Mehr Blue als Joy

Angel Blue: Plácido Domingo wollte in ihr die künftige Leontyne Price gehört und gesehen haben, doch dieser Prognose mag man keinen Glauben schenken, befasst man sich mit der bei opus arte erschienenen CD mit dem Titel Joy Alone, auf der Lieder in fünf verschiedenen Sprachen vereint sind. In der Reihe der Rosenblatt Editions gab es nach Aufnahmen mit Stars junge Sängerinnen am Beginn der Karriere wie Ailyn Perez oder Ailihs Tynan zu hören, nun also die Afroamerikanerin, wie ihre beiden Vorgängerinnen mit der Klavierbegleitung von Iain Burnside.

Leider gibt das Booklet nur die nichtenglischen Titel mit der Übersetzung ins Englische wieder, von den englischen fehlt in ihm jede Spur, und das, obwohl Textverständlichkeit nicht das Markenzeichen der Sängerin ist. Das wird dem deutschen Hörer besonders bei den Liedern von Richard Strauss bewusst, wo Vokale ins Amerikanische verfärbt werden („Gold“), wo ein übertriebenes Legato ein Wort in das nächste übergehen lässt, wo das R übermäßig gerollt wird. Auch die Lieder von Rachmaninow hören sich gar nicht russisch an, aber für Sing nicht, Schöne hat der Sopran die richtige Melancholie in der Stimme, in Frühlingswasser das Funkeln der Stimme wie das nasse Element im Sonnenschein. Vom russischen Komponisten stammt auch die Vocalise, die souverän gemeistert wird. Für Strauss‘ Heimliche Aufforderung fehlt der Sopranistin die Kraft zum emphatischen Aufschwung, hört sich alles zu piepsig und zugleich verwaschen an, sehr schön gelingt die sanfte Trauer auf „Es wird sehr bald sein, wir wissen es beide“ in Befreit. Aber vor einem deutschen Publikum könnte die Sängerin mit den erwähnten Schwächen nicht bestehen. Wie es um die beiden spanischen Titel bestellt ist, kann man weniger entschieden beurteilen, doch klingt Las carceleras sprachlich wenig akzentuiert, wird aber sehr schön, geschmeidig und temperamentvoll gesungen, auch werden in einem Stück von Pablo Luna bei spanischem Feuer auf Sparflamme der Rhythmus fein akzentuiert, die kleinen Notenwerte beachtet. Es gibt mit Liszts Oh! Quand je dors einen französischen Titel, der als feines Tongespinst angelegt ist mit einer geschickten Steigerung bis zur Emphase. Das Booklet irrt, wenn es meint, es handle sich um Petrarca und Laura, die werden nur zum Vergleich heran gezogen. In den amerikanischen Beiträgen gefallen in Summertime das fein bemessene Vibrato, in Jake Heggies Songs die leichte Emission der Stimme, die aufblühende Höhe und das farbige Piano, durchweg auch die Frische der Stimme. Als Bonus gibt es noch ein Spiritual, in dem geschickt die Balance zwischen Operngesang und Traditionalgesang gehalten wird. Iain Burnside ist in allen Stilen der sichere Begleiter. Joy Alone wird von der CD nicht verbreitet, aber immerhin Joy especially American (Opus Arte OA CD9020 D)

Ingrid Wanja