Rinascimento Romano

 

Jahrelang hörte man nur Hiobsbotschaften vom offensichtlich gar nicht capitale-würdigen, krisengeschüttelten römischen Opernhaus, nun kommen vom Label Major Aufsehen erregende Blu-rays aus der italienischen Hauptstadt, nach Tristan und Isolde jetzt Rossinis La Cenerentola aus dem Jahr 2016 in einer zugleich originellen wie Augen und Ohren schmeichelnden Inszenierung von Emma Dante. Sie betont weniger das Märchenhafte als das Komische bis Slapstickhafte am Dramma Giocoso, stellt den beiden Helden, Angelina und Ramiro, ein Gefolge von aufziehbaren Ebenbildern an die Seite, als wäre die Puppe Olympia vielfach geklont worden, womit zumindest im Fall Aschenputtel die Situation nicht mehr eine so verzweifelte ist, denn die Klone erweisen sich als im Putzen überaus erfahrene Kreaturen, denen das Original bequem vom Sofa aus bei der Hausarbeit zuschauen kann. Die Heerschar dieser Geschöpfe erfordert natürlich choreografische Eingriffe, die Manuela Lo Sicco mit viel Sinn für Situationskomik vornimmt. Für das Bühnenbild, einen hohen Saal mit vielen Fenstern auf zwei Etagen ist Carmine Maringola verantwortlich, mit wenigen Möbelstücken kann angezeigt werden, ob man sich bei Don Magnifico oder im Palast des Prinzen befindet, die Fensterfronten lassen sich öffnen und geben dann den Blick auf meist Überraschendes frei. Bekanntlich gibt es nur einen Herrenchor in der Cenerentola, was die Regie damit aufhebt, dass Emma Dante eine Fülle von Mitbewerberinnen um des Prinzen Hand auftreten lässt, die sich nach erfolgter Entscheidung des Begehrten massenselbstmörderisch mit Gewehren oder Pistolen erschießen. Bei einer so spektakulären Produktion sind natürlich die Erwartungen an die Gewitterszene hoch und werden nicht enttäuscht. Einfallsreich sind die ironisierenden (Ramiro) bis karikierenden (Tisbe), dem Rokoko verpflichteten Kostüme von Vanessa  Sannino.

Dirigent Alejo Pérez lässt sich von der turbulenten Szene zu manchmal ebenso irrwitzigen Tempi inspirieren, ist insgesamt aber ein aufmerksamer Begleiter der Solisten, führt sie sicher durch das überraschungsreiche Geschehen. Der Chor (Roberto Gabbiani) koordiniert perfekt brioreichen Gesang und exakte Bewegung.

Im Zentrum des turbulenten Geschehens steht der Don Magnifico von Alessandro Corbelli, der vielleicht Letzte aus der Garde der famosen italienischen Buffi, der mit ungebrochener Stimmkraft ein wahres Kabinettstück von „Noi Don Magnifico“ abliefert, unangefochten vom Trubel um ihn herum sein „Sia qualunque delle figlie“ zum Besten gibt, trotz aller Komik immer geschmackvoll bleibt und in dieser Ausgewogenheit Beispielhaftes leistet. Leider sehr dumpf oder hauchig klingt der Alidoro von Ugo Gugliardo, dessen großer Arie man deshalb nicht viel abgewinnen kann. Dass er ein stattlicher Mann ist, spielt bei dieser Partie keine entscheidende Rolle. Mit dunklem Timbre und angenehmer Geschmeidigkeit singt Vito Priante, auch im Prestissimo ohne Probleme, den Dandini. Wie eine Zelluloidpuppe sieht der Don Ramiro von Juan Francisco Gatell mit angepapptem Blondhaar aus, sein Tenor passt zu Rossinis Musik, er singt stilsicher, das Timbre ist etwas zu trocken, als dass es entzücken könnte.

Optisch ein wahrer Besen, vokal durchaus angenehm ist die Tisbe von Annunziata Vestri, lieblicher ihre Schwester Clorinda, Damiana Mizzi, was ebenfalls auf deren Sopran zutrifft. Mit angemessenem Stimmmaterial nimmt sich Serena Malfi der Titelpartie an, die Stimme ist weich und dunkel, wie aus einem Guss und vollmundig vom „Una volta..“ bis zum Schlussrondo. Selten ist die Höhe nicht ganz frei, sind die Extremtöne nicht ganz sauber, aber das dürfte bei einer Live-Aufnahme und der insgesamt bewundernswerten Brillanz und bei so beherztem Körpereinsatz, der ihr abverlangt wird, keine große Rolle spielen. Insgesamt ist die Aufnahme ein großes, fast ungetrübtes Vergnügen (C-Major 752504). Ingrid Wanja