Sammelboxen zu rezensieren sind nicht immer eine Freude. Man muss sich „gezwungenermaßen“ durch viele CD’s durchhören, auch wenn man keine besondere Affinität zu der zu besprechenden Musik hat. Manchmal aber kann es dazu führen, einen Komponisten für sich zu entdecken. Wie in meinem Fall Gabriel Fauré. Brilliant Classics hat den Fundus verschiedener Firmen geplündert und auf neunzehn CD’s einen Großteil seiner Werke in einer Kassette zusammengefasst. Besondere Aufmerksamkeit verdient die erstmals in Deutschland veröffentlichte Rundfunkaufnahme der von Désiré-Emile Inghelbrecht mit magischer Sogkraft aufregend dirigierten Oper Pénélope aus dem Jahr 1956. In der Titelrolle überwältigt die majestätische, jede Gefühlsregung vokal nachzeichnende Régine Crespin. Raoul Jobin steht ihr mit leidenschaftlichem, strahlendem Tenor als Ulysse nicht nach. Großes Format hat auch der balsamische Eumée von Robert Massard. Das übrige Ensemble ist mit versierten französischen Solisten besetzt.
Es gibt weitere vokale Leckerbissen (und hier handelt es sich um bekannte Wiederauflagen aus anderen Firmenkatalogen). Auf vier CDs glänzen Elly Ameling und Gérard Souzay, begleitet von Dalton Baldwin, mit einer umfangreichen Auswahl der Mélodies. Zum reizvollen Vergleich bietet sich der Zyklus La bonne chanson an, der sowohl von Souzay mit Klavierbegleitung vorliegt, als auch in der Fassung für Streichquartett und Piano, von Sarah Walker mit sinnlich ausdrucksstarkem Mezzosopran gesungen. Zwei CD’s widmen sich geistlicher Musik: in schönster Harmonie trägt die Groupe Vocal de France unter John Alldis verschiedene kürzere Sakralgesänge vor, im Requiem unter der Leitung von Colin Davis beseelt Lucia Popp das berühmte „Pie Jesu“.
Auf vier CD’s kann man sich an den von Jean-Philippe Collard feinnervig und farbenreich gespielten Klavierstücken delektieren, auf ebenso vielen die Kammermusik in verschiedenen Besetzungen kennenlernen. Orchestrales in den Interpretationen von Serge Baudo und Moshe Atzmon runden die inspirierende Sammlung ab, deren Inhalt wunderbar geeignet ist, um in Faurés Klangwelt einzutauchen.
Das Kontrastprogramm zu der feinen, sublimen Kompositionskunst des Franzosen bieten die opulenten Werke von Richard Strauss, die Warner Classics in der Box The Other Strauss aus seinem Katalog zusammengestellt hat- nach dem kompletten sinfonischen Schaffen und den großen Opern der dritte Teil einer ihm gewidmeten Reihe. Sie enthält hauptsächlich nicht so Gängiges und viel Pompöses und Monumentales. In schönster Klangqualität erklingen die Chorwerke Taillefer und Wandrers Sturmlied, beide vom Ernst Senff Chor in voller Pracht dargeboten und von Michel Plasson gut austariert dirigiert. Felicity Lott, Michael Volle und Johan Botha, der keine Mühe hat, die Orchesterfluten stimmschön zu übertönen, sind das illustre Sängertrio für die kurzen Soloeinwürfe in Taillefer. Strauss- Koryphäe Wolfgang Sawallisch dirigiert das bombastische Festliche Präludium, Jeffrey Tate, mit dem Komponisten ebenso vertraut, Sinfonisches aus den Opern Guntram, schweigsame Frau und Frau ohne Schatten. Der Rundfunkchor Stockholm brilliert a-capella mit Abseitigem wie Die Göttin im Putzzimmer und Vertracktem wie der sechzehnstimmigen Deutsche Motette. Zu entdecken ist der Kammermusiker mit den süffigen Sonaten für Violine (Vadim Repin) und Cello (Mstislav Rostropovich) und dem anregenden Rosenkavalier-Walzer, bearbeitet für Violine (Renaud Capuçon) und Klavier (Frank Braley). Eine abwechslungsreiche Kollektion, die Strauss zum anstehenden 150. Geburtstag nicht auf den üblichen Pfaden würdigt.
Karin Coper
Gabriel Fauré: Edition; Brillant Classic, 94750, 19 CDs
The Other Strauss: Warner Classics256463492-8, 3 CDs