Mit den Geschenken der Götter ist das so eine Sache. Genauso wie mit den Wünschen, die die gute Fee im Märchen erfüllt. Die haben doch meist einen Haken. Midas hat von Jupiter etwas Besonders erhalten. Alles, was Midas anfasst, wird zu Gold. Als Gegenleistung dazu soll Midas dem Gott seine Gestalt leihen, damit Jupiter das Herz von Danae erobere. Doch Midas und Danae verlieben sich ineinander. Jupiter zieht den Kürzeren und kehrt das Geschenk in einen Fluch um. In den Armen von Midas verwandelt sich Danae in eine leblose goldene Statue. Was tun? Jupiter stellt sie vor die Wahl, entweder ihm anzugehören oder mit dem in einen Eselstreiber zurückverwandelten Midas ein Leben in Armut zu führen. Danae entscheidet sich für Midas. Die Liebe triumphiert über Gold. In der Hoffnung, sie habe sich inzwischen eines Besseren besonnen, nähert sich der Gott nochmals Danae, die sich trotz des Lebens in der armseligen Hütte für Midas entscheidet. Dem Gott bleibt nichts anderes übrig, als gute Miene zumachen und das Paar zu segnen. jaja, die Liebe der Danae…
Die „heitere Mythologie“ ist eng mit den Salzburger Festspielen verbunden, von wo der Mitschnitt aus dem Sommer 2016 stammt (Blueray EuroArts 2097024): dort wurde die vorletzte Oper von Strauss im August 1944, kurz vor Schließung aller Theater und trotz der Absage der Festspiele, ein einiges Mal, als Generalprobe deklariert, gegeben und 1952 als offizielle Uraufführung nachgereicht. Da war Strauss bereits tot. Warum die kaum gespielte Oper nach der in Zusammenarbeit mit der Semperoper 2002 entstandenen Produktion von Günter Krämer im Vorjahr neuerlich auf dem Spielplan stand, kann höchstens an der zur Verfügung stehenden Besetzung gelegen haben. Krassimira Stoyanova ist als Danae ziemlich gut. Sie verfügt über den üppigen goldenen Ton, der ein wenig an ihre Landsmännin Tomowa–Sintow erinnert und überzieht die Partie mit ihrem Edelsopran wie eine Statue mit Goldfolie. Die Partie hätte auch ein paar Jahre früher auf sie treffen dürfen. Im Zusammenklang mit Regine Hanglers Xanthe ereignet sich ein üppiges Sopran-Duettieren von Arabella-Qualität. Aus der Figur, die sie mit stoischer Gelassenheit und abgespreizten Fingern spielt, macht Stoyanova nicht sehr viel bzw. kann nicht sehr viel machen; auch nicht aus dem Text. Sie trägt den goldenen Lorbeer, ein Geschenk des Midas, der bei ihrem von Geldsorgen geplagten Vater Pollux – Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ist mit grell gleisnerisch eigenwilligem Charaktertenor eine Klasse für sich – um ihre Hand anhält, ebenso mit Würde wie das goldene Kleid, das sie in einen unförmigen Vogel verwandelt. Die Inszenierung von Alvis Hermanis, der sich selbst die weiß und gold geflieste Bühne mit ihren weißen Kachelstufen schuf, zu der Juozas Statkevicius die keinen Stoffballen scheuenden Kostüme beisteuerte, ist ein wunderfitziges Märchentheater aus Tausendundeiner Nacht, in dem der Hofstaat des Pollux große Turbankugeln und reichen Kopfputz, ausgestellte Röcke und Pluderhosen trägt, dazu kommen popanzige Aufmärsche, viel Schreiten und Gleiten, goldene Figuren, gestreute Blumen. Gleich schauen in dieser eigentlich in Griechenland spielenden Handlung irgendwo Ali Baba oder Aladin um die Ecke. Eine kitschige Show, ein Talmimärchen, eine Operette ohne Augenzwinkern, eine Revue ohne wirklichen Glanz, die die Brüche der Entstehungszeit nicht aufnimmt und ein herziges Weihnachtsmärchen zur Sommerzeit zeigt. Alles ohne Ironie, ohne Seitenhiebe, Dekor ohne Inhalt. Stattdessen protziges Breitwandtheater, pompöses Zurschaustellen. Ernstes und steifes Schreiten, Sitzen, Posieren. Langweilige Eurythmie der Goldbetressten, ein albernes Getue, das die Lächerlichkeit streift. Jupiter erscheint auf einem großen weißen Elefanten. Wenigstens ein Hingucker. Was hätte man aus dem Thema machen können.
Der sehr geschätzte Tomasz Koniecny vergegenwärtigt die schwer singbare Partie des Jupiter, die auf der einzigen vollständigen Aufnahme von Franz Grundheber gegeben wird, mit einem festen, steten und geerdeten Klang und perfekt sitzendem Kraftbariton mehr als gut. Vielleicht zu einfarbig. Er kann ihr, natürlich auch von der Regie völlig im Stich gelassen, in der letzten, sehr berührenden halben Stunde in Jupiters Abschied sogar etwas wie Leben einhauchen und den Plunder vergessen machen; da nimmt freilich nicht nur der alternde Gott Abschied von Danae, sondern der greise Komponist von der zerbrechenden Welt. Zwei lange Akte muss man allerdings auf diese spätherbstliche Abschiedsfeier warten. Sonst scheint keine der Figuren zu leben. Gerhard Siegel hat als Midas die sichere Höhe, Norbert Ernst ist ein gewitzter Merkur, Franz Welser-Möst, der dieser überreifen Klangzauberei nicht so viel Reiz abgewinnt wie seinen sonstigen Strauss-Aufführungen, verlässt sich auf die hymnischen Klänge und weiten Melodiebögen und leitet gleichwohl eine musikalisch luxuriöse, doch laute Aufführung. Vor die Entscheidung gestellt Gold oder Liebe bzw. Bild oder Ton, fällt uns die Wahl so leicht wie Danae. Rolf Fath