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In Berlin konnte, nein musste das Publikum vor einigen Monaten erleben, wie eine märchenhafte, träumerische, schillernde und facettenreiche Musik niedergemacht wurde von einer Regie, die aus dem Märchenwald eine Schmuddel-WG, aus dem königlichen Palast ein Neureichen-Loft mit Blick auf den Berliner Fernsehturm und aus der Nixe Rusalka ein von niemandem gelittenes queres Wesen machte und damit auch der Musik jeden Zauber auszutreiben versuchte. In Londons Covent Garden gab es ein Jahr zuvor eine Rusalka-Produktion zu bestaunen, in der Optik und Akustik aufs Schönste miteinander harmonierten, die eine die andere in ihrer Wirkung nicht nur zur Geltung kommen ließ, sondern sie unterstützte (Creators und Directors Natalie Abraham und Ann Yee). Sie ist jetzt bei opus arte erschienen und das weniger als spärliche Booklet ist das Einzige, was man an ihr aussetzen kann.
Zu Beginn und am Schluss schweben Wassermann und Nymphen über dem mit Seerosen bewachsenen Teich, die Beleuchtung von Paule Constable ist so stimmungsvoll wie es die Kostüme von Annemarie Wood, besonders das für den Wassermann, sind, und die Choreographie von Ann Yee charakterisiert Nymphen wie Hofgesellschaft gleichermaßen zutreffend. Viel Symbolik, so die weiße Marmorbank im Schloss, in die ein verdorrter Ast integriert ist, erleichtert den Zugang zum Gehalt des Märchens. Die Gummitiere im Schloss wirken wie eine Karikatur natürlicher Wesen, Irrlichter über dem Wasser hingegen sind voller Zauber (Bühne Chloe Lanford) .
Auch mit der Sängerbesetzung kann man hochzufrieden sein. Asmik Grigorian ist eine anmutige Rusalka, in deren Stimme Sehnsucht und Melancholie vernehmbar sind, die in der makellosen Höhe schön aufblühen kann und die im Forte nie angestrengt klingt. Wie in Mondlichtschimmer getaucht erscheint der Sopran beim berühmten Lied an den Mond. Wunderbar spielt sie, wie aus dem selbstsicher sich in seinem Element bewegenden, in wasserfarbene Schleier gehüllten Naturwesen ein unsicher umher stakendes Kurzhaar-Girl im Hosenanzug wird, auf dessen Rücken die Wunde, die der Austausch der Stimme mit der Menschenseele mit sich brachte, sich nicht schließen will.
Beinahe schon einen Heldentenor erfordert die Figur des Prinzen, der von David Butt Philip deshalb auch weniger durch lyrischen Schmelz überzeugen muss als mit Durchhaltevermögen, das er in schönem Maße besitzt, auch wenn die Stimme nicht in allen Registern einheitlich klingt, manche Phrase recht offen erklingt. Viel Saft und Kraft hat der Hajny von Ross Rangobin in seinem farbigen Bariton, der Küchenjunge von Hongni Wu wirkt streckenweise überfordert, hat aber auch Momente voller Frische und Jugendlichkeit, tadellos sind die drei Nixen Vuvu Mpofu, Gabriele Kupšyté und Anne Marie Stanley. Durch Mark und Bein geht der Wehe-Ruf des Wassermanns von Aleksei Isaev, dessen Bass von dunkler Farbe geradezu überströmt. Emma Bell ist eine reife Fremde Fürstin, die weniger durch die Optik als durch die Wärme und Rundheit ihres Mezzosoprans fasziniert. Die Hexe Jezbaba findet in Sarah Connolly ihre optisch wie akustisch angemessen bizarre Verkörperung. Der Zauberer am Dirigentenpult ist Semyon Bychkov, der es aus dem Orchestergraben locken und verführen, klagen und jubeln lässt und der in keinem Augenblick gegen eine die Musik denunzierende Optik ankämpfen muss (opus arte 807322D). Ingrid Wanja