Der konzertante Mitschnitt des Fliegenden Holländer aus Amsterdam entstand am 24. und 26. Mai 2013 und ist nun bei dem hauseigenen Label des Royal Concertgebouw Orchestras erschienen (RCO 14004 im Vertrieb von Naxos). Andris Nelsons, der von 2010 bis 2014 in Bayreuth den Lohengrin leitete, kann seine Wagner-Kompetenz am Pult des konzentriert aufspielenden Concertgebouw Orchestra durchaus einbringen. Seine Interpretation zeichnet sich durch eine sorgfältige und in den Details überzeugende Lesart aus, allerdings schlägt er eine insgesamt etwas zu ruhige Gangart an. Die Ouvertüre hat man schon weitaus aufregender und „sturmdurchtoster“ gehört und den dramatischen Höhepunkten fehlt es etwas am letzten Quäntchen Spannung und Leidenschaft. Das große Duett zwischen dem Holländer und Senta wird allerdings sehr organisch entwickelt. Und bei der Chorszene „Steuermann, lass die Wacht“ lässt er das Orchester ordentlich aufstampfen. Überhaupt die Chöre: Sie sind mit das Beste, was diese Aufnahme zu bieten hat. Immerhin sind hier der Chor des Bayerischen Rundfunks, der NDR Chor und der WDR Rundfunk Chor versammelt. Das Ergebnis ist überwältigend und von berauschender Klangsinnlichkeit.
Die Aufnahme ist auch ein Dokument für den 1943 geborenen Bariton Terje Stensvold. Der war zum Zeitpunkt der Aufnahme fast 70 Jahre alt (Opera Lounge brachte eine Würdigung zum runden Geburtstag) und konnte in der Titelpartie mit immer noch beachtlichem Stimmpotential beeindrucken. Der Norweger war in dieser Partie (aber vor allem auch als Wotan) international erfolgreich (zu seinem Bühnenabschied s. unten). Beim Monolog „Die Frist ist um“ schleudert er die trotzige Verachtung seines Schicksals eindrucksvoll heraus. Sein Bariton hat nicht ganz die dunkle Farbe, die andere in diese Rolle einbringen konnten, aber sein Rollenporträt nimmt weitgehend gefangen. Kwangchul Youn ist da als Daland nicht ganz so souverän, manchen Tönen hört man die Mühe an. Und die Figur strahlt eher Behäbigkeit aus; das Berechnende bleibt auf der Strecke. Zu den Pluspunkten zählt Anja Kampe als Senta, die die Ballade ohne Kraftmeierei meistert und der Figur anrührende Momente mitgibt, auch wenn das Exaltierte etwas auf der Strecke bleibt. Ihren lyrischen Sopran führt sie dabei weitgehend ebenmäßig,
Aufhorchen lässt Russell Thomas, der als Steuermann einen kräftigen, virilen Tenor einbringt. Ihm würde man auch den Erik zutrauen, womit aber nichts gegen Christopher Ventris gesagt werden soll, der die Partie ansprechend singt und ihr mit viel Engagement auch eigenständiges Profil gibt. „Italienischen“ Schmelz, den ein Sänger des Erik durchaus haben sollte, vermisst man bei ihm aber weitgehend. Für die Mary wurde die verdienstvolle Jane Henschel mit Gewinn aufgeboten. Fazit: Eine solide Aufnahme, die für vor allem für die Anhänger von Stenvold und Kampe interessant ist, die aber auch mit prachtvollem Chorgesang punktet.
Wolfgang Denker
Am 16. November vergangenen Jahres beendete der finnische Bariton in Frankfurt seine Bühnenkarriere – dazu ein Auszug aus der Pressemitteilung der Oper Frankfurt: Seit der Premiere der Inszenierung von Richard Strauss‘ Die Frau ohne Schatten in der Regie von Christof Nel am 2. Februar 2003 an der Oper Frankfurt ist der norwegische Bariton Terje Stensvold als Barak besetzt. Der Sänger, zudem u.a. stark akklamierter Wotan im Frankfurter Ring, gab nun als Färber in der Frau ohne Schatten am 16. November 2014 im Alter von 71 Jahren seinen Abschied von Frankfurt und beendete damit auch gleichzeitig seine außergewöhnliche Bühnenkarriere. Der norwegische Bariton gastierte seit dem Jahr 2000 regelmäßig an den großen Opernhäusern wie u.a. den Staatsopern in Hamburg, München, Berlin und Wien, der Deutschen Oper Berlin, Nederlandse Opera Amsterdam, Königlichen Oper Stockholm, dem Théâtre La Monnaie Brüssel, Opernhaus Zürich, Gran Teatre del Liceu Barcelona, Teatro alla Scala Mailand, ROH Covent Garden London, weiterhin in Toronto und bei den Salzburger Festspielen. Als ehemaliges Ensemblemitglied der Norske Opera Oslo sang er etwa achtzig Rollen: von Jago (Otello) und Klingsor (Parsifal) bis Gianni Schicchi, von Mozarts Figaro und Don Giovanni bis Danilo (Die lustige Witwe) und Professor Higgins (My Fair Lady). Auch an der Oper Frankfurt, wo er zuletzt für seine Wotan-Interpretation unter der Leitung von Sebastian Weigle (Ring, CD und DVD bei OehmsClassics) gefeiert wurde, sang Terje Stensvold regelmäßig. Hier gab er außerdem den Fliegenden Holländer, Jochanaan (Salome), Balstrode (Peter Grimes), Alfio und Tonio (Cavalleria rusticana / I Pagliacci), Dr. Schön und Jack the Ripper (Lulu) und Don Pizarro (Fidelio). Konzertant war er zudem mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle und bei den London Proms unter Daniel Barenboim zu erleben. Weiterhin arbeitete der Bariton u.a. mit Leif Segerstam, Philippe Jordan, Donald Runnicles, Kent Nagano und Franz Welser-Möst zusammen. Zu seinen jüngsten Gastengagements zählt Wotan in Melbourne, wofür er den Helpmann-Award als Bester männlicher Opernsänger einer australischen Produktion erhielt. Kürzlich wurde Terje Stensvold als erst vierter norwegischer Opernsänger in die Kirsten Flagstad Hall of Fame aufgenommen. 2008 wurde er vom norwegischen König zum Ritter 1. Klasse des St. Olav-Ordens ernannt. Seine Diskografie umfasst u.a. eine Gesamteinspielung des Fliegenden Holländer unter Bruno Weil (harmonia mundi) und Jeanne d’Arc von Walter Braunfels unter Manfred Honeck (DECCA). Engelhardt/Oper Frankfurt