Man nehme eine allseits beliebte und bekannte Oper (diesmal Norma), entwerfe ein spektakuläres Bühnenbild, versetze die ohnehin bereits unwahrscheinliche Handlung in eine (modernere) Zeit, in der sie geradezu absurd wirkt, füge mehr Sex und Crime hinzu, als Opern, allerdings als Liebe und Verrat, ohnehin enthalten, stecke die Sänger in möglichst moderne und damit eher unvorteilhafte Kleidung und lasse ihre Figuren möglichst lächerlich erscheinen, da sie sich mit Problemen herumschlagen müssen, die es in der Zeit, in der das Stück nun spielt, gar nicht mehr gibt. Das halbe Feuilleton und ein kleiner Teil der Zuschauer werden jubeln, alle anderen werden schweigen, um nicht als hoffnungslos altmodisch zu gelten, als einfach zu blöd, die geniale Inszenierung zu verstehen.
So hat es Àlex Ollé von La Fura dels Baus mit dem Fliegenden Holländer in Lyon und Madrid gehandhabt, wenn Daland und Holländer sich an indischem Strand aus dem Wrack eines rostigen Tankers schälen, und so tut er es auch in London mit Bellinis Norma, wo ihm Alfons Flores eine Art Dornröschenhecke aus Kruzifixen entworfen hat, die ungemein attraktiv wirkt, besonders wenn ihre Beleuchtung wechselt, und wo Lluc Castells Pollione in einen zu engen Straßenanzug gesteckt und Adalgisa zur dicklichen Matrone im Sackkleid degradiert hat. Eine strenge katholische Riten pflegende Sekte will sich von der Herrschaft des Zivilisten Pollione befreien, alte Männer in Generalsuniform kriechen mit Maschinenpistolen durch die Dornenhecke, Normas Kindlein (das Mädchen mit Brille, die auch zum Schlafen nicht ablegt wird) spielen zu den Koloraturen der beiden Damen Hopseball, im Fernseher läuft ein Kinderprogramm, in dem es grausam wird, wenn Norma das Messer gegen den Nachwuchs zückt, der auch noch in der letzten Szene auf die Bühne geschleppt wird. Oroveso erschießt Norma in väterlicher Sorge wegen der Leiden, die ein Feuertod verursacht, und Pollione muss allein auf den Rogo im Hintergrund schreiten, wo er doch schon von Norma kurz vor „Sublime donna“ einen kräftigen Tritt in den Schritt und Nasenbluten aushalten musste. Der willige Opernbesucher hat sich damit abgefunden, an zwei unbemerkte Schwangerschaften und ebensolche Entbindungen, dazu die unentdeckt bleibende Aufzucht zweier lebhafter Sprösslinge von Pollione und Norma zu glauben, einfach glauben zu wollen, aber mit dieser Inszenierung wird sein guter Wille überfordert.
Die Produktion sollte eigentlich Anna Netrebko zur Protagonistin haben, die jedoch, weil sie sich stimmlich der Partie bereits entwachsen fühlte, durch Sonya Yoncheva ersetzt wurde. Sie ist eine vokal sehr mädchenhafte Norma mit heller, eher in Richtung Sutherland als Callas gehender Sopranstimme, technisch sehr sicher und sich nicht vor die Rolle drängend. Das ist bei dieser jedoch eher ein Nach- als ein Vorteil, da man einer der genannten Superdiven eher verzeiht, was Norma eigentlich zu einer unsympathischen Figur macht, wenn sie ihr der Priesterin blind vertrauendes Volk an der Nase herumführt, ihre Entscheidungen danach ausrichtet, wie gerade ihr privates Empfinden, d.h. ihre Stellung zu Pollione ist. Zur Yoncheva passt der noch lyrische Tenor von Joseph Calleja sehr gut zum Pollione, für den man sich ansonsten eine Corelli-Stimme vorstellen könnte. Seine Stimme hat ein sehr schönes Timbre, kennt keine Registerbrüche oder Höhenprobleme. Etwas müde hört sich der Mezzosopran von Sonia Ganassi als Adalgisa an, aber in den Duetten mit Norma ist sie tadellos. Schütter und hohl klingt der Bass von Brindley Sherrat, angemessen besetzt sind die kleinen Partien mit David Junghoon Kim (Flavio) umd Vlada Borovko (Clotilde). William Spaulding, lange an der DOB, leistet auch mit dem Chor von Covent Garden Großes, Antonio Pappano schwelgt mit dem Orchester in der unendlichen Melodie, ist von überwältigender Schönheit beim Vorspiel zum 2. Akt. Daran ändert auch die Inszenierung und Optik nicht. (DVD Opus Arte 1247D). Ingrid Wanja