Official Remastered Edition: Warner Classics schickt sich nach der partiellen Übernahme der EMI an, deren einstigen Pultstart Herbert von Karajan neu in Szene zu setzen. Die ersten Teile einer sehr umfangreichen Edition mit den frühen Aufnahmen sind auf dem Markt. In Vol. 1 der Abteilung „Karajan and his Soloists“ ist die Auffrischung deutlich zu hören (825646336258 / 8 CDs). Das Klangbild ist heller, eine gewisse Dumpfheit verflogen. Es bleibt hauptsächlich gutes altes Mono, und so soll es ja auch sein. Den Angaben auf der Box zufolge, sollen auch schon Stereo-Aufnahmen dabei sein. Im Einzelnen wird das aber nicht ersichtlich. Man muss es sich selbst erhören. Da wären klare Angaben hilfreich.
Den Klavierkonzerten Nr. 23 und 24 von Mozart mit Walter Gieseking und dem Philharmonia Orchestra von 1951 kommt die dezente Bearbeitung besonders gut entgegen. Sie brauchen mehr Licht, um ihren ganzen Zauber entfalten zu können. Mein Gott, wie schön das klingt! Karajan und Gieseking scheinen selbst ganz hingerissen und versunken in diese Werke, die wie von selbst klingen – als sei da gar niemand nötig, diese Noten mit Instrumenten zum Klingen zu bringen. Selten habe ich Mozart so intim, so zart gehört, so leicht. Dagegen wirkt das 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms mit Hans Richter-Haaser am Klavier, das ich von der alten Schallplatte, die es als Lizenz sogar bis in die DDR gebracht hatte, immer als ziemlich schattig in Erinnerung hatte, wie Kontrastprogramm. Auch hier wirkt sich das Remastering zum Vorteil aus und hört sich wahrscheinlich besser an als das Original, was aber auch nur ein subjektiver Eindruck sein kann. Nur vereinzeln wirkt der Klavierpart etwas hart. Bei diese Einspielung von 1958 wirken bereits die Berliner Philharmoniker mit. Mit gut 50 Minuten ist die Kapazität der CD nicht ausgenutzt wie beispielsweise bei den Klavierkonzerten von Robert Schumann und Edvard Grieg – als Solist wirkt ebenfalls Gieseking – die es zusammen mit den Symphonic Variations von César Franck auf etwas mehr als 75 Minuten bringen.
Es wird also nicht immer deutlich, in welcher Zusammenstellung einzelne Werke einst auf LP gelangten. Das ist ein editorischer Nachteil, der nicht zu inhaltlicher Ordnung und Übersichtlichkeit beiträgt. Solisten als Klammer dieses Teils der Edition sagen nicht sehr viel aus, zumal neben den schon genannten Pianisten Dinu Lipatti sowie Kurt Leimer auftreten (in dessen eigenem Klavierkonzert in c-Moll und in seinem Klavierkonzert für die linke Hand, das 1953 vom Komponisten und Karajan 1953 mit den Wiener Philharmonikern uraufgeführt wurde; die Aufnahme in diese Sammlung entreißt es dem Vergessen). Mit Dennis Brain kommt noch ein weiterer Solist bei den Hornkonzerten 1-4 sowie in der Sinfonia Concertante von Mozart zum Zuge. Der Klarinettist Barnard Walton ist ebenfalls dabei, dann noch Sidney Sutcliffe mit der Oboe. Und dann ist da auch noch der Geiger Manoung Parkian, damals Konzertmeister des Phiharmonia Orchestra, in der berühmten Thais-Meditation von Jules Massenet, die der Zusammenstellung eine etwas unverhoffte Wendung ins Populäre gibt.
Im knappen Booklet, das auf Fotos der Solisten verzichtet, gibt es schließllich präzise Angaben über deren Zusammenarbeit mit Karajan. Es wird auch deutlich, woher die Aufnahmen stammen – nämlich von der EMI. Ja, es ist sogar vom EMI-Vermächtnis Karajans die Rede und von dem großen Anteil, das der einstige Chefproduzent Walter Legge daran hat. Schade, dass Warner zu Rezensionszwecken für uns Journalisten bislang nur diese eine Box zur Verfügung gestellt hat. (aus Kostengründen, sagen sie) Deshalb ist es leider nicht möglich, eine Würdigung des gesamten Projekts, das aber auch noch nicht abgeschlossen ist, vorzunehmen. Die Frage, ob auch die anderen Teile so gut ausgefallen sind, bleibt also offen.
Rüdiger Winter