Grandios

 

Entschieden auf die buffoneske Seite von Berlioz Benvenuto Cellini, als Buffa entworfen und für die Grand Opéra in eine ebensolche umgewandelt, schlug sich Terry Gilliam, als er das Werk nach Art des Hauses an der ENO in englischer Sprache inszenierte. Die original-französische Fassung aus Amsterdam gibt es nun als DVD bei Naxos, und man kommt aus dem Staunen über die komödiantische Phantasie des Regisseurs einfach nicht heraus. Da wird einiges an eindrucksvollem Personal erfunden wie die köstlichen Muhmen im Hause des Balducci mit umwerfend komischer Mimik und Gestik des Missfallens, die Akrobaten, das den Fasching feiernde Volk von Rom, die irren Kneipenszenen oder das Hin- und Hergerissensein des Ascanio, der die Braut Cellinis eigentlich behüten soll und doch der Versuchung, anzubändeln, nicht widerstehen kann. Subtil ist die Personenführung, Derbheit wird nie prollig und Erotisches nie obszön. Dazu kommt ein phantasievolles Bühnenbild, das der Regisseur gemeinsam mit Aaron Marsden entworfen hat, eine wunderbare Werkstatt für Cellini mit herrlichen Skulpturen, das Haus des Balducci wie aus der Renaissance stammend, während die Kostüme von Katrina Lindsay von der Entstehungszeit der Oper inspiriert sind.

Auch wer ein Feind inszenierter Ouvertüren ist, wird von dieser Realisierung voller Witz und Charme entzückt sein. Diese Aufführung zu erleben ist trostreiche Erholung und allerschönste Erbauung nach all dem intellektuell verbrämten Hinterfragen und Umdeuten, das zum täglichen kargen Brot des Opernbesuchers geworden ist.

Der genialen Inszenierung würdig sind die Sängersolisten, die sich mit sichtbarer Lust an der Sache in ihre Aufgaben stürzen. John Osborn singt ein perfektes Französisch, meistert die vertrackte Tessitura der Cellini-Partie scheinbar mühelos und weiß trotz Jux und Tollerei auch die ernsten Momente zur Geltung zu bringen, so mit einem ergreifenden Flehen zum Schluss des Werks. Außerdem ist nicht zu verachten, dass er die richtige Optik für den Künstler und Liebhaber hat. Zauberhaft ist die Teresa von Mariangela Sicilia, anmutig und spielgewandt, wahrhaft dolcissima in Aussehen und Gesang, mit mühelosen Koloraturen und mit feiner Ironie die vorgetäuschte Tugendhaftigkeit darstellend. Urkomisch ist der Fieramosca von Laurent Naouri, allein die Frisur ist ein abendfüllendes Vergnügen, dazu kommt ein geschmeidiger Bariton, besonders wirkungsvoll eingesetzt im „Ah, qui pourrait  me résister?“ Mit markantem Bass singt Maurizio Muraro den Balducci, verleiht ihm dazu eine komische Würde und altväterlichen, drolligen Charme. Ascanio, eine Niklasse ähnliche Partie, wird von Michéle Losier elegant im Couplet und anrührend im Gebet-Duett mit Teresa gesungen. Vorzüglich sind die Comprimari, so der Bernardino von Scott Connor. Raustimmig und eher wie Dschingis Khan als Papst Clemens VII. aussehend, ist Orlin Anasstassov beinahe eine Karikatur, weniger ernst zu nehmender Heilsbringer und betont so die komische Seite des durchaus tragische Momente zeigenden Werks. Dirigent Mark Elder spielt mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra so farbig, so tempo- und spannungsreich, wie es die zauberhafte Optik vorgibt (Naxos 2.110575-76). Ingrid Wanja