Recht guten Mutes nähert man sich noch immer Opern-DVDs aus Italien, denn wenn auch hier bereits moderne Regie ihr Unwesen treibt, garantiert doch meistens der gute Geschmack der Italiener, ihr Sinn für das Dekorative, ihr Bestreben, auch auf der Bühne bella figura zu machen, die Vermeidung des German trash in seiner schlimmsten Ausformung.
Dirigiert nun gar noch Fabio Luisi, von dem ein Mitglied der Staatskapelle Berlin einst meinte: „Da muss erst ein Italiener kommen, um uns zu zeigen, wie man Hänsel und Gretel spielt“, dann hebt das in der Erwartung von Wagners Der fliegende Holländer ebenso die Stimmung wie die Hoffnung, der Maggio Musicale Fiorintino werde, wie in der Vergangenheit meistens, für gute Sänger sorgen.
Alle Erwartungen erfüllt wurden vom Orchester und seiner Leistung bei dieser ersten Wagner-Aufführung Luisis in seinem Heimatland Italien, das in seinem Spiel Durchsichtigkeit mit Opulenz miteinander vereinte, das bereits in der Ouvertüre eine unvergleichlich romantische Stimmung zu zaubern wusste und seinen Teil zur einer glücklichen akustischen Ausgewogenheit zwischen Bühne und Orchestergraben beitrug. Auch der Coro Ars Lyrica (Eintudierung Marco Bargagna) gemeinsam mit dem Coro del Maggio Musicale Fiorentino (Einstudierung Lorenzo Fratini) sang höchst idiomatisch und dazu die Herren kraftvoll-gebändigt, die Damen agogikreich und frisch.
Regisseur Paul Curran stellt das Stück nicht auf den Kopf, will aber auch nicht auf das Betonen einer eigenen Handschrift verzichten. Die besteht zunächst einmal in einer Verlegung der Story in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als die Damen Wasserwelle und Seidenstrümpfe mit Naht ( Kostüme Gabriella Ingram) trugen. Dazu würde kein Spinnrad passen, und so sitzen sie an Nähmaschinen, die in einem hässlichen Fabriksaal (Szene Saverio Santoliquido) aufgebaut sind. Für das Erscheinen des Holländer-Schiffs wird verständlicherweise Videotechnik bemüht und diese weiß eindrucksvolle Momente zu kreieren. Das gilt leider ganz und gar nicht für die erste Begegnung zwischen Holländer und Senta, der alles Magische abgeht, so wie auch der Schluss aus purer Verlegenheit geboren scheint: Holländer und Senta gehen aufeinander zu und recken sich die Hände entgegen.
In Italien scheint man noch immer der Meinung zu sein, hässliche Stimmen in deutschen Opern seien das Normale. Anders ist das Engagement von Thomas Gazheli kaum zu erklären, der einen ausgesprochenen Alberich-Bariton hat, immerhin über eine gute Höhe verfügt, dessen Timbre aber alles andere als edel ist. Die Stimme wirkt nicht einheitlich gut fokussiert, die Mittellage eher schwach, und optisch ist er ebenfalls kaum beeindruckend. Da er von der Regie offensichtlich keine Hilfestellung bekommen hat, wirkt sein Spiel recht unbeholfen. Dass Marjorie Owens eine tolle Stimme haben muss, sieht man auf den ersten Blick, denn wer optisch derart wenig der schönen Senta entspricht, der muss entsprechend ausgleichende stimmliche Qualitäten haben. Die hat der Sopran in Hülle und Fülle, was sich in einer mühelos wirkenden Ballade mit sicherer, strahlender Höhe, sanften Intervallsprüngen und insgesamt einem betörend schönen, warmen Leuchten und Strahlen der Stimme äußert. Einen angenehmen Zwischenfachtenor und eine ebensolche optische Erscheinung bietet Bernhard Berchtold mit beispielhafter Diktion für den Erik auf. Mal hohl, mal mit enger Stimmführung und darstellerisch aufs Schlimmste chargierend, ist Mikhail Petrenko ein des Maggio nicht würdiger Daland. Als Norweger des 20.Jahrhunderts sollte er auch kein Kreuz schlagen, wenn schon Moderne, dann konsequent! Die angemessene Optik und eine Stimme, die lyrischer sein könnte, hat Timothy Oliver für den Steuermann, während Annette Jahns nicht die übliche rundlich-gemütvolle, sondern eher herb-strenge Mary gar nicht ältlicher Stimmmittel ist (Bluray C-Major 753808). Ingrid Wanja
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