Verdienstvoller Frieder Bernius

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Wie eine Art Wiedergutmachung an Johann Adolf Hasse mutet die höchst aufwändige Ausstattung der CD von seiner Oper L’Olimpiade an, nachdem es die Aufführung selbst in der Dresdner Semperoper nur verkürzt und als Matinee auf die Bühne brachte. Ein Sprecher unterrichtete das Publikum in deutscher Sprache jeweils über den Fortgang der Handlung. Es gibt nicht etwa ein knappes, sondern gleich zwei üppige Booklets, beide reich bebildert, das eine mit dem Librettto in Italienisch und Deutsch, das zweite mit dem Personenverzeichnis, mit  vielen zeitgenössischen Abbildungen einschließlich einiger Notenblätter, der Handlung und vieler Figurinen für die Uraufführung, die ebenfalls in Dresden und zwar 1756 stattfand. Kurzbiographien machen den Leser zudem mit den Sängern und anderen Ausführenden der vorliegenden Aufnahme bekannt.

Das Libretto stammt natürlich von Pietro Metastasio und vermischt Antikes mit Barockem bis Rokokohaftem mit der Geschichte vom peloponnesischen König Clistene, der nach der Geburt eines Zwillingspaares den Sohn Licida aussetzen lässt, weil ein Orakel verkündet hatte, dieser würde ihm nach dem Leben trachten. Bei den Jahre danach stattfindenden Olympischen Spielen setzt der König seine Tochter Aristea als Preis für den Sieger aus, der zudem sein Nachfolger werden soll. Aristea aber hat sich längst in den Athener Megacle verliebt, der sie aber wegen seiner Herkunft nicht heiraten darf. Bei seiner Flucht aus Kreta fällt er unter die Räuber, aus deren Händen er durch Licida gerettet wird, der seinerseits heimlich verlobt ist mit der Kreterin Argene, die Clistene heiraten soll und den Anfeindungen ihrer Familie durch die Flucht in ein Schäferleben entflieht. Licida will an der Olympiade teilnehmen, da er aber nicht gut genug vorbereitet ist, springt sein Freund Megacle für ihn ein und gewinnt. Daraus entstehen nun viele Verwicklungen, Eifersüchteleien, Racheschwüre, Wahnsinnsausbrüche und Selbstmordversuche, Todesurteile und damit Anlässe für virtuose Arien, ehe Priester und Volk verlangen, dass alle begnadigt und die jeweils einander Liebenden auch einander angetraut werden. Der strenge Glaube an die Erfüllung düsterer antiker Prophezeiungen wird durch eine Art barocken, die Konflikte lösenden Deus ex Machina abgelöst.

So sehr sich die Handlung in Extremen ergeht, so sehr ist die Musik, mit einigen im Booklet aufgeführten Ausnahmen, der in der Entstehungszeit wünschenswerten Gefasstheit der Personen verpflichtet. Den Artikel über die Musik Hasses im Booklet sollte man auf jeden Fall lesen.

Nach der Unterrichtung über deren Besonderheiten  kommt der Hörer in den Genuss eines entschiedenen Zugriffs der Cappella Sagittariana Dresden und des Kammerchors Stuttgart unter ihrem Dirigenten Frieder Bernius auf den schillernden Orchesterpart und die allerdings recht knappen Chorszenen. Die einzige „tiefe“ Stimme ist die des Tenors Christoph Prégardien, der den König Clistene geschmeidig singt, allerdings die Höhen recht farblos lediglich antippt. Die Königstochter Aristea erfährt mit dem Mezzosopran von Catherine Robbin die Vorzüge eines reicheren Farbspektrums und kann mit „Tu me da me dividi“ mächtig auftrumpfen, meistert  zudem die Intervallsprünge ohne Probleme. Dorothea Röschmann ist Argene und hat für diese, wenn die Handlung es erlaubt, einen schönen Jubelton, singt variationsreich, aber immer empfindsam und dabei sehr nachdrücklich. Recht weiblich klingt der verstoßene Licida von Randall Wong, weich und biegsam ist der Sopran mit zartem Glockenton. David Cordier ist Megacle mit koloraturgewandtem Sopran, etwas scharf in der Höhe und mit gewaltigen Bögen in „Superbo de me stesso“ prunkend, empfindsam im „Se cerca, se dice“. Der Countertenor Steven Richards singt den Haushofmeister Aminta und klingt bei „Insana gioventù“ gar nicht ältlich. Nach dem Hören dieser beiden CDs versteht man, warum Hasse zu seiner Zeit so äußerst beliebt war- und er hat auch das Zeug dazu, heute auf interessierte Zuhörer zu stoßen (Hänssler 3 CD PH21053). Ingrid Wanja