Eigentlich halte ich mich eher mit großem Lob eher zurück, aber die neue, beim Label PENTATONE erschienene CD „Soirée – Magdalena Kozená & Friends“ – ist ein wahres Juwel der Liedkunst. Die tschechische Sängerin Magdalena Kozená hat mit den „Friends“, hochkarätigen Instrumentalisten und ihrem Ehemann Simon Rattle, der hier als Pianist sein Platten-Debüt gibt, einen bunten Strauß bekannter und eine Reihe selten zu hörender Lieder vom Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts zusammengestellt, denen kammermusikalische Begleitung gemeinsam ist. Das Herausragende der Aufnahme ist zuerst die Mezzosopranistin, die die unterschiedlichen Farben ihrer Stimme höchst ausdrucksvoll einzusetzen weiß, um die verschiedenen Stimmungen der Lieder zur Geltung zu bringen. Da wird die Schwermut im „Chanson perpétuelle“ von Ernest Chausson ebenso deutlich herausgestellt wie der dagegen leichtere Volksliedton von sieben Dvorák-Liedern. Bei diesen wird die Sängerin in einem Arrangement des jungen Dirigenten-Stars Duncan Ward von allen „Friends“ begleitet, von Wolfram Brandl und Rahel Rilling (beide Violine), Yulia Deyneka (Viola), David Adorjan (Violoncello), Andrew Marriner (Klarinette), Kaspar Zehnder (Flöte) und Simon Rattle (Klavier). Wenn man eine Liedgruppe aus dem hochinteressanten Programm überhaupt etwas hervorheben will, dann sind es die beiden schönen Brahms-Lieder für Mezzo, Viola und Klavier „Gestillte Sehnsucht“ und „Geistliches Wiegenlied“. Auch hier imponieren der perfekte Registerwechsel und die ruhige Ausgeglichenheit der Stimme in allen Lagen, was insgesamt wunderbar mit der Bratschen-Stimme korrespondiert. Außerdem singt die Kozená durchweg mit einer Intonationsreinheit, wie sie leider nicht immer selbstverständlich ist. Die CD enthält weiter neben den jeweils ganz kurzen „Kinderreimen“ von Leos Janácek mit Klarinetten- und Klavierbegleitung Maurice Ravels exotisch angehauchten Ausflug nach Madagaskar („Chansons madécasses“) mit der Begleitung von Flöte, Klarinette und Klavier. In ausgesprochen kontrastreichem Musizieren wechseln sich hier hochdramatische Ausbrüche mit lyrischen Empfindungen ab. Schließlich erklingen neben dem abschließendem „Morgen“ von Richard Strauß Lieder nach Texten von William Shakespeare, und zwar die drei Lieder von Igor Stravinsky mit der aparten Begleitung von Flöte, Klarinette und Viola und die von Aribert Reimann für Mezzo und Streichquartett bearbeiteten fünf „Ophelia“-Lieder WoO 22, die Johannes Brahms für eine Prager „Hamlet“-Schauspielaufführung geschrieben hat. Durchgehend kann man das ausgezeichnete Zusammengehen der Künstler und die hohe Gesangskultur der Mezzosopranistin bewundern, die gemeinsam mit den Instrumentalisten die jeweilige Stimmungslage in gut mitzuempfindender Weise wiedergeben (PENTATONE PTC 5186 671).
Der hierzulande weithin unbekannte amerikanische Komponist Christopher Anderson-Bazzoli (geb. 1969) hat manches für Singstimme geschrieben, so auch den kleinen Liederkreis nach neun Gedichten des amerikanischen Lyrikers Robinson Jeffers (1887-1962), die vielfältige Naturbeschreibungen von „Granite and cypress“ über „October evening“ und „Continent‘s end“ bis zu „Fire on the hills“ und „Distant rainfall“ enthalten. Unter dem Titel „Continent‘s end“ ist bei DELOS eine Aufnahme dieses etwa halbstündigen Zyklus‘ herausgekommen. Die amerikanische Mezzosopranistin Buffy Baggott deutet mit in allen Lagen gleichmäßiger Stimme die charakterisierenden Lieder in ansprechender Manier aus; zuverlässig sorgt Kevin Korth am Klavier mit dafür, dass jeweils eine überzeugende Interpretation der eingängigen Kompositionen gelingt (DE3567).
Von Isaac Albéniz (1860-1909), der vor allem durch Klaviermusik bekannt geworden ist, gibt es nur wenige Liedkompositionen. Die meisten sind Vertonungen englischer Gedichte des Albéniz-Förderers, dem vermögenden Londoner Anwalt Francis Burdett Money-Coots. Die Lieder, dabei auch kleine Zyklen wie „To Nellie“ oder „Six Italian Songs“, passen alle auf eine CD, die NAXOS herausgebracht hat. Bis auf vier Gabriel Fauré gewidmete Lieder auch auf Gedichte von Money-Coots – entstanden in seinen beiden letzten Lebensjahren – stammen die Lieder aus den Jahren 1889 bis 1903. In dieser Zeit schrieb Albéniz überwiegend so genannte Salonmusik. Seine Lieder sind durchweg leicht aufzunehmende, etwas melancholisch angehauchte Miniaturen ohne große Gefühlsausbrüche. Die spanische Mezzosopranistin hat sich ihnen mit ihrer charakteristischen, leider meist zu unruhig geführten Stimme angenommen, wobei sie kongenial am Klavier von Guillermo González unterstützt wird (NAXOS 8.574072).
Eine Frucht des Schubert-Wettbewerbs Dortmund 2018 ist die neue CD mit dem Titel „Amors Spiel“, die die 1. Preisträgerin, die Mezzosopranistin Esther Valentin und die Pianistin Anastasia Grishutina, aufgenommen haben. Die von ihnen ausgewählten 20 Lieder von vor allem Franz Schubert und Hugo Wolf werden eingerahmt von zwei Liedern („Amor“+“Blue“) des amerikanischen Komponisten William Bolcom (geb.1938) aus seinem 24-teiligen Zyklus „Cabaret Songs“. Einzelne Lieder von Haydn, Mozart, Pfitzner, Schönberg und Moritz Eggert (geb.1963) vervollständigen die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Liebe. Die junge Sängerin setzt ihren hellen Mezzo mit guter Diktion und bereits ausgeprägtem Gestaltungswillen ein. Dafür sind Wolfs „Unfall“, Schönbergs „Warnung“ und besonders Schuberts „Gretchen am Spinnrad“ schöne Beispiele, wenn sie das letztgenannte Lied sehr verhalten beginnt und sich mit gleichmäßigem crescendo bis zum „Kuss“ steigert; auch Gretchens Gebet, Schuberts selten zu hörendes Fragment „Ach neige, du Schmerzensreiche“, ist erfreulicherweise enthalten. Dass Esther Valentin ihre frische, farbenreiche Stimme flexibel zu führen weiß, zeigt sich an den beiden Liedern von William Balcam, an den Wolf-Liedern „Begegnung“ oder „Nimmersatte Liebe“ ebenso wie an dem witzig präsentierten „Die zu späte Ankunft der Mutter“ von Joseph Haydn, „Sonst“ von Hans Pfitzner oder den beiden zeitgenössischen Liedern von Moritz Eggert. Die russische Pianistin ist für die Sängerin nicht nur Begleiterin, sondern wirkt partnerschaftlich an der Gestaltung der sehr unterschiedlichen Lieder mit (GWK 144). Gerhard Eckels