Zu sanft und höflich

 

Französische Romantik ist gerade wieder sehr angesagt in der Opernwelt- und auffallend viele Sänger widmen in letzter Zeit ihre Solo-Alben dieser Epoche. Jetzt ist eine Arien-CD eines jungen französischen Tenors beim Label Alpha erschienen: Julien Behr.

Es gibt heute viel stilsicherere Sänger in diesem schwierigen Repertoire als noch vor 30 Jahren, und das ist nicht nur Verdienst der Sänger selbst, sondern auch das der Hochschulen, Konservatorien und Lehrer, die den jungen Künstlern ein präziseres sensibles Stilgefühl für die französische Epoche des 19. Jahrhunderts vermittelt haben. Julien Behr profitiert von dieser neuen Auffassung. Man spürt, dass er sich bemüht, die Stücke genauso zu artikulieren, wie es einst das entsprechende Haus der Premiere vorschrieb; Brust und Kopfstimme werden wohlkalkuliert und werkgetreu eingesetzt, nichts bleibt dem billigen Effekt überlassen, alles atmet Vernunft.

Zu sanft und zu höflich: Behr hat keine Stimme, dessen Strahlkraft den Hörer in die Knie zwingt; die Höhen sind keine Großereignisse, wenn auch technisch sauber. Er ist ein exzellenter lyrischer Mozart-Tenor, der sich das leichtere (leicht im stilistischen, nicht im energetischen Sinne) französische Tenorfach erschlossen hat. Ein intelligenter Sänger, der sich jedoch den Partien zuweilen auf Zehenspitzen nähert und elegant, aber vorsichtig durch das Repertoire Gounods, Bizets, Messagers und Delibes‘ tänzelt, fast wie ein schüchterner Besucher in einer Ausstellung alter Glasbläserkunst, der sich fürchtet, bei zu impulsiven Bewegungen die Exponate zu zerstören.

Doch so fragil ist die französische Oper des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts nun auch wieder nicht. Auf der CD mag alles durchhörbar, sauber und samtig klingen – mir ist es unterm Strich zu sanft und höflich. Vergeblich wartet man auf den großen Moment , wo der Solist ausbricht, aufbegehrt, echte Leidenschaft zeigt. Stilgefühl ist dann am Ende doch nicht alles.

Exquisit ausgewählt wie auch interpretiert: Es begleitet das renommierte Orchester der Oper in Lyon, eins der besten Opernorchester der Welt; am Pult steht der relativ junger Dirigent Pierre Bleuse, der hier aber überraschenderweise weniger durch jugendliches Feuer glänzt als durch laszive Sinnlichkeit. Schön, dass hier die Lyoner hier in drei reinen Orchesterstücken zeigen dürfen, was sie können, alle drei Piecen sind sowohl exquisit ausgewählt wie auch interpretiert, darunter auch die berühmte Habanera von Emmanuel Chabrier (Confidence, mit Julien Behr (Gesang), Orchestre de l’Opera National de Lyon, Pierre Bleuse (Leitung), Alpha 8732528). Matthias Käther