„Salvator Rosa“ von Antonio Gomes

 

Nach Mayrs Fedra und Spohrs Der Alchymist ist Salvator Rosa von Gomes bereits die dritte Oehms-Einspielung aus dem Staatstheater Braunschweig, der sich theoretisch Mascagnis Isabeau und Fibichs Sarka anschließen könnten, wobei im letzten Fall aufgrund vorhandener Aufnahmen kein dringender Bedarf besteht. Die vorbildliche Braunschweiger Repertoirepflege wird verdientermaßen auf CD dokumentiert. Nicht alle Leistungen sind auf allerhöchstem Niveau, die Aufnahme des Salvator Rosa erscheint klanglich gelegentlich etwas blässlich und unausgeglichen und letztlich würde man sich unbescheidenerweise – über das instruktive Beiheft hinaus – den kompletten Text wünschen, doch das sind marginale Einschränkungen. Ein Jahr nach Bellinis Tod geboren, eine Generation jünger als Pacini und Mercadante, die die Lücke zwischen Rossini und Verdi schlossen, gehört der Brasilianer Antônio Carlos Gomes, wie etwa der fast gleichaltrige Ponchielli, zu den Komponisten, die während Verdis späten Jahren die italienischen Bühnen zu erobern versuchten. Sein erster Großerfolg, Il Guarany, kam 1870 an der Scala heraus, seine vierte Scala-Uraufführung, zugleich sein letzter Erfolg, war 1891 Condor. Die Künstleroper Salvator Rosa über den im 17. Jahrhundert lebenden Maler und Dichter, zu der Ghislanzoni das Libretto geschrieben hatte, wurde 1874 in Genua uraufgeführt. Die vier Akte hat Antonio Ghislanzoni, der gerade die Neufassung der Forza del destino hergestellt hatte (und natürlich auch die Aida), mit sicherem Gespür für die neuen Erfordernisse der grand opéra, wie sie auch in Italien spürbar wurden, aufbereitet. Gomes inszeniert die Märsche und Szenen der Soldaten und des Volkes wirkungsvoll, handhabt die Muster mit Bravour, seine Musik besitzt eine gediegene Geschmeidigkeit und handwerkliche Allüre, ohne dass er ihr Eigenes, schon gar nicht Südamerikanisches, beizumischen versucht. Gelegentlich scheint die Musik mit stimmungsvollen impressionistischen Valeurs vorauszuweisen, doch im Grunde bleibt Gomes fest in der Tradition verankert.
Georg Menskes und das StaatorchesterBraunschweig vermitteln eine gewisse Grandeur des musikalischen Entwurfs und überzeugen in den instrumentalen Finessen. Salvator Rosa verfügt zwar über keinen Ohrwurm wie den Tenorschlager „Quando nascesti tu“ in Lo Schiavo (2011 in Gießen aufgeführt), dessen Mitschnitt eine willkommene Ergänzung böte, doch Malte Roesner, für den der Fischer momentan noch eine Grenzpartie sein dürfte, singt Masaniellos „Povero nacqui“ mit edlem Bassbariton, ausdrucksvoller Wärme und mitreißendem Schwung. Masaniello ist ebenjener u.a. aus Aubers La muette de Portici bekannte Fischer, der den Aufstand der neapolitanischen Fischer gegen die Spanier anführt. Ein weiteres Glanzstück ist die Arie des spanischen Herzogs von Arcos „Di sposa, di parda“ von Dae-Bum Lee mit dunkler Wucht zelebriert. Seine Tochter Isabella, die fatalerweise zugleich die Geliebte des Malers ist, singt die Slowakin Maria Porubcinova mit der rechten Mischung aus Unschuld und Aufbegehren, also lyischer Transparen und einer dramatisch geschärften, aparten Höhe. Das Duett mit dem Vater am Ende des dritten Aktes ist einer Höhepunkte des Werkes. Die Titelpartie singt Ray M. Wade mit schöngebundenen, mühelosen Tenorbögen und draufgängerischem Strahlen. Rolf Fath 

 

Fairerweise muss aber auch auf die drei (!) vorhergehenden Aufnahmen der Oper hingewiesen werden – zum einen die jüngere Dynamic-Live-Einspielung aus Martina Franca unter Maurizio Benini von 2004 bei Dynamic (GDS 472/1-2), die nur als Import zu bekommende Aufnahme live aus Dorset unter Patrick Shelley bei Regis (FRC 9201) und die historische aus Sao Paulo 1977 unter Blech bei Master Class Brazil (mehr als schwer zu erhalten; in dieser Serie  gibt es fast alle Gomes-Opern in akustisch zum Teil auch riskanten Mitschnitten mit und ohne die tapfere Nina Carini. G. H.

 

Antônio Carlos Gomes: Salvator Rosa mit Dae-Bum Lee/ Il duca d’Arcos, Maria Porubcinova/ Isabella, seine Tochter, Ray M. Wade/ Salvator Rosa, Malte Roesner/Masaniello u. a.; Georg Menskes; Chor und Staatsorchester Braunschweig, 2 CD Oehms Classics OC 957