Ein für westeuropäische ungewohntes Bild bietet das Cover der ersten CD von Fatma Said, einer ägyptischen Sängerin, die an der Berliner Hanns-Eisler-Hochschule ausgebildet wurde, denn neben dem Namenszug der Sängerin finden sich, wohl als Titel gedacht, ein El Nour, was so viel wie Guten Morgen heißt, und ein arabischer Schriftzug, der wahrscheinlich dasselbe meint. Einen Track des gleichen Wortlauts gibt es auf der CD zwar nicht, aber der Hörer kann sich der Vorstellung hingeben, eine junge Künstlerin begrüße ihn frohen Mutes als Teil eines zukünftigen Publikums, dessen eine Gruppe wohl aus dem arabischen Raum stammen sollte, denn auch das Booklet und die Übersetzungen der Liedtexte berücksichtigen ein Publikum aus dem Morgenland.
Das Booklet spart denn auch nicht mit lobenden Attributen für das Unternehmen, wenn gleich in den ersten Zeilen des informationsreichen Artikels Vokabeln wie „Offenbarung“, „ungeheuer talentiert“, „denkwürdig“, „charismatisch“,“ virtuos“ und „außergewöhnlich“ auftauchen und den Leser fast einschüchtern. „Auf eine frische Art“ will die CD westliche und nahöstliche Musik präsentieren, die „erweitert“ wurde durch „Elemente, die uns stimmig erschienen“. Damit ist vor allem die Begleitung der mehr oder weniger orientalische Themen benutzenden Werke europäischer Komponisten durch orientalische Instrumente wie Ney oder Kanun gemeint, die ihnen ein zusätzliches orientalisches Flair verleiht.
Fatma Said findet gleichermaßen in ihrem modischen Stil, einem Mix aus orientalischem Schmuck und westlicher Abendrobe, wie in der Art ihres Singens zu einem gelungenen Ausgleich zwischen ausgebildeter Opernstimme und volksliednahem Ton, dort wo er sich anbietet.
Es beginnt mit Ravels Shéhérazade, di sich in zart flirrendem Klang äußert, sich flexibel bewegt zwischen einer gut ausgebildeten Mittellage und einer Höhe, die wohl absichtlich stellenweise leicht gepresst klingt, scharf bis schneidend werden kann. Im zweiten Beitrag innerhalb des kleinen Zyklus gibt es ein reizvolles Wechselspiel zwischen Stimme und Flöte, lasziv verführerisch wird im abschließenden Track die Mittellage eingesetzt.
In De Fallas Schwarze Augen preisendem Chanson wiegt sich die Stimme herausfordernd auf der Begleitung durch Burcu Karadag, verspielt unterschiedliche Farben annehmend, nimmt sie sich Serranos Zarzuela “Marinela, Marinela“ an, und Berlioz‘ Zaide klingt gewollt fremdartig, wenn sie nicht mit aufblühender, sondern scharf werdender Stimme in die Höhe klettert. Philippe Gaubert komponierte Le Repos en Égypte, während derer die Sängerin „l’air bleu“ wie einen sanften Hauch erscheinen lässt.
Aus den Canciones espanolas antiguas von Garcia Lorca stammen die folgenden Stücke, für die der Sopran sich herb, auch stellenweise scharf gibt, gut mit der Gitarre von Rafael Aguirre korrespondiert und mit natürlich wirkendem, nie aufgesetztem Temperament zu agieren scheint.
Purer Übermut kennzeichnet die Interpretation von Abdel-Rahims Beitrag, geschmeidig verführerisch klingt Bizets Adieux de l’hotesse arabe, und es kommt einem der Klang von Jodeln in den Sinn, wenn man sich „dem Geheimnis der Unvergänglichkeit“ zuwendet, ehe die Schöne Frau, Lebhafte Nächte und eine Weiße Taube verzaubern können. Mit ihnen entfernt sich natürlich die Sängerin weit vom europäischen Opernrepertoire, so dass man ein Urteil über ihren Standort in demselben nicht fällen mag, sie am ehesten sich als Despina, Zerlina u. ä. vorstellen kann (Warner Classics 0190295233600). Ingrid Wanja