Traum in der Asche: Dass am Ende alles nur ein Traum gewesen sein soll, lässt den Zuschauer angesichts der knall- und quietschbunten Inszenierung von Rossinis La Cenerentola doch erstaunen. Joan Font vom Bühnenkollektiv Comediants hat das Stück so lustig, märchenhaft und turbulent gestaltet, dass man mit einem guten Ende fest rechnen konnte. Sogar eine Schar ulkiger Ratten hilfsbereiten Charakters gegenüber Angelina, die wohl die Tauben der deutschen Märchenfassung darstellen sollten, hatten zum diesbezüglichen Optimismus beigetragen. Dann aber kommt alles ganz anders: das gesamte Personal außer den putzigen Nagern verschwindet, und nur das Diadem in den feuerroten Haaren der Heldin bleibt als Zeugnis des wundersamen Geschehens zurück. Joan Guillén hatte ein schlichtes Bühnenbild entworfen, bei dem es reichte, die Kaminwand hoch zu ziehen, um eine Palasttür erscheinen zu lassen, dazu trug eine andere Beleuchtung als die für das armselige Heim Don Magnificos dazu bei, aus diesem einen Saal im Schloss werden zu lassen. Die Kostüme und Frisuren waren zugleich karikierend und charakterisierend in scheußlich grellen Farben und über das schon real beachtliche Ausmaß, was die Krinolinen und Perücken des Rokoko betrifft, noch weit hinaus gehend. Auch die Requisiten wie ein Pferd mit zwei Köpfen, die Maske, die allen Mitwirkenden bunte geometrische Figuren aufs Gesicht gemalt hatte, oder die winzig kleine Kutsche wiesen in keiner Weise auf ein trauriges Ende hin, von dem das Booklet allerdings geheimnisvoll geraunt hatte.
Nach Houston 2007 hatte Barcelona 2008 die Ehre, die Produktion aufführen zu dürfen und das mit einer an Qualität nicht zu übertreffenden Solistenriege. Juan Diego Flórez ist der optisch höchst ansehnliche Prinz Don Ramiro, dessen Tenor zwar in der Tiefe flach klingt, der aber ab der oberen Mittellage zu irrwitziger Virtuosität fähig ist, unermüdlich hohe Cs produziert und im Sextett des zweiten Akts sogar noch ein hohes D offeriert. Glanzvoll absolviert er „Si, trovarla io giuro“ und lässt das Publikum ins Delirium fallen, und auch das D bleibt natürlich nicht unbemerkt. Eine patente Angelina wird von Joyce DiDonato mit tadelloser Technik gesungen, mit einem einheitlich schönen Mezzotimbre von ganz unten bis ganz oben einer Stimme von dunklem Leuchten. Bei aller Virtuosität ist stets auch ein sinnerfülltes Singen zu konstatieren, und rührend ist das Zurücknehmen der Lautstärke auf „vendetta“. Der Einzige aus der prominenten italienischen Sängerriege für Rossini ist in dieser Produktion Bruno de Simone als zwar etwas matter, aber mit allen Buffowassern gewaschener Don Magnifico, der natürlich als Kellermeister in seinem Element ist. Um eine schlanke Führung seiner dunklen Bassstimme bemüht sich mit Erfolg Simón Orfila, der die schwierige Arie des Alidoro mit Anstand bewältigt. Eine weitere spanische Kraft wurde mit David Menéndez auch für den Dandini eingesetzt, er etwas spröde beginnt, im Verlauf der Vorstellung aber noch einen vollmundigen, angenehmen Bariton präsentieren kann. Angemessen zickig sind die bösen Schwestern Clorinda (Cristina Obregón) und Tisbe (Itxaro Mentxaka). Der Herrenchor bringt viel Brio für seine Auftritte mit, das Orchester wird unter Patrick Summers zu straffem Spiel angehalten und bewältigt die Steigerungen zu den rasanten Finali souverän (DECCA Blu-ray Disc 074 3333).
Ingrid Wanja