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Das Cover-Foto zeigt eine attraktive junge Frau unserer Zeit, die Beschriftung Arias for Anna Renzi–the first Opera Diva meint eine Sängerin längst vergangener Zeiten, und ganz klein und ganz unten steht auch noch, wer tatsächlich auf der CD zu hören ist. Es handelt sich um die als Spezialistin für Alte Musik hoch gehandelte Sopranistin Roberta Invernizzi, die mit dem Ensemble Sezione Aurea Arien eingespielt hat, die einst im fernen 17. Jahrhundert für die erste Primadonna der jungen Kunstgattung komponiert wurden, darunter die bekannte Arie der Ottavia “Disprezzata regina“ aus Monteverdis L’Incoronazione di Poppea. Obwohl höchstwahrscheinlich sich eines ehrbaren Lebenswandels befleißigend, stand auch sie wie ihre Berufsgenossinnen unter dem Generalverdacht einer unsittlichen Lebensführung , wurde nicht nur für eine „cantante“, sondern eine „cortegiana“ gehalten, obwohl ein zeitgenössisches Portrait sie in hochehrbarer Gewandung und mit eher strengem als sich einschmeicheln wollendem Blick zeigt. Den Titel Primadonna und dazu noch die allererste dürfte sie sich gleichermaßen durch die Qualitäten ihrer Stimme, über die es schriftliche Zeugnisse gibt, als auch und vor allem durch die Eindringlichkeit ihrer Darstellung verdient haben.
Von den dreizehn Opern, in denen Renzi nachweislich auftrat, sind nur die Partituren von vier derselben vollständig überliefert. Trotzdem fällt bei ohnehin nur 48 Minuten Gesamtspielzeit der CD die Ausbeute an Gesangsnummern mit ganzen sechs, dazu ein und ein Viertel Minuten Duett etwas mager aus, andererseits sind die Stücke für Orchester oder auch nur Cembalo überaus reizvoll.
Bereits in der ersten Arie, der der Ottavia wird deutlich, dass zumindest Roberta Invernizzi, wie man es Anna Renzi nachsagte, einen hohen Wert der Expression, weniger dem gefälligen Fluss der Melodie beimisst. Die Stimme wird schön instrumental geführt, lässt feine Glockentöne vernehmen, und die „fulmini“, die „Giove“ nicht hat, lodern zumindest in der Sopranstimme. In Antonio Cestis Arie aus Argia scheint eine gewisse Verwaschenheit der Diktion als Stilmittel eingesetzt zu werden, wird der Charakter der Beiläufigkeit besonders hervorgehoben, erscheint die Stimme als zusätzliches Orchesterinstrument. Filiberto Laurenzi komponierte die Konzertarie „O cara libertà“, in der ein schöner Klageton, eine bemerkenswerte Geläufigkeit und ein melancholischer Touch im Timbre die Liebe als Versklaver an- und beklagen. Im kurzen „Ecco l’alba che ridente“ umschmeicheln die beiden Soprane einander. Ein schillerndes Persönchen tritt dem Hörer mit der Heldin der Laurenzi-Oper La Finta Savia entgegen, die neckisch und schalkhaft souverän mit den Tönen umzugehen versteht. Der Sopran erscheint hier zarter und heller zu sein und kehrt stärker als in den anderen Partien das Virtuose heraus.
Die Orchesterstücke stammen von Cesti, Frescobaldi, Rossi, Cima und Ceresini und verbreiten mal Festliches, mal Verspieltes, immer aber Hochprofessionelles (Brillant Classics 96716). Ingrid Wanja