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Vom Glyndebourne Festival des Jahres 2019 stammt die Inszenierung von Antonin Dvořáks Rusalka und eröffnet interessante Einblicke in die Welt der märchenhaften Waldwesen, angefangen mit einem Hasen mit abnehmbarem Ohrenpaar und Wassergeistern mit ebensolchen Schwänzen, wobei das nur für Rusalka, nicht für ihre Gespielinnen üble Folgen hat, und der Wassermann darf zu Beginn sogar mit einem erigierten Penis protzen, ehe ihm dieser von einer der Nixen abgerissen wird. Regisseurin Nelly Still vermischt märchenhafte Elemente wie flirrende Irrlichter, einen Jägersmann mit Pfeil und Bogen oder Anklänge an die Walpurgisnacht oder eine Art Wolfsschlucht mit der Gegenwart zuzuordnenden wie das recht zügellose Leben im Schloss, wo beim schroff unterbrochenen Liebesakt schon mal der Slip Rusalkas durch die Luft fliegt. Es geht also wüst zu auf beiden Ebenen, nur dass die kreatürliche Wildheit der Waldbewohner im Vergleich zur kalten Grausamkeit der des Schlosses weit eher gewisse Sympathien erringen kann. Die Regie weiß gut mit den Chormassen umzugehen, so in der Szene, in der sich die Hochzeitsgesellschaft immer gewaltsamer zwischen die beiden Brautleute schiebt, so dass schließlich kein Kontakt zwischen den Liebenden mehr möglich ist. Als Choreograph ist Rick Nodine dafür verantwortlich, dass Nixen, Waldtiere wie Hofgesellschaft sich durch angemessene Bewegungen charakterisieren.
Die Bühnenbilder von Rae Smith sind äußerst phantasiereich und aussagekräftig, die ebenfalls von ihr stammenden Kostüme charakterisieren die Figuren eindrucksvoll, werfen aber auch manche Frage auf wie die, warum die Nymphen Strickjacken tragen und die Fremde ausgesprochen spießig und libidotötend gewandet und frisiert ist.
Das London Philharmonic Orchestra unter Robin Ticciati begleitet (nach dem vorausgegangenen Konzert in Berlin, bei dem Klaus Florian Vogt sehr eindrucksvoll in letzter Minute als Prinz eingesprungen war) einfühlsam, breitet akustischen Mondesglanz über Rusalkas große Arie und zeichnet sich auch sonst durch die Naturstimmungen behutsam ausmalendes und durch die Sänger unterstützendes Musizieren aus.
Hochzufrieden sein kann man mit den Mitwirkenden, die fast sämtlich sich die tschechische Sprache so sehr zu eigen gemacht haben, dass auch akustisch der Eindruck von Muttersprachlern entsteht. Sally Matthews ist eine attraktive Rusalka mit auch im Piano alle Stimmfarben bewahrendem, üppigem und rundem Sopran, der geschmeidig aufblühen kann, und auch optisch entspricht sie der Vorstellung, die man von der schönen Nixe hat. Einen angenehmen lyrischen Tenor setzt Evan Leroy Johnson für den Prinzen ein, dem für die stellenweise durchaus dramatische Partie auch die stählerne Höhe nicht abgeht. Weder optisch noch akustisch mit eher strengem Mezzosopran ist Zoya Tsererina so verführerisch, dass die Abtrünnigkeit des Prinzen nachvollziehbar wird. Da macht die wie eine böhmische Bäuerin gewandete Hexe Ježbaba von Patricia Bardon mit schlankem, eindringlichem, in der Höhe stark und farbig bleibendem Mezzo viel eher einen positiven Eindruck. Nicht mehr und nicht weniger als solide waltet der Wassermann von Alexander Roslavets mit etwas fahler Extremtiefe seines Amtes. Colin Judson und Alix Le Saux wird auf der Suche nach Rettung für den Prinzen viel darstellerischer Einsatz abverlangt, worunter die Gesangsleistung kaum leidet. Alles in allem ist das eine Aufnahme, die durch gute Sängerleistungen und eine behutsam modernisierende, dabei das Märchenhafte respektierende Regie und eine beachtliche Harmonie zwischen Bühne und Graben erfreuende Produktion, die Augen wie Ohren Freude bereitet (Opus arte 13020). Ingrid Wanja