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„Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten“ stammend erscheint dem mitteleuropäischen Opernfreund die Aufnahme von Wagners Fliegendem Holländer von der Seebühne auf dem bulgarischen Pancharevo See mit den Kräften der Nationaloper von Sofia, die immerhin sich in den letzten Jahren zu einem Bayreuth des Südostens entwickelt hat mit einem vorzüglichen Ring, der eine Quelle des Trostes für vom „echten“ Bayreuth wegen grässlicher Regie- und nur durchschnittlicher Sängerleistungen Geschädigte. Wenn man beim Abspielen der Videoaufzeichnung nicht weiß, ob man eher lachen oder weinen soll, dann wegen der bedauerlichen Tatsache, dass dieser Fliegende Holländer alle nur möglichen Schwächen von Opas Oper ausweist, ohne durch ihre Stärken versöhnen zu können.
Unglücklich ist erst einmal schon, dass der erste Akt mit dem nächtlich strandenden Schiff Dalands noch am helllichten Tag spielt, mit im Hintergrund auf ruhigem Gewässer dahin gleitenden Booten neugieriger Ausflügler, während die Spinnstube in nächtliches Dunkel getaucht ist. In einem Rahmen aus weißer Pappe gibt es viel Stoffgewoge, weiße Luftballons und Flitter und Glitzer, die Kostüme (Leo Kulaš) sind teilweise geschmacklos wie die bonbonfarbene Festtagskleidung der Norwegerinnen oder die blutrote Puffmutterrobe der Senta, ehe diese in ihr Brautkleid schlüpft. Personenregie findet kaum statt, man beschränkt sich auf besonders bei den Großaufnahmen peinlich wirkende pathetische Gesten, und der deutsche Betrachter der inszenatorischen Unfähigkeit fragt sich betreten, was wohl die allerdings gutwillig nicht mit Beifall sparenden Zuschauer von deutscher Oper halten mögen (Regie Plamen Kartaloff).
Altstar Kurt Rydl, der auch einen sehr anständigen Daland singt und spielt, soll als Coach an der Einstudierung beteiligt gewesen sein, kann aber nicht verhindern, dass ein ganz absonderliches Deutsch gesungen wird. Das fällt besonders beim Erik von Kostantin Andreev auf, der eine sehr klare Diktion sein Eigen nennt, was hier zum Nachteil gerät, denn man merkt auf erschreckende Weise, dass er einen Aussprachefehler an den anderen reiht. Optisch gleicht er, je näher ihm die Kamera rückt, umso mehr einem gealterten Operettenbuffo. Mit dem Aussehen eines reifen Basses und einer Stimme, die weder jung noch lyrisch ist, entspricht Daniel Ostretsov in keiner Weise den Vorstellungen, die man von der Partie des Steuermanns hat. Optisch einen Rollentausch anraten möchte man den Darstellerinnen von Senta und Mary, denn letztere, Alexandrina Stoyanova-Andraeva, ist jung und schön und singt mit einem satten, gesunden Mezzosopran. Radostina Nikolaeva hingegen wirkt für das verträumte Mädchen allzu reif, ist eine Hochdramatische, deren Sopran in der Höhe scharf, in der Tiefe dumpf ist und die mit den Intervallsprüngen hörbar zu kämpfen hat. Einen Holländer optisch gesetzten Alters gibt Markus Marquardt, der vokal vollkommen zufriedenstellt mit kultiviertem Legato und einem Bariton, der weder in den Höhen noch in der Tiefe Ausfälle verzeichnen muss. Chor und Orchester kommen von der Sofioter Oper und künden vom beachtlichen Niveau daselbst. Allerdings könnte Dirigent Rossen Gergov manche Tempi etwas anziehen, da wirkt einiges zu breit und behäbig. Von der Szene ( Plamen Kartaloff, inspiriert von Babara Hepworth) gefallen am besten die Fischernetze, an denen sich die sonst als Spinnerinnen tätigen Mädchen zu schaffen machen. Eine reine Freude sind die Chöre, einstudiert von Violeta Dimitrova, und schön ist es zu sehen, dass der Holländer nun endlich, gen Himmel schwebend, sein Heil gefunden hat. Das versöhnt natürlich mit vielen Unzulänglichkeiten, wie es auch der Eindruck, dass man mit Eifer und Hingabe zu Werke ging, vermag (Dynamic 57991). Ingrid Wanja