Sacchnis „Renaud“

.
Das verdiensvolle Label Palzetto Bru Zane wieder zugeschlagen und mit Antonio Sacchinis Renaud von 1783 erneut eines der wichtigen Werke der französischen Oper vorgestellt – nach der Pioniertat der BBC 1981 ist dies nun die erste offizielle Aufnahme, 2012 im französischen Metz unter dem eminenten Christoph Rousset mit guten und vor allem phonetisch nationalen Sängern mitgeschnitten. Später ging die Truppe damit nach Versailles und Paris. Es tut sich was im vorromantischen Frankreich, keine Frage, und Rousset ist daran mehr als beteiligt.

Sacchini ist einer der Komponisten aus dem Gluck-Umkreis und befand sich mit seinem Riesenerfolg an der Accadémie Royal zwischen den Fronten der Gluckisten und Piccinisten, der wie ein politischer Wahlkampf in Paris tobte, ähnlich wie der zwischen Händel und Porpora. Es war eine prä-revolutionäre, politisch-gesellschaftlich motivierte Ästetikdebatte für oder wieder die Reformoper, wie Gluck sie angeschoben hatte. Und es ist wieder einmal jene Zeit, in der die Pariser Musikszene von Ausländern beherrscht wird, wie vorher von Lully, später von Meyerbeer und Verdi – immer wenn´s musikalisch ein bisschen stagnierte kamen Italiener oder Deutsche, um die Pariser Szene aufzumischen, nicht ohne starke Ressentiments auszulösen (wie Wagners Tannhäuser). Die vorliegende Aufnahme bei Ediciones Singulares (Note 1) bietet dazu in der eleganten Buch-CD-Ausgabe einen spannenden Artikel von Benoit Dratwicki über den Anteil der Ausländer an der Académie Royal de la Musique (der Pariser Oper) von 1774 – 1789.

Auch Sacchni (1730 – 1786) stieß auf Widerstände, das Comité de l´Opera hintertrieb die
Uraufführung und setzte endlose Änderungen durch, und hätte nicht Marie Antoinette ihre schützende Hand über Sacchini gehalten, wäre wohl nichts aus dem Renaud geworden. Dann aber war´s ein Riesenerfolg, nicht zuletzt auch wegen des nicht unbekannten Sujets – man liebte Wiederholungen bekannter Vorlagen zu neuer Musik. Der Armida-Stoff ist ein Topos aus dem Barock und wurde kurz vor Sacchini von Gluck und vor diesem natürlich von Lully auf das Buch von Jean-Joseph Lebeuf (nach Tassos Jerusalemme liberata) selbst mit großem Erfolg vertont („Ah si la libertée“ singt Frida leider unübertroffen in den Vierzigern, und erst die Crespin und die Baker setzen in unserer Zeit erneut Akzente damit). Die Geschichte von der wehrhaften Sarazenen-Zauberin, die zum Schluss Oper ihrer eigenen Liebe wird und dadurch die magische Kraft verliert, ist eine faszinierende, die auch später Rossini interessiert hat.

.

Christoph Rousset (Foto oben/CVS) nun legt eine absolut brilliante Aufnahme des Sacchinischen Werkes vor. Solisten und Chor zeigen das von Rousset bekannte Niveau, namentlich Juilien Dran und Jean-Sébastien Brou als Widersacher Renaud und Hidraot singen hervorragend und poetisch, und es ist eine Freude, endlich Franzosen ihre eigenen Sprache singen zu hören. Die Titelvetreterin Marie Kaline könnte ein Quentchen mehr an Persönlichkeit und vor allem Aplomb vertragen, die übrigen kommen aus dem Cadre der Talens Lyriques, denen Rousset so richtig feuer macht – was für ein Drive und welche Eleganz!

Die Ausgabe bei bei Ediciones Singulares favorisiert wieder die wirklich nicht praktische Buchform wie sie bereits die Thérèse Massenets, Bachs Amadis und andere zeigen – wie will man die ins Regal neben Bücher stellen? Die Auflistung der Tracks und die Besetzung finden sich nach langem Suchen und sicherlich auch informativen Artikeln auf den letzten Seiten ganz am Ende, die CDs selbst sind in Papiertaschen eingeklebt, was bei häufigerem Nebutzen reissen wird. Und der doch recht zweifelhafte Druck auf grobem Papier der spanischen Hersteller, auch die schlechten Fotos, sind kein Gewinn über einer konventionellen CD-Schuber-Ausgabe. Dennoch – genug gemäkelt – das Verdienst des Palazetto Bru Zane unter Benoit und Alexandre Dratwickis Leitung kann nicht genug gelobt werden. Freunde der franzöischen Oper haben hier ein Fest, und la Grande Nation sollte auf diese Edition stolz sein und den Machern einen Orden verleihen, vraiment! Geerd Heinsen

Antonio Sacchini: Renaud mit Marie Kalinine/Armide, Julien Dran/Renaud, Jean-Sébastien Bou/Hidraot u. a.; Christophe Rousset; Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles (Olivier Schneebeli), Les Talens Lyriques; 2 CDs ISBN 978-84-939-6865-6

.

.
Übrigens: Von Sacchini gibt es natürlich noch mehr und weiteres auf CD, so seinen Oedipe a Colonne bei Dynamic und Naxos sowie die beiden hier genannten Opern auch vom Radio der RAI/BBC auf diversen dunkelgrauen Labels…). Und der sensationelle Schluss mit der Arie „Le perfide Renaud“ mit/von Janet Baker soll nicht unerwähnt bleiben (Philips). G. H. 

.

Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.