Will man seine Erfahrungen verallgemeinern, so bevorzugt das Publikum in schlechten Zeiten die heitere Kunst, geht es ihm gut, geben sich die Künstler gern miesepetrig und servieren ihm Übles jeder Art, so auch auf der Opernbühne. Als Beispiel, wenn auch der milderen Ausführung, mag die Inszenierung von Bellinis I Puritani an der Nederlandse Opera durch Francisco Negrin von 2012 gelten, wenn dieser am Schluss des eigentlich happy zu Ende gehenden Stücks Arturo von seinem Rivalen Riccardo niederknallen lässt und wenn der gute Onkel Giorgio nebst dem Chor zu anteilnehmendem Gesang dräuende Gebärden gegenüber der unglücklichen Elvira zeigen. Ein bisschen crudeltà muss sein, und ansonsten ist die Regie behutsam im Umgang mit dem fragilen Werk und seiner ebenso beschaffenen Heldin. Es Devlin siedelt die Puritaner in blinkendem Metall an, das mit unentzifferbarer Blindenschrift bedeckt ist, nur selten öffnen sich die engen Mauern und geben den Blick auf Himmel und Meer frei. Der Chor singt meistens von Emporen herab, die Kostüme von Louis Désiré können als solche der Handlungszeit durchgehen, charakterisieren die Puritaner als strenges, weltlichem Tand abholdes Volk, dem Gesangsbücher in ungeheurer Anzahl immer und überall zur Verfügung stehen, Elvira aber trägt einen Aktenordner mit sich herum, von dem nie ganz klar wird, was er enthält. Die Lichtregie sorgt dafür, dass die Alu-Dekoration mal silbern, mal golden blinkt.
Sehr uneinheitlich ist die Besetzung für das seltener zu erlebende Werk. Der einzige Italiener im Ensemble ist Riccardo Zanellato mit ebenmäßig gefärbtem, kraftvollem Bass als Sir Giorgio. Neben ihm ist John Osborn als Arturo ein großes Plus der Aufführung mit bei aller Leichtigkeit der Stimmführung virilem Tenor der ungefährdeten Höhe auch in den berüchtigten extremen acuti, die nicht Selbstzweck, sondern Ausdrucksmittel zu sein scheinen. Dazu sieht er auch noch gut aus und kann gut als jugendlicher Held durchgehen. Sehr poetisch und agogikreich gestaltet er die Abschiedsszene und am Schluss dominiert er unangefochten das Ensemble. Der Bariton seines Gegenspielers Riccardo, gesungen von Scott Hendricks, hat eine angenehme Farbe, aber der Sänger klingt in der Höhe leicht gequetscht, drückt zu sehr auf die Stimme und findet oft nicht zu einer ruhigen Gesangslinie. Daniel Borowski klingt zu dumpf in der kleineren Partie des Gualtiero.
Leider ist die Stimme von Mariola Cantarero, die ehemalls als nun verlöschender shooting-star gefeiert wurde die Elvira singt, nicht mehr so üppig wie ihre Erscheinung, ist ihr Spiel so verhalten, dass daneben die kleine Partie der Enrichetta, von Fredrika Brillemboug mit Feuer und Leidenschaft gesungen und gespielt, mächtig aufgewertet wird. Im zweiten Akt kann der Sopran mit einer schönen Mittellage für „lasciatemi morir“ punkten, aber die Höhe ist grell, und die mezza voce klingt flach.
Martin Wright hat den Chor bestens vorbereitet, das Orchester unter Giuliano Carella erfüllt seine Begleiterfunktion perfekt (DVD Opus Arte 1091). Ingrid Wanja