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Carlos Gomes ist operalounge.de-Lesern nun wirklich kein Unbekannter, vielfach haben wir über ihn berichtet und seine Bedeutung für Brasiliens Musiklandschaft hervorgehoben. Und so erfreulicher ist nun die Nachricht: Bei NAXOS gibt es jetzt eine neue Reihe The Music of Brazil, und darin eine CD mit Ouvertüren und Vorspielen aus Opern von Carlos Gomes. Sie ist Teil des Projekts Brasil em Concerto, das vom Außenministerium Brasiliens unterstützt wird, um die Musik des Landes in aller Welt bekannt zu machen. Carlos Gomes ist der bislang bekannteste Vertreter lateinamerikanischer Komponisten. Seine ersten Opern, A noite do castelo (1861) und Joana de Flandres (1862), wurden in der National Academy von Rio de Janeiro uraufgeführt und führten für Gomes zu einem Stipendium am Mailänder Konservatorium. Nach zwei erfolgreichen musikalischen Komödien hatte er dort endgültig Fuß gefasst. 1870 gelang ihm der Durchbruch an der Scala mit seiner bekanntesten Oper Il Guarany. Erst 1896 kehrte er nach Brasilien zurück, um die Leitung des Belém Conservatory zu übernehmen; kurz danach starb er überraschend. Bis dahin schrieb er noch weitere große Opern, die mit Instrumentalmusik auf dieser Aufnahme vorgestellt werden. Im Prelude des 1.Aktes von A noite do castello sind in der experimentellen Instrumentierung schon deutlich dramatische Effekte auszumachen. Ausgeglichener bezüglich der Klangfülle gelang ihm das bereits ein Jahr später mit dem Prelude zum 1.Akt von Joana de Flandre. (Dazu gibt es bei operalounge.de auch einen Opernführer, Die vergessene Oper). Der wuchtige Beginn der ausladenden Ouvertüre zu Il Guaranay kommt da schon intensiver daher, der Klang wird differenzierter. Weitere Entwicklung ist deutlich in den Ouvertüren zu Fosca (1873) und Salvator Rosa (1874 auch hierzu einen Beitrag Die vergessene Oper) auszumachen, nachdem Gomes vor allem Fosca noch mehrfach überarbeitet hatte; dabei wurde das ursprüngliche Prelude noch zur Ouvertüre erweitert. Das Prelude zum 1.Akt der Oper Maria Tudor (1878; a.a.O. 1879) basiert auf zwei gegensätzlichen Themen, dem Rache-Thema des 3.Aktes und dem Marsch der Verurteilten im 4.Akt. Von Gomes‘ reifen Werken erklingt Musik aus Lo schiavo (1889 auch hierzu einen Beitrag Die vergessene Oper) und Condor (1890): Im Prelude zum 1.Akt von Lo schiavo wird eine kurze Einstimmung auf das Stück gegeben, wobei Oboe und Flöte jeweils mit Soli darüber schweben; das Prelude des 4.Aktes – bekannt unter dem Titel Alvorada – kommt einem symphonischen Gedicht am Nächsten. Seine letzte Oper Condor wird durch das Prelude zum 1.Akt sowie das Nocturne des 3.Aktes präsentiert. Passend zum Sujet, das in Samarkand spielt, werden Orientalismen in die Klangpalette eingeflochten; von kammermusikalischen Phasen bis zu großen Aufschwüngen wird alles ausgeschöpft. Der Dirigent Fabio Mechetti gründete 2008 das Minas Gerais Philharmonic Orchestra, mit dem er seitdem für Einspielungen eng zusammenarbeitet. Dadurch ist auch bei dieser Aufnahme eine sehr ausgeglichene Klanggebung und Differenzierung der unterschiedlichen Grundcharaktere der Opern deutlich geworden. Für Gomes-Liebhaber ist diese CD besonders gut geeignet (NAXOS 8.574409). Marion Eckels