Altbekanntes Geräusch

 

Hatte er vor Jahrzehnten noch in Macerata mit einer heroinsüchtigen Mimi die damals noch heile Welt der Oper in Angst, Schrecken und Empörung versetzt, so sind die Empfindungen, die Keith Warner beim heutigen Opernbesucher, so dem der Walküre in London, weckt, nur die  eines mühsam unterdrückten Gähnens. Welche optischen Herausforderungen und Möglichkeiten bietet gerade dieser Teil des Ring mit Walkürenritt oder Feuerzauber, allesamt verschenkt zugunsten einer langweiligen drehbaren weißen Wand oder von Wunschmädchen, die mit wehenden Umhängen wie aufgescheuchte Fledermäuse mit Pferdeschädeln wedeln, um Aktivität vorzutäuschen. Und Wotans Abschied als langsames über die Bühne Schleichen, Hand in Hand mit Brünnhilde, die nicht weiß, wie ihr geschieht bei dem Domingo-verdächtigen Abschiedskuss, das alles spricht von Verlegenheit und Einfallslosigkeit, die beinahe noch schlimmer sind als Provokation. Auch die vielen Farbwechsel, dazu auch in Rot, tragen dazu bei, den Feuerzauber um seine optische Wirkung zu bringen. Ein Goldregen, wie ihn Frau Holle hätte verursachen können, oder ein Kanapee mit Widderhörnern, zwischen denen Hunding sein Gebet an Fricka verrichtet, scheinen auch eher Verlegenheitslösungen als durchdachtes Regiekonzept zu sein. Dabei genießt der Video-Betrachter noch den Vorzug, durch eine kluge Kameraführung meistens vor dem Totalanblick einer hoffnungslos zugemüllten Bühne bewahrt zu werden.

Ein Opernhaus, das auf sich hält, engagiert, falls Jonas Kaufmann nicht zu haben ist, als Siegmund Stuart Skelton, der die längsten und kraftvollsten „Wälse“-Rufe aller Zeiten zum Besten gibt, so auch in dieser Aufführung, der zudem für die recht tief liegende Partie auch eine wohltönende Mittellage hat, dessen Tenor von einheitlicher Farbe ist und der ein schönes, fast italienisches Legato singt. Ausgerechnet die „Winterstürme“ klingen verhuscht und gehen fast unter, während der Schwellton auf „Frauen“ höchst erfreulich ist. Optisch ist der Australier eher an Johan Botha gemahnend als an seinen deutschen Kollegen und dementsprechend ist auch sein Spiel ein eingeschränktes. Seine Sieglinde ist Emily Magee in zunächst schlimm verunstaltendem Kostüm, aber einem Sopran von rundem, vollem Klang, präsent auch in der Mittellage. Die Sängerin  gibt manchmal mehr, als die Rolle an Dramatik erfordert und wird dann leicht schrill. Ihr „Rettet die Mutter“ treibt dem Hörer Tränen in die Augen, warum sie zu Beginn sich wie in Wehen auf einem Podest hin- und herwinden muss, bleibt unerfindlich.

Fast zu attraktiv für den Hunding ist Ain Anger  mit bassgewaltiger Stimme, die auch sotto voce noch höchst präsent ist. Sein Todeskampf ist hollywoodwürdig. Optisch wie vokal ihm ebenbürtig ist Sarah Connolly als Götter-Gattin Fricka, so hoheitsvoll wie verführerisch, deren Kostüm so farbenprächtig ist wie ihre Stimme, die viele unterschiedliche Emotionen hörbar macht.

Der Schwachpunkt der Aufführung ist der Wotan von John Lundgren, der optisch nur in Bezug auf das verloren gegangene Auge überzeugen kann, dazu einen eher eines Brunnenvergifters als Göttervaters würdigen Bariton vorweisen kann, ein gar nicht edles Timbre, eine im Piano wenig tragfähige Stimme, wie das fast tonlose „so küsst er die Gottheit von dir“ zeigt und der erst in der Beschwörung Loges angemessenes akustisches Format zeigt.

Der unbestrittene Star der Aufführung aber ist die verdienstvolle Brünnhilde vom Dienst, Nina Stemme, die eine sehr menschliche Walküre voller Wärme und Entschlossenheit spielt, deren Sopran ein warmes Leuchten auszeichnet, ein farbiges Piano für „War es so schmählich“, eine wunderschöne Todesverkündigung, sehr, sehr viele Schattierungen und die durchgehend zeigt, dass Wotan zwar die Macht, sie aber die unbeirrbare Stärke hat. Dass das „Hojotoho“ nicht besonders eindringlich ist, liegt an dem unglücklichen Regieeinfall, dass es beim Hinabklettern von einer Leiter gesungen werden muss.

Antonio Pappano dirigiert sängerfreundlich, aber wenn angebracht auch angemessen rauschhaft und auf Überwältigung setzend, wie Nina Stemme wird er ganz besonders vom Publikum gefeiert. Aber ist das alles genug (Opus arte BD7270D)? Ingrid Wanja