Nicht viele Aufnahmen von Händels Partenope (Uraufführung 1730 in London) finden sich im Katalog – bekannt sind die erste Einspielung von 1978 unter Sigiswald Kuijken mit Krisztina Laki in der Titelrolle, eine spätere unter Christian Curnyn mit Rosemary Joshua sowie eine DVD-Aufzeichnung unter Lars Ulrik Mortensen mit Inger Dam Jensen. Zeit also für eine Neuproduktion, zumal mit Karina Gauvin eine Interpretin der Titelpartie zur Verfügung stand, die für das barocke Fach seit einiger Zeit die erste Wahl bedeutet. Sie adelt dann auch diese Veröffentlichung auf drei CDs bei Erato (0825646090075) mit ihrem noblen Sopran von wunderbarer Leuchtkraft, technischer Perfektion und differenziertem Ausdrucksspektrum. Sie porträtiert die Königin von Neapel, begehrt von drei Liebhabern – Arsace, Armindo und Emilio –, als Charakter zwischen Herrscherin und Frau ungemein eindringlich. Ihr flirrend-sinnliches Timbre verhilft sogleich Partenopes Auftritt mit der Arie „L’amor ed il destin“, deren Worte das Leben der Königin prägnant umreißen, zu starker Wirkung – Koloraturläufe, formuliert mit Energie und Attacke. „Io ti levo“ gegen Ende des ersten Aktes ist dagegen von eher introvertiertem Charakter und stellt das fraulich-reife Timbre der Sopranistin in helles Licht. Im 2. Akt sind die beiden Arien „Care mura“ und „Voglio amare“ kontrastreich – erstere von inniger Lyrik, die zweite mit einem ganzen Füllhorn von Ausschmückungen ein Zeugnis beständiger Liebe und einer der vokalen Höhepunkte der Aufnahme. Dazu gehört später auch „Qual farfalletta“, wo der flatternde Nachtfalter lautmalerisch mit vielen Trillern und anderem Zierwerk illustriert wird und Gauvins Gesangskunst auf den Olymp hebt. „Spera e godi“ im dritten Akt pendelt zwischen Zuneigung (für Armindo) und Abscheu (gegenüber Arsace), lässt auch hysterische Untertöne und veristische Anklänge hören. Ganz von Wohllaut erfüllt ist dann wie der ihre letzte Arie, „Sì, scherza, sì“.
Arsace, Prinz von Korinth, ist mit Philippe Jaroussky der zweite Star der Besetzung. Er singt ihn mit vokaler Reinheit und Schönheit. Sein erstes Solo, „O Eurimene“, ist erfüllt von schmeichelndem Wohllaut, das zweite, „Sento amor“, überrascht mit ungewohnten Farbnuancen. „È figlio il mio timore“ am Ende des ersten Aktes ist ein bewegtes Stück, angereichert mit virtuosen Koloraturen, das die Bravour des Sängers herausstellt. Ihm fällt das Finale des 2. Aktes zu mit der aufgewühlten Arie „Furibondo il mio core“, wo der Interpret zwar mit den Koloraturläufen brilliert, aber im Ausdruck den Charakter dieser Szene nicht ganz trifft. In „Ch’io parta?“ und „Ma quai note“ im 3. Akt zeigt er dann wieder seine Stärke in introvertiert-schwebenden Wiedergaben dieser Arien.
Armindo ist mit der Sopranistin Emöke Baráth besetzt, die die sehnsuchtsvolle Auftrittsarie des Prinzen von Rhodos, „Voglio dire“, mit schwärmerischer Empathie vorträgt, in „Bramo restar“ mit schmerzlicher Wehmut berührt und in „Non chiedo“ ihr berückend-liebliches Timbre hören lassen kann. Emilio, Prinz von Cuma, wird dagegen von einem Tenor wahrgenommen. John Mark Ainsley bringt seine reiche Erfahrung in diesem Repertoire ein, überzeugt mit flüssigen Koloraturläufen und vermag noch immer glaubhaft, eine Liebhaberrolle auszufüllen. Ein Beispiel für seine dramatische Gestaltungskunst ist „Barbaro fato, sì“ im zweiten Akt, das dazu mit vehementen Koloraturgirlanden seine ungebrochene Virtuosität zeigt. Für die in Barockopern üblichen Verwirrungen sorgt Rosmira, Prinzessin von Zypern und frühere Geliebte Arsaces, die in männlicher Verkleidung als Eurimene auftritt. Die Mezzosopranistin Teresa Iervolino bringt einen willkommen dunklen Farbtupfer ein mit interessant androgynem Ton, der auch einem Counter gehören könnte.
In ihrer ersten Arie, „ Se non ti sai spiegare“, erfreut sie mit kultiviertem Vortrag, in der zweiten, „Un’ altra volta“, mit vehementer Erregung und erweist sich insgesamt als willkommene Bereicherung der barocken Sängerriege. Rosmira fällt die letzte Nummer des ersten Aktes zu, das von Hörnerschall eingeleitete und begleitete „Io seguo sol fiero“ – eine klassische aria da caccia, in welcher Iervolina gebührend auftrumpfen kann. Auch „Furie son dell’alma mia“ im 2. Akt gibt ihr Gelegenheit, Gefühle wie Eifersucht und Zorn mit furioser Attacke zum Ausdruck zu bringen. „Quel volto mi piace“ im 3. Akt bringt dann wieder eine beschwingte Note ein. Luca Tittolo als Ormonte, Hauptmann der Wachen Partenopes, ist die tiefste Stimme im Ensemble und dieser mit bislang unbekannter Sänger gleichfalls eine positive Überraschung mit seinem wunderbar sonoren, flexiblen Bass von sinnlichem Klang. Seine Arie „T’appresta forse Amor“ ist neben der akzentuierten Wortbehandlung auch durch den hintergründigen Unterton ein Glanzstück.
Mit Il Pomo d’Oro ist ein renommiertes Ensemble der Alte-Musik-Szene angetreten, das von Willkommener Zuwachs in der Diskographie geleitet wird. Der Dirigent setzt die schillernde Vielfalt der Musik ins beste Licht, die Musik klingt federnd, delikat und artikuliert. Die Komposition lässt in den instrumentalen Teilen (Ouverture, Sinfonie, Marche) das Orchester zu prächtiger Wirkung kommen mit martialischen Klanggemälden und vehementem Bläsersturm.
Als Anhang bringt die Einspielung ein alternatives Finale für die Wiederaufnahme der Oper im Dezember 1730 mit Senesino, in welchem Arsace die letzte Arie zufällt und der Titelheldin lediglich ein Rezitativ. Jaroussky kann in diesem „Seguaci di Cupido“ noch einmal brillieren. Bernd Hoppe