Weder noch

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Stürzte sich Zazà am Ende der Oper Ruggero Leoncavallos todessüchtig in die Loire, dann würde das Werk vielleicht  noch heute die Spielpläne der Opernhäuser füllen, denn die Musik hat durchgehend Mattinata-Qualitäten. Stellte sich aber am Schluss heraus, die Gattin ihres Geliebten habe längst ein Verhältnis mit ihrem Agenten Cascart und lasse den Gatten ziehen, eine Doppelhochzeit stehe ins Haus, dann wäre Zazà eine tolle Operette mit vielen Schlagern zum Mitsingen. So aber teilt sie das Schicksal von Puccinis La Rondine, nicht Fisch, nicht Fleisch, Oper oder Operette, sondern commedia lirica mit erfolgreicher Uraufführung und erfolglosem Weiterleben, eher Dahinsiechen.

Das Theater an der Wien hat sich einmal mehr das Verdienst erworben, ein fast vergessenes Werk auf die Bühne zu stellen, das Publikum auf der DVD scheint begeistert und der Betrachter in den eigenen häuslichen vier Wänden kann es auch sein.

Es geht um die Varietésägerin Zazà, die ein gut bezahltes Engagement in Marseille ausschlägt, lieber im provinziellen Saint Etienne bleibt, weil sie sich in den Geschäftsmann Milio Dufresne verliebt hat und diesen verführt. Beide leben mehrere Monate in Saint Etienne zusammen, bis Dufresne angeblich zu einer Geschäftereise aufbrechen muss. Von ihrem Ex und Noch-Manager Cascart erfährt Zazà, dass ihr Geliebter eine Familie in Paris hat, wovon sie sich  überzeugt. Weil die kleine Tochter des Geliebten sie in ihrer Liebe zum Vater berührt, verzichtet Zazà auf Dufresne, stößt ihn mit der Behauptung, sie habe alles seiner Gattin offenbart, von sich. Sie kehrt in ihr Leben als Varietésängerin zurück.

Das Stück wurde 1900 am Teatro Lirico  in Mailand mit Arturo Toscanini am Dirigentenpult uraufgeführt. In dieser Zeit spielt es wahrscheinlich ursprünglich auch, doch Christof Loy verlegte es in eine modisch eher undankbare nicht Jetzt-, aber Neuzeit, ließ sich von Raimund Orfeo Voigt hohe, kühle, atmosphärelose Räume auf die Bühne bauen und verzichtete so auf jede Möglichkeit, eine erotische Stimmung zu schaffen, was noch so viel Sichineinanderverschlingen der Leiber nicht schafft, wenn das Liebesnest im zweiten Akt aus einer Matratze in einem kalkweißen Riesenraum besteht. Fin-de-siecle und die Siebziger liegen halt zu weit auseinander. So wirkt auch die russische Sängerin Svetlana Aksenova als Zaza im ersten Akt mit biederer Frisur und einem Kleid, dessen Farben der Berliner als „Braunbier mit Spucke“ bezeichnen würde, überaus unscheinbar (Kostüme Herbert Barz-Murauer). Die Kahlheit der Optik zwingt zu besonders intensivem Spiel, und dafür ist der Regisseur natürlich ein Garant.

Die Titelpartie wird von dem russischen Sopran mit klarer, reiner und geschmeidiger Stimme, die im Verlauf des Geschehens zuhörens aufblüht, gesungen, besonders die Arie im dritten Akt, in der Zazà über ihre Kindheit berichtet, wird sehr berührend und mit feinen Akzenten gesungen. Die Mittellage ist noch nicht sehr präsent, aber ein ergreifendes „Tutto è finito“ ist trotzdem eindrucksvoll. Die unangefochten knallige Höhe und den operettenhaften Ton hat der Tenor Nikolai Schukoff, der zudem der geborene Verismo-Sänger zu sein scheint. Einen vollmundigen Bariton setzt Christopher Maltman für den Cascart ein, dessen Diktion beispielhaft ist, der so empfindsam singt, wie es die Arie im zweiten Akt erfordert, und so eindringlich, wie die mit „Resta libera“ beginnende es verlangt.

Es gibt eine Reihe mittlerer und durchaus dankbarer Partien wie die der Mutter der Zaza, die Enkelejda Shkosa vollmundig und schön vulgär verkörpert, die treue Natalia, aus der Juliette Mars eine so bescheidene, wie viel Wärme ausstrahlende Figur macht, den Theaterdirektor Courtois von Paul Schweinester , der einen durchdringenden Charaktertenor sein Eigen nennt. Ihnen allen und weiteren wird eine sehr differenzierte Personenregie zuteil.

Einen Anwalt, wie er kompetenter, einfühlsamer und geschmackssicherer nicht sein könnte, hat das Werk im Dirigenten Stefan Soltész gefunden, der tragikumflorten Verismo genau so wirkungsvoll zum Klingen bringt wie das Süffig-Operettenhafte, ohne je den Kitsch zu streifen (Unitel 805308). Ingrid Wanja   

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