Wer für „Jonas Kaufmann’s Make-up“ zuständig war erfahren wir ebenso wie den Namen des „Hairdresser“, der ihm die Locken gelegt hat. Eine Seite widmet das Beiheft zur aktuellen DVD den Mitwirkenden der Dokumentation „My Italy“, eine zweite den Zuständigen für das Konzert „Dolce Vita“, dies wiederum im historischen Teatro Carignano in Turin im Juli 2016 stattgefundene Konzert bildet den Hauptbestandteil der Dokumentation. Beide zusammen ergeben die rund 120 Minuten von „Dolce Vita. Jonas Kaufmann. A Live Concert Performance & The TV Documentaray MyIitaly“, zu denen Sony, wie angedeutet, einen sparsamen Zwölfseiter beisteuerte (Sony 88985371639). Nicht zu verwechseln mit der unter Asher Fisch entstandenen CD!
Das soll sich einer auskennen. Strohhut und Sonnenbrille aufgesetzt, ins rote Fiat 1500 Cabrio geschwungen – und schon geht’s gen Italien. Bereits in der gemeinsam mit Thomas Voigt verfassten Interview-Biografie Meinen die wirklich mich? hatte Kaufmann ausgiebig von den ersten Ferien geschwärmt, die er mit seiner Familie in Italien verbrachte und die – wenn die Erinnerung nicht täuscht – ihn ganz maßgeblich prägten. Das erzählt er jetzt auch in der Dokumentation, kommt auf Goethe und „das berühmte Land, wo die Zitronen blühen“ zu sprechen, Sonne, Meer und stundenlange Strandaufenthalte, auf ein anderes Lebensgefühl, und am Ende wird auch die Suche nach dem verlorenen Paradies bemüht. „Das ist großes Theater“, sagt der Italien-Zuschauer Kaufmann an einer Stelle, und großes Theater legt er in diese Titel, die er so ernst nimmt wie eine Verdi- oder besser Puccini-Arie. Das sind alles zweifellos Kaufmanns Erinnerungen, die ihn auch geprägt haben. Das ist glaubwürdig. Doch wie er das in den rund zwölf Minuten erzählt, die zwischen den Musiktiteln verbleiben, klingt es doch aufgeschrieben und aufgesagt, so echt wie die Samstagabend-Moderationen von Pflaume bis Silbereisen. Das ist schade. Kaufmann fährt also durch Italien. Es bleibt immerhin Zeit, Schuhe und Socken auszuziehen und ins Wasser zu waten, vom guten Eis zu erzählen und von dem Stück heile Welt, das Italien für ihn war. Kaufmanns Italien-Affinität beschränkt sich nicht auf Pasta und Eis, sondern schließt auch Schlager und Lieder ein, und – auch das war mir damals mir beim Lesen des Buchen aufgefallen – er hat sich offenbar von Caruso bis Corelli mit Italienischen Gesangskunst vertraut gemacht, er schwärmte von der Muzio und Ziliani; wer kennt den schon noch? Seine ganze Leidenschaft, „Passione“, um den populären Titel zu zitieren, der natürlich auch nicht fehlen darf, kann er nun in dieser Aufnahme zum Ausdruck bringen. Kaufmann singt, begleitet vom RAI National Symphony Orchestra unter Jochen Rieder, ältere und neuere Canzonen, Schlager und Klassiker von dem bereits vor der Wende zum vorigen Jahrhundert entstandenen „Musica Proibita“ von Gastaldon und „Torna a Surriento“ von de Curtis bis zum 1950er Jahre Schlager „Nel blu dipinto di blu“ und Lucio Dallas „Caruso“. Sozusagen die italienische Fortsetzung zur Benatzky-, Abraham-, Künneke-, Lehàr und vor allem Tauber-Hommage „Du bist die Welt für mich“. Es macht ihm spürbar Freude. Und die teilt sich dem Hörer mit. Kaufmann singt „Caruso“ mit greller Leidenschaft, die Kitsch nicht scheut, er wirft sich in diese Musik, ohne sich darin zu verlieren. Das Singen bleibt immer eine Spur kalkuliert, in der Höhe gedeckt und vorsichtig, vielleicht sogar ein bisschen müde, ein wenig gebremst, er gibt Gas und geht rasch vom Pedal. Aber Kaufmann ist ein so ernsthafter, kluger, kundiger Sänger und Stilist, dass man ihm alles gerne abnimmt, die Melancholie in Leoncavallos „Mattinata“, die große Leidenschaft in Nino Rotas „Parla Più Piano“ und die Sonne, die er mit seinem dunklen baritonalen Tenor über dem Golf von Neapel („Torna A Surriento“), beschwört, dabei ist die Stimme gefasst projiziert, als sende er sie über die gesamte Strandpromenade, rhythmisch sorgfältig und penibel in „Core ngrato“ und „Non tì scordar di me“, und „Ti Voglio Tanto Bene“ ist ein weitaus überzeugenderer Beleg für Kaufmanns Italien-Liebe als die vorgestanzten Worte. Rolf Fath