Carsens trübe Szene

 

O je, schon wieder eine Tagessschau mit Musik, denkt der gequälte Opernfreund, wenn er von Robert Carsen im Booklet vernimmt, dass es sich bei seinem Idomeneo um Im Teatro Real von Madrid eine Produktion für den Frieden und gegen den Krieg handeln soll, und wenn zu Beginn vor einem gewaltigen Maschendrahtzaun Flüchtlinge mit entsprechendem Gepäck und Wasserflaschen aufmarschieren, gegen Ende sich am Strand Berge von Schwimmwesten auftürmen und man ganz zum Schluss in eine zerstörte Straßenschlucht wohl einer orientalischen Stadt schaut, ist man erst einmal bedient. Trägt dann noch das gesamte Personal außer Ilia und Elettra Uniform und Maschinenpistole und wirft beides zum happy end ab bzw. weg, dann ist darüber die eigentliche Quintessenz des Stücks, die Unvereinbarkeit zwischen Staatsräson und Liebe, sei es väterliche oder geschlechtliche, die Erlösung aus diesem Konflikt nur durch selbst einen erzürnten Gotte rührende  Opferbereitschaft auf der Strecke geblieben.

Abgesehen von dieser mit potthässlicher Kostümierung (Luis F. Cavarhol) einhergehenden Optik ist die Produktion eine durchaus ansehnliche, die sich durch stellenweise feine Personenführung und eine beeindruckende Video-Meereslandschaft mit zwischen still ruht die See oder dräuender Flut bis hin zum Tsunami wechselndem Hintergrund (Will Duke) auszeichnet.

Idamante wird in dieser Produktion nicht von einem Mezzosopran, sondern von einem Tenor gesungen, und dem Besetzungsbüro gelang es, mit der empfindsamen, kultiviert eingesetztem, wenn auch nicht mit einem schönen Timbre begabten Stimme von David Portillo eine sehr jugendliche der dunkleren, dramatischeren substanzreicheren von Eric Cutler  als Idomeneo entgegen zu setzen. Ähnlich kontrastreich verhielten sich die beiden Sopranstimmen zueinander. Eine zarte, lyrische Mädchenstimme setzte Anett Fritsch für die trojanische Prinzessin Ilia ein, sehr angenehm in ihrer zweiten Arie mit einem schönen Leuchten in der Höhe, im Dramatischen aber flach bleibend. Zu Recht Publikumsliebling war Eleonora Buratto als fulminante Elettra, die die Furien souverän toben, den Zefiro sanft säuseln und mit ihrer letzten Arie das Blut des Hörers in Wallung geraten ließ. Eindrucksvoll war der wenn auch verstärkte Nettuno von Alexander Tsymbalyuk, solide der Arbace von Oliver Johnston. Der Chor des Teatro Real legte sich mit Gewinn ins Zeug, das Orchester unter Ivor Bolton spielte viel besser, als die ungefügen Bewegungen seines Leiters es vermuten ließen und erhellte mit akustischem Strahlen die trübe Szene (Opus arte 1317D). Ingrid Wanja