Wunderbarer Piotr Beczala

 

Vor Jahren hieß es in der Berliner Staatskapelle: “Da musste erst ein Italiener kommen, um uns zu zeigen, wie man Hänsel und Gretel spielt“. Gemeint war Fabio Luisi, damals gern gesehener Gast an beiden Berliner Häusern. Unlängst könnte es in Zürich geheißen haben: “Da musste erst ein Italiener kommen, um uns zu zeigen, wie Operette gespielt wird“, denn wenn etwas an der Aufführung aus dem Jahre 2017 das Interesse des Konsumenten wecken kann, dann sind es das Orchester  und der Protagonist Piotr Beczala. Fabio Luisi beweist, dass es keine unüberwindbare Distanz zwischen Puccini und Lehár und besonders dessen Land des Lächelns gibt, und der polnische Tenor lässt immer wieder während der Aufführung an seinen Landsmann Jan Kiepura denken.   Während die Operette an seiner früheren Arbeitsstätte, der Komischen Oper Berlin, in bunter Überdrehtheit fröhliche Urständ feiert, hat Intendant Andreas Homoki sich für eine strenge Revue entschieden, fast alles nicht Gesungene und viele Nebenrollen gestrichen und Regie vor allem auf das Auf- und Zugehen eines goldglitzernden und eines blauen Vorhangs beschränkt, wozu Bühnen- und Kostümbildner Wolfgang Gussmann noch zwei schwarze Ledersessel, eine dicke Säule und zwei recht rudimentäre Treppen, die sich um dieselbe herumschlingen, beigesteuert hat. Knapp war der Etat für die Kostüme, die für Lisa über anderthalb Akte hinweg lediglich ein schwarzes vorsehen, das in vielen Variationen, so wie auch die Frisuren aus der Entstehungszeit, die Chordamen ziert.  Im Orient ist man weitaus reicher ausgestattet. Gar nicht stimmungsvoll gibt sich die Lichtregie von Franck Evin, der zwischen knalligen Farben häufig wechselt. Vielleicht ist es das Sterile, das der Produktion anhaftet, was dafür sorgt, dass man einen dreifachen Anlauf nehmen muss, um sich durch die DVD hindurch zu arbeiten.

Nicht nur als Schwanenritter, auch als Operettentenor bewährt sich Piotr Beczala als Sou-Chong mit genüsslichem Auskosten sentimentaler Melodien, mit strahlenden Höhen und immer viel Schmelz in der Stimme. Er trifft den Nerv des Genres, als hätte er nie etwas anderes gesungen, und er bewegt sich angemessen.  Optisch attraktiv, aber stimmlich sehr herb, kühl, manchmal sogar scharf klingt der Sopran von Julia Kleiter, der Lisa,  apart sind Stimme  und Erscheinung von Rebeca Olivera, die des Prinzen Schwester Mi gibt, recht tölpelhaft muss sich Spencer Lang als Gustav von Pottenstein geben, der wenig zu singen hat. Operettenzauber wird hörbar in den unendlichen Variationen, in denen Fabio Luisi mal schwelgerisch, mal zart die „Leitmotive“ des Werks erklingen lässt (Accentus Music 10435). Ingrid Wanja