Ob wirklich die Unfähigkeit des Impresario, die Starallüren der Prima Donna oder die Klotzköpfigkeit von Mamma Agata, die oft auch die titelgebende Person ist, den Untergang des hübschen Operntheaters und seine Entwürdigung als Tiefgarage herbeigeführt haben, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass zu Beginn eine junge Frau der Jetztzeit mit vielen Einkaufstüten aus einem Auto steigt und entschwindet, ehe zur Sinfonia von Donizettis Le convenienze ed in convenienze teatrali ein Mitwirkender nach dem anderen in dem heruntergekommenen Theater mit zugemauerter Bühne zur Probe erscheint. Im zweiten Akt dann erstrahlt das Theater in Plüsch und Glanz, erst nach dem Abgang des letzten Darstellers strömen Bauarbeiter herein, um mit den Abrissarbeiten zu beginnen. Das lässt natürlich nur den Schluss zu, dass das ganze, vage in den Dreißigern (Frisur der Primadonna!) angesiedelte, Unternehmen scheitern muss, alle auseinanderstieben, um die eigene Haut zu retten, von einer großzügigen Rettung der Aufführung durch das Opfer von Mamma Agata, die ihren Schmuck versetzt, damit man die von der Stadt geforderte Kaution bezahlen kann, nicht die Rede sein kann. Ursprünglich handelte es sich bei der Farsa, für die Donizetti selbst das Libretto schrieb, auch um einen Einakter, der für die Uraufführung in Mailand zum Zweiakter erweitert wurde.
Stücke, die Sitten und Unsitten des Theaterlebens im 19.Jahrhundert und davor zum Thema haben, gibt es viele, die Mamma Agata allerdings ist einzigartig und besonders komikträchtig, weil sie von einem Mann, einem Bariton, gesungen wird, der eine Frau spielt, die wiederum einen Mann darstellen und singen will, was wiederum nicht so abwegig ist für die Zeit, in der die Oper eigentlich angesiedelt war. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2017 aus Lyon, die Produktion wurde aber auch in Barcelona, Genf und Madrid gezeigt.
Mit viel Liebe für Details, angefangen bei den italienischen Oldtimern in der Tiefgarage, hat Chantal Thomas die Bühne ausgestattet, die Kostüme sind charakterisierend, aber nie karikierend, wunderbar die für die des Stücks im Stück, das im antiken Rom spielt) , die Regie von Laurent Pelly ist einfühlsam, mit viel Sinn für Komik, aber auch sie artet nie in Klamauk aus, erfreut durch die Ausgewogenheit, durch den Sinn für Feinheiten und Zwischentöne. Das gilt auch für das Dirigat von Lorenzo Viotti, Sohn des früh verstorbenen Marcello, der nie in die Versuchung gerät, mehr zu wollen, als die Orchesterbegleitung hergibt, aber auslotet, was in ihr steckt.
Prominent ist die Besetzung der beiden Hauptpartien mit Patricia Ciofi als Primadonna und Laurent Naouri als Mamma Agata. Der Sopran gibt sich angemessen exaltiert und zickig und erweckt Erstaunen nicht nur durch die Fähigkeit, trotz komischer Verzerrungen des Gesichts, einer ausdrucksvollen Mimik betörend schöne Töne zu singen. Der Bariton ist urkomisch, sein Bemühen um ein rossiniwürdiges Prestissimo ist anerkennenswert, wenn auch nicht durchgehend von Erfolg gekrönt, die Parodie von Rossinis Canzone del Salice umwerfend. Charles Rice verteidigt mit markantem Bariton als Procolo die Gattin, Enea Scala ist der deutsche Tenor mit russischem Namen und italienischem „Non è morte“ aus Donizettis Alfredo, Clara Meloni als seconda donna brilliert erstklassig als Fausta. An die Zeiten, als der Librettist auch Regisseur, der Komponist auch Dirigent war, erinnern Enric Martinez-Castignani mit etwas steifem Tenor und Pietro di Bianco mit leicht dumpfem Bass. Alles in allem ist das beste Unterhaltung auf hohem Niveau, und man fragt sich einmal mehr, warum das Stück nicht öfter und auch auf deutschen Bühnen auftaucht (Opus arte OABD 72890). Ingrid Wanja