Frivoler Hochgenuss

 

Drunter und drüber geht es an der MET in Rossinis Le Comte Ory in  der Regie von Bartlett Sher nicht nur, was den stürmischen Dreier im gar nicht keuschen Ehebett der Gräfin angeht, sondern auch bei den Kostümen (Catherine Zuber) hat man alles auf die Bühne gebracht, was attraktiv ist, von der Ritterrüstung über Mittelalter, Barock, Rokoko und Empire, und bleibt dabei doch charmant, weil stets ein Schuss Ironie das Abgleiten ins Grobe verhindert. Am Ende siegt nicht die viel besungene Gattenliebe, sondern Page und Comtesse Adèle fallen einander in die Arme, während der brave Kreuzrittergatte ziemlich perplex daneben steht. Die Bühne von Michale Yeargan ist die denkbar einfachste, wie auf einem Jahrmarkt aufgebaut, und alle Aufgaben von Beleuchter, Requisiteur und Souffleur werden von einem vertrottelten Faktotum mürrisch ausgeführt. Lustig wirkt es, wenn aus einer Pappwand von Schloss eine Zugbrücke herabgelassen wird oder wenn der Mann für alles eine Kurbel dreht, damit die Zuschauer genau sehen können, was sich in dem dann schräg gestellten Bett abspielt.

Vom Allerfeinsten ist, was das Haus an Sängern aufgeboten hat. Michele Pertusi, inzwischen ein gestandener Verdi-Sänger, ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt und singt einen geschmeidigen Gouverneur. Etwas raubeiniger, auch was die vokale Leistung angeht, ist der Gefährte des lasterhaften Grafen, sein Gefolgsmann Raimbaud, der von Stéphane Degout gesungen wird. In der kleinen Partie der Alice weiß Monica Yunus erotisch aufzutrumpfen. Etwas verhalten beginnt Susanne Resmark als Ragonde, die im zweiten Akt vollmundig die Stimme der üppigen Figur Konkurrenz machen lässt.

Ganz und gar umwerfend komisch wie bezaubernd ist das Trio Juan Diego Flórez, Diana Damrau und Joyce DiDonato. Der Tenor beherrscht in der Titelpartie  das lustige Hin und Herr zwischen so schmachtendem wie draufgängerischem Möchtegernliebhaber und frömmelnder Nonne souverän, seine Stimme ist etwas trockener geworden, die Höhe nach wie vor bombensicher, eine gewisse Monotonie des Singens stört kaum. Der Mezzo hat sichtbar Freude an der Hosenrolle, singt einschmeichelnd und mit vielen Farbfacetten. Hinreißend komisch ist der deutsche Sopran in seinem Schwanken zwischen Begehren und Tugendstreben, in seinen Zweideutigkeiten, dem geradeso Vorbeischrammen am hysterischen Ausbruch. Die gesangliche Leistung steht hinter der darstellerischen nicht zurück, die Mühelosigkeit im Virtuosen verbindet sich mit der Sinnfälligkeit, die es nie Selbstzweck werden lässt. Maurizio Benini am Dirigentenpult sorgt dafür, dass die szenischen Turbulenzen Hand in Hand mit musikalischer Disziplin gehen (Blu-ray ERATO 0825646054503). Ingrid Wanja