publikum vermitteln kann. Der flexible, klare Sopran überstrahlt die Ensembles und kennt keine Ermüdungserscheinungen. Jahre lang am gleichen Haus ebenfalls eine sehr gute Jenufa war Karita Mattila, die nun als Küsterin wunderschöne Klagelaute, viel vokale Überredungskunst und so eindrucksvolle wie kontrollierte Ausbrüche der Verzweiflung hören lässt. Ein mondänes Äußeres wie bemerkenswerte Stimmreste offeriert die ewige, aber immer charaktervolle Comprimaria Elena Zilio als Großmutter. Kontrastreich in Optik und Stimme sind die Enkel Laca und Steva, der eine, Nicky Spence, blond, rundlich und mit einem schönen Zwischenfachtenor dem Schöngesang huldigend, der andere, Saimir Pirgu, als Latin Lover auf denselben verzichtend, obwohl er eigentlich im italienischen Fach zu Hause ist. Der bildungswillige Jana ist hier ein Mädchen und wird als solches von Yaritza Veliz mit frischer junger Stimme gesungen, ganz wie in weiteren kleinen Rollen Jacqueline Stucker als Karolka, April Koyejo-Audiger als Barena und Renata Skarelyte als Tetka. Ob der als Principal Guest Concert Master aufgeführte Vasko Vassilev für einen authentischen „slawischen“ Klang sorgen sollte, lässt sich nicht erschließen. Ursprünglich war für die für März 2020 vorgesehene Premiere Vladimir Jurowski , inzwischen in München tätig, engagiert gewesen. Nun konnte man feststellen, dass Hendrik Nanasi durchaus die Partitur zum Leuchten bringen konnte, gleichzeitig den Sängern ein rücksichtsvoller Begleiter war. Der Jubel des Publikums war grenzenlos (Opus Arte BD7302D). Ingrid Wanja